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Otto von Bismarck – Wikipedia

Otto von Bismarck

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Dieser Artikel bezieht sich auf Otto von Bismarck, den ersten Reichskanzler des Deutschen Reiches. Weitere Bedeutungen unter Bismarck (Begriffsklärung).
Otto von Bismarck
Otto von Bismarck

Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen (seit 1865 Graf, seit 1871 Fürst von Bismarck-Schönhausen, seit 1890 Herzog zu Lauenburg) (* 1. April 1815 in Schönhausen; † 30. Juli 1898 in Friedrichsruh bei Hamburg) war langjähriger Ministerpräsident von Preußen und der erste Reichskanzler des Deutschen Kaiserreichs.

Er machte sich in Preußen zunächst als Vertreter der Interessen der Junker im Kreis der Konservativen einen Namen und war während der Reaktionsära Diplomat (1851-1862). Im Jahr 1862 wurde er zum preußischen Ministerpräsidenten berufen. Im preußischen Verfassungskonflikt kämpfte er für das Primat der Monarchie gegen die Liberalen. Als Außenminister setzte er im Deutsch-Dänischen Krieg und im Deutschen Krieg zwischen 1864 und 1866 die preußische Dominanz in Deutschland durch. Im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 war Bismarck als treibende Kraft an der Lösung der Deutschen Frage im kleindeutschen Sinn und an der Gründung des Deutschen Kaiserreichs beteiligt.

Dessen Politik bestimmte er als Reichskanzler bis zu seiner Entlassung 1890 entscheidend mit. Außenpolitisch setzte er auf einen Interessenausgleich der Mächte und baute ein breites Bündnissystem auf.

Innenpolitisch zerfielen die folgenden Jahrzehnten, in denen er mit einer kurzen Unterbrechung gleichzeitig Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident war, in zwei Phasen. Nach 1866 kam es zunächst zu einem Bündnis mit den gemäßigten Liberalen. In diese Zeit fielen zahlreiche innenpolitische Reformen, aber auch der Kulturkampf mit den Katholiken. Seit den späten 1870er Jahren wandte er sich zunehmend von den Liberalen ab. In diese Zeit fällt der Übergang zur Schutzzollpolitik und zu staatsinterventionistischen Maßnahmen. Dazu zählte insbesondere die Schaffung des Sozialversicherungssystems. Innenpolitisch geprägt waren die 1880er Jahre nicht zuletzt vom repressiven Sozialistengesetz. Meinungsunterschiede mit dem neuen Kaiser Wilhelm II. führten 1890 zur Entlassung Bismarcks.

In den folgenden Jahren spielte er als Kritiker seiner Nachfolger noch immer eine gewisse politische Rolle. Insbesondere durch seine viel gelesenen Memoiren „Gedanken und Erinnerungen“ wirkte er an seinem Bild in der deutschen Öffentlichkeit selbst maßgeblich und nachhaltig mit.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Jahre

Herkunft Jugend und Bildung

Bismarck im Alter von elf Jahren
Bismarck im Alter von elf Jahren

Otto von Bismarck entstammte dem Adelsgeschlecht von Bismarck und wurde am 1. April 1815 in Schönhausen bei Stendal an der Elbe (heute Sachsen-Anhalt) als zweiter Sohn des Rittmeisters Karl Wilhelm Ferdinand von Bismarck (1771-1845) und dessen Ehefrau Luise Wilhelmine, geb. Mencken, (1790-1839) geboren. Während die väterliche Familie ein in der Altmark alteingesessenes Junkergeschlecht war, hatte die bürgerliche Familie Mencken, der die Mutter entstammte, in der Vergangenheit Gelehrte und hohe Beamte hervorgebracht.

Im Jahr 1816 übersiedelte die Familie, ohne Gut Schönhausen aufzugeben, nach Gut Kniephof im Landkreis Naugard (Nowogard) in Hinterpommern, wo Otto von Bismarck die ersten Jahre seiner Kindheit verbrachte.

Die unterschiedliche soziale Herkunft der Eltern hatte erhebliche Folgen für Bismarcks Sozialisation. Vom Vater erbte Bismarck den Stolz auf seine Herkunft, von der Mutter bekam er nicht nur seinen scharfen Verstand, den Sinn für rationales Handeln und sprachliche Sensibilität mit, sondern auch den Wunsch, seinem Herkunftskreis zu entkommen. Bismarck hatte es seiner Mutter zu verdanken, dass er eine für einen Landedelmann untypische Bildung genoss. Ihre Söhne sollten nicht nur Junker sein, sondern in den Staatsdienst eintreten. Allerdings führte die streng auf das Rationale abzielende Erziehung durch die Mutter dazu, dass sich Bismarck, wie er später schrieb, in seinem Elternhaus nie wirklich heimisch fühlte. Während er der Mutter reserviert gegenüber stand, hat er den Vater geliebt.[1]

Plamannsche Erziehungsanstalt und Schulen

Anstatt wie für einen Landadeligen üblich in einer Kadettenanstalt erzogen zu werden, kam er auf Wunsch der Mutter im Alter von sechs Jahren (von 1822 bis 1827) in ein Berliner Internat, die Plamannsche Erziehungsanstalt, in die hohe Beamte ihre Söhne zu schicken pflegten und die von einem deutsch-nationalen Milieu geprägt war. Der Übergang vom kindlichen Spiel auf dem heimischen Hof hin zu der von Zwang und Disziplin geprägten Internatszeit fiel Bismarck außerordentlich schwer. In dieser Zeit prägte sich Bismarcks Unwillen Autoritäten anzuerkennen deutlich aus.

Im Jahr 1827 wechselte Bismarck auf das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, und ab 1830 besuchte er bis zum Abitur 1832 das humanistische Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster. Abgesehen vom Altgriechischen, das Bismarck bald als überflüssig ansah, zeigte er sich in der Schule als ausgesprochen sprachbegabt, wenn auch nicht immer fleißig.[2]

Religion

Bismarck war Angehöriger der lutherischen Konfession. Den Religionsunterricht erhielt er von Friedrich Schleiermacher, der den Sechzehnjährigen in der Berliner Dreifaltigkeitskirche auch konfirmierte. Da er sich mit Religionsfragen zu dieser Zeit hauptsächlich vom Verstand her befasste, sah er sich - von fehlgedeuteten Schriften Hegels über Spinoza beeinflusst - rückblickend eher als Deist und Pantheist [3] denn als gläubiger Christ. Ein Atheist war er allerdings nie, auch wenn seine Umgebung ihn zumeist für einen gottlosen Spötter hielt. „Ich bemerke nur, dass Du mir zu wenig Besonnenheit zumutest, wenn Du mich für einen Atheisten hältst." schrieb er zur Zeit seines Referendariats 1836 an seinen Bruder Bernhard.[4] Erst durch Kontakt mit Marie von Thadden-Trieglaff erhielt Bismarck einen emotionalen Zugang zur Religion.

Studium und Ausbildung

Otto von Bismarck 1836
Otto von Bismarck 1836

Nach dem Abitur nahm Bismarck als Siebzehnjähriger am 10. Mai 1832 das Studium der Rechtswissenschaften auf (1832–1835), und zwar zunächst an der Universität Göttingen (1832–1833). Die politischen Nachwehen im Gefolge der Julirevolution lehnte Bismarck nachdrücklich ab. Es war daher auch kein Zufall, dass er sich nicht den damals oppositionellen Burschenschaften, sondern der schlagenden landsmannschaftlichen Studentenverbindung Corps Hannovera Göttingen anschloss. Er verbrachte nicht wenig Zeit auf dem Fechtboden und beteiligte sich am trinkfreudigen Leben der Verbindung. Er war zwar ernsthaft an Geschichte und Literatur interessiert, sein eigentliches Studium betrieb er allerdings sehr nachlässig. Der einzige akademische Lehrer, der ihn beeindruckt und wohl auch beeinflusst hatte, war der Historiker Arnold Hermann Ludwig Heeren, der in seinen Vorlesungen die Funktionsweise des internationalen Staatensystems skizzierte. Eine engere persönliche Beziehung baute er zu dem späteren amerikanischen Diplomaten John Lothrop Motley auf, der Zeit seines Lebens einer der wenigen persönlichen Freunde Bismarcks blieb.[5]

Ab November 1833 setzte Bismarck sein Studium an der Universität in Berlin fort, wo er es 1835 mit dem ersten Staatsexamen abschloss. Anschließend war er zunächst Auskultator beim Berliner Stadtgericht. In dieser Zeit arbeitete Bismarck für seine bisherigen Verhältnisse hart. Auf eigenen Wunsch wechselte er vom Justiz- in den Verwaltungsdienst über. Die nötigen Prüfungen absolvierte Bismarck erfolgreich. Als Regierungsreferendar war er darauf hin bei Behörden in Aachen tätig.

Der bürokratische Alltag langweilte Bismarck rasch. In Aachen, das damals ein mondäner internationaler Kurort war, suchte er Abwechslung in Liebesaffären und im Glücksspiel: Im August verliebte er sich in Laura Russell, die Nichte des Herzogs von Cumberland. Nach einem amourösen Abenteuer mit einer sechsunddreißigjährigen Französin reiste er im Sommer 1837 mit der siebzehnjährigen Engländerin Isabella Loraine-Smith, einer Freundin Laura Russells, durch Deutschland – und verlor wegen der mehrwöchigen Überschreitung eines vierzehntägigen Urlaubs sein Referendariat. Um Frauen zu imponieren, gab Otto von Bismarck weit mehr Geld aus, als ihm zur Verfügung stand, und als er sein Glück in Spielkasinos versuchte, vergrößerte er bloß den Schuldenberg. Dadurch blieb er monatelang seinen Dienstgeschäften fern. Später versuchte er in Potsdam seine Referendarszeit fortzusetzen, kehrte dem Staatsdienst aber nach einigen Monaten den Rücken zu. Er begründete diesen Schritt später damit, dass er kein bloßes Rädchen im Getriebe der Bürokratie sein wollte. „Ich will aber Musik machen, wie ich sie für gut erkenne, oder gar keine.“[6]

Im Jahr 1838 leistete Bismarck als Einjährig-Freiwilliger seinen Militärdienst ab, zunächst beim Garde-Jäger-Bataillon. Im Herbst wechselte er zum Jäger-Bataillon Nr. 2 nach Greifswald (Pommern).

Gutsherr, Lebemann und Verheirateter

Johanna von Bismarck, 1857
Johanna von Bismarck, 1857

Nach dem Tod seiner Mutter 1839 bezog er das pommersche Gut Kniephof und wurde Landwirt. Gemeinsam mit seinem um fünf Jahre älteren Bruder Bernhard bewirtschaftete er die väterlichen Güter Kniephof, Külz und Jarchlin im hinterpommerschen Kreis Naugard. Nachdem Bernhard von Bismarck 1841 zum Landrat gewählt worden war, kam es zu einer vorläufigen Teilung: Bernhard von Bismarck bewirtschaftete Jarchlin und Otto von Bismarck Külz und Kniephof. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1845 übernahm Otto von Bismarck die Bewirtschaftung des Bismarckschen Besitzes Schönhausen bei Stendal.

In kurzer Zeit nach dem Beginn seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit erwarb Bismarck gute Kenntnisse in der rationalen landwirtschaftlichen Betriebsführung. Es gelang in den etwa zehn Jahren, in denen er als Verwalter des elterlichen Besitzes lebte, nicht nur die Güter zu sanieren, sondern auch die eigenen in den zurückliegenden Jahren aufgehäuften Schulden zurückzuzahlen.

Einerseits war er zufrieden sein eigener Herr zu sein, andererseits füllte ihn diese Beschäftigung nicht wirklich aus. Er beschäftigte sich intensiv aber unsystematisch mit Philosophie, Kunst, Religion und Literatur, ohne dass ihn dies nachhaltig geprägt hätte. Im Jahr 1842 unternahm er eine Studienreise nach Frankreich, England und in die Schweiz. Den Versuch, 1844 wieder in den Staatsdienst zurückzukehren, brach Bismarck erneut wegen seiner antibürokratischen Haltung ab.

Die Unzufriedenheit mit seinem Dasein versuchte Bismarck mit Zechgelagen, zahlreichen Jagden und einem intensiven gesellschaftlichen Leben zu überdecken. Dies brachte ihm den Ruf des „tollen Bismarck“ ein.[7]

Durch Moritz von Blankenburg, einen Schulfreund aus Berlin, kam Otto von Bismarck in Kontakt mit dem Kreis von Pietisten um Adolf von Thadden-Trieglaff, mit dessen Tochter Marie von Thadden Blankenburg verlobt war. Marie von Thadden und Otto von Bismarck fühlten sich als verwandte Seelen, aber für die junge Frau kam die Auflösung ihrer Verlobung nicht in Frage. Im Oktober 1844 heiratete sie ihren Bräutigam. Bei der Hochzeitsfeier wählte sie ihre zwanzigjährige Freundin Johanna von Puttkamer als Tischdame für Otto von Bismarck, und im Sommer 1846 reisten das Ehepaar von Blankenburg, Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer gemeinsam in den Harz. Nach dem unerwarteten Tod Maries am 10. November 1846 hielt Otto von Bismarck in dem bekannten Brautbrief an Johannas Vater um deren Hand an. Als der Gutsbesitzer Heinrich von Puttkamer hinhaltend antwortete, reiste Bismarck nach Reinfeld bei Rummelsburg in Hinterpommern – und überzeugte die Eltern Johannas im persönlichen Gespräch. Im Jahr 1847 heiratete er diese in Reinfeld (Landkreis Rummelsburg i. Pom.). Seit dieser Zeit spielte der Glaube an einen persönlichen Gott für Bismarck eine zentrale Rolle.[8]

Der Ehe entstammen seine Kinder Marie (1848–1926), Herbert (1849–1904) und Wilhelm (1852–1901). Seine Ehefrau ordnete ihre Bedürfnisse denen von Bismarck unter und bot ihm zugleich - anders als seine Mutter - eine feste emotionale Bindung. Die Briefe, die beide austauschten, gehören zu den Höhepunkten der Briefliteratur des 19. Jahrhunderts.[9]

Politische Anfänge

Konservativer Agitator

Bismarck und König Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1848 (Zeichnung von Hermann Lüders)
Bismarck und König Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1848 (Zeichnung von Hermann Lüders)

Bismarcks politisches Wirken begann auf der Kommunalebene. In seiner Zeit auf Gut Kniephof war er Deputierter des Kreises Naugard und unterstützte in einigen Fällen seinen Bruder bei dessen Tätigkeit als Landrat. Über seinen pietistischen Freundeskreis kam Bismarck dann etwa 1843/44 in Kontakt zu führenden konservativen Politikern, insbesondere zu den Gebrüdern Gerlach (Ernst Ludwig und Leopold). Nicht zuletzt um diese Verbindung auszubauen, hatte Bismarck den Kniepshof 1845 verpachtet und war nach Schönhausen umgezogen. Dieser Ort lag näher an Magdeburg, dem damaligen Dienstsitz von Ludwig von Gerlach. Sein erstes öffentliches Amt erhielt er 1846 durch die Ernennung zum Deichhauptmann in Jerichow.

Sein Hauptanliegen in dieser Zeit war es, die Vormachtstellung des landbesitzenden Adels in Preußen zu bewahren. Den absolutistisch-bürokratischen Staat lehnten die Konservativen ab und träumten von einer Wiedereinführung der Mitregierung der Stände insbesondere des Adels.[10] Zusammen mit den Brüdern Gerlach trat er etwa für die Bewahrung der Patrimonialgerichtsbarkeit ein. Als Nachrücker wurde Bismarck als Vertreter der Ritterschaft der Provinz Sachsen 1847 Mitglied des Vereinigten Landtag. In diesem von der gemäßigten liberalen Opposition dominierten Gremium fiel Bismarck bereits in seiner ersten Plenarrede als strikt konservativer Politiker auf, als er bestritt, dass es bei den Befreiungskriegen auch um die Durchsetzung liberaler Reformen gegangen wäre. In der „Judenfrage“ sprach er sich klar gegen die politische Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung aus. Diese und ähnliche Positionen führten bei den Liberalen zu empörten Reaktionen. Bismarck fand in dieser Zeit in der politischen Betätigung ein seinen Neigungen entgegenkommendes Betätigungsfeld. „Die Sache ergreift mich viel mehr als ich dachte.“[11] Die Leidenschaft des politischen Kampfes ließ ihn kaum essen und schlafen. Am Ende der Versammlung hatte sich Bismarck in den konservativen Kreisen einen Namen gemacht, und auch der König war auf ihn aufmerksam geworden.[12] Auch wenn er eindeutig konservative Positionen vertrat, war Bismarck bereits in dieser Zeit auch Pragmatiker und bereit, vom politischen Gegner zu lernen. Dies traf etwa auf den Plan zu, eine konservative Zeitung als Gegengewicht zu der liberalen Deutsche Zeitung zu gründen.[13]

Bismarck lehnte die Märzrevolution entschieden ab. Als ihn die Nachricht über den Erfolg der Bewegung in Berlin erreicht hatte, bewaffnete er in Schönhausen die Bauern und schlug vor, mit diesen nach Berlin zu ziehen. Der in Potsdam kommandierende General Karl von Prittwitz lehnte dieses Angebot jedoch ab. Danach versuchte Bismarck, Prinzessin Augusta, die Gattin des späteren Königs Wilhelm I., von der Notwendigkeit einer Gegenrevolution zu überzeugen. Diese lehnte das Ansinnen als intrigant und illoyal ab. Bismarcks Verhalten führte dazu, dass er sich die dauerhafte Ablehnung der späteren Königin zuzog. Nach der Anerkennung der Revolution durch Friedrich Wilhelm IV. waren Bismarcks gegenrevolutionären Pläne vorerst gescheitert.

In die preußische Nationalversammlung wurde Bismarck nicht gewählt. Dafür beteiligte er sich an der außerparlamentarischen Sammlung des konservativen Lagers. Im Sommer 1848 war Bismarck an der Gründung und inhaltlichen Ausgestaltung der „Neuen Preußischen Zeitung“ (wegen des Kreuzes auf dem Titelblatt auch „Kreuzzeitung“ genannt) beteiligt. Für das Blatt schrieb er zahlreiche Beiträge. Im August 1848 war Bismarck einer der maßgeblichen Initiatoren des sogenannten Junkerparlaments. Zu diesem kamen mehrere hundert adelige Gutsbesitzer zusammen, um gegen den Eingriff in ihr Eigentum zu protestieren.[14]

Diese Aktivitäten führten dazu, dass ihn die konservative Kamarilla um den König immer mehr schätzte. Seine Hoffnung, nach der Gegenrevolution im November 1848 mit einem Ministerposten belohnt zu werden, erfüllten sich nicht, da er selbst in konservativen Kreisen als zu extrem galt. Als Randbemerkung auf eine entsprechende Vorschlagsliste schrieb der König. „Nur zu gebrauchen, wo das Bajonett schrankenlos waltet.“[15]

Hinwendung zur Realpolitik

Bismarck war Schriftführer im Volkshaus des Erfurter Unionsparlaments
Bismarck war Schriftführer im Volkshaus des Erfurter Unionsparlaments

Im Januar 1849 und auch im Juli 1849 wurde Bismarck in die zweite Kammer des preußischen Landtages gewählt. In dieser Zeit beschloss er, sich ganz der Politik zu widmen und zog mit seiner Familie nach Berlin. Bismarck war damit einer der ersten Berufspolitiker in Preußen.[16] Im Parlament trat er als Sprachrohr der Ultrakonservativen auf. So verteidigte er die Ablehnung des Kaisertitels durch Friedrich Wilhelm IV. weil er befürchtete, dass damit Preußen in Deutschland aufgehen würde. Die nationale Frage war für ihn gegenüber der Sicherung der preußischen Macht zweitrangig.

Die Unionspolitik von Joseph von Radowitz und dem König mit dem Ziel, die deutsche Einheit von oben umzusetzen, hielt Bismarck für unrealistisch. Im preußischen Parlament machte er aus seiner Kritik an den Plänen keinen Hehl. Seine Rede vom 6. September 1849 veränderte die Haltung interessierter politischer Kreise zu ihm: Er galt fortan wegen seiner abwägenden und flexiblen Argumentation auch in den eigenen konservativen Reihen nicht mehr nur als Scharfmacher. Bismarck empfahl sich damit erstmals für einen Posten im hohen Staatsdienst oder in der Diplomatie.[17] Trotz seiner Kritik wurde Bismarck zum Mitglied des Volkshauses des Erfurter Unionsparlaments gewählt und wurde in diesem Schriftführer.

In Erfurt entwickelte sich Bismarck trotz seiner grundsätzlichen Ablehnung des Parlamentarismus zu einem der besten Parlamentsredner der Zeit, dem auch der politische Gegner wegen seiner bilder- und pointenreichen Sprache Aufmerksamkeit schenkte.

Nach dem Scheitern der Unionspläne übernahm Bismarck die schwierige Aufgabe, im preußischen Parlament die Olmützer Punktation zu verteidigen. Er schaffte es dabei einerseits, konservative Standpunkte zu vertreten, andererseits sich zu einer ideologiefernen staatlichen Machtpolitik zu bekennen. „Die einzige gesunde Grundlage eines großen Staates, und dadurch unterscheidet er sich wesentlich von einem kleinen Staate, ist der staatliche Egoismus und nicht die Romantik, und es ist eines großen Staates nicht würdig, für eine Sache zu streiten, die nicht seinen eigenen Interessen angehört.“[18][19] Mit seiner Betonung des Staates, der Macht- und Interessenpolitik hat sich Bismarck vom traditionellen Konservatismus entfernt, der ja gerade aus der Gegnerschaft zum modernen, zentralen, bürokratischen und absolutistischen Staat entstanden war.[20]

Diplomat

Bundestagsgesandter

Das Palais Thurn und Taxis in Frankfurt, Sitz des Bundestages
Das Palais Thurn und Taxis in Frankfurt, Sitz des Bundestages

Obwohl Bismarck keine diplomatische Ausbildung besaß, wurde er am 18. August 1851 von Friedrich Wilhelm IV. auf Betreiben von Leopold von Gerlach zum preußischen Gesandten beim Bundestag in Frankfurt ernannt. Die Stellung in Frankfurt war nach Bismarcks Einschätzung zu dieser Zeit der wichtigste Posten der preußischen Diplomatie. Diese Ernennung wurde in der Öffentlichkeit als Symbol für den Sieg der sozialen und politischen Reaktion sowie als Kapitulation Preußens gegenüber Österreich gewertet.[21] In Frankfurt handelte Bismarck jedoch sehr eigenständig. Er befand sich dabei zeitweise sogar im Gegensatz zur Berliner Regierungspolitik.[22]

Allerdings machte er als Abgeordneter deutlich, dass er noch immer ein Mann der Hochkonservativen war. Seine Haltung in einer Kammerdebatte führte am 25. März 1852 zu einem Pistolenduell mit dem liberalen Abgeordneten Georg von Vincke, bei dem jedoch keiner der beiden Duellanten getroffen wurde.[23]

Auch als Preußen und Österreich nach dem Ende der Unionspolitik zusammenarbeiteten, wollte sich Bismarck der vom österreichischen Ministerpräsidenten Felix zu Schwarzenberg Preußen zugedachten Rolle als Juniorpartner nicht abfinden. Ihm und letztlich auch der Regierung in Berlin ging es darum, die Anerkennung Preußens als gleichberechtigte Macht durchzusetzen. Zu diesem Zweck suchte er ständig die Auseinandersetzung mit den österreichischen Gesandten, griff Wien scharf an und legte zeitweise sogar die Arbeit des Bundestages lahm, um die Grenzen der österreichischen Kompetenzen in Frankfurt zu demonstrieren. Am Scheitern von Österreichs Wunsch, dem deutschen Zollverein beizutreten, war er ebenfalls beteiligt. Die Entscheidung der preußischen Regierung 1854 vor dem Hintergrund des Krimkrieges, das Schutz- und Trutzbündnis mit Österreich zu erneuern, stieß bei Bismarck auf Kritik. Als Österreich sich danach offen gegen Russland wandte, gelang es Bismarck 1855, durch geschicktes Taktieren den Antrag Österreichs zur Mobilisierung der Bundestruppen gegen Russland abzuwenden. Dieser Erfolg ließ Bismarcks diplomatisches Ansehen steigen. Nach der Niederlage Russlands im Krimkrieg plädierte Bismarck in verschiedenen Denkschriften für eine Anlehnung an das Zarenreich und Frankreich, um so Österreich weiter zu schwächen. Besonders ausführlich legte er sein außenpolitisches Konzept in der sogenannten „Prachtschrift“ von 1856 nieder. Seine Äußerungen führten zu einem heftigen Konflikt mit den Hochkonservativen um die Gebrüder Gerlach, die in Napoléon III. nur einen Vertreter des revolutionären Prinzips und einen „natürlichen Feind“ sahen. Bismarck antwortete, dass ihm die Legitimität der Staatsoberhäupter letztlich egal sei, für ihn standen nicht die konservativen Grundsätze, sondern die Staatsinteressen im diplomatischen Geschäft im Mittelpunkt. Im Lager der Konservativen galt er zunehmend als egoistischer Opportunist.[24]

Gesandter in St. Petersburg und Paris

Bismarck als preußischer Gesandter in Paris
Bismarck als preußischer Gesandter in Paris

Der Konflikt mit den Gerlachs hatte aber auch innenpolitische Gründe. Nach der Übernahme der Regentschaft durch Prinz Wilhelm im Jahr 1857 verloren die Hochkonservativen an Einfluss, stattdessen nahm die Bedeutung der gemäßigt liberal-konservativen Wochenblattpartei zu. In der beginnenden Neuen Ära versuchte auch Bismarck durch eine gewisse Distanzierung von den extremen Konservativen seine Position zu behaupten. In einer umfangreichen Denkschrift sprach er nunmehr auch von einer „nationalen Mission“ Preußens und von einem Bündnis mit der national-liberalen Bewegung. Damit hatte Bismarck einen bemerkenswerten Kurswechsel vollzogen. Allerdings ging es ihm nicht um den Kampf für die deutsche Einheit um derer selbst Willen, sondern das Ziel war es den deutschen Nationalismus zur Stärkung der preußischen Macht dienstbar zu machen.[25]

Das Kalkül, sich dem veränderten politischen Klima in Preußen anzupassen, ist allerdings nicht ganz aufgegangen. Bismarck wurde im Januar 1859 nach St. Petersburg versetzt. Er selbst sprach davon, dass er an der Newa kalt gestellt worden wäre. Der Wechsel fiel der Familie schwer. Die Eheleute Bismarck hatten in Frankfurt die glücklichste Zeit ihrer Ehe erlebt. Allerdings erweiterte Bismarck seine diplomatischen Kenntnisse und erfreute sich des Wohlwollens des russischen Hofes und des Kaiserpaares. Sein Ehrgeiz richtete sich aber zunehmend auf die höchsten Ämter im preußischen Staat. Er beobachtete genau die Entwicklung des preußischen Verfassungskonflikts. Die Hoffnung, bereits im April 1862 zum Ministerpräsidenten ernannt zu werden erfüllte sich nicht, stattdessen wurde er Gesandter in Paris. Dieser Posten war für ihn allerdings von Beginn an nur eine Wartestellung.

In diese Zeit fiel mit der von seiner Ehefrau geduldeten Liebesaffäre mit Katharina Orloff, der Ehefrau des russischen Gesandten in Belgien, die letzte private Eskapade Bismarcks, ehe er sich ausschließlich der Politik widmete.[26]

Preußischer Ministerpräsident

Wilhelm I.
Wilhelm I.

Berufung

In Berlin verfestigte sich inzwischen die ablehnende Haltung der Liberalen gegen die geplante Heeresreform. Die Notwendigkeit einer solchen Reform wurde eigentlich von Niemandem ernsthaft in Frage gestellt. Im Gegensatz zu den anderen Großmächten war die preußische Armee seit 1815 kaum gewachsen. Selbst im Vergleich mit Österreich waren die preußischen Streitkräfte deutlich schwächer. Die offiziell bestehende Wehrpflicht, existierte eigentlich nur noch auf dem Papier und seit längerem gab es Bemühungen, die Landwehr an die reguläre Armee heranzuführen. In der Sache wäre eine Einigung mit den Liberalen bei Heeresvorlage möglich gewesen. Wilhelm I. jedoch glaubte, dass ein Nachgeben die Krone schwächen würde.[27]

Dies bestärkte die Liberalen in ihrer Kritik und das Abgeordnetenhaus verweigerte die dazu nötigen Finanzmittel. Im März 1862 wurde das Parlament aufgelöst und eine neue Regierung gebildet. Statt der gemäßigten Liberalen der Neuen Ära hatten in dieser Regierung Konservative wie der Kriegsminister Albrecht von Roon das Sagen. Aus den Neuwahlen ging die neugegründete Fortschrittspartei allerdings als Siegerin hervor, während die Zahl der konservativen Abgeordneten stark abnahm. Wilhelm I. erwog in dieser Situation den Rücktritt zu Gunsten seines Sohnes, dem späteren Kaiser Friedrich III..

General Roon sah in der Ernennung Bismarcks zum Ministerpräsidenten die einzige Möglichkeit, den Thronwechsel zu Gunsten des als liberal geltenden Kronprinzen zu verhindern. Mit einem Telegramm: „Periculum in mora. Dépêchez-vous!“ („Gefahr im Verzuge. Beeilen Sie sich!“) rief Roon Bismarck nach Berlin zurück. Nach 25 Stunden Bahnfahrt traf Otto von Bismarck am 20. September 1862 wieder in Berlin ein und wurde zwei Tage später, am 22. September 1862 von König Wilhelm I. im Schloss Babelsberg empfangen. Der Monarch spielte mit dem Gedanken, zugunsten seines Sohnes zurückzutreten, weil er durch die seit Jahren anhaltenden Auseinandersetzungen mit dem Preußischen Abgeordnetenhaus über eine geplante Heeresreform zermürbt war. Über den Inhalt und Verlauf liegt nur der Bericht Bismarcks selbst vor, der aber im Gegensatz zu anderen Teilen seiner Erinnerungen im Kern korrekt sein dürfte. Bismarck wollte den immer noch zögernden König emotional überzeugen, indem er sich zum unbedingten Gefolgsmann von Wilhelm I. stilisierte.[28] Diesem sagte Bismarck die Durchsetzung der Heeresreform zu. Er stimmte mit Wilhelm I. außerdem überein, dass es sich bei dem Konflikt um eine grundlegende Auseinandersetzung handele. Es sei der Kampf zwischen „königlichem Regiment oder Parlamentsherrschaft und dass die letztere notwendig und auch durch eine Periode der Diktatur abzuwenden sei.“[29] Der König fragte Bismarck, ob er bereit sich für die Heeresreform ohne Abstriche einzusetzen und an der Reform, notfalls auch gegen die Mehrheitsbeschlüsse des Abgeordnetenhauses, festhalte. Bismarck bejahte beides. Der König antwortete, von der Entschlossenheit Bismarcks beeindruckt: „Dann ist es meine Pflicht, mit Ihnen die Weiterführung des Kampfes zu versuchen und ich abdiziere nicht.[30] Stattdessen ernannte er Bismarck zum Ministerpräsidenten und Außenminister.[31]

Beziehung zum König und Grundsätze

Das Ernennungsgespräch legte die Grundlage für die ungewöhnliche Beziehung zwischen dem König und Bismarck in den folgenden Jahrzehnten. Indem sich der künftige Ministerpräsident als „kurbrandenburgische Vasall“ bezeichnete, der seinen Lehnsherr in Gefahr sieht und versichert alles in seiner Macht stehende dem König zur Verfügung zu stellen, gewann Bismarck das volle Vertrauen des Königs. Mit der unbedingten Erklärung die Ziele des Königs notfalls auch gegen die Parlamentsmehrheit durchzusetzen, hatte Bismarck, wie Lothar Gall argumentiert, sich eine Blankovollmacht verschafft, die seinen Handlungsspielraum über das übliche Maß eines leitenden Minister hinaus erweiterten. Zwar kam es in den nächsten Jahren immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten, grundsätzlich aber konnten diese das Vertrauen des Königs zu Bismarck nicht erschüttern.[32]

Bismarck blieb zwar ein Konservativer, hatte sich jedoch von der unbedingten Orientierung des Handelns an die konservative Ideologie längst gelöst. Ideale, Theorien und Prinzipien waren nebenrangig, das einzige, was für ihn zählte, waren die Interessen der Staaten. Er zielte daher auf die Machterweiterung Preußens ab. Die Bewahrung des preußischen Großmachtsanspruchs war nach seiner Ansicht nur möglich durch die Gewinnung einer hegemonialen Stellung Preußens in Europa zu Lasten Österreichs mit Duldung der übrigen europäischen Mächte. Nationalismus im landläufigen Sinn spielte für ihn dabei keine Rolle, sondern er verstand dies als außenpolitischen Realismus. Dabei setzte er darauf, dass außenpolitische Erfolge sich auch innenpolitisch positiv auswirken würden. Bismarck wollte die Monarchie und den Obrigkeitsstaat ebenso wie die Machtstellung des Militärs und des Adels erhalten. Erste Priorität hatte aber im Zweifelsfall die Macht des Staates. Eben dies ermöglichte ihm zeitweise das Bündnis mit der nationalen und liberalen Bewegung.[33]

Verfassungskonflikt

Bismarck als Ministerpräsident
Bismarck als Ministerpräsident

Am Anfang dominierte in weiten Teilen der politischen Öffentlichkeit bis hinein ins konservative Lage die Ablehnung Bismarcks, der noch immer als extremer Reaktionär galt. Er hatte es daher schwer geeignete Minister zu finden. Bismarck schrieb: „Wir sind froh, wenn wir acht Männer finden und halten.[34] Das erste Kabinett Bismarcks bestand daher in der Mehrzahl aus eher zweitrangigen Persönlichkeiten. Unter ihnen waren Carl von Bodelschwingh, Heinrich Friedrich von Itzenplitz oder Gustav von Jagow. In seinen Erinnerungen urteilte er, dass einige Minister „nicht im Stande [waren] ihre Ministerien zu leiten,“ sie seien mit Ausnahme von Roon ohne Verständnis für die politische Gesamtlinie und einige außerdem „arbeitsscheu und vergnügungssüchtig.[35]

Vor diesem Hintergrund war Bismarck die alles entscheidende Persönlichkeit. Als Chef eines Konfliktministeriums berufen, dominierte klar die Auseinandersetzung mit den Liberalen. Bismarck versuchte anfangs, neben Drohungen mit der Opposition zu einem gewissen Ausgleich zu kommen. Dies scheiterte, weil er mit einigen seiner Äußerungen das Bild eines stockkonservativen Politikers erweckte. Berühmt geworden ist die Aussage: „Nicht auf Preußens Liberalismus sieht Deutschland, sondern auf seine Macht. (…) Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – sondern durch Eisen und Blut.[36][37]

Eigentlich war die Rede als weitgehendes Bündnisangebot an die liberale und nationale Bewegung gedacht gewesen, in der Öffentlichkeit hat sie allerdings dazu beigetragen, dass Bismarck noch stärker als zuvor als Gewaltpolitiker galt.[38] In der Folge gab Bismarck seinen Schlingerkurs auf und bekämpfte die Liberalen nun mit aller Schärfe. Zu seinen zeitweiligen antiliberalen Plänen gehörte auch die Idee eines Bündnisses mit der sozialdemokratischen Bewegung. Mit Ferdinand Lassalle hat sich Bismarck 1863 mehrfach getroffen, ohne dass dies jedoch praktische Auswirkungen gehabt hätte. Das Parlament wurde vertagt. Damit regierte er im Herbst 1862 ohne ordnungsgemäßen Haushalt. Nach der Wiedereinberufung Anfang des folgenden Jahres rechtfertigte er sich mit der berühmt gewordenen Lückentheorie. Danach basierte das normale staatliche Handeln auf Kompromissen zwischen der Krone, dem Herrenhaus und dem Abgeordnetenhaus. Weigert sich eine der Seiten nachzugeben, käme es zu Konflikten, „… und Konflikte, da das Staatsleben nicht stillzustehen vermag, werden zu Machtfragen; wer die Macht in den Händen hat, geht dann in seinem Sinne vor, weil das Staatsleben auch nicht einen Augenblick stillstehen kann.[39]

Dahinter stand Bismarcks Auslegung, dass der Fall eines unauflöslichen Dissens zwischen Monarch und Parlament in der Verfassung nicht geregelt sei. Demnach läge eine Lücke vor, die durch die Prärogative des Königs geschlossen werden müsse. Diese Auslegung der Rechtslage war nach Auffassung vieler Zeitgenossen schlicht ein Verfassungsbruch. Maximilian von Schwerin-Putzar meinte, dass dies bedeute „Macht geht vor Recht,“ bislang beruhte die Größe Preußens und die Anerkennung des Königshauses auf dem Grundsatz „Recht geht vor Macht. Justitia fundamentum regnorum! Das ist der Wahlspruch der preußischen Könige, und er wird es fort und fort bleiben.“[40]

Trotz heftiger Proteste, öffentliche Kritik kam sogar vom Thronfolger, dem späteren Friedrich III., und der allgemeinen Erwartung eines Scheiterns der Regierung, überlebte Bismarck die Krise politisch. Gegen hohe liberale Beamte, auch und gerade gegen Abgeordnete aus deren Reihen, ging Bismarck mit repressiven Mitteln bis hin zu Entlassungen vor. Gleichzeitig wurde die Pressefreiheit in Missachtung der Verfassung praktisch abgeschafft.

An der verfahrenen politischen Situation änderte sich freilich nichts. Die Verfassungskrise blieb bis 1866 ungelöst und wurde zu einer Art Stellungskrieg. Bismarck versuchte die Opposition zu ermüden. Er regierte mit dem Staatsapparat und lange Zeit wurde das Parlament gar nicht erst einberufen. Aufgelöst wurde es erneut am 9. Mai 1866. Anfangs spielte Bismarck zwar selbst mit dem Gedanken eines Staatsstreichs durch Abschaffung von Wahlrecht und Verfassung, aber auf Dauer lehnte er solche von konservativer Seite erhobenen Forderungen ab, da dies für ihn keine langfristig stabile politische Option war.[41]

Bismarck versuchte mit außenpolitischen Erfolgen innenpolitisch Druck auf die Opposition zu machen. Anfangs ging dieses Kalkül nur sehr bedingt auf. Das erste Abkommen, die Alvenslebensche Konvention vom 8. Februar 1863 zur Unterstützung Russlands gegen den Aufstand in Polen stieß in Preußen selbst in konservativen Kreisen auf breite Ablehnung. Der Druck von Seiten Großbritanniens und Napoleon III. machten die Konvention wertlos.

Österreich sah Bismarck geschwächt und versuchte diese Situation zu nutzen, um eine Reform des Deutschen Bundes zu Gunsten der Habsburgermonarchie durchzusetzen. Nur mit Mühe gelang es Bismarck, Wilhelm I. die Teilnahme an dem geplanten Fürstentag in Frankfurt auszureden. Der Ministerpräsident legte daraufhin als Gegenschlag die preußische Vorstellungen einer Bundesreform vor. Diese zielten wie schon früher auf gleiche Rechte von Österreich und Preußen. Neu aber war die Forderung nach einer „aus direkter Beteiligung der ganzen Nation hervorgehenden Nationalvertretung.“[42] Dies war nicht mehr und nicht weniger als ein Bündnisangebot Preußens an die bürgerlich eng mit dem Liberalismus verbundene Nationalbewegung. Kurzfristig nützte ihm das nichts, konnte er doch angesichts des Verfassungskonflikts kein Partner der Liberalen sein. Die Opposition in Preußen konnte bei den Neuwahlen Ende Oktober 1863 ihre Position behaupten.[43]

Deutsch-Dänischer Krieg

Die Frage einer Bundesreform wurde überdeckt durch den erneut aufbrechenden Konflikt um Schleswig-Holstein. Nach dem Tod von Friedrich VII. von Dänemark entbrannte ein Streit um die Zukunft der beiden Herzogtümer. Friedrich von Augustenburg beanspruchte die Länder für sich. Die deutsche nationale Bewegung unterstützte diesen und forderte die Vereinigung der beiden Länder und deren Eingliederung als eigenständiger Staat in den deutschen Bund. Dagegen kündigte der neue dänische König Christian IX., der seinerseits unter dem Druck der dänischen Nationalbewegung stand, an, Schleswig in den dänischen Staatsverband zu integrieren. Bismarck lehnte, zur Enttäuschung der nationalen und liberalen Bewegung, beide Positionen ab. Er strebte vielmehr mittelfristig die Einbindung der beiden norddeutschen Herzogtümer in den preußischen Machtbereich an. Zum Zeitpunkt der Krise war dies allerdings außenpolitisch nicht durchsetzbar. Aber an einem neuen Augustenburger Staat hatte er ebenso wie Österreich, dass in einer „nationalen Lösung“ der Schleswig-Holstein Frage eine Gefahr für den eigenen Vielvölkerstaat ansah, ein Interesse. Vor diesem Hintergrund konnte es noch einmal zu einer Zusammenarbeit der beiden deutschen Großmächte kommen.

Bismarcks Politik in der schleswig-holsteinischen Krise folgte, wie auch später keinem festen Plan. Er ging vielmehr davon aus, dass die Umstände denjenigen am meisten begünstigen würden, der sich von diesen leiten lässt, ihnen Lösungen abgewinnt und sie ihnen nicht aufzuzwingen versucht.[44]

Erstürmung der Düppeler Schanzen
Erstürmung der Düppeler Schanzen

Bismarck trat geschickt als Verteidiger des bestehenden Völkerrechts auf und forderte von Dänemark, wieder auf den Boden der Londoner Verträge von 1852 zurückzukehren. Mit dieser Strategie wurden die europäischen Großmächte beruhigt und Österreich stellte sich an die Seite Preußens. Die übrigen deutschen Bundesstaaten und der deutsche Bundestag wurden dadurch weitgehend marginalisiert. Tatsächlich erklärten Bismarck und der österreichische Gesandte Alajos Károlyi in Berlin, dass beide Großmächte das Recht beanspruchten, sich über die Beschlüsse des Bundestages hinwegzusetzen. Damit war das Bestehen des Bundes erstmals von beiden deutschen Großmächten in Frage gestellt worden.[45]

Im Gegensatz zu früheren Kriegen Preußens lag die eigentliche Führung nicht beim König oder den hohen Militärs, sondern bei Bismarck. Die militärischen Schritte wurden dabei dem politischen Kalkül des Ministerpräsidenten untergeordnet. Als der Oberbefehlshaber General Friedrich von Wrangel eigenmächtig vorging, wurde er auf Betreiben Bismarcks abgelöst.[46]

Nach dem Sieg Preußens an den Düppelner Schanzen am 18. April kam es zu ersten Verhandlungen über die Beilegung des Konflikts in London, die nicht zuletzt auf Grund des Taktierens von Bismarck scheiterten. Der Krieg ging daraufhin weiter und die verbündeten Österreicher und Preußen eroberten Jütland. Damit war Dänemark besiegt. Der Krieg endete mit dem Wiener Friedensvertrag vom 30. Oktober 1864. In diesem verzichtete Dänemark auf die Herzogtümer Schleswig und Holstein. Die zeitweiligen Überlegungen, einen eigenen Bundesstaat unter den Augustenburgern zu bilden scheiterte an Bismarcks Versuch, diesen von Anfang an zu einer Art preußischem Protektorat zu machen. Daher wurden die Herzogtümer der gemeinsamen Verwaltung durch Österreich und Preußen unterstellt. Diese Konstruktion war für Bismarck von Beginn an nur ein Provisorium. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund von Bismarcks Ziel der alleinigen Kontrolle über die Herzogtümer trat der preußisch-österreichische Gegensatz wieder hervor.[47]

Innenpolitisch löste der Erfolg in Dänemark zwar kein Nachgeben der Fortschrittspartei im preußischen Parlament aus. Aber mit verschiedenen Anträgen etwa zum Ausbau der Marine, der von der Mehrheit sachlich gewollt, jedoch wegen des Verfassungsstreits abgelehnt wurde, befanden sich die Liberalen gegenüber Bismarck in der Defensive. Innerhalb der Liberalen begannen ehemalige Kritiker des Ministerpräsidenten wie Heinrich von Treitschke ihre Position zu ändern. In der liberalen Bewegung zeichneten sich zwischen solchen, die eine deutsche Einigung nur von einer fortschrittlichen Regierung für möglich hielten, und solchen, die einräumten, dass auch ein konservatives Regimes dabei Erfolg haben könnten, ein tiefgreifender Meinungsunterschied ab.[48]

Deutscher Krieg

Nach dem deutsch-dänischen Krieg spielte Bismarck noch einige Zeit ernsthaft mit dem Gedanken einer preußisch-österreichischen Übereinkunft unter konservativen Vorzeichen. Als sich zeigte, dass die von Ludwig von Biegeleben bestimmte österreichische Deutschlandpolitik eine Erweiterung der preußischen Macht nicht zuließ, setzte Bismarck auf ein Bündnis mit der liberalen und nationalen Bewegung mit dem Ziel der Schaffung eines kleindeutschen Staates.[49] Allerdings steuerte er keineswegs von Beginn an auf eine kriegerische Auseinandersetzung hin. Vielmehr hielt er sich zunächst mit dem Ziel der alleinigen Kontrolle über Schleswig und Holstein alle Optionen offen. In der Gasteiner Konvention kam es im August 1865 zur Teilung. Holstein wurde österreichisch und Schleswig preußisch verwaltet. Das Herzogtum Lauenburg kam an Preußen. Zum Dank erhielt Bismarck dafür den preußischen Grafentitel.[50] Für ihn war damit die Auseinandersetzung mit Österreich allerdings nur aufgeschoben.

Schüsse auf Otto von Bismarck
Schüsse auf Otto von Bismarck

Für die Entscheidung zum Krieg spielte für Bismarck auch die Hoffnung auf ein Ende des Verfassungskonflikts eine Rolle, zeichnete sich doch immer mehr eine Spaltung des oppositionellen Lagers ab. Die zentrale Weichenstellung hin zum Krieg fiel auf einer Kronratssitzung vom 28. Februar 1866. Bismarck gelang es den vor einem „Bruderkrieg“ zurückschreckenden König von der Kriegspolitik zu überzeugen und schaffte es in den folgenden Monaten, Wilhelm I. von der Änderung seiner Meinung abzuhalten.

Bismarck versuchte danach alles um Österreich zu isolieren und zu provozieren. Gleichzeitig verfügte er über diplomatische Rückzugsmöglichkeiten, sollte es zu starke Widerstände der Großmächte geben. Bismarck versuchte mit Erfolg insbesondere Napoleon III. zu einer neutralen Haltung zu veranlassen. Die Unterstützung Italiens sicherte sich Bismarck durch einen befristeten Bündnisvertrag. Nachdem Bismarck erneut die Wahl eines direkt gewählten deutschen Parlaments ins Spiel gebracht hatte um Österreich zu provozieren, löste er massive Kritik im Lager der preußischen Konservativen aus. Selbst Ludwig von Gerlach distanzierte sich in aller Schärfe von Bismarck. Die Liberalen hielten Bismarck weiterhin für unglaubwürdig und gingen auf dessen Bündnisangebot nicht ein. Auch insgesamt war ein deutscher Bürgerkrieg höchst unpopulär. Ferdinand Cohen-Blind verübte am 7. Mai 1866 sogar ein Pistolenattentat auf Bismarck.

Als Österreich am 1. Juni 1866 die Entscheidung über die Zukunft Schleswig-Holsteins dem Bundestag übertrug, ließ Bismarck mit dem Argument, dies sei einer Verletzung der Gasteiner Konvention, die preußische Armee in Holstein einmarschieren. Daraufhin beschloss der Bundestag auf Antrag Österreichs die Mobilmachung des Bundesheeres. Preußen erklärte den Bundesvertrag daraufhin für erloschen und begann am 16. Juni 1866 mit den militärischen Operationen gegen die Königreiche Hannover, Sachsen und gegen Kurhessen. Der Sieg der preußischen Armee war keineswegs sicher. Ein Großteil der Zeitgenossen, wie auch Napoleon III. rechneten mit einem österreichischen Sieg.[51] Bismarck setzte damit alles auf eine Karte. „Wenn wir geschlagen werden (…) werde ich nicht hierher zurückkehren. Ich werde bei der letzten Attacke fallen.[52]

Otto von Bismarck, Kriegsminister Albrecht von Roon und Generalstabschef Helmuth von Moltke
Otto von Bismarck, Kriegsminister Albrecht von Roon und Generalstabschef Helmuth von Moltke

Bismarck war bestrebt den Krieg selbst unter Kontrolle zu halten. Dies stand im Gegensatz zu den Plänen von Generalstabchef Molkte, der einen unbegrenzten Krieg plante. Die Gefahr, dass das Militär sich der politischen Führung entziehen konnte, kam dann wegen der Kürze des Feldzuges nicht zum Tragen.[53] Aus verschiedenen Gründen, etwa der Zerstrittenheit der Streitkräfte des deutschen Bundes, der strategischen Nutzung der Eisenbahn durch die Preußen und neuer Taktiken auf dem Schlachtfeld erwies sich die preußische Armee als überlegen und errang am 3. Juli 1866 in der Schlacht von Königgrätz den entscheidenden Sieg.

Während Wilhelm I. und die Militärs darauf drängten Wien zu erobern und Österreich harte Friedensbedingungen aufzuerlegen, setzte Bismarck gemäßigte Bedingungen durch, da er davon ausging, in Zukunft auf die Unterstützung der Habsburgermonarchie angewiesen zu sein. Im Prager Frieden vom 23. August 1866 brauchte Österreich denn auch keine Gebiete abzutreten, musste aber der Auflösung des deutschen Bundes und der Bildung eines norddeutschen Bundes unter preußischer Führung zustimmen. Schleswig-Holstein wurde von Preußen ebenso annektiert wie Hannover, Kurhessen, Nassau und die Freie Stadt Frankfurt. Die süddeutschen Staaten blieben zunächst unabhängig.[54]

Bismarck erwarb 1867 von der ihm wegen des erfolgreichen Deutschen Krieges bewilligten Dotation in Höhe von 400.000 Talern das Rittergut Varzin.[55] Auf dessen Gemarkung ließ er die Papierfabrik Hammermühle errichten, die sich bald zum größten Unternehmen Ostpommerns entwickeln sollte, sowie weitere Papierfabriken. Damit legte er den Grundstein für die Gemeinde Hammermühle, der heute polnischen Stadt Kępice.

Ende des Verfassungskonflikts

Der Krieg führte unter anderem dazu, dass die Konservativen ihre Position im preußischen Landtag erheblich ausbauen konnten. Um den Konflikt mit den Liberalen endlich zu beenden ließ Bismarck ankündigen, dass er vor dem Landtag um „Indemnität,“ das heißt die nachträgliche Genehmigung der Ausgaben, bitten wolle. Dies bedeutete das Eingeständnis, dass er in den Jahren seit 1862 faktisch ohne rechtmäßigen Haushalt regiert hätte. Bismarck wollte dies aber nicht als Schuldeingeständnis gewertet wissen. Verfassungsrechtlich war die Position der Regierung, so Heinrich August Winkler, noch immer unhaltbar.[56]

Dennoch war dies ein Politikwechsel mit dem Niemand gerechnet hatte. Die Frage wie man das Angebot Bismarcks zu beurteilen habe, führte zur Spaltung der Liberalen. Während die einen argumentierten, dass von Bismarck weitere Fortschritte in der nationalen Frage zu erwarten war, meinten andere, liberale Freiheitsrechte müssen Vorrang vor der nationalen Einheit haben. Dieser Konflikt führte zur Abspaltung der gemäßigten und nationalen Liberalen von der Fortschrittspartei und zur Bildung der Nationalliberalen Partei. Ähnliche Veränderungen fanden auch im Lager der Konservativen statt. Von den ideologisch geprägten Altkonservativen um Leopold von Gerlach, die sich schon vor dem Krieg von 1866 von Bismarck abgewandt hatten, trennten sich nunmehr realpolitisch gesinnte Bismarckanhänger und bildeten die Freikonservative Partei. Für seine Politik konnte sich Bismarck in den folgenden Jahren auf die Nationalliberalen und Freikonservativen stützen. [57]

Revolution von oben

Konstituierende Sitzung des Norddeutschen Reichstages am 24. Februar 1867 (Bismarck steht direkt unterhalb des Pultes des Parlamentspräsidenten)
Konstituierende Sitzung des Norddeutschen Reichstages am 24. Februar 1867 (Bismarck steht direkt unterhalb des Pultes des Parlamentspräsidenten)

Der Sieg im Deutschen Krieg bewirkte in der deutschen und preußischen Öffentlichkeit einen Wandel in der Beurteilung Bismarcks. Von den Zeitgenossen wurden die Umwälzungen als „Revolution von oben“ wahrgenommen. Bismarck selbst schrieb: „Soll Revolution sein, so wollen wir sie lieber machen als erleiden.[58] Gegenüber Napoleon III. hatte er bereits früher gesagt: „Revolutionen machen in Preußen nur die Könige.[59] In der Tat hat sich Bismarck bei den Annexionen nicht um das für die Konservativen zentrale Prinzip der monarchischen Legitimität gekümmert. Der Reichstag des neuen norddeutschen Bundes wurde nach demokratischen Grundsätzen gewählt. Die zentralen Aspekte der Verfassung des Bundes wurden von Bismarck in weiten Teilen selbst bestimmt („Putbuser Diktate)“, wenngleich er in den parlamentarischen Beratungen auch einigen Kompromissen zustimmen musste. Die Verfassung, die im Kern auch während des Deutschen Kaiserreichs weiter galt, wird daher auch Bismarcksche Reichsverfassung genannt. Ein Kernpunkt war, die preußische Vorherrschaft auf Dauer zu festigen. Das darin festgeschriebene Amt des Bundeskanzlers, während des Kaiserreichs Reichskanzler genannt, hatte Bismarck von vorneherein für sich vorgesehen. Zusammen mit den Positionen des preußischen Ministerpräsidenten und Außenminister hatte Bismarck eine überaus starke Machtstellung. In den parlamentarischen Beratungen nach der Wahl zum ersten Reichstag des Bundes gelang es den Nationalliberalen, Bismarck zwar noch einige Zugeständnisse abzuringen. Doch der Militäretat wurde weitgehend dem parlamentarischen Einfluss entzogen und es gab keine verantwortlichen Bundesministerien. Weder Kanzler noch andere Regierungsmitglieder konnten vom Reichstag zu Fall gebracht werden. Insgesamt ist Bismarck den liberalen Forderungen weit entgegengekommen, er hat aber auch alles dafür getan um zu verhindern, dass aus dem konstitutionellen ein parlamentarisches System werden konnte.[60] Die inneren Veränderungen gingen aber weit über die Verfassung hinaus. Sie umfassten die allgemeine Rechtsordnung, die Wirtschafts- und Sozialverfassung bis hin zur Verwaltungsstruktur. Bei allen Grenzen ist bemerkenswert, dass unter der Verantwortung Bismarcks, der bis vor kurzer Zeit noch allgemein als Erzkonservativer galt, ein für die Zeit sehr modernes Staatswesen entstand. In weiten Bereichen folgte dies den liberalen Vorstellungen. Die eigentliche Umsetzung lag in anderen Händen. Insbesondere Rudolf von Delbrück war hier eine prägende Persönlichkeit. Dennoch ist Bismarcks persönlichen Einfluss dabei nicht zu unterschätzen. Lothar Gall geht sogar so weit zu argumentieren, dass die endgültige Durchsetzung des modernen bürokratisch-zentralisierten Anstaltsstaates in Mitteleuropa mit den für die die Entfaltung der Industriegesellschaft wichtigen Rechtsformen und Institutionen wesentlich Bismarcks Werk gewesen ist.[61]

Deutsch-Französischer Krieg und Reichsgründung

Der Weg zum Krieg

Im Gegensatz zu dem bislang rein funktionalen Verhältnis zum nationalen Gedanken, wurde die Nation nach 1866 für Bismarck als Integrationsfaktor wichtig. Für Bismarck wurde klar, dass die Monarchie und der damit verbundene Staat auf Dauer nur überlebensfähig sei, wenn dieser sich selbst an die Spitze der nationalen Bewegung stellen würde.[62] Gleichzeitig war er aus machtpolitischen Gründen bestrebt, die süddeutschen Staaten mit dem norddeutschen Bund zu vereinigen. Sein Ziel war nunmehr die Schaffung eines kleindeutschen Nationalstaates unter preußischer Führung.

Zwar wurden mit den süddeutschen Staaten Schutz- und Trutzbündnisse abgeschlossen, aber anders als Bismarck gehofft hatte erwies sich der Norddeutsche Bund nicht als der Magnet, der zu einem Anschluss der noch fern stehenden deutschen Länder führte. Die Wahlen zum Zollparlament gewannen in Bayern und Württemberg Gegner eines Anschlusses.

Bismarck war der Meinung, dass nur eine äußere Bedrohung die Stimmung in seinem Sinn verändern könnte. Allerdings hat er nicht versucht eine konkrete Bedrohungssituation selbst herbeizuführen. Zwar hielt er es für wahrscheinlich, dass die deutsche Einigung gewaltsam gefördert werden müsse, aber „ein willkürliches, nur nach subjektiven Gründen bestimmtes Eingreifen in die Entwicklung der Geschichte hat immer nur das Abschlagen unreifer Früchte zur Folge gehabt; und das die deutsche Einheit in diesem Augenblick keine reife Frucht ist, fällt meines Erachtens ins Auge.[63]

Napoleon III. und Otto von Bismarck nach der Schlacht von Sedan
Napoleon III. und Otto von Bismarck nach der Schlacht von Sedan

Außenpolitisch rechnete Bismarck von Seiten Frankreichs mit dem stärksten Widerstand. In der französischen Öffentlichkeit wurden unter der Losung „Rache für Sadowa“ (Königgrätz) territoriale Forderungen gestellt, die zur Luxemburgkrise führten. Mit der Neutralisierung Luxemburgs war das Problem im Mai 1867 gelöst. Bismarck nutzte die Gelegenheit, um durch Parlamentsreden und in Presseartikeln die antifranzösische Stimmung noch zu verstärken. Napoleon III. sah den Ausgang der Affäre als Niederlage an und tat seither alles, um weitere preußische Ambitionen zu verhindern.[64] Unklar ist, ob Bismarck tatsächlich bereit war, den Erwerb Luxemburgs durch Frankreich zu akzeptieren und nur die Umstände dies verhindert hätten, oder ob das Ergebnis der Krise einem bewussten Kalkül Bismarcks folgte. Unabhängig davon standen sich seitdem der norddeutsche Bund und Frankreich frontal gegenüber.[65]

Die Gelegenheit, die innenpolitische Stagnation durch eine äußere Krise zu überwinden, schien 1869/70 die Kandidatur von Prinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen aus der katholischen Linie der in Preußen regierenden Hohenzollern für den spanischen Königsthron. Bismarck nutzte die Kandidatur um den Gegensatz zu Frankreich zu verschärfen. Allerdings musste in einem daraus erwachsenden Krieg Frankreich wie der Angreifer erscheinen. Nur so konnte Bismarck auf einen allgemeinen deutschen Nationalkrieg hoffen. Am Kriegswillen des Ministerpräsidenten in dieser Zeit gibt es keinen Zweifel, wenngleich er wie schon früher auch alternative Strategien hatte.

In Frankreich erfüllte die Hohenzollernkandidatur die von Bismarck erhoffte Wirkung, befürchtete man doch dort künftig von hohenzollerschen Staaten umzingelt zu werden. Die Krise wurde auch nicht durch den Verzicht des Prinzen entschärft. Das Verlangen Frankreichs, Wilhelm I. solle für das Haus Hohenzollern auch in Zukunft ähnliche Kandidaturen ausschließen, wurde vom König zurückgewiesen. Bismarck nutzte die Gelegenheit indem er die Emser Depesche[66] verschärfte und veröffentlichen ließ. Damit hatte Napoleon III. keine andere Wahl mehr als den Krieg zu erklären. Frankreich erschien so, wie von Bismarck beabsichtigt, als Aggressor. In Deutschland war die öffentliche Meinung nun ganz auf Seiten Preußens und die süddeutschen Staaten sahen den Bündnisfall als gegeben an. Außenpolitisch war Frankreich völlig isoliert.[67]

Krieg und Reichsgründung

Der Krieg selbst schien zunächst nach dem gewohnten Muster einer raschen Entscheidung abzulaufen. Nach der Gefangennahme Napoleons III. bei der Schlacht von Sedan brach das zweite Kaiserreich zusammen. Zu einem raschen Friedensschluss kam es allerdings nicht, weil die deutsche Seite also nicht zuletzt Bismarck auch unter dem Eindruck der öffentlichen Meinung in Deutschland die Abtretung von Elsass-Lothringen zu einer Friedensbedingung machte. Langfristig hat dies die deutsch-französischen Beziehungen zusätzlich belastet. Bismarck ging es damit darum, Frankreich auf Dauer zu schwächen. Kurzfristig führte dies dazu, dass eine neu gebildete französische Regierung nicht nur den Krieg fortsetzte, sondern diesen zu einem nationalen Volkskrieg ausweitete.[68]

Gemälde von Anton von Werner: Proklamation Kaiser Wilhelms I. (Gründung des Deutschen Reichs) am 18. Januar 1871 u.a. mit Bismarck (in weißer Gardeuniform) im Spiegelsaal von Versailles
Gemälde von Anton von Werner: Proklamation Kaiser Wilhelms I. (Gründung des Deutschen Reichs) am 18. Januar 1871 u.a. mit Bismarck (in weißer Gardeuniform) im Spiegelsaal von Versailles

Der Ministerpräsident mischte sich im Lauf des Krieges ständig in militärische Entscheidungsprozesse ein. Dies führte zu heftigen Konflikten mit der militärischen Führung, die ihren Höhepunkt anlässlich der Frage einer Belagerung oder Beschießung von Paris erreichte.[69] Bismarck setzte sich mit der Forderung einer Beschießung durch.

Der Krieg hatte auch in Süddeutschland die Gegner der deutschen Vereinigung in die Defensive gedrängt. Seit Mitte Oktober 1870 verhandelte Bismarck in Versailles mit den Delegationen der süddeutschen Länder. Nicht zuletzt durch die Form eines Bündnisses der deutschen Fürsten und freien Städte sollte weitergehenden Vorstellungen des nationalen und liberalen Lagers begegnet werden. Auf direkten Druck bei den Verhandlungen verzichtete Bismarck und argumentierte stattdessen mit den Vorteilen eines solchen Zusammenschlusses. Insgesamt setzte er sich dabei mit seinen Vorstellungen durch.[70]

Als erstes erklärten Baden und Hessen-Darmstadt ihren Beitritt zum Norddeutschen Bund. Württemberg und Bayern machten den Weg zur Gründung des Deutschen Reiches nach der Garantie einiger Reservatsrechte frei. Bismarck selbst hat den so genannten Kaiserbrief von Ludwig II. von Bayern, in dem dieser Wilhelm I. um die Annahme der Kaiserkrone bat, verfasst.[71] Außerdem hat er den König mit Mitteln aus dem Welfenfonds bestochen. Nur mühsam gelang es Bismarck allerdings König Wilhelm, der einen Bedeutungsverlust des preußischen Königtums befürchtete, zur Annahme des Kaisertitels zu bewegen.

Am 18. Januar 1871 kam es im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles zur so genannten Kaiserproklamation. Dies war die Gründung des Deutschen Kaiserreichs. Wenige Tage später kapitulierte Paris. Der Krieg endete mit dem Frieden von Frankfurt am 10. Mai 1871.

Bismarck hatte zu diesem Zeitpunkt den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn erreicht. Er wurde in den Fürstenstand erhoben und Wilhelm I. machte ihm den Sachsenwald in der Nähe Hamburgs zum Geschenk. Bismarck gehörte nunmehr zu den großen Grundbesitzern des Reiches und war auch Dank der geschickte Verwaltung seiner Gelder durch Gerson Bleichröder ein reicher Mann. Bismarck erwarb ein ehemaliges Hotel in Friedrichsruh im Sachsenwald und ließ es umbauen. Nach 1871 wurde Friedrichsruh zum Mittelpunkt seines Privatlebens.[72]

Reichskanzler

Das neue Kaiserreich übernahm weitgehend die Verfassung des Norddeutschen Bundes. Dadurch blieb Bismarck als Reichskanzler, Vorsitzender des Bundesrates, preußischer Ministerpräsident und Außenminister der dominierende Politiker. Darüber hinaus konnte er auf sein ungeheures Prestige als Gründer des Reiches bauen. Dieses wog auch gegenüber Wilhelm I. schwer, so dass Bismarck seinen Willen gegenüber dem Kaiser meist durchsetzen konnte. Wilhelm klagte daher: „Es ist nicht leicht unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein.“[73]

Otto von Bismarck in Generalsuniform nach der Ehrenbeförderung 1874. Im Uniformrock eines Generals trat er gelegentlich auch in der Öffentlichkeit auf, sogar im Parlament.
Otto von Bismarck in Generalsuniform nach der Ehrenbeförderung 1874. Im Uniformrock eines Generals trat er gelegentlich auch in der Öffentlichkeit auf, sogar im Parlament.

Außenpolitik

Die Reichsgründung hat die europäischen Machtverhältnisse entschieden verändert. Das neue Reich stand zunächst außerhalb der sich in den letzten hundert Jahren herausgebildeten Pentarchie, hatte es doch eine gänzlich andere machtpolitische Qualität als das recht kleine Preußen. Daher galt das Reich als Störenfried der internationalen Ordnung.[74] Nach einem längeren Lernprozess hat Bismarck erkannt, dass das allgemeine Misstrauen der übrigen Staaten gegenüber Deutschland nur durch Selbstbeschränkung und den Verzicht weiterer territorialer Gewinne zu sichern sei. Er versicherte daher, dass das Reich saturiert sei. „Wir verfolgen keine Macht-, sondern eine Sicherheitspolitik,“ versicherte er 1874.[75]

Ein Grundsatz seiner Außenpolitik blieb das Ziel Frankreich zu schwächen. Um dies zu erreichen, bemühte er sich um gute Beziehungen mit Österreich und Russland. Dabei versuchte er zu beiden Reichen gute Beziehungen zu unterhalten, ohne sich für eine der beiden Seiten entscheiden zu müssen. Zu diesem Zweck diente etwa das Dreikaiserabkommen von 1873. Wie schwierig dies war, zeigte sich bereits 1875 bei der von Bismarck weitgehend provozierten „Krieg-in-Sicht-Krise.“ Der Versuch Bismarcks, eine deutsche Hegemonialpolitik gegenüber Frankreich durchzusetzen, scheiterte jedoch.[76] Auch wenn Bismarck dem wiedererstarkten Frankreich lediglich drohen wollte und nicht wirklich einen Krieg plante, war die Krise für Bismarck bemerkenswert. Sie zeigte, dass eine Annäherung zwischen Frankreich und Russland nicht grundsätzlich ausgeschlossen war. Ein Bündnis zwischen beiden wurde eine Sorge seiner gesamten Amtszeit. Aber auch England machte deutlich, dass es einen weiteren Machtzuwachs Deutschlands nicht akzeptieren würde. Im Zweifelsfall arbeiteten die europäischen Flügelmächte zusammen, um eine Störung des machtpolitischen Gleichgewichts zu verhindern.[77]

Bismarcksches Bündnissystem

Berliner Kongress gemalt von Anton von WernerVorn mittig Otto von Bismarck
Berliner Kongress gemalt von Anton von Werner
Vorn mittig Otto von Bismarck

Es war insbesondere diese Krise aus der Bismarck den Schluss zog, dass für das Reich eine defensive Politik die einzige realistische Alternative wäre. Durch seine Lage in der Mitte Europas drohte das Reich in einen großen europäischen Krieg mit einbezogen zu werden. Bismarck entwickelte vor diesem Hintergrund ein diplomatisches Konzept das darauf zielte, die Spannungen zwischen den Großmächten an die Peripherie zu verlagern, um so die Mitte Europas vor Kriegen zu bewahren. Zum ersten Mal zum Tragen kam dieses Konzept bei der Balkankrise zwischen 1875 und 1878. Bismarck förderte dabei einerseits die Spannungen zwischen den Mächten, verhinderte aber gleichzeitig auch ein Außerkontrollegeraten der Konflikte. Seine außenpolitische Strategie fasste Bismarck 1877 in dem Kissinger Diktat zusammen. Darin ging er von „einer politischen Gesamtsituation [aus], in welcher alle Mächte außer Frankreich unser bedürfen, und von Koalitionen gegen uns durch ihre Beziehungen zueinander nach Möglichkeit abgehalten werden.[78]

Während des Berliner Kongresses zu Beendigung der Orientkrise präsentierte sich Bismarck 1878 als „ehrlicher Makler.“ Dies verstärkte zwar sein außenpolitisches Prestige auch im Ausland, es zeigten sich aber auch sofort die Grenzen seines Konzepts, da Zar Alexander II. Bismarck dafür verantwortlich machte, dass Russlands Erfolge eng begrenzt blieben. Dies führte dazu, dass Bismarck die Zusammenarbeit mit Österreich forcierte. Dies wiederum mündete im Zweibundvertrag von 1879. Aus diesem Defensivbündnis gegenüber Russland wurde eine dauerhafte Allianz, die die Außenpolitik während des gesamten Kaiserreichs prägen sollte. Bismarck selbst stilisierte die Verbindung als eine Art zeitgemäße Neuausgabe des Deutschen Bundes und als „Bollwerk des Friedens über lange Jahre hinaus. Populär bei allen Parteien, exklusive Nihilisten und Sozialisten.“[79] Ihm gelang es aber auch die Spannungen zwischen Deutschland und Russland abzubauen und 1881 das Dreikaiserbündnis abzuschließen. Damit war eine enge Verbindung Russlands mit Frankreich zunächst verhindert worden. Das Bündnissystem wurde 1882 durch den Dreibund zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien, sowie den Anschluss Rumäniens an den Zweibund 1883 ergänzt.[80]

Imperialistische Episode

„Die neue Crinoline. Bismarck schneidert der unwilligen Germania einen modischen Kolonialreifrock.“ Holzschnitt von Gustav Heil für die Satirezeitschrift „Berliner Wespen“ vom 13. März 1885
„Die neue Crinoline. Bismarck schneidert der unwilligen Germania einen modischen Kolonialreifrock.“ Holzschnitt von Gustav Heil für die Satirezeitschrift „Berliner Wespen“ vom 13. März 1885

In der Mitte der 1880er Jahre schien Bismarck das Ziel einer diplomatischen Absicherung des Reiches erfolgreich abgeschlossen zu haben. Das Konzept der Saturiertheit wurde jedoch durch die imperialistischen Tendenzen der Zeit immer mehr in Frage gestellt. Bismarck selbst war eigentlich Gegner kolonialer Erwerbungen.

Auch in Deutschland bildete sich eine imperialistische Bewegung die auf den Erwerb von Kolonien drängte. Dem Druck konnte sich auch Bismarck nicht auf Dauer entziehen. Verschiedene innen- und außenpolitische Gründe führten zu einem Gesinnungswandel des Reichskanzlers, dabei spielte auch die von ihm gefürchtete Thronübernahme durch den liberalen, englandfreundlichen Kronprinzen, den späteren Friedrich III., eine Rolle. Die durch die Kolonialpolitik verschlechterten Beziehungen zu Großbritannien, „habe nur den Zweck, einen Keil zwischen den Kronprinzen und England zu treiben.[81] Aus einer Vielzahl unterschiedlicher Motive kam es daher 1884 und 1885 zum Erwerb mehrerer Territorien in Afrika und im Stillen Ozean. Da sich die innenpolitischen Konstellationen in Frankreich und Großbritannien änderten, verlor Bismarck das Interesse an der Kolonialpolitik, die damit zunächst zu einer Episode wurde. Gegenüber dem Kolonialverfechter Eugen Wolf äußerte Bismarck 1888 „Ihre Karte von Afrika ist ja sehr schön, aber meine Karte von Afrika liegt in Europa. Frankreich liegt links, Russland liegt rechts, in der Mitte liegen wir. Das ist meine Karte von Afrika.[82] Allerdings hatte Bismarck ungewollt Kräfte freigesetzt, die sich am Ende in der wilhelminischen Zeit nicht mehr beherrschen ließen.[83]

Krise des Bündnissystems

Seit der zweiten Hälfte der 1880er Jahre wurde Bismarcks außenpolitisches System zunehmend bedroht, in Frankreich nahmen vor allem seit 1886 die revanchistischen Tendenzen zu. Zeitweilig drohte ein französisch-russisches Bündnis und damit die Gefahr eines Zweifrontenkriegs. Bismarck bauschte die Krise mit Frankreich allerdings aus innenpolitischen Gründen auf, um seine Pläne zur Heeresverstärkung innenpolitisch durchsetzen zu können. Fast parallel dazu entstand eine neue Balkankrise. Bismarck versuchte dabei vergeblich die Spannungen zwischen den beiden Kontrahenten Österreich und Russland auszugleichen. Das Dreikaiserbündnis zerbrach daran, in Russland nahmen daraufhin die Stimmen für ein Bündnis mit Frankreich weiter zu, Probleme durch die Schutzzollpolitik Bismarcks verschärften die Situation. In Deutschland plädierten einflussreiche Persönlichkeiten aus Militär und Diplomatie wie Friedrich von Holstein, Helmuth Karl Bernhard von Moltke und Alfred von Waldersee für einen Präventivkrieg gegen Russland. Bismarck lehnte solche Ideen strikt ab. Er hielt den Krieg weiter für vermeidbar, als Macht- und Realpolitiker spielten nationalistische und sozialdarwinistische Vorstellungen für ihn keine Rolle. Zwar war Bismarcks altes Bündnissystem zerbrochen, doch es gelang ihm noch einmal die Krise zu entschärfen. Auf dem Balkan weigerte er sich, für England und Österreich „die Kastanien aus dem Feuer zu holen.“ Ohne mit Österreich zu brechen, gelang es ihm einen offenen Krieg zu verhindern. Im Februar 1887 war Bismarck im Hintergrund am Zustandekommen der Mittelmeerentente zwischen Großbritannien, Österreich und Italien beteiligt. Ihr Ziel war es den russischen Expansionsdrang zu begrenzen. Kurze Zeit später schloss Bismarck mit Russland den Rückversicherungsvertrag ab, um Russland erneut an Deutschland zu binden.[84]

Innenpolitik

Die liberale Ära und der Kulturkampf

Wie schon in der Zeit des norddeutschen Bundes beruhte die Innenpolitik des deutschen Reiches in den ersten Jahren auf einer Zusammenarbeit Bismarcks mit den Freikonservativen und den Nationalliberalen. Diese übten einen erheblichen Einfluss auf die Vereinheitlichung, Gestaltung und Modernisierung der Wirtschafts- und Rechtsordnung sowohl im Reich, wie auch teilweise in Preußen aus. Bismarck scheute dabei auch zeitweise nicht vor einem Konflikt mit den Konservativen zurück. Als das preußische Herrenhaus sich 1872 weigerte, einer Reform der Kreisordnung zuzustimmen, veranlasste Bismarck Wilhelm I. dazu, zusätzliche Herrenhausmitglieder zu ernennen um mit Hilfe dieses Pairsschubes das Gesetz durchzubringen. Die Empörung bei den Konservativen war groß und Roon sprach gar von einem Staatsstreich. Dies führte zum Rücktritt Bismarcks vom Posten des preußischen Ministerpräsidenten zu Gunsten Roons. Da dieser sich dem Amt nicht gewachsen zeigte, übernahm es Bismarck nach kurzer Zeit wieder selbst.[85]

Auf verschiedenen Feldern, vor allem im Bereich der Militärorganisation, zeigten sich bald schon erste Grenzen der Zusammenarbeit Bismarcks mit den Liberalen. Zunächst vertagt, kam es darüber seit 1873 zu heftigen Auseinandersetzungen. Auf den von Bismarck geforderten faktischen Verzicht der Kontrolle des Militärhaushaltes („Äternat“) konnten sich die Nationalliberalen nicht einlassen. Eine Lösung brachte 1874 ein Kompromissvorschlag von Johannes Miquel mit der Bewilligung der Ausgaben für jeweils sieben Jahre („Septennat“). Trotz dieses relativen Erfolgs hatte Bismarck den Liberalen die Grenzen seiner Zusammenarbeitsbereitschaft deutlich gemacht, obwohl diese ihm de facto acht Jahre Handlungsfreiheit gaben. Gleichzeitig stärkte die grundsätzliche Einigung mit dem Parlament Bismarcks Stellung gegenüber dem Militär.[86]

Karikatur von Wilhelm Scholz zur Beendigung des Kulturkampfes. Papst Leo XIII. und der Reichskanzler fordern sich gegenseitig zum Fußkuss auf. Bildunterschrift: Pontifex: „Nun bitte, genieren Sie sich nicht!“ Kanzler Bismarck: „Bitte gleichfalls!“ Aus.: Kladderadatsch, Nr. 14/15 (18. März 1878)
Karikatur von Wilhelm Scholz zur Beendigung des Kulturkampfes. Papst Leo XIII. und der Reichskanzler fordern sich gegenseitig zum Fußkuss auf. Bildunterschrift: Pontifex: „Nun bitte, genieren Sie sich nicht!“ Kanzler Bismarck: „Bitte gleichfalls!“ Aus.: Kladderadatsch, Nr. 14/15 (18. März 1878)

Nationalliberale und Bismarck stimmten in ihrer Gegnerschaft gegenüber den ultramontanen Katholiken überein. Für Bismarck spielte dabei auch eine Rolle, dass mit der 1870 gegründeten Zentrumspartei eine seinem Einfluss entzogene im Kern konservativ katholische Partei auf einer parlamentarisch-demokratischen Basis entstanden war. Tatsächlich wurde die Partei in den ersten Reichstagswahlen von 1871 auf Anhieb zweitstärkste Kraft. Damit sanken die Wahlchancen der Nationalliberalen. Der Kampf gegen diese und der Kulturkampf insgesamt hatten für Bismarck vor allem politische Gründe. Bismarck sah vor allem in Ludwig Windthorst einen persönlichen Gegner. „Mein Leben erhalten und verschönern zwei Dinge, meine Frau und Windthorst. Die eine ist für die Liebe da, die andere für den Hass.[87]

Bismarck stilisierte, auch um erste Kritik an seiner Amtsführung entgegenzuwirken, die Katholiken zu Reichsfeinden. Seit 1872 wurden im Rahmen des so genannten Kulturkampfes verschiedene ständig verschärfte Sondergesetze gegen die Katholiken beschlossen. Im Zuge dieser Auseinandersetzung wurden Rechte und Machtstellung der Kirche durch Reichs- und preußische Landesgesetze beschnitten (Kanzelparagraph, Brotkorbgesetz) und auch die Zivilehe eingeführt. In diesem Zusammenhang fiel in einer Reichstagsrede Bismarcks der bekannte Satz: „Seien Sie außer Sorge, nach Canossa gehen wir nicht – weder körperlich noch geistig.“[88] Der unerwartet starke Widerstand der Katholiken zwangen Bismarck dazu, ab 1878 nach dem Tod von Papst Pius IX. zur Beendigung des Konflikts die Sondergesetzte schrittweise zu beseitigen. Letztlich war der Kulturkampf gescheitert, durch die staatlichen Angriffe wurde die Bildung eines katholischen Milieus sogar eher noch gefördert. Für die zukünftige Politik Bismarcks nicht unwichtig war, dass der Führer des Zentrums Windthorst keineswegs ein ultramontaner Eiferer war. Er war zwar preußenkritisch, aber eben auch pragmatisch und konstitutionell ausgerichtet, was Bismarck neue politische Optionen eröffnete.[89]

Kanzlerkrise und die politische Wende

Die politische Basis der Zusammenarbeit von Bismarck mit den Liberalen wurde immer schwächer. Mit dem Beginn der Gründerkrise begannen zahlreiche landwirtschaftliche Großgrundbesitzer und Industrielle Forderungen nach Schutzzöllen zu stellen. Obwohl Bismarck sich öffentlich noch nicht dazu äußerte, hoffte er, dass die Wirtschaftspolitik zur Spaltung der Liberalen führen würde. Er hat die Interessenvertreter ermutigt. In der in diesem Zusammenhang entstandenen Deutschkonservativen Partei, deren Programm direkt mit ihm abgestimmt war, sah Bismarck einen möglichen neuen Bündnispartner.[90] Ein Symbol für den aufziehenden Konflikt mit den Liberalen war 1876 der Rücktritt von Rudolf von Delbrück, der als Verkörperung der Zusammenarbeit Bismarcks mit den Liberalen sowie als Hauptvertreter des Wirtschaftsliberalismus galt.

Für Bismarck bedeuteten die Liberalen insbesondere mit Blick auf den von vielen Beobachtern erwarteten baldigen Thronwechsel eine Gefahr. Er erwartete von einem künftigen Kaiser Friedrich III. den Wechsel zu einer liberalen Regierung nach dem Vorbild William Ewart Gladstone in Großbritannien. Bismarck versuchte daher 1877 Albrecht von Stosch, den Chef der Marine, der als möglicher Kanzler des künftigen Kaisers galt, auszuschalten. Als dies scheiterte, drohte Bismarck mit dem eigenen Rücktritt und zog sich zeitweilig auf sein Gut in Varzin zurück. Der Versuch von dort aus die Nationalliberalen mit Angeboten - wie ein Ministeramt für Rudolf von Bennigsen - und Zugeständnissen für seine Politik zu gewinnen war nicht erfolgreich, da die Gegenforderungen für Bismarck keine Gewähr zu geben versprachen, die von ihm beabsichtige Eindämmung des Parlamentarismus zu garantieren. Daraufhin entschloss er sich zum Bruch mit den Nationalliberalen.[91] Die Nationalliberalen erreichten mit ihren Wünschen die Reichsverfassung in einem stärker parlamentarischen Sinne umzugestalten, eine für Bismarck nicht zu überschreitende Grenze. Im Reichstag sagte er 1879: „Eine Fraktion kann sehr wohl die Regierung unterstützen und dafür einen Einfluss auf sie gewinnen, aber wenn sie die Regierung regieren will, dann zwingt sie die Regierung, ihrerseits dagegen zu reagieren.[92] Angesichts der gegenseitigen politischen Blockierung, sah sich Bismarck zu einer Flucht nach vorn gezwungen. In einer Reichstagsrede vom 22. Februar 1878 kündigte er einen innenpolitischen Kurswechsel an. Das von Bismarck angedeutete Ziel eines staatlichen Tabakmonopols widersprach den zentralen wirtschaftsliberalen Prinzipien. Über den konkreten Anlass hinaus, haben die dem Liberalismus nahe stehenden Regierungsmitglieder dies als einen ersten Schritt hin zu einer grundlegend veränderten Wirtschaftspolitik aufgefasst. Heinrich von Achenbach und Otto von Camphausen legten daraufhin ihre Ämter nieder. An ihre Stelle traten Personen, die in den Parteien kaum verankert waren und kaum eigenes politisches Gewicht hatten.[93]

Sozialistengesetz und Schutzzoll

Reichsgesetzblatt vom 21. Oktober 1878 mit dem Text des „Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“
Reichsgesetzblatt vom 21. Oktober 1878 mit dem Text des „Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“

Bereits seit der Rede von August Bebel im Reichstag 1871 zu Gunsten der Pariser Kommune sah Bismarck in den Sozialdemokraten eine tatsächliche revolutionäre Gefahr. Bereits skizzierte er seine Politik gegen die Bewegung. „1. Entgegenkommen gegen die Wünsche der arbeitenden Klassen, 2. Hemmung der staatsgefährlichen Agitation durch Verbots- und Strafgesetze.[94]

Nach seiner Ansicht verstärkten die sozialen Auswirkungen der Gründerkrise die revolutionäre Gefahr noch stärker. Die beiden Attentate auf Kaiser Wilhelm I. von 1878 dienten Bismarck als willkommene Gelegenheit mit einem Sozialistengesetz, gegen die Sozialistische Arbeiterpartei vorzugehen. Das Ziel Bismarcks war es, einen „Vernichtungskrieg [zu] führen durch Gesetzesvorlagen, welche die sozialdemokratischen Vereine, Versammlungen, die Presse, die Freizügigkeit (durch die Möglichkeit der Ausweisung und Internierung) (…) träfen.[95]

Über den Kampf gegen die Sozialdemokratie hinaus, boten die Attentate für Bismarck aber auch die Gelegenheit angesichts einer fehlenden parlamentarischen Unterstützung wieder in die politische Offensive zu gehen und zu neuen Mehrheiten zu kommen. Ein erster Gesetzentwurf scheiterte an der überwältigenden Mehrheit des Reichstages. Nach dem zweiten Attentat ließ Bismarck den Reichstag auflösen. Das politische Ziel war es wieder die Unterstützung durch die Nationalliberalen zu gewinnen und darüber hinaus die Regierungsbasis weiter nach Rechts zu verschieben. Nach der Wahl waren die beiden konservativen Parteien zusammen nunmehr stärker als die Nationalliberalen.[96]

Schließlich stimmten nach der Reichstagswahl auch die Nationalliberalen nach einigen Zugeständnissen dem Gesetz zu. Das Gesetz blieb, mehrfach vom Parlament verlängert, bis 1890 in Kraft. Dieses Ausnahmegesetz verbot die sozialistische Agitation, die politische Arbeit der sozialdemokratischen Parlamentarier blieb davon allerdings unberührt. Letztlich hat das Gesetz seinen Zweck verfehlt und ungewollt zur Verfestigung eines sozialistischen Milieus beigetragen, denn erst jetzt setzte sich die marxistische Theorie wirklich durch. Bemerkenswert ist, dass Bismarck dem Thema in seinen Gedanken und Erinnerungen kein einziges Wort widmete.

Im selben Jahr nahm der Druck von Großgrundbesitzern und Schwerindustriellen vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise nach Schutzzoll zu. Als sich für diese Forderung eine Mehrheit im Reichstag abzeichnete, sprach sich auch Bismarck, der sich dadurch erhöhte Staatseinnahmen versprach, im so genannten „Weihnachtsbrief“ vom 15. Dezember 1878 für eine Verbindung von Steuerreform und Schutzzollpolitik aus. Dem stimmten schließlich nur wenige Nationalliberale zu. Bismarck stützte sich dabei auf die Deutschkonservative Partei, auf die Freikonservativen und auf das Zentrum, die liberale Ära war damit beendet. Er betonte nunmehr die Bedeutung des Obrigkeitstaates als Garanten der nationalen Einheit und setzte auf eine nationalkonservative Sammlungsbewegung unter Einschluss des Zentrums. Eine feste parlamentarische Basis, wie früher die Nationalliberalen, war diese Parteienkonstellation allerdings nicht. Viele politische Initiativen Bismarcks, blieben in den folgenden Jahren daher stecken.[97]

Der Übergang vom Freihandel zum Protektionismus vollzog sich in den folgenden Jahren in mehreren Schritten. Bismarck hoffte, mit seinem Eingehen auf die Wünsche der Verbindung von „Roggen und Eisen“ diese politisch nutzen zu können, um die konservative Basis des Reiches auszubauen und seine eigene Position zu festigen.[98]

Sozialgesetzgebung und Staatsstreichpläne

Angesichts seiner schwierigen parlamentarischen Situation versuchte er die bisherige Bedeutung der Parteien zurück zu drängen. Das Feld der Auseinandersetzung sollte die Sozial- und Wirtschaftspolitik werden. Daher übernahm Bismarck von 1880 bis 1890 selbst das Amt des Handelsministers. Zunächst im Bereich der Wirtschaftspolitik sollten deren Einfluss zurückgedrängt werden. Er versuchte daher einen Volkswirtschaftsrat aus Vertretern der Wirtschaftsverbände zur Einflussnahme auf die Wirtschaftsgesetzgebung unter Umgehung des Parlaments und der Parteien zu etablieren. Dieser Versuch scheiterte allerdings am Widerstand der Parteien. [99]

Für die Sozialpolitik gab es eine Reihe von Gründen. Sein politisches Hauptziel war es jedoch eine stärkere Staatsbindung zu erzeugen. Letztlich ging es darum die Parteien von ihrer Basis zu trennen. Obwohl die Sozialpolitik sachlich sinnvoll und notwendig war, hat Bismarck gar nicht erst versucht, sein eigentliches Ziel des Machterhalts zu verdecken.[100] Geplant war zunächst eine Unfallversicherung, und später kamen Versicherungen gegen Krankheit, Invalidität und Altersarmut hinzu. Diese sollten dabei weitgehend staatlich kontrolliert sein - zeitweise sprach er sogar von Staatssozialismus. Bismarck wollte so „in der großen Masse der Besitzlosen die konservative Gesinnung erzeugen, welche das Gefühl der Pensionsberechtigung mit sich bringt.[101]

Nicht die Versicherungen an sich, aber Bismarcks allgemeinen politischen Ziele stießen auf heftigen Widerstand. Letztlich strich das Parlament aus der Gesetzesvorlage zur Unfallversicherung alle „staatssozialistischen“ Elemente heraus. Bismarcks Kalkül, nach einer Reichstagsauflösung die Wähler mit der Parole eines „sozialen Königtums“ und antiparlamentarische Töne zu überzeugen, ging nicht auf. Insbesondere die Linksliberalen gewannen deutlich hinzu. Bismarck dachte in dieser Situation kurzzeitig an Rücktritt, entschied sich aber dagegen und deutete Staatsstreichpläne an.

An die Stelle der von Bismarck ursprünglich geplanten Reichsanstalt setzte er später die Berufsgenossenschaften durch. Gedacht als neokorporativer Zusammenschluss jenseits der Parteien, wurden die Genossenschaften von den Unternehmern dominiert. Entgegen des ursprünglichen Ziel gewannen in ihnen die Vertreter der Rechtsparteien an Gewicht. In der Krankenversicherung dominierte die Selbstverwaltung der Arbeiter. Auf längere Sicht wurden viele der Allgemeinen Ortskrankenkassen von Sozialdemokraten dominiert. Die Sozialgesetzgebung verlor damit die für Bismarck wichtige machtpolitische Komponente. Das erklärte Ziel, damit der Sozialdemokratie die „Wurzeln abzugraben,“ hatte mittelfristig gesehen ebenso wenig Erfolg, wie der Versuch den Obrigkeitsstaat zu Lasten der Parteien auszubauen. Bismarck hat zwar die Grundlagen des modernen Sozialstaat gelegt, seine damit verbundenen politischen Ziele aber nicht erreicht. Damit verlor er an der Sozialgesetzgebung das Interesse. Die Alters- und Invalidenversicherung von 1889 hat er dann lediglich geschäftsmäßig abgewickelt.[102]

Otto von Bismarck in seinem Arbeitszimmer 1886
Otto von Bismarck in seinem Arbeitszimmer 1886

Protektionismus und Nationalismus als innenpolitische Instrumente

Bismarck und seinem Innenminister Robert von Puttkamer gelang es erfolgreich, die preußischen Beamten in politischer Hinsicht auf die unbedingte Unterstützung der Regierungspolitik zu verpflichten. Politisch zu Gute kam Bismarck, dass sich innerhalb der Nationalliberalen mit Johannes Miquel die Vertreter eines protektionistischen und staatsnahen Kurses durchsetzten und in wesentlichen Punkten zu seiner Politik bekannten.

Nicht zuletzt mit dem Ziel, die materiellen Interessen der konservativen Wähler zu bedienen legte Bismarck 1885 eine neue Zollvorlage vor, die den Protektionismus durch eine tatsächliche Beschränkung des Imports massiv verstärkte. Auch mit dem Ziel nationalistische Emotionen für seine Politik nutzbar zu machen, verstärkte Bismarck die antipolnische Politik[103] in den preußischen Ostprovinzen. Mit der Ausweisung von nichtpreußischen Polen ab 1885 und dem Ansiedlungsgesetz von 1886 setzte eine intensive Germanisierungspolitik ein. Auch die französische Revanchismusbewegung nutzte Bismarck aus, um mit einer breit angelegten Pressekampagne alle Kritiker als Vaterlandsverräter zu diskreditieren, die sich insbesondere seinen militärpolitischen Plänen entgegenstellten. Nach der Reichstagsauflösung wurde die nationalistische Agitation noch einmal verstärkt.

Aus den Reichstagswahlen vom Februar 1887 ging das Regierungslager aus Konservativen und Nationalliberalen mit einer absoluten Mehrheit hervor. Bismarck hatte mit den so genannten Kartellparteien nun eine parlamentarische Mehrheit, die er in den vergangenen zehn Jahren angestrebt hatte. Er konnte nun sowohl seine militärpolitischen Pläne als auch Begünstigungen für seine konservative Klientel durchsetzen. Vor dem Hintergrund seiner erreichten Machtstellung spielte nunmehr der Thronwechsel hin zu Friedrich III. kaum noch eine Rolle. Als der neue todkranke Kaiser sich weigerte, einer Verlängerung der Legislaturperiode und des Sozialistengesetzes zuzustimmen, belehrte Bismarck die Kaiserin, dass der Monarch „als solcher kein Faktor der Gesetzgebung“ sei.[104]

„Der Lotse geht von Bord“

So sehr Bismarck auch von Leidenschaft zur Politik und der Liebe zur Macht durchdrungen war, so sehr sehnte er sich gleichzeitig nach einer Befreiung von dieser Last. Bereits 1872 klagte er: „Mein Öl ist verbraucht, ich kann nicht mehr.[105] Immer öfter zog er sich teilweise für Monate auf seine Güter zurück. Nicht nur die Arbeitsbelastung sondern auch seine ungesunde Lebensweise, Essen und Trinken im Übermaß, trugen zu einer Verschlechterung seiner Gesundheit bei, ehe ein neuer Arzt ihn in den 1880er Jahren zu einer vernünftigen Lebensweise überredete. Im privaten Leben spielte die Familie eine große Rolle. Er setzte dabei aber auch in diesem Bereich stets seinen Willen durch. Als sein Sohn Herbert von Bismarck eine Frau gegen den Willen des Vaters heiraten wollte, verhinderte Bismarck dies letztlich mit der Drohung von Selbstmord. Herbert fügte sich, war seither aber ein verbitterter Mann.[106]

Die Punch-Karikatur Dropping the Pilot (dt. Verzicht auf den Steuermann, meist ungenau übersetzt mit: Der Lotse geht von Bord) von Sir John Tenniel zur Entlassung Bismarcks 1890
Die Punch-Karikatur Dropping the Pilot (dt. Verzicht auf den Steuermann, meist ungenau übersetzt mit: Der Lotse geht von Bord) von Sir John Tenniel zur Entlassung Bismarcks 1890

Auch wenn Bismarck alles tat, um potentielle Nachfolger auszuschalten, mehrten sich seit dem Ende der 1880er Jahren die Anzeichen dafür, dass seine politische Führungsrolle sich dem Ende zuneigte. In der politischen Öffentlichkeit wurde der Ruf nach einem Ende der nur bewahrenden Diplomatie Bismarcks zu Gunsten einer dynamischen und risikobereiten Außenpolitik laut. Nach dem Intermezzo von Friedrich III. standen sich mit dem neuen Kaiser Wilhelm II. und Bismarck zwei ungleiche Persönlichkeiten gegenüber. Bismarck hielt Wilhelm für unreif und wenig vorbereitet auf die Übernahme der Verantwortung. Er sei ein „Brausekopf, könne nicht schweigen, sei Schmeichlern zugänglich und könne Deutschland in einen Krieg stürzen, ohne es zu ahnen und zu wollen.[107] Für Wilhelm dagegen war Bismarck eine nicht mehr zeitgemäße Person und machte deutlich, nun selbst politischen Einfluss nehmen zu wollen. „Sechs Monate will ich den Alten verschnaufen lassen, dann regiere ich selbst.[108]

Bismarck sah vor diesem Hintergrund in der mutwilligen Verschärfung der innenpolitischen Lage eine Möglichkeit, den neuen Kaiser von seiner Unentbehrlichkeit zu überzeugen. Er brachte daher ein neues verschärftes und unbefristetes Sozialistengesetz ein, wohl wissend, dass dies die Kartellparteien auseinandersprengen würde, da die Nationalliberalen dies nicht mittragen konnten. Wilhelm, der seine Regierungszeit nicht mit einem solchen Konfliktkurs beginnen wollte, stellte sich den Plänen des Kanzler entgegen. In der Sitzung des Kronrates vom 24. Januar 1890 prallten beide aufeinander. In den folgenden Monaten versuchte Bismarck verzweifelt seine Stellung zu halten und spielte erneut mit Staatsstreichgedanken, aber auch mit den Plänen einer engen Zusammenarbeit zwischen Zentrum und Konservativen. Am 15. März 1890 entzog Wilhelm dem Kanzler endgültig die Unterstützung für dessen Konfliktkurs. Zwei Tage später überreichte dieser Wilhelm sein Entlassungsgesuch. Die Öffentlichkeit reagierte mehrheitlich erleichtert auf den Rücktritt. Theodor Fontane schrieb: „Es ist ein Glück, dass wir ihn los sind. Er war eigentlich nur noch Gewohnheitsregente (sic!), tat was er wollte, und forderte immer mehr Devotion. Seine Größe lag hinter ihm.[109] Als Nachfolger Otto von Bismarcks wählte der Kaiser den politisch unerfahrenen General Leo von Caprivi.[110]

Letzte Jahre

Bismarck an seinem 80. Geburtstag (1. April 1895)
Bismarck an seinem 80. Geburtstag (1. April 1895)

Bismarck zog sich verbittert nach Friedrichsruh zurück, doch verabschiedete er sich damit nicht endgültig von der Politik. „Aber das kann man nicht von mir verlangen, dass ich, nachdem ich vierzig Jahre lang Politik getrieben, plötzlich mich gar nicht mehr damit abgeben soll.[111]

Bereits einen Tag nach seinem Rücktritt verkündete Bismarck seine Memoiren verfassen zu wollen. Unterstützt wurde er dabei von Lothar Bucher, das Interesse Bismarcks ließ jedoch rasch nach. Ohne Buchers Drängen wäre das Werk wahrscheinlich nie fertig geworden. Bucher klagte nicht nur über ein mangelhaftes Interesse Bismarcks, sondern beschrieb auch, das der Altkanzler Tatsachen absichtlich entstellte. „Bei nichts, was misslungen ist, will er beteiligt gewesen sein, und niemand lässt er neben sich gelten.[112] Nach Buchers Tod besserte Bismarck an den Manuskripten noch herum, aber das Werk wurde nicht mehr fortgesetzt. Die ersten beiden Bände erschienen 1898 und wurde zu einem sensationellen Erfolg. Der dritte Band erschien erst 1921.[113]

Bismarck versuchte nicht nur, sein Bild für die Nachwelt mitzugestalten, sondern er verzichtete auch nicht auf Eingriffe in die Tagespolitik. Bald nach seiner Entlassung begann er eine äußerst umtriebige Pressepolitik zu betreiben, insbesondere die Hamburger Nachrichten wurden zu einem Sprachrohr des Altkanzlers. Bismarck griff vor allem seinen Nachfolger Caprivi scharf an, indirekt kritisierte er damit auch den Kaiser, dem er seine Entlassung nicht verziehen hatte. Wilhelm II. glaubte zeitweilig sogar, dass Bismarck eine Rückkehr in die praktische Politik planen würde. Anlass war 1891 die Annahme eines Reichstagsmandats durch Bismarck, der davon allerdings nie Gebrauch machte. Bismarcks Pressepolitik in eigener Sache war durchaus erfolgreich, die öffentliche Meinung wandte sich wieder verstärkt Bismarck zu, insbesondere seitdem Wilhelm II. begann, ihn öffentlich anzugreifen. Für das Ansehen seines Nachfolgers Caprivi geradezu katastrophal wirkte sich dessen Versuch aus, ein Treffen Bismarcks mit Kaiser Franz Josef von Österreich zu verhindern. Die Reise nach Wien wurde zu einem Triumphzug des Altkanzlers, der erklärte, dass er keine Verpflichtungen mehr gegenüber der deutschen Regierung habe. „Alle Brücken sind abgebrochen.[114] Wilhelm II. bemühte sich in der Folge um eine öffentlichkeitswirksame Aussöhnungsgeste. Mehrere Treffen mit Bismarck im Jahr 1894 wurden positiv aufgenommen, eine wirkliche Entspannung brachte dies aber nicht. Wie gering sein Ansehen im Reichstag war, zeigte die gescheiterte Kampfabstimmung um ein Glückwunschtelegramm zu Bismarcks achtzigstem Geburtstag. Im Jahr 1896 zog er durch die Offenlegung des streng geheimen Rückversicherungsvertrages noch einmal die Aufmerksamkeit der deutschen und internationalen Presse auf sich.

Tief getroffen hat ihn der Tod seiner Frau im Jahr 1894. Seit 1896 verschlechterte sich Bismarcks Gesundheitszustand immer deutlicher und er war schließlich auf einen Rollstuhl angewiesen, ehe er am 30. Juli 1898 starb. Seine letzte Ruhestätte fand Bismarck neben seiner Frau in einem Mausoleum auf Friedrichsruh.[115]

Personenkult um den Reichsgründer

Bismarckdenkmal in Hamburg
Bismarckdenkmal in Hamburg

Insbesondere seit seiner Entlassung aber vor allem nach Bismarcks Tod setzte eine beispiellose Bismarck-Verehrung ein. Zahlreiche Städte verliehen ihm die Ehrenbürgerwürde. Seit 1895 war er etwa Ehrenbürger aller Städte in Baden. Sein Büste wurde in der Walhalla aufgenommen. Zahlreiche Straßen wurden nach dem Reichskanzler benannt. Auch Industrieunternehmen wie die Zeche Graf Bismarck trugen seinen Namen. Nach dem Reichsgründer wurde auch der Farbstoff Bismarckbraun, eine Palmenart Bismarckia nobilis, eine Zubereitungsart von Heringsfilets (Bismarckhering), sowie während des Zweiten Weltkrieg das Typschiff der Bismarck-Klasse (Schlachtschiff Bismarck) benannt. Vor allem in den deutschen Kolonien in Afrika und im Stillen Ozean aber auch anderswo wurden geographische Gegebenheiten oder Orte nach Bismarck benannt (Bismarck-Archipel, Bismarckgebirge, Bismarcksee, Bismarckberg, Bismarck-Straße, Bismarckburg). Deutsche Einwanderer benannten in den Vereinigten Staaten mehrere Siedlungen nach Bismarck. Darunter die Hauptstadt von North Dakota.

In Deutschland entstanden Bismarckgesellschaften. In zahlreichen Städten wurden nach seinem Tod, meist durch Spenden finanziert, Bismarckdenkmäler vielfach in der Form von Bismarcktürmen errichtet. Das größte Bismarck-Monument in Deutschland ist das 1906 eingeweihte Bismarckdenkmal in Hamburg-Sankt Pauli. Der Plan, ein gigantisches Bismarck-Nationaldenkmal bei Bingerbrück zu erbauen, wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhindert. Die meisten Bronzebildnisse von ihm zeigen Bismarck martialisch in Uniform. Diese Form der Darstellung überdeckte Bismarcks Maxime eines außenpolitischen Ausgleichs und spiegelte weniger Bismarcks Person als vielmehr den Zeitgeist der wilhelminischen Ära wider.[116] Neben historisierenden Gemälden (z.B. Franz von Lenbach, Christian Wilhelm Allers) entstanden auch in der bildenden Kunst verklärende und überhöhende Darstellungen, die vor allem die Reichsgründung thematisierten. Auch in zahlreichen patriotischen Gedichten wurde der Reichskanzler gefeiert.[117]

Historiographie

Politische zeitgenössische Gegner kritisierten Bismarcks Politik nicht selten als Kanzlerdiktatur. Theodor Fontane verfasste während seiner letzten Lebensjahre ein literarisches Charakter-Porträt, in dem er Bismarck mit Wallenstein verglich.[118] Fontanes Urteil über Bismarck unterscheidet sich dabei stark von dem der meisten Zeitgenossen: „Er ist die denkbar interessanteste Figur, ich kenne keine interessantere, aber dieser beständige Hang, die Menschen zu betrügen, dies vollendete Schlaubergertum ist mir eigentlich widerwärtig, und wenn ich aufrichten, erheben will, so muss ich doch auf andere Helden blicken.“[119]

Diese negative Beurteilung konnte sich auf Dauer nicht halten. Auch Bismarcks Bild in der Historiographie war schließlich geprägt von einer geradezu extremen Überhöhung des Reichskanzlers. Dazu beigetragen haben nicht zuletzt Bismarcks Memoiren. Diese lieferten den Bismarckverehrern einen fast unerschöpflichen Vorrat von Zitaten, das Werk bildete über Jahrzehnte die Grundlage für das Bild, das sich viele nationalgesinnte Deutsche von Bismarck machten. Gleichzeitig erschwerte es den kritischen Blick auf den Reichsgründer.[120] Auch die professionelle Geschichtswissenschaft konnte sich vor dem Hintergrund insbesondere der Reichseinigung der Faszination Bismarcks nicht entziehen und hat zu seiner Überhöhung beigetragen. Heinrich von Treitschke wandelte sich von einem politischen Kritiker Bismarcks zu einem glühenden Bewunderer. Bismarcks Reichsgründung galt ihm als heroische Glanztat der deutschen Geschichte. Treitschke und andere Historiker der kleindeutsch-borussischen Schule der Geschichtsschreibung waren fasziniert von der strukturbrechenden Kraft Bismarcks.[121] Der Bismarckbiograph Erich Marcks[122] schrieb 1906 „Und zu dem Glauben bekenne ich mich gerne: dieses Dasein war so groß, in sich so gewaltig, für sein Volk so umfassend bedeutungsreich, dass an ihm alles, soweit es nur Leben hat, historisch wertvoll ist.“[123] Eine kritische psychologisch orientierte Biographie legte 1926 der Autor Emil Ludwig vor.[124] Aber insgesamt blieb das Bild Bismarcks im Wesentlichen bis 1945 geprägt von einer uneingeschränkt positiven Beurteilung des Reichsgründers. Im Jahr 1944 erschien Oskar Meyers Bismarck der Mann und der Staatsmann[125] in dem Bismarck nationaldeutsch und völkisch gedeutet wurde. Diese überzogene politische Interpretation blieb jedoch ohne größere Bedeutung.[126]

Nach dem Zweiten Weltkrieg hielten einflussreiche Historiker wie Hans Rothfels und Theodor Schieder, wenn auch differenziert, an einem insgesamt positiven Bismarckbild fest.[127] Daneben gab es aber nunmehr auch kritische Stimmen. Dazu zählte die im Exil geschriebene dreibändige Bismarckbiographie von Erich Eyck.[128] Er warf Bismarck machiavellistische Methoden vor und machte ihn für das Scheitern der Demokratie in Deutschland verantwortlich.[129] Aber auch Eyck konnte sich der Fazination Bismarcks nicht entziehen: „Aber niemand, wo immer er steht, kann verkennen, dass er die zentrale und beherrschede Figur seiner Zeit ist und mit ungeheurer Kraft und tyrannischer Energie ihr die Wege gewiesen hat. Und niemand kann sich der fazinierenden Anziehungskraft dieses Menschen entziehen, der im guten wie im bösen immer eigenartig und bedeutend ist.“[130] Von einem kritischen Bismarckbild geprägt war auch Hans-Ulrich Wehler. Er versuchte, innerhalb seiner strukturgeschichtlich angelegten Studie über das Kaiserreich Bismarcks Herrschaftssystem als bonapartistische Diktatur zu charakterisieren. Dazu gehörten charismatische, plebiszitäre und traditionelle Elemente.[131] Später versuchte er Bismarcks Stellung mit Hilfe von Max Webers Konzept der „charismatischen Herrschaft“ zu deuten.[132] Die meisten neueren Bismarckbiographien kommen zu einem differenzierten Bismarckbild jenseits einer überspitzten Überhöhung oder Dämonisierung. Lothar Gall[133] hat 1980, den Begriff von Henry Kissinger aufgreifend, das Bild eines „weißen Revolutionär“ gezeichnet. Bismarck war danach ein Erzroyalist, der die konservativen Strukturen bewahren wollte, stürzte zu diesem Zweck aber auch bestehenden Ordnungen um und hat modernisierend gewirkt. Am Ende hätte er aber die Kräfte, die er gerufen hätte, nicht mehr beherrschen können und bemühte sich um das Zurückdrängen moderner Tendenzen.[134] Der ostdeutsche Historiker Ernst Engelberg[135] brachte 1985 seine Bismarckbiographie heraus, die in Westdeutschland etwas auf Verwunderung stieß, weil sie eher liebevoll und wenig kritisch mit dem Kanzler umgegangen war. Der amerikanische Historiker Otto Pflanze[136] legte 1990 eine mehrbändige Biographie vor. Im Unterschied zu den anderen großen Bismarckbiographien stellt sie weniger Bismarcks Handeln als vielmehr seine Persönlichkeit in der Vordergrund und untersucht diese teils mit psychoanalytischen Methoden.[137] Einen ungewöhnlichen Weg ging Fritz Stern[138] der 1978 eine Doppelbiographie Bismarcks und seines Bankiers Gerson Bleichröder vorlegte. Den meisten neueren Biographien ist gemeinsam, dass sie zwar die Wirkmächtigkeit Bismarcks betonen, dessen Person jedoch eingebettet in die zeitgenössischen Strukturen und politischen Prozesse zeigen.[139]

Die Bundesrepublik Deutschland errichtete 1996 die Otto-von-Bismarck-Stiftung als bundesunmittelbare Stiftung in Friedrichsruh. Ihr Hauptziel ist die Erarbeitung einer neuen kritischen Ausgabe der Schriften Bismarcks. Daneben ist sie auch für die Dauerausstellung zu Bismarck in Friedrichsruh verantwortlich. Auch seine Studentenwohnung in Göttingen, das Bismarckhäuschen, ist als kleines Museum zugänglich. An seinem Geburtsort Schönhausen wurde 1998 mit Mitteln des Landes Sachsen-Anhalt ein Bismarckmuseum eingerichtet. Im selben Jahr entstand ein weiteres Bismarckmuseum in Bad Kissingen, wo Bismarck zwischen 1874 und 1893 insgesamt 15 Mal zur Kur geweilt hatte. Am 1. November 2004 wurde in Jever ein weiteres Bismarckmuseum eröffnet.

Literatur, Quellen und Darstellungen

Schriften und Reden Bismarcks

  • Gedanken und Erinnerungen; Herbig, München 2007, ISBN 978-37766-5012-9.
  • Die politischen Reden des Fürsten Bismarck, Historisch-kritische Ausgabe besorgt von Horst Kohl, 12 Bände, Stuttgart 1892–1894;
  • Bismarckbriefe (1836–1872), 6. Auflage (Horst Kohl, Hrsg.), Bielefeld/Leipzig 1897.
  • Gesammelte Werke: Briefe, Reden und Aktenstücke (B. Walden, Hrsg.), Band 1–4, Berlin 1896.
  • Die politischen Berichte des Fürsten Bismarck aus Petersburg und Paris (1859–1862) (L. Raschdau, Hrsg.), Bd 1: 1859–1860; Bd. 2: 1861–1862, Berlin 1920.
  • Bismarcks Briefwechsel mit dem Minister Freiherrn von Schleinitz 1858–1861, Stuttgart/Berlin 1905.
  • Bismarck und der Staat – Ausgewählte Dokumente, eingeleitet von Hans Rothfels, 4. Auflage, Stuttgart 1964.
  • Die Ansprachen des Fürsten Bismarck (1848–1894) (H. v. Poschinger, Hrsg.), Stuttgart/Leipzig/Berlin/Wien 1895.
  • Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin (H. v. Biismarck, Hrsg.), Stuttgart 1900.
  • Bismarcks Briefe an seine Gattin aus dem Kriege !870/71, Stuttgart/Berlin 1903.
  • Briefe Ottos von Bismarck an Schwester und Schwager Malwine von Arnim geb. v. Bismarck u. Oskar von Arnim-Kröchlendorff 1843–1897 (Horst Kohl, Hrsg.), Leipzig 1915.
  • Otto von Bismarck – Briefe, Berichte, Denkschriften, Erlasse, Gespräche, Reden Vorträge (Karl Mielcke, Hrsg.), Braunschweig 1954.

Biographisches

  • Rudolf Augstein: Otto von Bismarck, Frankfurt am Main 1990.
  • Ernst Engelberg: Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer. Akademie-Verlag XVI, Berlin 1985.
  • Ernst Engelberg: Bismarck. Das Reich in der Mitte Europas. Akademie-Verlag XIII, Berlin 1990.
  • Erich Eyck: Bismarck. Leben und Werk. 3.Bde. Erlenbach-Zürich, 1941–1944
  • Lothar Gall: Bismarck – Der weiße Revolutionär, Ullstein, 2. Aufl., 2002, ISBN 3-548-26515-4.
  • Robert Gerwarth: The Bismarck Myth. Weimar, Germany and the Legacy of the Iron Chancellor, Oxford University Press 2005; aus d. Engl. v. Klaus-Dieter Schmidt, u.d.T.: Der Bismarck-Mythos. Die Deutschen und der Eiserne Kanzler, Siedler, München 2007.
  • Sebastian Haffner: Otto von Bismarck, in: ders./Wolfgang Venohr, Preußische Profile, Neuausgabe Berlin 2001, S. 141-161.
  • Hans-Walter Hedinger: Der Bismarckkult. Ein Umriß. In: Günther Stephenson (Hrsg.): Der Religionwandel in unserer Zeit im Spiegel der Religionwissenschaft, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1976, S. 201–215.
  • Bernd Heidenreich, Frank-Lothar Kroll (Hrsg.): Bismarck und die Deutschen, Wissenschaftsverlag, Berlin 2005, ISBN 3-8305-0939-1.
  • Christian von Krockow: Bismarck – Eine Biographie, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1997, ISBN 3-416-80662-X.
  • Max Lenz: Bismarck, Otto Fürst von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Bd. 48, Leipzig 1904, S. 571–775.
  • Rolf Parr: „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust!“ – Strukturen und Funktionen der Mythisierung Bismarcks (1860–1918). Fink, München 1992, 247 S., ISBN 3-7705-2727-5.
  • Rainer F. Schmidt: Bismarck – Realpolitik und Revolution, Focus Edition, Hugendubel, München 2006, ISBN 3-7205-2865-0.
  • Fritz Stern: Gold und Eisen: Bismarck und sein Bankier Bleichröder, Rowohlt, Reinbek 1988.
  • Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode: Otto von Bismarck. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Bd. 2, Berlin 1955, S. 268–277.
  • Volker Ullrich: Otto von Bismarck, Rowohlt, Reinbek 1998.
  • Johannes Willms: Bismarck – Dämon der Deutschen. Anmerkungen zu einer Legende, Kindler Verlag, München 1997

Literatur zur Epoche

Filme

  • Bismarck – Kanzler und Dämon, Deutschland 2007, Fernsehdokumentation in zwei Teilen (2 x 45 min.) Teil 1: Vom Landjunker zum Reichsgründer – Teil 2: Regierungsgewalt und Machtverlust. Kamera: Reiner Bauer, Musik: Jens Fischer, Buch und Regie: Christoph Weinert, Erstausstrahlung Juni 2007 im NDR.

Weblinks

Commons
 Commons: Otto von Bismarck – Bilder, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Christopher Clark: Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600–1947. dva, Stuttgart 2007, ISBN 3-421-05392-8. S.592f., Gall, Bismarck, S.27-30, Ullrich, Bismarck, S.14f.
  2. Ullrich, Bismarck, S.16-20
  3. Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin (H. v. Biismarck, Hrsg.), Stuttgart 1900, Brautwerbebrief an Heinrich von Puttkamer
  4. Otto Becker, Bismarcks Ringen um Deutschlands Gestaltung, hrsg. U. ergänzt von Alexander Scharff, Heidelberg 1958: Bismarcks Brief an den Bruder Bernhard am 16.10.1836
  5. Ullrich, Bismarck, S.23, Gall, Bismarck, S.33-36
  6. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.26
  7. Ullrich, Bismarck, S.27, Gall, Bismarck, S.42-49
  8. Gall, Bismarck, S.50-55
  9. Ullrich, Bismarck, S.32f.
  10. Gall, Bismarck, S.63
  11. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.36
  12. Ullrich, S.34-36
  13. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd.2, S.451
  14. Ullrich, Bismarck, S.38f.
  15. Ullrich, Bismarck, S.41
  16. Gall, Bismarck, S.83
  17. Gall, Bismarck, S.102-106
  18. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.45
  19. Ullrich, S.39-45
  20. Nipperdey, Bürgerwelt und starker Staat, S.316, S.673
  21. Gall, Bismarck, S.123
  22. Gall, Bismarck, S.141f.
  23. Gall, Bismarck, S.148
  24. Ullrich, Bismarck, S.46-52, Gall, Bismarck, S.161f.
  25. Ullrich, Bismarck, S.52
  26. Ullrich, Bismarck, S.53-58
  27. Gall, Bismarck, S.201
  28. Gall, Bismarck, S.244f.
  29. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.60
  30. zit. nach Gall, Bismarck, S.245
  31. Nipperdey, Bürgerwelt, S.757, Ullrich, Bismarck, S.58-60
  32. Gall, Bismarck, S.246f.
  33. Nipperdey, Bürgerwelt, S.759f.
  34. zit. nach Gall, Bismarck, S.254
  35. Gedanken und Erinnerungen. Bd.1, Kap.14
  36. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.61
  37. Auszug aus Bismarcks „Blut und Eisen“-Rede (1862) (GHDI-Document)
  38. Gall, Bismarck, S.256f.
  39. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.62
  40. zit. nach Gall, Bismarck, S.279
  41. Ullrich, Bismarck, S.60-65, Nipperdey, Bürgerwelt, S.761-768
  42. zit. Ullrich, Bismarck, S.67
  43. Nippderdey, S.707-709, Ullrich, Bismarck, S66f.
  44. Gall, Bismarck, S.299
  45. Ullrich, Bismarck, S.68f., Gall, Bismarck, S.301-303
  46. Clarke, Preußen, S.598-605
  47. Winkler, Weg nach Westen, S.161-164, Ullrich, Bismarck, 70-72
  48. Winkler, Weg nach Westen, S.165
  49. Gall, Bismarck, S.324
  50. Winkler, Weg nach Westen, S.167
  51. Clark, Preußen, S.611
  52. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.75
  53. Gall, Bismarck, S.366f.
  54. Ullrich, Bismarck, S.72-78, Clark, Preußen, S.608-620, Winkler, Weg nach Westen, S.166-178
  55. Ullrich, Bismarck, S.83
  56. Winkler, Weg nach Westen, S.187
  57. Ullrich, Bismarck, S.78f., Gall, Bismarck, S.378f.
  58. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.79
  59. Winkler, Weg nach Westen, S.185
  60. Ullrich, Bismarck, S.79-82
  61. Gall. Bismarck, S.393-400.
  62. Gall, Bismarck, S.401f.
  63. Gall, Bismarck, S.415f.
  64. Ullrich, Bismarck, S.83-87
  65. Gall, Bismarck, S.406
  66. Die ursprüngliche und die von Bismarck bearbeitete Fassung der Emser Depesche (GHDI-Document)
  67. Ullrich, Bismarck, S.87-89
  68. Gall, Bismarck, S.438
  69. Beispieldokument zur Auseinandersetzung zwischen Bismarck und dem Militär(Dezember 1870) (GHDI-Document)
  70. Gall, Bismarck, S.447f.
  71. Schreiben Bismarcks an Ludwig II. von Bayern (27. November 1870) (GHDI-Document)
  72. Ullrich, Bismarck, S.90-94, Gall, Bismarck, S.461f.
  73. Ullrich, Bismarck, S.102f.
  74. Nipperdey, Machtstaat, S.426
  75. Ullrich, Bismarck, S.95, Nipperdey, Machtstaat, S.427f.
  76. Nipperdey, Machtstaat, S.432
  77. Ullrich, Bismarck, S.95-97, Nipperdey, Machtstaat, S.433
  78. zit. nach Ullrich, Bismarck, S,98
  79. Gall, Bismarck, S.595.
  80. Ullrich, Bismarck, S.97-100, vergl. ausführlich dazu etwa, Nipperdey, Machtstaat, S.433-445
  81. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.101
  82. Ullrich, Bismarck, S.101
  83. Ullrich S.100f., vergl, Nipperdey, Machtstaat, S.445-453
  84. Nipperdey, Machtstaat, S.454-461
  85. Gall, Bismarck, S.529
  86. Loth, Kaiserreich, S.44-50
  87. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.105, Loth, Kaiserreich, S.53, Gall, Bismarck, S.473
  88. Otto von Bismarck im Deutschen Reichstag am 14. Mai 1872
  89. Ullrich, Bismarck, S.104f., Loth, Kaiserreich, S.50-59
  90. Gall, Bismarck, S.548
  91. Loth, Kaiserreich, S.59-63
  92. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.108
  93. Gall, Bismarck, S.558f., S.563
  94. zit. nach Gall, Bismarck, S.497
  95. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.106
  96. Gall, Bismarck, S.564, S.570f.
  97. Loth, Kaiserreich, S.64-67, Gall, Bismarck, S.584, S.589
  98. Ullrich, Bismarck, S.108
  99. Gall, Bismarck, S.604
  100. Gall, Bismarck, S.606.
  101. zit. nach Loth, Kaiserreich, S.68
  102. Loth, Kaiserreich, S.68-72, Ullrich, Bismarck, S.106, Gall, Bismarck, S.649.
  103. vergl. zur Haltung Bismarck zu den Polen: Deutsche-und-Polen.de
  104. Loth, Kaiserreich, S.72-81
  105. Ullrich, Bismarck, S.111
  106. Ullrich, Bismarck, S.111-114
  107. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.117
  108. zit. nach S. Fischer-Fabian, Herrliche Zeiten – Die Deutschen und ihr Kaiserreich, Tosa-Verlag (Nachdruck), Wien 2006, ISBN 3-85003-023-7, S. 212.
  109. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.120
  110. Ullrich, Bismarck, S.115-121
  111. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.122
  112. Ullrich, Bismarck, S.7
  113. Ullrich, Bismarck, S.7f.
  114. Ullrich, Bismarck, S.124
  115. Ullrich, Bismarck, S.122-128
  116. Ullrich, Bismarck, S.129f.
  117. 6. Absatz in: Zur Geschichte des Liedes „Der Gott, der Eisen wachsen ließ“ von Ernst Moritz Arndt (1769–1860)
  118. Theodor Fontane, Der Zivil-Wallenstein, in: Gotthard Erler (Hrsg.): Kahlebutz und Kräutertochter – Märkische Porträts, Aufbau Taschenbuch Verlag, 1. Auflage, Berlin 2007.
  119. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.148
  120. Ullrich, Bismarck, S.8
  121. Ewald Frie: Das Deutsche Kaiserreich (= Kontroversen um die Geschichte). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-14725-1. S.3
  122. Erich Marcks: Bismarck. Eine Biographie 1815–1851. Stuttgart/Berlin, 1939
  123. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.148
  124. Emil Ludwig: Bismarck. (zuerst 1926 veröffentlicht). Ungekürzte Neuausgabe. Gütersloh, 1975. ISBN 3-7766-0733-5
  125. Arnold Oskar Meyer: Bismarck. Der Mensch und der Staatsmann. Leipzig, 1944
  126. Loth, Kaiserreich, S.203
  127. Loth, Kaiserreich, S.204
  128. Erich Eyck: Bismarck. Leben und Werk. 3.Bde. Erlenbach-Zürich, 1941–1944
  129. Loth, Kaiserreich, S.205
  130. zit. nach Ullrich, Bismarck, S.148
  131. Hans-Ulrich Wehler: Das deutsche Kaiserreich. Göttingen, 1998 [zuerst 1973] S.64ff.
  132. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 3: Von der deutschen Doppelrevolution bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. 1849–1914. München 1995, ISBN 3-406-32490-8. S.849ff.
  133. Lothar Gall: Der weiße Revolutionär. Berlin, 1980
  134. Ullrich, Bismarck, S.10
  135. Ernst Engelberg: Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer. Berlin, 1985.
  136. deutsche Ausgabe: Otto Pflanze: Bismarck. Bd.1: Der Reichsgründer, Bd.2 Der Reichskanzler. München, 1997/98
  137. Ullrich, Bismarck, S.10f.
  138. deutsche Ausgabe: Fritz Stern: Gold und Eisen. Bismarck und sein Bankier Bleichröder. Berlin, 1978
  139. ausführlich zu Gall und Stern: Jürgen Kocka: Bismarck-Biographien. In: Geschichte und Gesellschaft Heft 3/4 1981 S.572-581
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