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Gerechtigkeit – Wikipedia

Gerechtigkeit

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Der Kuss von Gerechtigkeit und Friede. Unbekannter Künstler, Antwerpen um 1580
Der Kuss von Gerechtigkeit und Friede. Unbekannter Künstler, Antwerpen um 1580

Der Begriff der Gerechtigkeit (gr.: dikaiosýne, lat.: iustitia, engl./frz. justice) bezeichnet einen angemessenen Ausgleich von Interessen beziehungsweise die angemessene Verteilung von Gütern oder Chancen zwischen beteiligten Personen, Gruppen oder innerhalb eines Gesellschaftsverbands. Gerechtigkeit ist in der Ethik, in der Rechts- und Sozialphilosophie sowie in der Moraltheologie ein zentrales Thema bei der Suche nach moralischen Maßstäben. Ein Charakteristikum von Gerechtigkeit ist, dass sie stets in Bezug auf andere gedacht wird (Intersubjektivität). Sie gehört zu den Grundnormen menschlichen Zusammenlebens und gilt als Grundprinzip für die Rechtsprechung und die Gesetzgebung. Ihr Gegensatz ist die Ungerechtigkeit, ferner die Willkür. Empfundene Ungerechtigkeit ist ein wesentliches Motiv für die Forderung, Gerechtigkeit herzustellen.

Kulturen- und epochenübergreifend als Menschheitsideal wirksam, stellt Gerechtigkeit – in unterschiedlicher Auslegung – einen universellen Bezugspunkt des politischen Denkens dar. Globalisierung, weltwirtschaftliche Probleme, Klimawandel und demographische Entwicklungen haben dazu beigetragen, dass neben Fragen innerstaatlicher sozialer Gerechtigkeit auch die nach Generationengerechtigkeit oder einer gerechten Weltordnung in den Vordergrund rücken.

Gerechtigkeit gehört zu den Kardinaltugenden, umfasst jedoch nicht notwendig gute Taten und andere Handlungen von Wohltätigkeit und Barmherzigkeit, die freiwillig und ohne moralische Verpflichtung erbracht werden (Altruismus, supererogatorische Tugenden, die über das ethisch Gebotene hinaus gehen, wie Dankbarkeit oder Karitas). Diese sind zwar erwünscht, können aber nicht wie Gerechtigkeit eingefordert werden.

Die Darstellung der „Gerechtigkeit“ im westlichen Kulturkreis ist die urteilende Justitia, mit Waage (abwägend), Schwert (strafend) und einer Binde vor den Augen (ohne Ansehen der Person).
Die Darstellung der „Gerechtigkeit“ im westlichen Kulturkreis ist die urteilende Justitia, mit Waage (abwägend), Schwert (strafend) und einer Binde vor den Augen (ohne Ansehen der Person).

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Zum Begriff Gerechtigkeit

Im Althochdeutschen ist das Adjektiv „gireht“ erstmals im 8. Jahrhundert nachzuweisen. Es bedeutete „gerade“, „richtig“ „passend“ (stärkere Form von „reht“), beim mittelhochdeutschen „gereht“ kommt die abstraktere Bedeutung „dem Rechtsgefühl entsprechend“ hinzu, wie bereits zuvor im Gotischen „garaiths“.[1] Später steht „gerecht“ auch für „gradlinig“ „angemessen“ und „gemäß“.

Der abstrakte Wert „Gerechtigkeit“ umfasst als Prinzip zur vernunftgemäßen Gestaltung des „guten Zusammenlebens bei Konflikten“

  • menschliche Handlungen und deren Ergebnisse (gerechter Lohn, gerechte Stellenbesetzung),
  • Urteile über Handlungen (vor Gericht, im Sport, in der Erziehung),
  • soziale Regeln (Handlungsnormen, Gesetze, Verfahrensweisen),
  • Einstellungen (Gerechtigkeit als menschliche Tugend) sowie
  • bestehende Beziehungen zwischen Personen oder in der Gesellschaft (gerechte Verhältnisse).

Gelegentlich werden Institutionen oder sogar Emotionen (gerechter Zorn) als gerecht bezeichnet.

Ungerechtigkeit ist eine Verletzung der Gerechtigkeit. Zur Ungerechtigkeit gehört auch die Unterlassung einer pflichtgemäßen Handlung.

Gerechtigkeit ist ein normativer, mit einem Sollen verbundener Begriff, der im Verhältnis der Menschen untereinander eine intersubjektive Gültigkeit beansprucht. Damit ist die Aufforderung verbunden, ungerechte Zustände in gerechte umzuwandeln. Wer gerecht sein will, hat die Pflicht gegenüber sich selbst, aber auch in der Erwartung der Anderen, entsprechend zu handeln. Wenn man Gerechtigkeit als Gebot der Sittlichkeit anerkennt, trägt man einen Teil der Verantwortung dafür, dass gerechte Verhältnisse hergestellt werden. Die Zuschreibung von Verantwortung (Verantwortungsethik) bedeutet, dass das Streben nach Gerechtigkeit von Handlungsfreiheit ausgeht. Für ungerechtes Handeln kann der Einzelne auf dieser Grundlage verantwortlich gemacht und von den Betroffenen oder der Gesellschaft zur Rechenschaft gezogen werden.

Unter formaler Gerechtigkeit versteht man ein allgemeines Regelungsprinzip, das eine Vorgehensweise bestimmt, nach der alle gleich gelagerten Fälle gleich zu behandeln sind. Formale Prinzipien der Gerechtigkeit sind Gleichheit, Angemessenheit und Unparteilichkeit. Unterschiede in der Behandlung von Personen oder Sachverhalten bedürfen folglich der Begründung.

Materielle (auch: materiale) Gerechtigkeit hingegen stellt einen inhaltlichen Bezug zu einem konkreten Sachverhalt her. Wenn bei einer Person X ein bestimmtes Merkmal Y vorliegt, dann soll daraus Z folgen: Landarbeiter sollten mehr zu essen bekommen als Büroangestellte – weil körperliche Arbeit einen höheren Kalorienbedarf erzeugt.

Materielle Gerechtigkeit setzt formale Gerechtigkeit voraus, schließt aber die Berücksichtigung situationsbedingter Voraussetzungen ein und wird wesentlich unter zwei Gesichtspunkten diskutiert:

  • Wie sind Verhältnisse beschaffen, die dem Ideal der Gerechtigkeit entsprechen?
  • Welche Korrekturen sind geeignet, Gerechtigkeitslücken zu schließen oder ungerechten Zuständen abzuhelfen?

Formale Gerechtigkeit ist kulturell und historisch neutral bestimmbar. Materielle Gerechtigkeit indes ist, wie andere Wertinhalte auch, in der Geschichte unterschiedlich aufgefasst worden und wird auch in der Gegenwart je nach Kulturkreis verschieden interpretiert. Ein klassisches historisches Beispiel ist die Sklaverei. In der Gegenwart gibt es beispielsweise noch sehr unterschiedliche Auffassungen im Hinblick auf die Gleichstellung der Frauen – in manchen Kulturkreisen auch formalrechtlich, in modernen demokratischen Gesellschaften nicht selten informell.

Auf die Gefahr, dass ob der Allgegenwart der Kategorie Gerechtigkeit in allen Religionen, Philosophien und Weltanschauungen schließlich nur mehr eine Wortfassade übrig bleibt, hat Ernst Topitsch hingewiesen. Er postulierte „die Tatsache, dass bestimmte sprachliche Formeln durch die Jahrhunderte als belangvolle Einsichten oder sogar als fundamentale Prinzipien des Seins, Erkennens und Wertens anerkannt wurden und es heute noch werden - ... gerade weil und insofern sie keinen, oder keinen näher angebbaren Sach- oder Normengehalt besitzen.[2] Zu einer ähnlichen Einschätzung aus der Sicht des Rechtspositivismus kam auch Hans KelsenDie Bestimmung der absoluten Werte im allgemeinen und die Definition der Gerechtigkeit im besonderen, die auf diesem Wege erzielt werden, erweisen sich als völlig leere Formeln, durch die jede beliebige gesellschaftliche Ordnung als gerecht gerechtfertigt werden kann.[3]

[Bearbeiten] Zum Ursprung von Gerechtigkeit

Gerechtigkeit als nackte Frau mit Schwert und Waage. Lucas Cranach d.Ä., 1537
Gerechtigkeit als nackte Frau mit Schwert und Waage. Lucas Cranach d.Ä., 1537

Gerechtigkeit als Prinzip einer ausgleichenden Ordnung in einer Gesellschaft findet sich in allen Kulturen und ist historisch sehr weit zurückzuverfolgen. Ursprünglich wurde Gerechtigkeit als das Einhalten von sozialen Normen und Gesetzen aufgefasst. Dabei betrachtete man die gesellschaftliche Ordnung als Naturprinzip (Naturrecht) oder als Setzung transzendenter Mächte, wie beispielsweise einer Gottheit, die als personifizierte Gerechtigkeit angesehen wurde oder der diese Eigenschaft zumindest als wesentlich zugesprochen wurde. Gerecht zu sein hieß somit, die Gebote Gottes beziehungsweise der Götter zu erfüllen.

Die Bezeichnung „gerecht“ bedeutete rechtschaffen oder weise, so in der ägyptischen Ma’at-Lehre oder dem alt-israelischen Begriff der Sädäq (Gemeinschaftstreue).[4] Ähnlich weit gefasst ist auch das „Yi“ (Rechtschaffenheit), eine der vier Säulen des Lunyu im Konfuzianismus, das eine Haltung fordert, die man vor sich selbst rechtfertigen kann. Gerechtigkeit wurde in diesen traditionellen Lehren vor allem als personale Gerechtigkeit, als Eigenschaft und Tugend eines Menschen innerhalb des Herrschaftsgefüges verstanden, die zur Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung beitragen sollte.

In der Philosophie der Antike finden sich die ersten systematischen Betrachtungen über die Gerechtigkeit bei Platon und Aristoteles. Vor allem Aristoteles traf die Unterscheidung zwischen personaler und gesellschaftlicher Gerechtigkeit als Bürgertugend. Diese Auffassung der personalen Gerechtigkeit war bis ins Mittelalter vorherrschend. Erst mit Beginn der Neuzeit finden sich ausgearbeitete Konzepte, Gerechtigkeit als Vertragsbeziehung zwischen Menschen zur Lösung von Konflikten zu bestimmen, so in den Vorstellungen vom Gesellschaftsvertrag Mitte des 17. Jahrhunderts bei Thomas Hobbes oder ungefähr ein Jahrhundert später im Zeitalter der Aufklärung bei Jean-Jacques Rousseau. Recht wurde nun nicht mehr nur als Ausdruck einer göttlichen Ordnung aufgefasst. Gerechtigkeit erhielt die Bedeutung einer Institution zum Ausgleich unterschiedlicher Interessen. Entsprechend wurde die Bestimmung als personale Gerechtigkeit von der Sicht einer institutionellen Gerechtigkeit, der iustitia legalis, verdrängt.

[Bearbeiten] Bedingungen von Gerechtigkeit

Allegorie der Gerechtigkeit. Virgil Solis 1540/45  „So man Ghrechtigkeit nimbt für hannt, Wirdet wol ghregiert leut unnd Lannd““
Allegorie der Gerechtigkeit. Virgil Solis 1540/45

„So man Ghrechtigkeit nimbt für hannt, Wirdet wol ghregiert leut unnd Lannd““

Damit Gerechtigkeit als angemessener Ausgleich der in jeder historischen Gesellschaft existierenden vielfältigen Unterschiede weitgehend wirksam werden kann, ist es eine notwendige Voraussetzung, dass die vorhandenen Interessen und moralischen Bewertungen offen und uneingeschränkt kommuniziert werden können. Werden die gesellschaftlichen Normen heteronom (von außen, fremdbestimmt) zum Beispiel durch einen Herrscher oder eine Elite wie die Aristokratie vorgegeben oder handelt es sich um eine Diktatur, sind die Menschen von den Interessen und der Macht Weniger oder Einzelner abhängig, auch wenn der Herrscher sich bemüht, gerecht zu sein. Eine Gesellschaft wird erst autonom (unabhängig und selbständig), wenn die Interessen und Werte in einer offenen Diskussion erörtert und anschließend in einem politischen Prozess, der unterschiedlich gestaltet sein kann, in gültige aber veränderbare Rechtsnormen umgesetzt werden.

Kommunikationsfreiheit ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für ein möglichst hohes Maß an Gerechtigkeit. Zum einen erfordert der kritische Diskurs, dass die beteiligten Personen den Prinzipien der Vernunft folgen und sich an moralischen Grundsätzen orientieren. Zum anderen muss als formales Grundprinzip die Gleichheit der Menschen sichergestellt sein. Durch das Prinzip der Gleichheit wird jeder gegenüber jedem verpflichtet. Gleichheit bedeutet hierbei nicht unbedingt eine egalitäre Gleichheit im Sinne der Verteilung gleicher Quantitäten. Eine häufiger vertretene Auffassung von Gleichheit ist diejenige, nach der bei gleichen Sachverhalten jeder Mensch gleich zu behandeln ist.

Aus dem Prinzip der Gleichheit auf dem Hintergrund der unterschiedlichen Interessen, die mit persönlichen Voraussetzungen und sozialen Verhältnissen in Zusammenhang stehen, wird insbesondere seit der Moderne vielfach abgeleitet, dass jeder einzelne Mensch ein möglichst hohes Maß an Freiheit haben soll. Und darüber hinaus alle Menschen in ihren Grundbedürfnissen wie Essen, Wohnen, Bildung oder medizinische Versorgung geschützt werden müssen.

Zudem beruht auch der Minderheitenschutz auf dem Gleichheitsprinzip, durch das gewährleistet werden soll, dass nicht eine Mehrheit Einzelne oder Minderheiten in Hinblick auf Religion, Rasse, Geschlecht oder andere Bedingungen diskriminiert. Das Diskriminierungsverbot enthält die positive Forderung nach Anerkennung der Würde jedes Menschen.

[Bearbeiten] Gleichheit als Grundrecht

Die wichtigste praktische Anwendung der Idee der Gerechtigkeit findet sich auf dem Gebiet des positiven Rechts. Dabei ist die Gleichheit vor dem Gesetz eine der entscheidenden Grundlagen des juristischen Bemühens um die Gerechtigkeit. Sie gilt als Fundament des Rechtsstaates und ist Bestandteil der meisten Verfassungen. So legt Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland fest: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Darüber hinaus wird ausdrücklich auf die Gerechtigkeit Bezug genommen: „Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“ (Art. 1 Abs. 2 GG)

In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 heißt es: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. [...] Jeder Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen."

[Bearbeiten] Menschliches Zusammenleben

[Bearbeiten] Formen der Gerechtigkeit

In unterschiedlichen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens spielen verschiedene Gerechtigkeitskonzepte eine Rolle. Sie sind abhängig von den Adressaten sowie von den jeweiligen gesellschaftlichen Voraussetzungen:[5]

  • Gleichberechtigung aller Menschen als Verzicht auf Diskriminierung von gesellschaftlichen Gruppen aufgrund von Geschlecht, Rasse, Religion oder sonstigen Weltanschauungen (Gleichheitssatz)
  • Politische Gerechtigkeit in Hinblick auf Freiheiten, Ämter und Chancen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene
  • Juristische Gerechtigkeit in Form angemessener und ausgewogener Gesetze, einer adäquaten Rechtsprechung und eines angemessenen Strafvollzugs
  • Tauschgerechtigkeit in Bezug auf ökonomische Beziehungen ebenso wie in der Bewertung von Leistung und Gegenleistung zum Beispiel bei der Bemessung von Schadenersatz und Strafmaßen
  • Soziale Gerechtigkeit als angemessene Verteilung von materiellen Gütern, Arbeitsstellen und Ressourcen einschließlich der Chancengleichheit durch Zugang zu den Gegenständen der Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Ernährung, Wohnung, medizinische Versorgung oder Bildung (auch: ausgleichende Gerechtigkeit)
  • Schützende Gerechtigkeit durch Friedenssicherung, Minderheitenschutz als Toleranz gegenüber Abweichungen von sozialen und kulturellen Gebräuchen und Normen (zum Beispiel für Behinderte und Homosexuelle) sowie Schutz gegen Übergriffe anderer durch das Strafrecht
  • Generationengerechtigkeit gegenüber künftigen Generationen, vor allem durch Begrenzung der Staatsverschuldung, ausreichende Investitionen in Bildung und Umweltschutz, aber auch im Verhältnis von Eltern zu ihren minderjährigen Kindern wie von Kindern zu ihren altgewordenen Eltern
  • Kontributive Gerechtigkeit als Recht auf Mitbestimmung, aber auch als Pflicht zur Mitwirkung
  • Verfahrensgerechtigkeit als Einhaltung anerkannter Regeln ohne Ansehen der Person zur Bewahrung der Rechtsdisziplin, zum Beispiel im Rahmen der sozialen Gerechtigkeit oder des Strafrechts (auch: Regelgerechtigkeit im Gegensatz zur Ergebnisgerechtigkeit).

[Bearbeiten] Kriterien der Gerechtigkeit

Die soziale Funktion von Debatten und Konzeptionen zur Gerechtigkeit besteht darin, innerhalb menschlicher Beziehungen Werturteile über Verteilungen bzw. Zuteilungen zu ermöglichen. Maßstab dafür kann sein, was jemand nach eigener Auffassung oder der anderer benötigt, worauf er ein Recht hat, oder was er verdient.

Es gibt vielfältige Kriterien, nach denen das Maß der Gerechtigkeit beurteilt werden kann. Man unterscheidet verschiedene Möglichkeiten der Verteilung (Distributionsprinzipien):[6]

  • Bedürfnisprinzip, d.h. den - verschiedenen/verschieden großen - Bedürfnissen gerecht werden
  • Vertragsprinzip, d.h. dem Vereinbarten gerecht werden
  • Leistungsprinzip, d.h. wer viel für die Gemeinschaft leistet, dem steht auch mehr zu
  • Gleichheitsprinzip, d.h. jeder bekommt das Gleiche - Egalitarismus
  • Gleichberechtigungsprinzip, d.h. Ausgleich/Angleichung von Rechten und Chancen - z.B. zwischen Mann und Frau
  • Maximinprinzip, d.h. der Schlechtestgestellte erhält mindestens das, was der Schlechtestgestellte in einer anderen Verteilung erhalten hätte (bei John Rawls als Unterschiedsprinzip bezeichnet)[7]
  • Nachhaltigkeitsprinzip als Grundsatz der Umweltethik, d.h. nicht mehr zu verbrauchen, als an natürlichen Ressourcen nachwächst[8]
  • Kommunistisches Prinzip, d.h. jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen[9]
  • Autoritäres Machtprinzip, d.h. jedem wird das Seine zwangsweise zugeordnet.

Gegenüber dem Prinzip der Distribution, das auf den Empfänger ausgerichtet ist, bezieht sich das Prinzip der Subsidiarität auf den Geber von Gütern und Leistungen. Es besagt, dass sich zunächst jeder soweit wie möglich selbst helfen soll. Dies umfasst die Pflicht des Einzelnen, seinen Beitrag zur Gemeinschaft nach den ihm gegebenen Möglichkeiten zu leisten. Erst wenn auf diesem Wege (Grund-)Bedürfnisse nicht erfüllt werden, ist die Gemeinschaft verpflichtet, einen Ausgleich zu schaffen. Der Gedanke der Subsidiarität liegt zum Beispiel der deutschen Sozialhilfe zugrunde. Überdies besagt das Subsidiaritätsprinzip, dass die höhere Ebene der Gemeinschaft dort nicht zuständig ist, wo die untergeordnete Ebene Aufgaben selbstverantwortlich lösen kann. In diesem Sinn ist das Prinzip grundlegend für die Beziehungen von Bund, Ländern und Gemeinden in Deutschland, aber auch für die Institutionen der Europäischen Union gegenüber den Mitgliedsstaaten.

Die Vielzahl der Vorstellungen zur Gerechtigkeit zeigt die Breite der Thematik und zugleich deren Problematik. Keines der einzelnen Prinzipien ist geeignet, alle konträren Interessenlagen zur Zufriedenheit aller zu lösen. Vertreter einzelner Ansätze neigen dazu, vor allem die Nachteile alternativer Entwürfe aufzuzeigen.[10] Je nach Begründung der unterschiedlichen Postulate, die im Zusammenhang mit der Lebenswelt ihrer Urheber stehen, kommt es zu unterschiedlichen Werturteilen. Die Frage der Gewichtung ist für viele praktische Lebensbereiche bedeutsam, wenn es darum geht, als ungerecht erachtete Verhältnisse zu korrigieren. Dies betrifft Bildungschancen ebenso wie die Mitbestimmung in Unternehmen, die Steuergerechtigkeit, einen gerechten Lohn oder die Bemessung gerechter Strafen. Der schon in der Antike formulierte Maßstab „Jedem das Seine“ (Suum cuique) gibt einen Anhaltspunkt, löst aber weder das Verteilungsproblem (Quantifizierung) noch Interessenkonflikte.

[Bearbeiten] Gerechtigkeit als politische Gestaltungsaufgabe

Wie die Gerechtigkeit von alters her ein zentrales Thema der politischen Philosophie war, bestimmt sie auch in der Gegenwart wesentlich das politische Denken und die Themen der praktischen Politik. Dabei sind in den westlichen Industrieländern neben die klassischen Auseinandersetzungen um innerstaatliche soziale Gerechtigkeit, die vom Ringen um die Lösung der Sozialen Frage und um die Schaffung und Entwicklung eines sozialen Sicherungssystems mit seinen verschiedenen Zweigen geprägt waren und sind, Fragen der Gleichberechtigung der Geschlechter, der kulturellen und individuellen Selbstbestimmung sowie der Gerechtigkeit gegenüber Tieren und der Natur getreten. So verweist B. Sitter auf den antiken Vorsokratiker Anaximander, der Gerechtigkeit im umfassenden Sinne verstand, als kosmisches Ordnungsprinzip und als Ideal des menschlichen Verhaltens gegenüber allem Seienden.[11]

Vor allem aber hat die immer engere Verflechtung durch die Globalisierung das Problembewusstsein hinsichtlich der internationalen Verteilungsgerechtigkeit, der Verwirklichung von Gerechtigkeit durch Menschenrechte und durch eine gerechte politische Ordnung weltweit geschärft. Standen in der internationalen Diplomatie und Verständigungspolitik traditionell Kriegsverhütung, Friedensschlüsse und nationale Handelsinteressen im Mittelpunkt, so ist die Agenda (Tagesordnung) der Vereinten Nationen sowie die der internationalen Gipfeltreffen und –foren (Weltwirtschaftsforum, Weltsozialforum) heute zunehmend mit Problemen der Armut, des Klimaschutzes, der Migration sowie der weltweiten Verlagerung von Kapitalströmen, Unternehmensinvestitionen und von branchenbezogenen Arbeitsplätzen befasst.

Auch über die Frage, ob es „gerechte Kriege“ geben kann, wurde und wird im Rahmen einer internationalen Sicherheitspolitik und darüber hinaus immer wieder neu diskutiert.

Jürgen Habermas u.a. stellen in diesem Zusammenhang die Frage nach einer Weltinnenpolitik. Otfried Höffe schwebt sogar in Anlehnung an Kant eine „Weltrepublik“ vor.[12] Konkurrierende Positionen betonen den Vorrang ökonomischer, sozialer und kultureller Gerechtigkeit. Eine gerechtere Weltordnung ist, darüber besteht ein weitgehender Konsens, nur im globalen Zusammenwirken erreichbar.

[Bearbeiten] Empirische Gerechtigkeitsforschung

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts haben sich verschiedene Disziplinen der empirischen Gerechtigkeitsforschung entwickelt. Die Untersuchungen beziehen sich vor allem auf Einstellungen zur Gerechtigkeit (Psychologie) und inwieweit diese in den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen widergespiegelt werden (Sozialwissenschaften). Dabei werden folgende Fragestellungen bearbeitet:[13]

„(1) Was glauben Individuen und Gesellschaften, was gerecht ist, und warum glauben sie es?
(2) Wie beeinflussen Gerechtigkeitsvorstellungen die aktuellen Belohnungen und die bestehende Güterverteilung in einer Gesellschaft?
(3) Wie ist das Ausmaß wahrgenommener Ungerechtigkeit bei einer Abweichung von einem gerechten Zustand?
(4) Was sind die verhaltensbezogenen und sozialen Folgen einer wahrgenommenen Ungerechtigkeit?“

Aus psychologischer Sicht interessiert insbesondere, welche Faktoren die Haltung eines Menschen in Hinblick auf seine Gerechtigkeitsvorstellung beeinflussen und welche Auswirkungen als ungerecht beurteilte Sachverhalte haben. Welchen Einfluss hat die Moralerziehung? Wie wirken sich welche Verfahrensprinzipien und Verteilungsnormen auf das Gerechtigkeitsempfinden aus? Dabei werden zumeist Erhebungen mit den Methoden der empirischen Sozialforschung durchgeführt.

Wegbereiter der Gerechtigkeitsforschung in der Sozialpsychologie war in den 1950er Jahren die Theorie der kognitiven Dissonanz von Leon Festinger und seine soziale Vergleichstheorie. George C. Homans führte erstmals ein Konzept der Verteilungsgerechtigkeit in seiner Austauschtheorie des sozialen Verhaltens ein.[14] Bedeutende Theorien aus diesem Forschungsbereichen sind die Equity-Theorie von J. Stacy Adams.[15] und die Gerechtigkeitsmotivtheorie von Melvin Lerner,[16] die in Deutschland von Leo Montada vertreten wird.[17] Die sozialpsychologische Forschung beschäftigt sich mit dem Entstehen, Erleben und Beurteilen von Ungerechtigkeiten und den Reaktionen darauf; denn tatsächliche oder vermeintliche Ungerechtigkeit(en) werden stark wahrgenommen und führen zu teilweise heftigen Reaktionen.

In den Sozialwissenschaften, vor allem in der Soziologie, wird die Frage erweitert, wie sich gesellschaftliche Institutionen, beispielsweise das Steuersystem, die Chancen auf Erwerbstätigkeit und Bildung, Zugang zum Gesundheitswesen, betriebliche Entlohnungssysteme oder das Strafrecht auf Gerechtigkeitsvorstellungen auswirken. Dabei wird zugleich der soziale Kontext der jeweiligen Werthaltungen untersucht.

Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat insbesondere mit seinen Werken Die feinen Unterschiede und Das Elend der Welt empirische Studien zur Erforschung sozialer Tatsachen, die auf Ungerechtigkeit verweisen, vorgelegt.

[Bearbeiten] Gerechtigkeit als Gegenstand der Entwicklungspsychologie

Nach Jean Piaget durchläuft der Mensch eine kognitive Lernentwicklung, die er in prinzipielle Entwicklungsstadien untergliederte. Dazu zählte er auch die Erweiterung moralischer Urteilsfähigkeit.[18] Nach einem ursprünglichen, amoralischem Stadium unterschied Piaget drei Stufen:

  • Moralischer Realismus (reine Reaktion auf erwartete Strafen; bis ca. 3 Jahre)
  • Heteronome Moral (Kennen und Befolgen vorgegebener Regeln; bis ca. 10-12 Jahre)
  • Autonome Moral (eigene Urteile und Regeln; ab der Pubertät)

Das Modell Piagets wurde in der Folgezeit von Lawrence Kohlberg an der Universität Chicago weiterentwickelt und differenziert.[19] Kohlberg setzte dabei die moralische Entwicklung mit der des Gerechtigkeitsempfindens gleich. Dieses stellt eine Balance zwischen Ansprüchen und Bedürfnissen her. Die Annahme von Entwicklungsstufen ist eine idealtypische Konstruktion. Jede Stufe baut auf der vorhergehenden auf und ist zugleich eine Erweiterung des kognitiven Rahmens.

Entwicklungsstufen moralischer Urteile
nach Lawrence Kohlberg
Niveaus und Stufen Motivation und Bezug
A. Präkonventionelles Niveau
1. Autorität Strafe, Belohnung
2. Eigene Bedürnisse Zweck – Mittel - Denken
B. Konventionelles Niveau
3. Anerkennung Konformismus, Gefallenwollen
4. Pflicht Soziale Ordnung
C. Postkonventionelles Niveau
5. Gesellschaftliche Regeln Demokratische Prinzipien
6. Universale Ethik ethische Grundprinzipien

Zu Beginn ihrer Entwicklung befinden sich Kinder auf einem präkonventionellen Niveau. Vorrangig ist die egoistische Perspektive. In einer ersten Entwicklungsstufe folgen sie Regeln einer Autorität, der Eltern, eines Lehrers. Orientierungsmaßstab sind Strafen und Belohnung. Die zweite Stufe zeigt die Verfolgung eigener Bedürfnisse im Zusammenspiel mit anderen. Sie ist noch individualistisch. Vorherrschend ist das Denken in den Kategorien Kosten und Nutzen nach dem Prinzip: wenn du mir hilfst, helfe ich dir auch. Ab etwa zehn Jahren setzt das konventionelle Niveau ein. Der Mensch beginnt, sich an übergeordneten Regeln zu orientieren. In der dritten Stufe strebt er nach Anerkennung, verhält sich in seinem sozialen Umfeld (Familie, Schule, Freizeit) konform und will vor allem anderen gefallen. In der vierten erfolgt die Orientierung an der gesellschaftlichen Ordnung. Man erfüllt seine Pflichten gegenüber Institutionen (Staat, Religion, im Verein) und versucht, zum Wohl der Gesellschaft beizutragen. Das dritte, postkonventionelle Niveau stellt einen Übergang zur Werte-Orientierung dar. Es kann etwa ab einem Alter von 20 Jahren erreicht werden. Allerdings gelingt es nicht allen Erwachsenen, sich dieser oder noch höheren Denkformen anzunähern. In der fünften Stufe wird die Gesellschaft als Sozialvertrag begriffen. Individuelle Rechte, vor allem Grundrechte, und allgemeine Rechtsprinzipien bestimmen das Denken über Fragen der Gerechtigkeit. Die sechste und höchste Stufe bringt die Orientierung an universalen ethischen Prinzipien (Kategorischer Imperativ), die auch Kritik an gesellschaftlichen Strukturen enthalten (Prinzip Verantwortung).

Kohlberg untersuchte sein Entwicklungsschema in Interview-Reihen mit Hilfe hypothetischer Dilemmata. Den Probanden wurden Situationen geschildert, in denen moralische Werte im Konflikt zueinander stehen und als vorrangig oder nachrangig beurteilt werden mussten. Dabei konnte seine sechste Stufe der moralischen Entwicklung empirisch nicht bestätigt werden. Die Forschungen Kohlbergs haben zu einer Vielzahl weiterer empirischer Untersuchungen geführt und Eingang in die Pädagogik gefunden. In Deutschland hat sich zu diesem Themenbereich ein Forschungszentrum an der Universität Konstanz gebildet, in dem Georg Lind, ein Schüler Kohlbergs, die Konstanzer Methode der Dilemmadiskussion entwickelt hat.[20]

Carol Gilligan, eine ehemalige Mitarbeiterin Kohlbergs, stellte während der gemeinsamen Untersuchungen fest, dass Frauen innerhalb dieses Schemas regelmäßig im Durchschnitt niedrigere Stufen erreichten als Männer. In einem eigenen Befragungskonzept erweiterte sie den Bereich der untersuchten Werte und kam zu dem Schluss, dass das Konzept der Gerechtigkeit und die dabei unterstellte Autonomie typisch beim männlichen Geschlecht dominant, also androzentrisch seien. Für Frauen hingegen hat nach Gilligan in einem erheblich größeren Maß die Fürsorge als ethischer Wert Bedeutung.[21] Hieraus entwickelte Gilligan die Fürsorgemoral, die sie als von der Gerechtigkeit, aber auch von der Barmherzigkeit unabhängige ethische Kategorie ansieht. Gerechtigkeit ist für sie daher nicht die oberste, sondern eine von mehreren gleichwertigen Tugenden.

[Bearbeiten] Gerechtigkeit und Religion

Gerechtigkeit ist in allen Religionen ein herausragender, positiv belegter Wert. Der Begriff hat vielfältige Bedeutungen, selbst innerhalb einer Religion.

Für das Judentum meint Gerechtigkeit (sädäq) sowohl die Bundestreue Gottes als auch den Gehorsam des Menschen, den er durch seine innere Einstellung wie auch durch sein äußeres Handeln zum Ausdruck bringt. Mose wird in der Tora als Vermittler der Gesetze Gottes dargestellt: „Seht, ich lehre euch Gesetze und Rechtsvorschriften, wie mir der Herr, mein Gott, geboten hat.“ (Deut. 4, 5) Ein glaubender Jude ist aufgefordert, sein Handeln an der Gerechtigkeit auszurichten. „Der Gerechtigkeit, der Gerechtigkeit jage nach.“ (Deut, 16, 20) Dabei ist nicht nur das Erfüllen der Gebote im Tanach, sondern eine grundsätzliche ethische Haltung gefordert: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gott bei dir sucht: nichts anderes als Gerechtigkeit tun, Freundlichkeit lieben und aufmerksam mitgehen mit deinem Gott.“ (Micha 6, 8) Der hebräische Begriff sädäq ist eigentlich unübersetzbar und verbindet Gerechtigkeit, Güte und Liebe zu einer Einheit. „Sie bezeichnet all unser Wohltun, vom Almosengeben bis zur Selbsthingabe für den Nächsten als etwas, was diesem Nächsten gebührt und mit dessen Erfüllung wir nur das getan haben, was unsere Pflicht vor Gott ist. ... Eine lieblose, blinde mit verbundenen Augen agierende Gerechtigkeit wäre auf hebräisch ein Selbstwiderspruch, während zedaka, juristisch gesehen, eine Ungerechtigkeit zugunsten der Armen ist.“[22]

Im christlichen Sinne entsteht Gerechtigkeit durch die Einhaltung der Gebote Gottes. Sie schließt die Barmherzigkeit aus Liebe mit ein. Dieser menschlichen Gerechtigkeit übergeordnet ist die Gerechtigkeit Gottes, durch dessen Handeln dem Menschen Gerechtigkeit als Gnade geschenkt wird, die aber zugleich als Gericht dem sündigen Menschen gegenüber tritt. Nach Paulus im Neuen Testament ist Gottes Gerechtigkeit „offenbart aus Glauben zum Glauben“ (Röm. 1, 17) „ohne Zutun des Gesetzes“ (Röm. 2, 12). Alttestamentlich wird die Gerechtigkeit Gottes als ein zukünftiger Zustand der Welt gesehen. „Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer.“ (Jes. 32, 17) Ähnlich auch Paulus: „Dann sehen die Völker deine Gerechtigkeit und alle Könige deine strahlende Pracht.“ (Gal. 5, 5) Aber er fordert auch Gerechtigkeit im praktischen diesseitigen Handeln: „Stellt eure Glieder nicht der Sünde als Waffen der Ungerechtigkeit zur Verfügung, sondern stellt euch ganz Gott zur Verfügung als Menschen, die von den Toten auferweckt leben, und stellt eure Glieder als Waffen der Gerechtigkeit in den Dienst Gottes.“ (Röm 6, 13)

Im Islam ist Gerechtigkeit („’adl“) ein Gebot Allahs im Rahmen der von ihm gegebenen Weltordnung. Er selbst ist Verkörperung der Gerechtigkeit: „Allah bezeugt, in Wahrung der Gerechtigkeit, dass es keinen Gott gibt, außer ihm.“ (Kor. 3, 18) Entsprechend ist Gerechtigkeit ein grundlegender Anspruch an den Muslim. „Mein Herr hat die Gerechtigkeit geboten.“ (Kor. 7, 29) Dabei wird im Koran in einer Vielzahl von Stellen auf das konkrete menschliche Handeln abgestellt.

  • „Gott befiehlt euch, die anvertrauten Güter ihren Eigentümern zurückzugeben; und wenn ihr zwischen zwei Menschen richtet, nach Gerechtigkeit zu richten.“ (4, 58)
  • „Folgt nicht dem Gelüst, statt gerecht zu verfahren.“ (4, 135)
  • „Der Hass gegen Leute soll euch gewiss nicht verleiten, dass ihr nicht gerecht verfahrt. Das ist der Gottesfurcht näher.“ (5, 8)
  • „Gott liebt die, die gerecht handeln.“ (5, 42)
  • „Wenn ihr aussagt, dann seid gerecht, selbst wenn es um Verwandte ginge.“ (6, 152)
  • „Mein Volk, gebt gerecht volles Maß und Gewicht.“ (11, 85)

Dabei führt auch im Islam der Glaube zu einer gerechten Haltung. „Ihr, die ihr glaubt, steht für Gott als Zeuge der Gerechtigkeit. (Kor. 5, 8) Ebenso ist Gott der Richter, der am Tage des Gerichts über Unrecht und Recht urteilt. (Kor. 10, 54)

In den asiatischen Weisheitslehren des Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus ist die Kategorie der Gerechtigkeit (als richtiges Handeln) Bestandteil umfassenderer Tugend- und Pflichtenlehren, die vor allem auf das Individuum ausgerichtet sind, sich im Konfuzianismus aber auch auf Staat und Gesellschaft beziehen.

Ein grundlegendes Problem für alle Religionen mit der Vorstellung eines allmächtigen, allgütigen, gerechten und in das Weltgeschehen eingreifenden Gottes ist angesichts des in der Welt vorhandenen Bösen, die sogenannte Theodizee: die Frage, wie die Existenz Gottes mit dem Bösen vereinbar ist.

[Bearbeiten] Theorien zur Gerechtigkeit

Eine vertiefte Darstellung einzelner Theorien zur Gerechtigkeit findet sich im Hauptartikel Gerechtigkeitstheorien.

[Bearbeiten] Antike und Mittelalter: Gerechtigkeit als Tugend

Die Frage nach der Natur der Gerechtigkeit ist seit der griechischen Antike Gegenstand philosophischer Erörterungen. Frühe Erklärungen griffen dabei auf metaphysische Begründungen zurück. So wurde Gerechtigkeit als eine in der Natur vorhandene Ordnung oder als göttlichen Ursprungs verstanden. Dabei wurde Gerechtigkeit zunächst nicht vorrangig an kodifiziertem Recht gemessen, sondern als Ausdruck einer persönlichen Lebenshaltung betrachtet. Sowohl Platon als auch Aristoteles sahen das Glück als den höchsten anzustrebenden Wert an. Gerechtigkeit war für sie die oberste Tugend, um diese Glückseligkeit zu erreichen. Gerechtigkeit war so eine grundlegende Charaktereigenschaft.

Für Platon war Gerechtigkeit eine Funktion der Seele. Gerechtigkeit herrscht, „wenn man das Seine tut und nicht vielerlei Dinge treibt“ (Politeia IV, 433a). Bei Streit soll jeder auch das Seine erhalten (Suum cuique). Entsprechend ist eine gerechte staatliche Ordnung eine solche, in der jeder seine Aufgabe nach seinen Fähigkeiten wahrnimmt. Die analytische Aufteilung des Gerechtigkeitsbegriffs durch Aristoteles wird bis in die Gegenwart verwendet. Er unterschied zwischen der legalen (allgemeinen) Gerechtigkeit und der für die zwischenmenschlichen Beziehungen maßgeblichen besonderen Gerechtigkeit (iustitia particularis). Letztere differenzierte er in „Verteilungsgerechtigkeit“ (iustitia distributiva) und „ausgleichende Gerechtigkeit“ (iustitia commutativa). Epikur löste sich von der Vorstellung des Naturrechts und betrachtete Gerechtigkeit als eine Übereinkunft zum wechselseitigen Nutzen in der menschlichen Gemeinschaft.

In der römischen Gesellschaft bildeten sich allmählich die kodifizierten Rechtsvorschriften stärker aus. Gerechtigkeit wurde zwar immer noch mit einer persönlichen Haltung verbunden, war aber zum Beispiel bei Cicero schon stärker an der gesellschaftlichen Ordnung orientiert. So beginnt die Rechtssammlung des Kaisers Justinian I. (527-565), der Corpus Juris Civilis mit der Definition des Rechts aus allgemeinen Prinzipien:

„Die Vorschriften des Rechts sind diese: ehrenhaft leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine gewähren.“[23]

Beginnend in der Spätantike und bis ins späte Mittelalter reichend, dominierten in der Folge christliche Vorstellungen die Debatte. Die Gerechtigkeit Gottes hatte Vorrang und daraus folgend konnte der Mensch Gerechtigkeit nur durch die Gnade Gottes erlangen.

[Bearbeiten] Neuzeit: Gerechtigkeit durch Gesellschaftsvertrag, Vernunftrecht

Mit der Neuzeit kam es schrittweise zu der Lösung von der Vorstellung einer gottgegebenen Gerechtigkeitsordnung. Gerechtigkeit wurde bei Thomas Hobbes als notwendiges Prinzip aus der Natur der Menschen begründet. In der Folge der neuen Weltsicht entstanden von Hobbes über John Locke bis zu Jean-Jacques Rousseau verschiedene Konzepte des Gesellschaftsvertrages, die auch politischen Einfluss auf neue absolutistische bis hin zu freiheitlichen Gesellschaftsordnungen hatten. Die jeweils als Gedankenexperiment konzipierten Modelle eines Sozialvertrages folgen unterschiedlichen, zum Teil gegensätzlichen Begründungskonzepten.

Hobbes' Vertrag ist das Modell einer rein rationalen Zweckgemeinschaft, mit der die aggressive Natur des Menschen gebändigt werden soll. In der Widmung zu seinem Werk De Cive (Über den Bürger) heißt es zur ursprünglichen Natur des Menschen: „Homo homini lupus est“, d.h. der Mensch ist des Menschen Wolf. Zur Vermeidung eines Krieges aller gegen alle („Bellum omnia contra omnes“), schreibt er im Leviathan [24], übereignen die Menschen ihre natürlichen Rechte, wie das auf Selbstverteidigung, an einen Souverän, der autonom Recht setzt und dieses auch mit Gewalt durchsetzt. Diese Legitimation eines absoluten Herrschers ist zugleich die Begründung eines uneingeschränkten Rechtspositivismus, der Unrecht nur als Verstoß gegen geltendes Recht kennt. „Wo keine allgemeine Gewalt ist, ist kein Gesetz, und wo kein Gesetz, keine Ungerechtigkeit.“ [25]

Für Locke hingegen gibt es ein vorpositives, gottgegebenes Naturrecht, in dem der Mensch, ähnlich wie es vor ihm schon Seneca sah, frei ist und das Recht hat, Eigentum zu bilden. Der Gesellschaftsvertrag ist ein Kooperationsvertrag, so dass die Regierung nur den Willen des Bürgers des Staates repräsentiert. Sie ist an die Verfassung als Grundlagenvertrag gebunden und wird durch Gewaltenteilung kontrolliert.

Bei Rousseau hat der Staat eine ähnliche Schutzfunktion wie bei Hobbes. Rousseau sah allerdings den „Kampf aller gegen alle“ verursacht durch Eigentum und den Schritt des Menschen in die Zivilgesellschaft. Der Staat dient der Verhinderung von Ungerechtigkeit und darf zu diesem Zweck auch Gewalt anwenden. Der Gesellschaftsvertrag (contrat sociale) wird aber bei Rousseau nicht mit einem unabhängigen Herrscher geschlossen, sondern mit einem Staat, der den Gemeinwillen (volonté générale) verkörpert. Hierdurch ist die einzig mögliche Regierungsform die Republik ohne indirekte Repräsentation (Parteien, Parlament). Zur Natur des Sozialvertrages gehört die soziale Gerechtigkeit, also dass „kein Staatsbürger so reich sein darf, um sich einen andern kaufen zu können, noch so arm, um sich verkaufen zu müssen.“[26]

Während die Ideen Lockes Einfluss auf die Verfassung der Vereinigten Staaten von 1787 mit ihrem wenig später aufgenommenen Grundrechtekatalog, den Bill of Rights hatten, prägten Teile von Rousseaus Konzepten eher die Französische Revolution.

Einen weiteren Schritt vollzogen der Skeptiker David Hume und Immanuel Kant, die auf die Unmöglichkeit einer Verknüpfung des Seins mit dem Sollen (Humes Gesetz) verwiesen. Kant wies das Naturrecht als metaphysisch zurück und entwickelte die Idee des Vernunftrechts.

David Hume vertrat einen radikalen Empirismus und lehnte damit ebenfalls Vorstellungen eines Naturzustandes und eines Naturrechts ab. Er betrachtete Gerechtigkeit als Produkt der Vernunft, als sekundäre Tugend, die keine moralischen Gebote oder Verbote begründet, sondern den Zweck verfolgt, die Ordnung des menschlichen Zusammenlebens sicherzustellen. Vor der Errichtung des Staates gab es bereits Regeln des Zusammenlebens in der Familie, die zur Basis des Sozialvertrags wurden. Dieser schützt vor allem das individuelle Eigentum in einer Gesellschaft, die üblicherweise von Knappheit an Gütern gekennzeichnet ist. Lebte der Mensch im Überfluss, könnte jeder nach seinen Bedürfnissen existieren; das Leistungsprinzip wäre nicht erforderlich. Herrscht andererseits jedoch ein extremer Mangel an Gütern, wird sich der Mensch egoistisch verhalten, es entsteht Ungerechtigkeit.

Das kantische Vernunftrecht basiert auf der Überlegung, dass es für den Menschen eine unabweisbare Tatsache der Erfahrung ist, dass er seine Handlungen durch Vernunft bestimmen kann. Er ist frei und autonom. Diese Autonomie ergibt sich auch im äußeren Verhältnis der Menschen untereinander. Der Mensch ist aus seiner Vernunft heraus verpflichtet, die Persönlichkeit und in ihr die Würde des anderen zu achten. Daraus ergibt sich nach Kant der kategorische Rechtsimperativ:

„Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann.“[27]

[Bearbeiten] Moderne: Skepsis, Wohlfahrt, Diskurs und Tugend

Anknüpfend an Hume entstand im englischsprachigen Raum der Utilitarismus als dominierendes ethisches Prinzip, das die allgemeine Wohlfahrt (den gesamtgesellschaftlichen Nutzen) in den Mittelpunkt der Werte stellte und die Gerechtigkeit auf die Ebene einer Rahmenbedingung verwies. Jeremy Bentham formulierte als Ziel „das größte Glück der größten Zahl“. Bereits John Stuart Mill relativierte diesen reinen Hedonismus durch die qualitative Bewertung von Präferenzen und die Berücksichtigung von Werten und Tugenden. In der Gerechtigkeit sah er eine vollkommene Pflicht, weil sie eingefordert werden kann. Gerade deshalb ist sie auch mit Sanktionen durchsetzbar. Der Kritik, dass in individuellen Handlungssituationen der aus der Handlung resultierende Gesamtnutzen nicht bestimmt werden könne, begegnete Henry Sidgwick mit dem Regelutilitarismus, wonach Werte und Tugenden als sekundäre Prinzipien den gesamtgesellschaftlichen Nutzen sicherstellen (siehe auch Richard Mervyn Hare). Moderne Vertreter des Utilitarismus sind J.J.C. Smart, Peter Singer oder John Harsanyi. Durch das zugrunde liegende Nutzenkonzept ergibt sich eine starke Nähe des Utilitarismus zur Wohlfahrtsökonomie und der damit eng verbundenen Entscheidungstheorie.

Die Erkenntnis, dass Gerechtigkeit nicht aus einem höheren Prinzip abzuleiten ist, führte zu einer Kritik der bürgerlich-liberalen Gerechtigkeitsauffassungen. Bereits Friedrich Nietzsche bestritt, dass überhaupt ein sinnvoller Gerechtigkeitsbegriff zu bilden ist, weil die Lebenspraxis nicht durch praktische Vernunft bestimmt ist. Für Karl Marx waren Recht und Gerechtigkeit klassenspezifisch und dienten lediglich der Aufrechterhaltung von Herrschaft. Erst im Kommunismus, wenn allgemeiner Überfluss an materiellen und immateriellen Gütern herrsche, könne das bürgerliche Recht überwunden werden und jeder nach seinen Bedürfnissen leben und nach seinen Fähigkeiten zum gesellschaftlichen Reichtum beitragen. Walter Benjamin und Jacques Derrida verwiesen darauf, dass Gerechtigkeit eine metaphysische, dem Recht zwar immanente, aber als Kategorien nicht fassbare Größe darstellt.

Ein neuer Ansatz in der Diskussion entstand mit der Theorie der Gerechtigkeit als Fairness von John Rawls, der eine Reihe von Grundrechten als Voraussetzung für Gerechtigekeit annahm und damit die allgemeine Prinzipien für die gerechte Gestaltung der Gesellschaft in der Fortentwicklung kantischer Vorstellungen bietet. An Rawls anknüpfend entspann sich in den letzten 30 Jahren des 20. Jahrhunderts eine intensive Debatte um die Frage der Gerechtigkeit. Kritik an Rawls liberalem Egalitarismus kam dabei sowohl von radikal liberalen Positionen von Robert Nozick, Friedrich Hayek oder James Buchanan, als auch vom auf die Perspektive der Gemeinschaft ausgerichteten Kommunitarismus, die insbesondere von Charles Taylor, Alasdair McIntyre und Michael Walzer vertreten wurde. Auch die Diskurstheorie, insbesondere die Diskurstheorie des Rechts[28] von Jürgen Habermas, liefert Ansatzpunkte, Gerechtigkeitsfragen rational zu lösen und stellt einen Versuch dar, zu ausgewogenen und damit annähernd gerechten Ergebnissen zu gelangen: innerhalb einer Gesellschaft und darüber hinaus. Einen Weg weg von der alleinigen Dominanz ökonomischer Kriterien weisen Martha Nussbaum und Amartya Sen, mit ihrem Ansatz der Entwicklungs- und Verwirklichungschancen (Capabilities), dem ein Bündel von Werthaltungen zur Beurteilung von Gerechtigkeit zugrunde liegt. Damit tragen sie den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen Rechnung und berücksichtigen vor allem die Probleme internationaler Gerechtigkeit.

[Bearbeiten] Gerechtigkeit und Recht

Gerechtigkeit zählt neben Bezeichnungen wie Recht, Gesetz und Strafe zu den Grundlagenbegriffen der Rechtsphilosophie und der Rechtswissenschaft.

Legale Gerechtigkeit unterscheidet sich von der ethischen Gerechtigkeit dadurch, dass die in der Gemeinschaft gültigen Normen für verbindlich erklärt worden sind. Dabei entsteht die Grundfrage, wer für diese Festlegung zuständig ist, wer die Rechtsetzungsmacht hat. Als Rechtsquellen sind kodifiziertes (geschriebenes) Recht, Gewohnheitsrecht und Vertragsrecht zu unterscheiden. In einer rechtlichen Ordnung wird sowohl die Beziehung der Einzelnen zueinander als auch die des Einzelnen zur Gemeinschaft geregelt. Die Verbindlichkeit des Rechts entsteht, wenn Abweichungen davon als Rechtsbruch festgestellt und (mit Rechtsfolgen) geahndet werden können.

Schon das Bestehen einer Rechtsordnung überhaupt – wie auch immer diese ausgestaltet sein mag -, das heißt das Abweichen von reiner Willkür, bildet einen Grundtatbestand der Gerechtigkeit, weil hierdurch eine Rechtssicherheit für den Einzelnen entsteht und er seinen Handlungsspielraum hieraus ableiten kann. Dies ist eine formale Bedingung von Gerechtigkeit, die durch positives Recht als solches gewährleistet wird. Materielle Gerechtigkeit ist auf drei Ebenen herzustellen: in der Gesetzgebung, im Gerichtsverfahren und im Strafrecht. Rechtssicherheit als notwendige Bedingung formaler Gerechtigkeit ist dabei ein Nahziel des Rechts, die Herstellung materieller Gerechtigkeit das Fernziel. Die Rechtsprechung soll zwischen diesen beiden Rechtswerten vermitteln. Größte Ungerechtigkeit kann sich ergeben, wenn Rechtsicherheit zum Alleinziel erhoben wird. Außerdem muss der auf legaler Gerechtigkeit beruhende Staat seine Rechtsordnung für die sozialen Akteure glaubwürdig praktisch umsetzen. Dabei wird das Zusammenwirken von Gerechtigkeit(svorstellungen), Recht(ssystem) und (Durchsetzungs-)Macht deutlich.

[Bearbeiten] Naturrecht oder Rechtspositivismus

Eine der grundlegenden Fragen der Rechtsphilosophie ist, ob es ein Naturrecht gibt oder ob Gesetze allein aufgrund menschlicher Überlegungen und Handlungen zustande kommen. Letztere Auffassung bezeichnet man als Rechtspositivismus. Je nach Auffassung wird das Verhältnis von Gerechtigkeit und Recht unterschiedlich bestimmt. Vertreter des Naturrechts fordern, dass Gesetze aus ethischen Prinzipien abgeleitet werden und mit diesen im Einklang stehen müssen. Das ethische Prinzip der Gerechtigkeit wird damit Grundlage des positiven Rechts. Für Rechtspositivisten ergibt sich das Recht aus der sozialen Praxis und ist unabhängig von der Moral (Trennungsthese), zu der auch die Idee der Gerechtigkeit gezählt wird. Recht wird allein nach seiner Zweckmäßigkeit beurteilt. Darüber hinaus gibt es Ansätze, die in unterschiedlicher Weise versuchen, Elemente beider Richtungen miteinander zu verknüpfen.

Der Widerstreit der beiden Positionen beruht im Grundsatz auf der Differenz darüber, welchen Charakter die Grundwerte einer Gesellschaft haben. Für den Rechtspositivisten sind sie vom Menschen gewählt und je nach kulturellem Kontext verschieden. Für den Naturrechtler sind ethische Festlegungen wie die Würde des Menschen, Freiheit, Gleichheit oder die Unverletzlichkeit des Lebens unveräußerliche Werte, die kulturunabhängig und unabhängig vom geltenden Recht bestehen. In der praktischen Konsequenz können positive Gesetze für den Naturrechtler danach Unrecht darstellen.

Einer verbreiteten, aber zu pauschalen Auffassung zufolge ist für den Rechtspositivismus das gesetzte Recht nach dem Prinzip pacta sunt servanda (unbedingte Pflicht zur Vertragstreue) ohne Einschränkung gültig, während nach Naturrechtsverständnis unter bestimmten (extremen) Bedingungen bürgerlicher Widerstand gegen bestehende Gesetze begründet und sogar ethisch geboten sein kann. Eine solche nichtpositivistische Begründung für ein Recht auf Widerstand liefert die Radbruchsche Formel, die Gustav Radbruch vor dem Hintergrund des nationalsozialistischen Unrechtsstaates entwickelt hat. Dass diese Dichotomie die Haltung des Rechtspositivismus und der Naturrechtslehre zum Problem der Gerechtigkeit jedoch zu stark vereinfacht, machen zwei Gegenbeispiele deutlich: Auf der einen Seite haben postivistisch orientierte Rechtsphilosophen wie der Brite H.L.A. Hart, neben Hans Kelsen der bedeutendste Rechtspositivist des 20. Jahrhunderts, sowie im deutschsprachigen Raum der Philosoph Norbert Hoerster wiederholt darauf hingewiesen, dass gerade die positivistische Trennungsthese eine kritische Beurteilung der geltenden Gerechtigkeitsmaßstäbe ermögliche. Rechtskritik könne einer rechtspositivistischen Theorie sogar besser gelingen als einer naturrechtlich fundierten, da nur jene in der Lage sei, zwischen dem Recht, wie es ist und dem Recht, wie es sein sollte, zu unterscheiden. Hingegen hat beispielsweise Immanuel Kant zwar eine vernunftrechtlich begründete, auf materialen Grundsätzen aufbauende Rechtslehre entwickelt, ein Recht des Volkes auf Widerstand gegen ungerechte, selbst gegen die Menschenrechte verstoßende Gesetze, jedoch strikt abgelehnt.

[Bearbeiten] Gerechtigkeit vor Gericht

Justitia am Gebäude des Ravensburger Landgerichts
Justitia am Gebäude des Ravensburger Landgerichts

Neben dem kodifizierten Recht ist die Einrichtung von Gerichten ein wesentlicher Schritt zur Schaffung von Rechtssicherheit und damit von Gerechtigkeit, insbesondere wenn sie mit dem Verbot von Privatjustiz bzw. Selbstjustiz einhergeht. Die Institution der Justiz soll gewährleisten, dass Rechtsstreitigkeiten im Zivilrecht ebenso wie Rechtsverstöße im öffentlichen und im Strafrecht von sachkundigen, unabhängigen Personen in gleicher Weise und angemessen beurteilt und entschieden bzw. geahndet werden. Dies ist zur Gewährleistung von Gerechtigkeit notwendig, da Gesetze vom Charakter her allgemein formuliert sind und auf konkrete Tatbestände nur durch eine Bewertung angewendet werden können.

Zur Gerechtigkeit in einem Gerichtsverfahren tragen eine Reihe von Faktoren bei:

  • vollständige Aufklärung des Sachverhaltes
  • Unparteilichkeit des Richters (keine Befangenheit)
  • Sachkenntnis des Richters
  • juristische Fachkenntnis des Richters
  • Öffentlichkeit des Verfahrens
  • eine allgemeingültige Prozessordnung
  • uneingeschränktes Recht auf Verteidigung

Wünschenswert, aber nicht erzwingbar ist die Urteilsfähigkeit sowie damit verbunden eine persönliche Gerechtigkeit des Richters. Da Gesetze auslegungsbedürftig sind und die Möglichkeit des Irrtums besteht, hat sich in der Rechtspraxis die Möglichkeit der Revison eines Verfahrens vor einer höheren Rechtsinstanz entwickelt. Zur Rechtssicherheit trägt auch die Veröffentlichung von Urteilen bei, die auf die Gleichmäßigkeit der Rechtsprechung hin wirkt. Weiterhin zählt dazu, dass alle Gesetzesverstöße ohne Ansehen der Person verfolgt und vor Gericht gebracht werden. Dies wird bei Straftaten dadurch erreicht, dass bei bekannt werden eines Verdachts die Staatsanwaltschaft von Rechts wegen ermitteln muss. Weitgehend können diese idealen Bedingungen in demokratischen Rechtsstaaten verwirklicht werden.

Ein allgemeines schwer zu lösendes Problem hinsichtlich der Gerechtigkeit in Gerichtsverfahren besteht in den individuellen Besonderheiten von Richtern innerhalb des gesetzlichen Rahmens. So wurde beispielsweise der deutsche Richter und spätere Politiker Ronald Schill in den 1990er Jahren in der Öffentlichkeit häufig als „Richter Gnadenlos“ bezeichnet, obwohl die Höhe der verhängten Strafen formal nicht beanstandet worden war. Es handelte sich lediglich um eine Bewertung in Bezug auf seine Richterkollegen.

[Bearbeiten] Das Problem des Richterrechts

Weil Gesetze allgemeine Regelungen sind, ist Rechtsprechung notwendig eine Auslegung von Sachverhalten in Bezug auf ein Gesetz. Ein grundlegendes Rechtsprinzip ist, dass Richter sich nach bestehenden Gesetzen richten müssen. Dennoch ergeben sich in der Rechtspraxis immer wieder Situationen, in denen Tatbestände nicht unter eine bestimmte Rechtsnorm subsumierbar sind. Nach strenger positivistischer Rechtsauffassung müsste in einem solchen Fall eine Klage abgewiesen werden, weil es für sie keine Rechtsgrundlage gibt. Dies entspricht dem Rechtsprinzip „Keine Strafe ohne Gesetz“ (Nulla poena sine lege).

Allerdings sind Rechtsfälle denkbar, in denen die Abweisung einer Klage als Verstoß gegen die Gerechtigkeit empfunden würde. So nennt Ronald Dworkin als Beispiele aus der Rechtspraxis der USA (siehe Case law) den zurückgewiesenen Erbanspruch eines Enkels (1888), der seinen Großvater ermordet hatte, um zu erben sowie den verdeckten Mangel eines Autos, der zu einem Unfall mit einem erheblichen Schaden geführt hatte. Im Kaufvertrag war jedoch die Haftung auf Ersatzteillieferungen beschränkt worden (1960). In beiden Fällen wichen die Richter von der formalen Rechtssituation und der bisherigen Rechtsprechung ab und schufen Präzedenzfälle.[29] In solchen Situationen erfolgt eine Rechtsfortbildung durch Richterrecht. Ein Rechtspositivist verweist dabei auf den Ermessensspielraum des Richters. Dworkin hingegen betont, dass ein Richter sich an allgemeinen Rechtsprinzipien orientieren müsse, wenn er neuartige Fälle zu entscheiden hat.

Weniger extrem und häufiger sind Analogien in der Rechtsprechung. Die Ergänzung von Gesetzeslücken ist im Schweizer Recht ausdrücklich vorgesehen:

„Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll der Richter nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die er als Gesetzgeber aufstellen würde.“ (Art. 1, Abs. 2, Schweizerisches Zivilgesetzbuch)

In Deutschland gibt es eine solche gesetzliche Regel nicht, jedoch besteht eine Generalnorm im Grundgesetz:

„Die Gesetzgebung ist an die verfassungsgemäße Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ (Art. 20 III GG)

Da im Grundgesetz neben die positiven Gesetze ausdrücklich das Recht an sich als Maßstab für die Rechtsprechung gestellt wird, erhalten Richter in schwerwiegenden Zweifelsfragen den Freiraum zur Interpretation der gesetzlichen Vorschriften im verfassungsgemäßen Rahmen. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht zum Beispiel im „Soraya-Urteil“ (1973), in dem es um die Wahrung von Persönlichkeitsrechten ging, ausdrücklich bestätigt und begründet:[30]

„IV. 1. Die traditionelle Bindung des Richters an das Gesetz, ein tragender Bestandteil des Gewaltentrennungsgrundsatzes und damit der Rechtsstaatlichkeit, ist im Grundgesetz jedenfalls der Formulierung nach dahin abgewandelt, daß die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3). Damit wird nach allgemeiner Meinung ein enger Gesetzespositivismus abgelehnt. Die Formel hält das Bewußtsein aufrecht, daß sich Gesetz und Recht zwar faktisch im allgemeinen, aber nicht notwendig und immer decken. Das Recht ist nicht mit der Gesamtheit der geschriebenen Gesetze identisch. Gegenüber den positiven Satzungen der Staatsgewalt kann unter Umständen ein Mehr an Recht bestehen, das seine Quelle in der verfassungsmäßigen Rechtsordnung als einem Sinnganzen besitzt und dem geschriebenen Gesetz gegenüber als Korrektiv zu wirken vermag; es zu finden und in Entscheidungen zu verwirklichen, ist Aufgabe der Rechtsprechung. Der Richter ist nach dem Grundgesetz nicht darauf verwiesen, gesetzgeberische Weisungen in den Grenzen des möglichen Wortsinns auf den Einzelfall anzuwenden. Eine solche Auffassung würde die grundsätzliche Lückenlosigkeit der positiven staatlichen Rechtsordnung voraussetzen, ein Zustand, der als prinzipielles Postulat der Rechtssicherheit vertretbar, aber praktisch unerreichbar ist. Richterliche Tätigkeit besteht nicht nur im Erkennen und Aussprechen von Entscheidungen des Gesetzgebers. Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren. Der Richter muß sich dabei von Willkür freihalten; seine Entscheidung muß auf rationaler Argumentation beruhen. Es muß einsichtig gemacht werden können, daß das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen, nicht erfüllt. Die richterliche Entscheidung schließt dann diese Lücke nach den Maßstäben der praktischen Vernunft und den fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft (BVerfGE 9, 338 [349]).“

Kritiker dieser Rechtsauffassung verweisen darauf, dass durch das Richterrecht ein Element der Willkür in der Rechtsprechung enthalten sei, das zur Rechtsunsicherheit beitrage. Insbesondere sei es ein systematischer Mangel des Richterrechts, dass die im Urteil festgelegten Rechtsprinzipien bis dahin für entsprechende Fälle keine Rechtsgrundlage waren. Richterrecht verstoße damit gegen den Grundsatz des Rückwirkungsverbotes von Gesetzen.[31]

[Bearbeiten] Gerechtigkeit im Strafrecht

Gerechtigkeit nach Max Baumann am Berliner Dom
Gerechtigkeit nach Max Baumann am Berliner Dom

Strafen sind ein wesentlicher Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen. Sie bedürfen daher einer grundlegenden Rechtfertigung. Gerichtlich verhängte Strafen aufgrund von Gesetzesverstößen haben mehrere Funktionen, die im Strafrecht verschiedener Staaten unterschiedlich gewichtet werden:[32]

Durch seine Tat hat sich ein Straftäter in gewisser Weise einen Vorteil verschafft und das sittliche Gleichgewicht der Gesellschaft gestört. In diesem Sinne sind Strafen eine Form der ausgleichenden Gerechtigkeit und vergangenheitsbezogen. Ihnen liegt die grundsätzliche Annahme zugrunde, dass Täter aus freiem Willen handeln und sich möglicher Konsequenzen ihrer Taten bewusst sind oder zumindest bewusst sein könnten. Am konsequentesten haben diesen rein vergeltenden, ausgleichenden und vergangenheitsbezogenen Charakter der Strafe die Philosophen Immanuel Kant und Georg Wilhelm Friedrich Hegel vertreten. Kant zufolge „müßte [falls ein Inselvolk sich aufzulösen beschlösse] vorher der letzte im Gefängnis befindliche Mörder hingerichtet werden, damit jedermann das widerfahre, was seine Taten wert sind und die Blutschuld nicht auf dem Volke hafte, das auf diese Bestrafung nicht gedrungen hat“.[33] Hegel brachte den Gedanken der ausgleichenden Gerechtigkeit dadurch zum Ausdruck, dass er das Verbrechen als Negation des Rechts, die Strafe hingegen wiederum als Negation dieser Negation ansah.

Das Konzept des Strafrechts als eine Form der ausgleichenden (vergeltenden) Gerechtigkeit wird von Vertretern eines reinen Präventionsstrafrechts in Frage gestellt. Schon Seneca führte im 1. Jahrhundert n. Chr. unter Berufung auf Platon aus, der sich hierbei selbst auf den antiken griechischen Skeptiker Protagoras bezogen hatte, dass ein kluger Mensch nicht strafe, weil gesündigt worden ist, sondern, damit nicht gesündigt werde („Nam, ut Plato ait: 'Nemo prudens punit, quia peccatum est, sed ne peccetur...'“).[34] Eine Blütezeit erlebte der Präventionsgedanke sodann ab dem Zeitalter der Aufklärung. Bedeutende Vertreter eines überwiegend präventiv orientierten Strafrechts waren beispielsweise der italienische Strafrechtsreformer Cesare Beccaria Ende des 18. Jahrhunderts und der deutsche Strafrechtler Franz von Liszt, der dem Präventionsgedanken sein berühmtes Marburger Programm von 1882 widmete. Aus philosophischer Perspektive wurde der Vergeltungsgedanke beispielsweise von Friedrich Nietzsche abgelehnt.[35] Er hielt Vergeltung als Begründung von Strafen für einen irrationalen Racheinstinkt, der durch christliche Lehren („Höllenfeuer“) gestützt wird.

Gerechtigkeit. Fresko von Raffael im Vatikan.
Gerechtigkeit. Fresko von Raffael im Vatikan.

Der Vorbeugung durch Abschreckung liegt die Annahme zugrunde, dass es der Staatsgewalt bei hinreichender Höhe der angedrohten Strafe gelingen wird, Umfang und Häufigkeit von Straftaten spürbar zu verringern. Hierdurch soll Gerechtigkeit von vorn herein sichergestellt werden.

Erfolgreiche Maßnahmen zur Resozialisierung, die zur Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft führen, wirken im Sinne von Gerechtigkeit. Denn sie erhöhen die allgemeine Rechtssicherheit durch sinkende Rückfallquoten.

Das psychologische und sozialwissenschaftliche Argument, dass Menschen Straftaten oftmals aufgrund persönlicher Disposition und gesellschaftlicher Bedingtheit begehen, also weitgehend determiniert (festgelegt) und dadurch schuldunfähig sind, wird neuerdings von Neurowissenschaftlern wie Gerhard Roth gestützt, ist aber stark umstritten.[36]

[Bearbeiten] Gerechtigkeit in Kunst und Literatur

Der Gerechtigkeitsbrunnen in Frankfurt/Main
Der Gerechtigkeitsbrunnen in Frankfurt/Main

Es existieren zahlreiche künstlerische Darstellungen der Gerechtigkeit, zum Beispiel in in Malereien und Skulpturen. Häufig wird die Gerechtigkeit allegorisch als Frau gestaltet. In einer Reihe von Städten gibt es Gerechtigkeitsbrunnen, oft mit einer Statue der Justitia.

Die Gerechtigkeit ist auch oftmals zentrales Thema in der Literatur und im Sprechtheater. Bereits im antiken griechischen Theater widmet Aischylos in der Orestie einem sehr schwer ‚gerecht‘ zu entscheidenden Strafprozess seine Aufmerksamkeit, in dem Götter und Menschen über einen Muttermörder, der durch seine Tat seinen von der Mutter ermordeten Vater rächen wollte, beraten und urteilen. Im deutschen Sprachraum thematisierte Friedrich Schiller die Gerechtigkeit in vielen seiner Werke von Die Räuber bis zum Wilhelm Tell, aber auch in der Ballade Die Kraniche des Ibykus. Berühmte Musterbeispiele hat Heinrich von Kleist mit seiner Erzählung Michael Kohlhaas und seinem Lustspiel Der zerbrochene Krug gegeben. Auf die Unmöglichkeit, ein gerechtes Gesetz zu verfassen, verweist Franz Kafkas Parabel Vor dem Gesetz. Berühmt ist auch der kaukasische Kreidekreis von Bertolt Brecht.

In der Oper ringen zum Beispiel Gerechtigkeit und Großmut in Mozarts La clemenza di Tito miteinander.

Bekannte Verfilmungen zum Thema Gerechtigkeit sind Zeugin der Anklage, Die 12 Geschworenen sowie … und Gerechtigkeit für alle. In dem u.a. von Amnesty International prämierten Film Jagd nach Gerechtigkeit (Hunt for Justice) des Regisseurs Charles Binamé stehen die Gründung des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag und die Widerstände bis zum Prozess gegen Slobodan Milosevic im Mittelpunkt der Handlung.

[Bearbeiten] Zitate

Fiat iustitia, et pereat mundus.((lat.): „Gerechtigkeit soll werden, sogar wenn daran die Welt unterginge.“)“

überliefert als Wahlspruch von Ferdinand I. (1503-1564)

„Jedem das Seine geben: Das wäre die Gerechtigkeit wollen und das Chaos erreichen.“

Nietzsche, Unschuld des Werdens 2, 613

„Die Gerechtigkeit enthält in sich eine unüberwindbare Spannung: Gleichheit ist ihr Wesen, Allgemeinheit ist deshalb ihre Form - und demnach wohnt ihr das Bestreben inne, dem Einzelfall und dem Einzelmenschen in ihrer Einzigartigkeit gerecht zu werden.“

Gustav Radbruch, Vorschule der Rechtsphilosophie, 2. Aufl., Göttingen 1959, S. 25

„Von allen Tugenden die schwerste und seltenste ist die Gerechtigkeit. Man findet zehn Großmütige gegen einen Gerechten.“

Franz Grillparzer, Aphorismen

„Gerechtigkeit ist ein menschliches Konstrukt [...]“

Michael Walzer (1992), S.30

„Selbst der Gerechte wird ungerecht, wenn er selbstgerecht wird.“

Rudolf Hagelstange (1912-84), dt. Schriftsteller

„Was ist Gerechtigkeit? Keine andere Frage ist so leidenschaftlich erörtert, für keine andere Frage so viel kostbares Blut, so viel bittere Tränen vergossen worden, über keine andere Frage haben die erlauchtesten Geister – von Platon bis Kant – so tief gegrübelt. Und doch ist diese Frage heute so unbeantwortet wie je. Vielleicht, weil es eine jener Fragen ist, für die die resignierte Weisheit gilt, daß der Mensch nie eine endgültige Antwort findet, sondern nur suchen kann, besser zu fragen.“

Hans Kelsen, Was ist Gerechtigkeit?, Reclam, Stuttgart 2000, S. 9.

„Wo keine Gerechtigkeit ist, ist keine Freiheit, und wo keine Freiheit ist, ist keine Gerechtigkeit.“

Johann Gottfried Seume, Der Spaziergang nach Syrakus

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Auflage, Berlin, New York 2002, S. 348
  2. Ernst Topitsch: Über Leerformeln - Zur Pragmatik des Sprachgebrauchs in der Philosophie und politischen Theorie; in: Topitsch,E. (Hrsg.): Probleme der Wissenschaftstheorie; Springer Verlag, Wien 1960, 233-264
  3. Hans Kelsen: Was ist Gerechtigkeit?; Manzsche Verlagsbuchhandlung, Wien 1975, 18
  4. Otfried Höffe, Gerechtigkeit, 16
  5. Horn/Sacarno: Philosophie der Gerechtigkeit, 9
  6. Chaim Perleman unterscheidet: jedem das Gleiche, jedem gemäß seinen Verdiensten, jedem gemäß seinen Werken, jedem gemäß seinen Bedürfnissen, jedem gemäß seinem Rang, jedem gemäß dem ihm durch Gesetz Zugeteilten.(Über die Gerechtigkeit. Originalausgabe 1945, Beck, München 1967, S. 16-20)
  7. John Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit, 336
  8. A. Leist: Ökologische Ethik II: Gerechtigkeit, Ökonomie, Politik, in: Julian Nida-Rümelin (Hrsg.): Angewandte Ethik, Stuttgart 1996, 432-439
  9. Karl Marx: Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, 21
  10. Christoph Lumer: Stichwort „Gerechtigkeit“ in: Enzyklopädie Philosophie, hrsg. Von Hans Jörg Sandkühler, Meiner, Hamburg 1999, 468b
  11. B. Sitter: Ökologische Gerechtigkeit; in: Steirische Berichte 6/85; Graz 1985, S.3-4.
  12. Otfried Höffe, Gerechtigkeit, 99f.
  13. Stefan Liebig: Empirische Gerechtigkeit, ISGF-Arbeitsbericht 41
  14. George C. Homans: Elementarformen sozialen Verhaltens, Westdeutscher Verlag, Opladen 1968
  15. J. Stacy Adams: Inequity in Social Exchange, in: Leonard Berkowitz (Hrsg.): Advances in Experimental Social Psychology, Vol.2, Academic Press, New York 1965, 267-300 sowie: Elain Walster und G. William Walster: Equity and Social Justice. Journal of Social Issues 31, 1975, S. 21-43
  16. Melvin Lerner: The belief in a just world. A fundamental delusion. Plenum Press, New York 1980
  17. Stefan Liebig: [http://www2.hu-berlin.de/isgf/empgf.pdf Empirische Gerechtigkeitsforschung
  18. Jeqan Piaget: Über das moralische Urteilen beim Kinde, Zürich 1954
  19. Lawrence Kohlberg: Die Psychologie der Moralentwicklung, Suhrkamp, Frankfurt. 5. Aufl. 1996
  20. Georg Lind: Moral ist lehrbar. Handbuch zur Theorie und Praxis der moralischen und demokratischen Bildung, Odenbourg, München 2003; homepage des Projektes
  21. Carol Gilligan: Die andere Stimme. Lebenskonflikte und Moral der Frau, Piper, München 1982 (5. Aufl. 1999)
  22. Lapide, P.: Die Seligpreisungen - Ein Glaubensgespräch; Calver-Verlag, Stuttgart 1980.
  23. „Juris praecepta sunt haec: noneste vivere, alterem non laedere, suum cuique tribure“, zitiert nach Höffe: Gerechtigkeit, 49
  24. Thomas Hobbes: Leviathan (Kap. 13), Frankfurt 9. Auflage 1999, 96.
  25. Leviathan, 13.
  26. Rousseau: Gesellschaftsvertrag, 59
  27. Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, Einleitung in die Rechtslehre, § B (Schlusssatz)
  28. Axel Tschentscher: Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit, Nomos, Baden-BBaden 2000 mit Bezug auf Jürgen Habermaus: Faktizität und Geltung, Frankfurt 1992
  29. Ronald Dworkin: Bürgerrechte ernstgenommen, Suhrkamp, Frankfurt 1990, S. 56-57
  30. BVerfGE 34, 269 - Soraya von 1973, Zitat aus Abschnitt IV
  31. Johann Braun: Rechtsphilosophie im 20. Jahrhundert, Beck, München 2001, 196-197
  32. H.L.A. Hart Prolegomena zu einer Theorie der Strafe, in: Recht und Moral, Göttingen 1971, 60-86
  33. Immnauel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (AA), S. 333
  34. Seneca, De ira, liber I, XIX-7
  35. Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches, in: Werksausgabe in drei Bänden (Schlechta), Band 1, Darmstadt 1963, 511-512
  36. siehe Norbert Hoerster: Recht und Moral, 214 - 218

[Bearbeiten] Literatur

Philosophiebibliographie: Gerechtigkeit – Zusätzliche Literaturhinweise
Klassiker (historisch geordnet)
Kommentierte Textsammlungen
Einführungen
Vertiefung
  • Michel Balinski: Die Mathematik der Gerechtigkeit. Spektrum der Wissenschaft, März 2004, S. 90-97, ISSN 0170-2971
  • Felix Ekardt: Das Prinzip Nachhaltigkeit. Generationengerechtigkeit und globale Gerechtigkeit, Beck, München 2005, ISBN 978-3-406-52798-2
  • Arthur Kaufmann, Winfried Hassemer und Ulfried Neumann (Hrsg.): Einführung in die Rechtsphilosophie und die Rechtstheorie der Gegenwart, Müller (utb), 7. Aufl. Heidleberg 2004, ISBN 3-825-20593-2
  • Jürgen Maes, Manfred Schmitt: Gerechtigkeit und Gerechtigkeitspsychologie, in: Gert Sommer, Albert Fuchs (Hrsg.): Krieg und Frieden. Handbuch der Konflikt- und Friedenspsychologie, Beltz Verlag Weinheim, Basel, Berlin 2004, S. 182-194 (mit Literaturübersicht zur Gerechtigkeitspsychologie), ISBN 3-621-27536-3
  • John Rawls: Gerechtigkeit als Fairneß. ein Neuentwurf, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2. Aufl. 2007, ISBN 978-3-518-29404-8
  • Jörg Reitzig: Gesellschaftsvertrag, Gerechtigkeit, Arbeit, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2005, ISBN 3-896-91611-4
  • Judith N. Shklar: Über Ungerechtigkeit. Erkundungen zu einem moralischen Gefühl., Rotbuch, Berlin 1992, ISBN 3-880-22780-2
Gerechtigkeitsforschung
  • Stefan Empter und Robert B. Vehrkamp (Hrsg.): Soziale Gerechtigkeit - eine Bestandsaufnahme, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 2007, ISBN 978-3-892-04925-8
  • Stefan Liebig und Holger Lengfeld (Hrsg.): Interdisziplinäre Gerechtigkeitsforschung. Zur Verknüpfung empirischer und normativer Perspektiven, Campus, Hamburg 2002, ISBN 978-3-593-37012-5
  • Gerold Mikula (Hrsg.): Gerechtigkeit und soziale Interaktion, Huber 1980, ISBN 978-3456807072

[Bearbeiten] Weblinks

Wikiversity
 Wikiversity: Projekt:Praxen der Gerechtigkeit – Kursmaterialien, Forschungsprojekte und wissenschaftlicher Austausch

Codice Sconto: E463456

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