Josef Stalin

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Dieser Artikel behandelt den sowjetischen Diktator Josef Stalin. Weitere Bedeutungen siehe unter Stalin (Begriffsklärung).
Josef Stalin auf einer DDR-Briefmarke
Josef Stalin auf einer DDR-Briefmarke

Josef Stalin (georgisch იოსებ სტალინი, Iosseb Stalini; russisch Иосиф Сталин, Iossif Stalin, wiss. Transliteration Iosif Stalin; * 6. Dezemberjul./ 18. Dezember 1878greg.[1] in Gori, Georgien; † 5. März 1953 in Kunzewo bei Moskau) war ein sowjetischer Politiker und Diktator. Sein Geburtsname war Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili (georgisch იოსებ ბესარიონის ძე ჯუღაშვილი; russisch Иосиф Виссарионович Джугашвили, Iossif Wissarionowitsch Dschugaschwili, wiss. Transliteration Iosif Vissarionovič Džugašvili,  anhören ?/i), den Kampfnamen Stalin (der nach verschiedenen Deutungen[2] für „der Stählerne“ steht) nahm er 1912 an.

Seit 1922 war er Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), seit 1941 Vorsitzender des Rates der Volkskommissare, seit 1946 Vorsitzender des Ministerrats der UdSSR und in den Jahren 1941 bis 1945 Oberster Befehlshaber der Roten Armee – der „Generalissimus“. Nachdem er sich im Machtkampf innerhalb der KPdSU durchgesetzt hatte, behielt er diese Ämter bis zum Tod 1953.

Während seiner Regierungszeit wurden vermeintliche und tatsächliche politische Gegner sowie Millionen weiterer Sowjetbürger und ganze Volksgruppen besetzter Gebiete in Gulag-Strafarbeitslager deportiert. Viele wurden dort ermordet oder kamen durch die unmenschlichen Bedingungen ums Leben.

Die durch ihn vorangetriebene Kollektivierung der Landwirtschaft trug insbesondere in der Ukraine, an der Wolga, am Kuban und anderen Teilen der Sowjetunion zu Hungersnöten bei, denen ungefähr sechs Millionen Menschen zum Opfer fielen.[3]

Stalin gilt weiterhin als treibende Kraft hinter der sowjetischen Industrialisierung. Als wichtiger Partner zuerst des nationalsozialistischen Deutschlands und später der Alliierten hatte er einen entscheidenden Einfluss auf Beginn und Verlauf des Zweiten Weltkrieges sowie auf die Nachkriegsgestaltung Europas.

Inhaltsverzeichnis

Jugendzeit

Stalin im Jahre 1894
Stalin im Jahre 1894

Sein Vater Bessarion Dschughaschwili (ბესარიონ ჯუღაშვილი) wurde in Gori geboren. Seine Mutter Ekaterine Geladse (ეკატერინე გელაძე) war Ossetin und Tochter eines Leibeigenen. Somit war Stalin einer der wenigen Parteiführer der später entstandenen KPdSU mit einfacher Herkunft. Die Geschwister Stalins starben jung, so dass er als Einzelkind aufwuchs. Sein Vater eröffnete nach seiner Befreiung ein Schuhgeschäft, das aber rasch bankrott ging. Danach war er gezwungen, in einer Schuhfabrik in Tiflis zu arbeiten. Stalins Vater kümmerte sich kaum um seine Familie, war trunksüchtig und schlug Frau und Kinder. Einer der Freunde aus Stalins Jugendzeit schrieb später: „Diese unverdienten und schrecklichen Prügel machten den Jungen genauso hart und gefühllos wie seinen Vater.“ Derselbe Freund schrieb auch, dass er Stalin niemals hatte weinen sehen. Ein anderer Jugendfreund Stalins, Iosseb Iremaschwili, schrieb, dass diese Prügel auch einen Hass auf Autoritäten in Stalin hervorriefen, da jeder Mensch, der mehr Macht als er selbst hatte, ihn an seinen Vater erinnerte. 1888 ging Stalins Vater nach Tiflis und ließ seine Familie zurück.

Einer der Kunden seiner Mutter, der jüdische Kaufmann David Papismedow, gab dem jungen Stalin, der damals den Spitznamen „Soso“ hatte und seiner Mutter beim Wäschewaschen und bei ihrer Arbeit als Putzfrau half, Geld und Bücher und munterte ihn auf. Jahrzehnte später kam der alte Papismedow in den Kreml, um zu erfahren, was aus dem kleinen Soso geworden war. Stalin überraschte seine Genossen dadurch, dass er den älteren jüdischen Mann nicht nur empfing, sondern auch in aller Öffentlichkeit mit ihm plauderte.

Ab 1887 ging Iosseb Dschughaschwili in Gori zur Schule. Stalins Klasse war eine sehr gemischte Gruppe von Schülern, die viele verschiedene Sprachen sprachen. In der Schule war jedoch Russisch als Sprache vorgeschrieben. Seine Mitschüler waren meist sozial bessergestellt als er und machten sich anfangs über seine abgetragene Schuluniform und sein pockennarbiges Gesicht lustig. Iosseb Dschughaschwili konnte jedoch bald auf Grund seiner Beobachtungsgabe die Führungsrolle in seiner Klasse übernehmen. Obwohl Stalin später seine georgische Herkunft sehr in den Hintergrund stellte, mochte er in seiner Jugend die georgischen Heimaterzählungen sehr. Eine dieser Erzählungen handelte von dem Bergwanderer Koba, der für die Unabhängigkeit Georgiens gekämpft hatte. Stalin bewunderte ihn sehr und ließ sich von nun an in der Klasse „Koba“ nennen. Unter diesem Spitznamen sollte er lange Zeit später als Revolutionär tätig sein. Um seine niedere Herkunft zu verbergen, versuchte Stalin, der Beste zu sein in allem, was er tat. Deshalb fiel er durch seine Intelligenz auf, wodurch er die Schule 1894 als bester Schüler verließ und für den Besuch des orthodoxen Tifliser Priesterseminars, der damals bedeutendsten höheren Bildungsanstalt Georgiens und ein Zentrum der Opposition gegen den Zarismus, vorgeschlagen wurde.

Als Stalin im Alter von 15 Jahren das zweite Studienjahr des Seminars absolvierte, bekam er Kontakt mit geheimen marxistischen Zirkeln. Er besuchte die Buchhandlung eines gewissen Schelidse, wo die jungen Radikalen Zugang zu linken Werken hatten. 1897 schrieb der stellvertretende Aufseher eine Bemerkung: Er habe Dschughaschwili beim Lesen von Letourneaus Die literarische Entwicklung der Nationen erwischt. Er habe ihn kürzlich schon mit Die Arbeiter des Meeres sowie dem Werk Victor Hugos 1793 ertappt, insgesamt dreizehnmal mit verbotenen Büchern.

Subversive Tätigkeit im Zarenreich

Stalin im Jahre 1902
Stalin im Jahre 1902
Gedenktafel an den Aufenthalt Stalins in Wien-Meidling, welche während der sowjetischen Besatzungszeit dort angebracht wurde
Gedenktafel an den Aufenthalt Stalins in Wien-Meidling, welche während der sowjetischen Besatzungszeit dort angebracht wurde

1897 wurde Dschughaschwili, er war 18 Jahre alt, in die erste sozialistische Organisation Georgiens aufgenommen, die Messame-Dassi-Gruppe (dt. Die dritte Gruppe), geführt von Noe Schordania, Nikolos Tschcheidse und G. Zereteli, die später Menschewiki wurden. Im folgenden Jahr leitete Stalin einen Studienzirkel für Arbeiter. Zu dieser Zeit las er schon Werke von Plechanow und die ersten Schriften Lenins. 1898 trat er offiziell in die sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) ein. 1899 wurde er aus dem Priesterseminar ausgeschlossen, weil er aufgrund dieser politischen Tätigkeiten bei mehreren wichtigen Prüfungen gefehlt hatte. Statt Priester wurde Stalin Berufsrevolutionär.

Daraufhin arbeitete Stalin als Propagandist der SDAPR und organisierte unter dem Decknamen „Koba“ unter anderem Streiks und Demonstrationen unter den Eisenbahnarbeitern. 1902 wurde er erstmals festgenommen, weil er eine Arbeiterdemonstration in der georgischen Stadt Batumi verursacht hatte, und anschließend nach Sibirien verbannt. Nachdem er 1904 aus der Verbannung fliehen konnte, wurde er immer wieder – insgesamt acht Mal – verhaftet und in die Verbannung geschickt, konnte aber jedes Mal wieder fliehen.

Um in Kontakt mit Lenin zu bleiben und sich der Verfolgung durch die zaristische Polizei zu entziehen, floh er im Dezember 1912 nach Österreich-Ungarn. Dort verbrachte er einige Monate in Krakau und in Wien.

Als er im Sommer 1913 wieder nach Russland zurückkehrte, wurde er verhaftet. Daraufhin verbrachte er die Jahre von 1913 bis 1917 in der Verbannung bei Turuchansk. Für diese häufigen Verhaftungen und Fluchten gibt es mehrere Erklärungen.

Ein möglicher Grund wird zum Beispiel in der schlechten Organisation der zaristischen Polizei gesehen. Der zaristische Polizeiapparat verfolgte die Revolutionäre nur sehr halbherzig. Die aus der Verbannung „fliehenden“ Bolschewiki konnten zum Beispiel ohne Probleme alle zur Verfügung stehenden Transportmittel nutzen. Außerdem bekamen sie von der Bevölkerung Unterstützung in Form von Nahrungsmitteln und sonstigen Zuwendungen. Wurden die Revolutionäre verhaftet, ließen sie sich einfach ohne weiteren Widerstand in die Verbannung schicken, um am Tag nach ihrer Ankunft sofort die Heimreise anzutreten. Wenn es längere Aufenthalte gab, hatte das die Ursache, dass den Verbannten eine kostenlose Wohnung und ein nicht geringes Kostgeld zur Verfügung stand, die beide dazu geeignet waren, temporäre finanzielle Engpässe der Revolutionäre zu überbrücken. Als eine weitere Erklärung für sein schnelles Freikommen werden ihm Kontakte zur zaristischen Geheimpolizei nachgesagt.[4]

Im Falle von Stalins letztem Verbannungsaufenthalt war auch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine Ursache für sein Verbleiben. Er fürchtete, nach seiner nächsten Verhaftung in die Russische Armee eingezogen zu werden.

Nach der auf dem Parteitag in London 1903 erfolgten Spaltung der SDAPR in Menschewiki und Bolschewiki schloss Stalin sich dem Flügel unter Lenin an, der die Meinung vertrat, dass der politische Umsturz in Russland nur durch eine von „professionellen“ Revolutionären zentral geführte Partei zustande kommen würde. Im Jahr 1905 begegnete er auf der allrussischen Konferenz der Bolschewiki in Tampere zum ersten Mal Lenin persönlich. In dieser vorrevolutionären Zeit, in der Stalin schon viele Streiks organisiert hatte, zeigte er sich nicht als großer Theoretiker, sondern vertrat einen pragmatischen Politikstil.

So beteiligte er sich in den folgenden Jahren an der Organisation verschiedener Banküberfälle, um die Parteikasse aufzufüllen. Der bekannteste Überfall, der Überfall auf die Bank von Tiflis ereignete sich im Juni 1907. Es wurden 250.000 Rubel erbeutet. Ab 1912 gehörte er dann nach dem Willen Lenins zu dem Zentralkomitee der Bolschewiki und nahm den Namen „Stalin“ (der Stählerne) als Pseudonym an.

Während seines letzten Verbannungsaufenthaltes lernte er Lew Kamenew kennen und freundete sich mit ihm an. Um die Jahreswende von 1916/1917 verließ er gemeinsam mit Kamenew seinen Verbannungsort. Er wurde von einer Einberufungskommission als wehrdienstuntauglich freigestellt. Nach der Februarrevolution 1917 ging er nach Sankt Petersburg (seit 1914: Petrograd). Er gehörte nun zur Redaktion der Zeitung Prawda. In Sankt Petersburg stieß Grigori Sinowjew zu Stalin und Kamenew. Diese später als „Triumvirat“ bezeichnete Gruppe sollte in der Folgezeit eine bedeutende Rolle in der sowjetischen Politik spielen.

Privatleben

Seine erste Frau Jekaterina Swanidse, die er 1904 geheiratet hatte, starb im Jahre 1907 an Typhus. Sie hatte als Schneiderin für die Damen der russischen Garnison gearbeitet. Ihre Brüder hatten in Deutschland studiert. Anlässlich ihrer Beerdigung zeigte Stalin Betroffenheit, um den gemeinsamen Sohn Jakow (genannt Jascha) kümmerte er sich aber nicht.

1917 heiratete Stalin Nadeschda Allilujewa, die Jakow später nach Moskau holte. Obwohl der Junge kein Russisch sprach, weigerte sich sein Vater, Georgisch mit ihm zu sprechen. Auch der menschliche Kontakt zwischen den Eheleuten zerfiel Anfang der 1930er Jahre, möglicherweise aufgrund der tatsächlichen Zustände in der Sowjetunion. Nadeschda Allilujewa beging 1932 vermutlich Selbstmord durch Erschießen.

Stalin war nicht bereit, seinen Sohn Jakow, der am 17. Juli 1941 in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten war, gegen den am 31. Januar 1943 in sowjetische Gefangenschaft geratenen deutschen Generalfeldmarschall Friedrich Paulus auszutauschen, da das sowjetische Soldatengesetz besagte, dass der sowjetische Soldat sich nicht seiner Gefangenschaft ergeben dürfe. Er erklärte, dass er keinen Sohn namens Jakow habe. Diese Version der Geschichte wird allerdings von einigen russischen Historikern bestritten.

Sowjetische Kriegsgefangene, die nicht versucht hatten zu flüchten und später wieder in die Hände der Roten Armee fielen, wurden sofort durch den SMERSCH und das NKWD verhaftet. Sie hatten mit einer Strafe von zehn Jahren Zwangsarbeit zu rechnen, da sie gegen das sowjetische Soldatengesetz verstoßen hatten.

Jakow Stalin kam 1943 vermutlich bei einem Fluchtversuch zu Tode. Einige Autoren behaupten, dass Jakow im KZ Sachsenhausen erschossen wurde. Werner Maser schreibt in seinem Buch Fälschung, Dichtung und Wahrheit über Hitler und Stalin, dass Jakow sich selbst am 14. April 1943 in den elektrisch geladenen Zaun des KZs Sachsenhausen geworfen hätte.

Stalins Tochter Swetlana Iossifowna Stalina (* 1926) wanderte in den 1960er Jahren in die USA aus, wobei sie ihre Kinder in der Sowjetunion zurückließ.

Galina Dschugaschwili, die Tochter von Stalins ältestem Sohn Jakow Dschugaschwili, starb am 27. August 2007 im Alter von 69 Jahren in einem Moskauer Krankenhaus an Krebs. Sie war der letzte bekannte Nachkomme des berüchtigten Staatschefs; in der georgischen Hauptstadt Tiflis lebt allerdings ein Mann namens Jewgeni Dschugaschwili, der versichert, er sei ebenfalls ein Enkel Stalins und ein Bruder von Galina Dschugaschwili.[5]

Revolution und Bürgerkrieg

Im Juni 1917 wurde Stalin auf dem ersten Allrussischen Sowjetkongress zum Mitglied des Zentralexekutivkomitees (ZEK) gewählt. Er verfolgte neben anderen Bolschewiki zunächst eine Politik der Zusammenarbeit mit der provisorischen Regierung unter Kerenski. Als Lenin aus dem Exil zurückkehrte und die Unterstützung Kerenskis als Verrat an den Bolschewiki brandmarkte, änderte Stalin seinen Kurs und unterstützte Lenin. Er verteidigte Lenins Ideen auf den großen Debatten der Bolschewiki im September und Oktober. Er hatte jedoch sehr wenig mit der Vorbereitung und Durchführung der Oktoberrevolution zu tun. Die zentrale Rolle bei dem Umsturz kam Leo Trotzki als Chef des Militärischen Komitees des Petrograder Sowjets zu.

In der am 7. November installierten provisorischen ersten Sowjetregierung erhielt er zum Dank für seine Loyalität den Posten des Kommissars für Nationalitätenfragen. Stalin wollte in dieser Position eine freiwillige und ehrenvolle Allianz zwischen Russland und allen Minderheiten des Landes schaffen. Diese Allianz war jedoch dahingehend eingeschränkt, dass ihre Mitglieder sozialistisch zu sein hatten.

Doch es kam anders. Zunächst waren die sowjetische Zentralregierung und die neu geschaffene Rote Armee sehr schwach. Sie kontrollierten im Sommer 1918 ein Gebiet, das die Größe des alten russischen Großfürstentums hatte. Viele der Nationalitäten im zaristischen Russland sahen nun die Möglichkeit, sich selbstständig zu machen und erklärten ihre Unabhängigkeit, ohne die Sowjetregierung zu konsultieren. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Ukraine, die in Kiew mit der Rada ihr eigenes Parlament schuf und sich unabhängig erklärte. Die einzigen Minderheitengebiete, die sich der sowjetischen Allianz anschlossen, waren Tatarstan und Baschkortostan. Die tatsächliche Aufgabe Stalins bestand in den nächsten Jahren darin, die verlorengegangenen Gebiete wieder in die Sowjetunion einzugliedern. Nachdem sich diese Situation abgezeichnet hatte, änderte er seine Haltung gegenüber den Minderheiten und beschloss jedes Mittel einzusetzen, um die Unabhängigkeit dieser Staaten rückgängig zu machen.

Nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges im Juni 1918 wurde Stalin Befehlshaber in der von Trotzki neu geschaffenen Roten Armee. Er wurde im Juli als Kommandeur der Südfront nach Zarizyn geschickt, um dort das einzige bedeutende Getreideanbaugebiet, das in den Händen der Sowjetregierung lag, zu sichern. Er verließ sich dabei auf die Hilfe des ehemaligen zaristischen Generals Sytin, der von Trotzki zum Kommandant der Südfront berufen worden war. Mit Sytin geriet er jedoch bald in eine Auseinandersetzung, da er Offiziere der Roten Armee erschießen ließ, die bereits vorher in der Armee des Zaren Offiziere gewesen waren. Es gelang aber dennoch, die Stadt gegen die Truppen des Generals Krasnow zu verteidigen. Zarizyn wurde 1925 deshalb in Stalingrad (‚Stalinstadt‘, das heutige Wolgograd) umbenannt.

Im März 1919 wurde Stalin Mitglied des neuen Inneren Direktoriums der Sowjetregierung. Hier hatte er den ersten heftigen Zusammenstoß mit seinem Hauptrivalen Trotzki. Trotzki gliederte ehemalige Offiziere des zaristischen Heeres wieder in die von ihm geschaffene Rote Armee ein, um die Organisation dieser Truppe zu straffen und sie somit kampfkräftig werden zu lassen. Stalin wehrte sich strikt gegen dieses Vorgehen (insbesondere wegen General Sytin), war aber angesichts der militärischen Erfolge Trotzkis zum Schweigen verurteilt.

Als Kommandeur der Südfront konzentrierte Stalin nach der erfolgreichen Verteidigung von Zarizyn sein Bemühen auf die Eingliederung der kaukasischen Völker in die Sowjetunion. Im Februar 1920 wurden die nordkaukasischen Völker wieder an die Sowjetunion angegliedert. Dieses geschah zunächst auf freiwilliger Basis, da die Nordkaukasier gegen den konterrevolutionären weißen General Denikin revoltiert hatten. Die Tschetschenen erhoben sich aber im August des Jahres wieder gegen die Sowjetmacht und Stalin war bestrebt, die Stabilität der Sowjetherrschaft wieder herzustellen. Den Bergvölkern versprach Stalin folgendes auf dem Kongress der Völker des Terekgebiets am 17. November 1920:

„Jedes Volk – die Tschetschenen, die Inguschen, die Osseten, die Kabardiner, die Balkaren, […] muss seinen eigenen Sowjet haben. […] Sollte der Beweis erbracht werden, dass das Scharia notwendig ist, so mag es das Scharia geben. […] Sollte der Beweis erbracht werden, dass die Organe der Tscheka […] es nicht verstehen, sich der Lebensweise und den Besonderheiten der Bevölkerung anzupassen, dann ist klar, dass auch auf diesem Gebiet entsprechende Änderungen vorgenommen werden müssen.“

Gegen Ende des Jahres 1920 befand sich der gesamte Kaukasus mit Ausnahme von Georgien im Territorium der Sowjetunion. Mit Hilfe von Sergo Ordschonikidse, einem Parteifreund aus seiner frühen Parteikarriere, organisierte Stalin die Rückeroberung Georgiens, die im Februar 1921 abgeschlossen war.

Kampf um die Macht

Parteiführer der KPdSU

Am 3. April 1922 war Stalin durch Wahlen zum Generalsekretär des Zentralkomitees (ZK) der KPR aufgestiegen. Lenin war mit Stalin in späteren Jahren oft nicht einer Meinung, insbesondere fand er ihn zu grob für die Position eines Generalsekretärs. Im Jahr 1922, schon sehr schwer krank, schrieb er:

„Genosse Stalin hat, nachdem er Generalsekretär geworden ist, eine unermessliche Macht in seinen Händen konzentriert, und ich bin nicht überzeugt, dass er es immer verstehen wird, von dieser Macht vorsichtig Gebrauch zu machen.“

Lenins Testament und seine diesbezüglichen Briefe (Stalin sei „zu grob, entfernen“, Trotzki (Bronstein) habe das größte Talent, Bucharin sei der Liebling der Partei; alle von Lenin als in Frage kommend Genannten wurden ermordet), wurden nicht gedruckt, kursierten lange Zeit international als Samisdat, tauchten auch lange Zeit und dann nicht vollständig in der sowjetischen und seinen internationalen Werkausgaben auf. Selbst der Herausgeber der Marx-Engels-Ausgabe Rjasanow (Goldendach) fiel den Säuberungen unter Stalin zum Opfer. Die deutsche Wieder- und Erstveröffentlichung von wichtigen Quellen und Schriften von und zu Lenins Testament, über Personen und Inhalte seiner Nachfolge wurde erst 1975 ff. verlegt. Sie erreichten aber Personen wie Rudolf Bahro, dessen Werk Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus (1978) von höchster Bedeutung für die weitere Entwicklung der SU und der KPdSU, der SED und der DDR, der Opposition und der Reformkräfte, des „real existierenden Sozialismus“, auch des Eurokommunismus, waren. Ab 1987 wurden dann unter Gorbatschow Bucharin, de facto sogar der tabuisierte Trotzki (aber nur als „Held und Märtyrer“, Iswestija), dessen Sohn Sergej Sedow und weitere Opfer und Gegner des Stalinismus rehabilitiert, wie Sinowjew, Kamenew, Sokolnikow. Die bis dahin verschwundenen, nur als Manuskripte zirkulierenden Schriften Bucharins und Trotzkis u.a. wurden ab 1987/89 aufgelegt.

Bereits seit 1917 gab es innerhalb des Zentralkomitees ein so genanntes Triumvirat, welches sich aus Stalin, Lew Kamenew und Grigori Sinowjew zusammensetzte. Stalin war mit Kamenew zusammen in der Verbannung, Sinowjew stand diesen beiden in vielen Auffassungen nahe und war mit ihnen befreundet. Kurz nach der Oktoberrevolution hatte Lenin gegen Sinowjew und Kamenew ein Parteiausschlussverfahren angestrengt, weil sie den geheimen Plan der Bolschewiki zum gewaltsamen Umsturz an die provisorische bürgerliche Regierung verraten hatten. Stalin hatte dafür gesorgt, dass der Parteiausschluss nicht in die Tat umgesetzt wurde. Außerdem verband alle drei eine gemeinsame Abneigung gegen Leo Trotzki, Stalins härtesten Widersacher um die Machtübernahme nach Lenins Tod.

Am 16. Dezember 1922 verließ Lenin die Politik wegen einer schweren Krankheit. Kurze Zeit später war Lenin zu jeglicher Arbeit bis an sein Lebensende unfähig. Die Ärzte verboten ihm jede Art der Anstrengung, denn dies hätte seinen Tod beschleunigt. Das Triumvirat setzte sich an die Spitze der Macht innerhalb des Zentralkomitees und hielt gleichzeitig dessen andere Mitglieder wie die Anhänger Trotzkis von der Macht fern. Dabei produzierte sich Sinowjew vor allem als Redner, Kamenew führte den Vorsitz der Sitzungen und Stalin konzentrierte sich auf die Arbeit mit dem Apparat. Damit lag die Auswahl von Funktionären für die zentralen und lokalen Posten in seinen Händen. Bereits zu Lebzeiten wurde Kritik am Triumvirat laut. Lenin schrieb in zwei Briefen an den Parteitag, dass sich die Genossen über eine Ablösung Stalins Gedanken machen und nach einem Nachfolger suchen sollten, der toleranter, loyaler und höflicher sei. Aus den gleichen Briefen geht jedoch auch hervor, dass er im damaligen Politbüro keinen anderen geeigneten Kandidaten sah. An Stalins politischer Bilanz setzte Lenin jedoch nichts aus.

Auch andere Versuche, zum Beispiel geheime Unterredungen von ZK-Mitgliedern in Kislowodsk, die zum Ziel hatten, Stalins Macht einzuschränken, scheiterten. Begründet lag dies teils an Meinungsverschiedenheiten der Akteure, teils an politischen Spielen Stalins und der Haltung der Parteimitglieder.

Nach dem Tod Lenins wurden diese Briefe vor den Delegierten des XIII. Parteitags verlesen, allerdings wurde dies von Sinowjew erledigt, während Kamenew die Interpretation vornahm.

Sein Rivale Trotzki richtete ebenso Schreiben an das Zentralkomitee, indem er dem Triumvirat vorwarf, ein Regime zu sein, das weiter von der Arbeiterdemokratie entfernt sei als das Regime des Kriegskommunismus während des Bürgerkrieges. Er forderte die alte Garde auf, der noch unerfahrenen jüngeren Generation Platz zu machen und sah das Triumvirat kurz vor der „Entartung“. Nach innerparteilichen Meinungsverschiedenheiten dauerte es mehrere Jahre, bis Trotzki Ende 1927 aus der Partei ausgeschlossen wurde. Trotzki wurde zuerst nach Kasachstan verbannt und 1929 endgültig aus der Sowjetunion ausgewiesen.

Zur gleichen Zeit zerfiel jedoch auch das Triumvirat. Kamenew und Sinowjew wurden zu innerparteilichen Gegnern Stalins, welcher wiederum Unterstützung bei Nikolai Bucharin, Jan Rudsutak, Michail Wassiljewitsch Frunse und Felix Dzierzynski fand. Kamenew und Sinowjew wurden 1926 aus der Macht gedrängt und etwa zehn Jahre später nach öffentlichen Schauprozessen hingerichtet.

Ab 1927 war Stalin somit uneingeschränkter Alleinherrscher in der Sowjetunion. Er war das Haupt der kommunistischen Partei. Im staatlichen Bereich beschränkte er sich lange Zeit auf das Amt eines stellvertretenden Ministerpräsidenten der UdSSR.

Stalin vertrat die These vom „Aufbau des Sozialismus in einem Land“, also in der Sowjetunion selbst, ohne erst auf die Unterstützung durch eine Weltrevolution zu warten, wie dies Trotzkis Ansatz gewesen war.

Stalin trieb ab 1928 die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft unnachgiebig voran. Dabei brach er rücksichtslos den Widerstand der reicheren und teilweise auch mittleren Bauern, die er als „Kulaken“ diffamierte. Folge, aber auch durchaus erwünschtes Hilfsmittel der Kollektivierung war eine riesige Hungersnot an der Wolga, in der Ukraine und im ganzen Land. Sie kostete mehrere Millionen Menschen das Leben, jedoch sind genaue Opferzahlen nicht bekannt. Einzelne Schätzungen geben bis zu 22 Millionen Opfer an.

Die Ermordung des Leningrader Parteisekretärs Sergei Kirow im Jahre 1934, der als Stalins „Gegenspieler“ galt, lieferte den Vorwand für die Politik der berüchtigten „Säuberungen“ (russisch „Tschistka“). 90 % derjenigen Parteigenossen, die 1934 am „Parteitag der Sieger“ als Delegierte teilgenommen hatten (auf diesem Parteitag stimmten bei einer Wiederwahl nur etwa 3/4 der Abgeordneten für Stalin, wohingegen Kirow eine überwältigende Mehrheit bekam), wurden in öffentlichen Schauprozessen (Moskauer Prozesse) zum Tode verurteilt, darunter auch der Großteil der Funktionäre und Minister. Der erste der drei großen Schauprozesse, auf dem Sinowjew und Kamenew verurteilt wurden, war schlecht geplant und es gab viele Ungereimtheiten. In den zwei darauffolgenden ging man zu Selbstdenunziationen über, bei denen sich die Angeklagten, welche vorher durch massive Folter eingeschüchtert worden waren und denen man einen Redetext zugewiesen hatte, uneingeschränkt schuldig bekennen mussten, was sie meistens auch taten (Bucharin redete einmal von einer mathematischen Wahrscheinlichkeit, nach der er von bestimmten Verbrechen gewusst haben müsse). 1938 wurde die große Verschwörung im Militär entdeckt, der u. a. angeblich der Marschall Tuchatschewski angehörte. Es setzte eine umfassende Säuberung in Kreisen des Militärs ein, der 3 Marschälle, 13 Armeegeneräle und 62 Korpskommandeure zum Opfer fielen. Zur neuen Militärspitze gehörte nun u. a. Timoschenko.

Stalin entschied nicht allein, welche Minister und Funktionäre oder auch ganze Städte seiner Meinung nach nicht hinter seiner Politik standen, sondern überließ Nikolai Jeschow, der während der Zeit der Großen Säuberung Chef der Geheimpolizei NKWD war, die Durchführung seiner Instruktionen. Diese liefen meist darauf hinaus, dass die betreffenden Personen zumindest verhaftet und häufig erschossen wurden. Die meisten Opfer dürften in dem Klima des gegenseitigen Misstrauens aber Denunziationen zum Opfer gefallen sein, welche von karrierebewussten Menschen, die auf den Posten des Opfers Ambitionen hatten oder Feinden der Opfer getätigt wurden. Stalin glaubte diesen Anschuldigungen sofort und ihm wurden oft ganze Listen von zu Verurteilenden vorgelegt, die er unterschreiben sollte. Sie enthielten durchaus mehrere hundert Namen. Die von der Geheimpolizei verwendeten Straftatbestände wegen antisowjetischen Verhaltens, trotzkistischer oder anderer Opposition gegen die KPdSU sowie einer Vielzahl anderer Verschwörungstheorien waren allesamt Verstöße gegen den Paragraphen 58 des Strafgesetzbuches der UdSSR, der die rechtliche Grundlage für die Verfolgungen bildete. Zwischen September 1936 und Dezember 1938 wurden schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen umgebracht. Umstritten bleibt in der Forschung, inwieweit die Verfolgungen von zum Teil treuen Anhängern einen rationalen Kern hatten, oder ob man von reinen Wahnvorstellungen Stalins reden muss. Das Ergebnis der Säuberungen war, dass Stalin nach 1938 wirklich die absolute Macht in der Sowjetunion innehatte. Nach dem Ende der „Tschistka“ und der Ersetzung Jeschows, der ebenfalls, wie sein Vorgänger Jagoda, hingerichtet wurde, durch Lawrenti Beria, wurden die willkürlichen Verhaftungen zwar nicht gestoppt, die verhafteten Menschen wurden aber meist zu Haftzeiten in Straflagern verurteilt, deren Dauer zehn, und durch eine Gesetzesänderung im Jahr 1949, 25 Jahre betrug.

Stalin umgab sich in dieser Zeit mit einem immer größere Maße annehmenden Personenkult. Dieser äußerte sich unter anderem in der Kunst (Lobpreisungs- und Ergebenheitswerke in Literatur und bildender Kunst) und in einer allgegenwärtigen öffentlichen Präsenz. So wurden in fast allen Sowjetrepubliken und Ostblockstaaten einige Städte in Stalinstadt umbenannt, daneben öffentliche Gebäude, Werke, Sportstätten, Straßen und anderes mehr.

Wichtige Mitarbeiter Stalins waren Lasar Kaganowitsch, der Volkskommissar für innere Angelegenheiten, NKWD-Chef Lawrenti Beria, Trofim Lyssenko, Michail Kalinin, Kliment Woroschilow, Andrei Andrejew und Andrei Schdanow.

Nichtangriffspakt vor Kriegsbeginn

Hauptartikel: Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt

In dem 1939 (23. August 1939, Moskau) abgeschlossenen Nichtangriffspakt mit seinem Gegner Adolf Hitler, dem Hitler-Stalin-Pakt, war ein Geheimabkommen enthalten, das die Interessensphären zwischen Deutschland und der Sowjetunion gegeneinander abgrenzte.

In der Erwiderung auf die Meldung der französischen Nachrichten- und Werbeagentur Havas über eine angebliche Rede Stalins vor dem Politbüro der Kommunistischen Partei der Sowjetunion am 19. August 1939 erklärte dieser am 30. November 1939 in einem Artikel in der Prawda:[6]

„Diese Meldung der Agentur Havas ist wie viele andere ihrer Meldungen ein Lügengeschwätz. Ich kann natürlich nicht wissen, in welchem Café-chantant dieses Lügengeschwätz fabriziert worden ist. Aber wie sehr auch die Herrschaften in der Agentur Havas lügen mögen, so können sie doch nicht in Abrede stellen,

a) daß nicht Deutschland Frankreich und England angegriffen hat, sondern daß Frankreich und England Deutschland angegriffen und damit die Verantwortung für den gegenwärtigen Krieg auf sich genommen haben;
b) daß Deutschland nach der Eröffnung der Kampfhandlungen Frankreich und England Friedensvorschläge unterbreitet, und daß die Sowjetunion diese Friedensvorschläge Deutschlands offen unterstützt hat, weil sie der Auffassung ist und dies auch weiterhin sein wird, daß eine schnellstmögliche Beendigung des Krieges in entscheidender Weise die Lage aller Länder und Völker erleichtern würde;
c) daß die herrschenden Kreise Englands und Frankreichs in brüsker Form sowohl die Friedensvorschläge Deutschlands wie auch die Versuche der Sowjetunion, eine schnellstmögliche Beendigung des Krieges zu erreichen, abgelehnt haben. Das sind die Tatsachen.
Was können die Café-chantant-Politiker aus der Agentur Havas dem entgegenstellen?“

Nach dem deutschen Angriff auf Polen besetzte die Sowjetunion am 17. September 1939 Teile Ostpolens. Später wurden die baltischen Staaten und das rumänische Bessarabien, die im Hitler-Stalin-Pakt der Sowjetunion zugesprochen worden waren, von der Roten Armee besetzt und der Sowjetunion einverleibt.

In Finnland sah Stalin ebenso eine mögliche Gefährdung der Sicherheit des sowjetischen Staates. Er fürchtete die Nähe der finnischen Grenze zu Leningrad und Finnland als mögliche Basis für Luftangriffe fremder Mächte. Nachdem das Land nicht auf diplomatischem Wege zu Gebietsabtretungen zu bewegen war ordente Stalin im November 1939 ohne eine Kriegserklärung den Winterkrieg gegen das Land zu beginnen. Dabie ließ er entgegen des Kriegsplans seines Generalstabschefs Schaposchnikow den Krieg zuerst mit begrenzten Kräften führen. Diese Offensive nur mit den Truppen des Militärbezirks Leningrad scheiterte. Eine Zweite sowjetische Offensive, nun mit mehr Truppen und anderem Schwerpunkt brachte das Land im März 1940 dazu einen Teil seines Territoriums abzutreten. Dabei wurde aber Seitens Stalin das Kriegsziel der Bestezung des gesamten Landes, sowie eine eigens errichtete kommunistische Exilregierung fallen gelassen. Das aggressive Vorgehen der Sowjetunion gegen Finnland führte noch während der Kämpfe zu ihrem Ausschluß aus dem Völkerbund und empörten Reaktionen im westlichen Ausland.[7]

Zweiter Weltkrieg

Vom deutschen Angriff 1941 wurden Stalin und die Rote Armee überrascht. Während des „Großen Vaterländischen Krieges“ ließ sich Stalin zum Oberbefehlshaber der Roten Armee („Generalissimus“) ernennen. Durch Appelle an den Patriotismus und die allgemeine Wut auf die deutsche Aggression zum einen und Staatsterror zum anderen, gelang es ihm Unterstützung großer Teile der Bevölkerung zu erreichen. Jedoch kam es im Krieg immer wieder zu fatalen Fehleinschätzungen der Situation durch Stalin, welche sich dadurch äußerten, dass er, ähnlich wie Hitler, bestimmte Stellungen halten oder erobern wollte. Beispielsweise dachte er bei Kriegsbeginn, dass der Feind über den Süden her in Russland einrücken würde und ließ dementsprechend dort stärkere Truppen stationieren. Die Deutschen stießen aber mit ihrer Hauptmacht über den Norden, also das Baltikum und die heute weißrussischen Gebiete, vor.

Der russische Historiker Anton Antonow-Owsejenko urteilte auf Basis von Berichten über die Aussagen der sowjetischen Marschälle Tuchatschewski, Alexander Jegorow und Rokossowski, dass Stalin sich bei der Führung militärischer Verbände als unfähig erwies. Außerdem hätte die Führung der Roten Armee zahlreiche seiner Befehle insgeheim ignoriert, weil sie unsinnig gewesen seien. Ebenso hätte nach dem Ende der Stalinära Marschall Georgi Schukow hinter verschlossenen Türen Stalin und der damaligen Parteiführung vorgeworfen, das Leben von Soldaten sinnlos geopfert zu haben.[8]

Auf den Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion reagiert Stalin anfangs gar nicht. Anastas Mikojan schrieb in seinen Memoiren, dass Stalin nicht wusste, „was er dem Volk sagen sollte“. [9] Stalin war überzeugt, dass die Deutschen keinen direkten Angriff wagen würden, sondern lediglich provozieren. Er meinte sogar, dass sie selbst eigene Städte zum Zweck der Provokation bombardieren würden.[10] Anstelle Stalins musste der Außenminister Molotow als erster zu den Menschen der Sowjetunion sprechen und sie über den Angriff der Deutschen informieren. Ein persönliches Auftreten Stalins in den ersten Tagen des Großen Vaterländischen Krieges hätte seine Politik der vergangenen Jahre zu stark in Zweifel gezogen, da die anfänglichen Niederlagen zu einem großen Teil auf die Säuberungen innerhalb der Roten Armee zurückzuführen waren. Molotow selbst sprach in seiner Rede erstmals vom Vaterländischen Krieg in Bezug auf den (siegreichen) Krieg Russlands gegen Napoleon. Erst am 3. Juli meldete sich Stalin zu Wort und hielt eine Radioansprache, der im Gegensatz zu früheren Reden jegliches Pathos fehlte.[11] Viel erstaunlicher war allerdings der Inhalt der Rede. Neben den zu erwartenden Lügen über die tatsächliche Situation an der Front, war vor allem die verwendete Sprache Stalins ein Novum gewesen. Statt dem gewohnten "Genossen" redete Stalin seine Zuhörer mit dem sehr persönlichen "Genossen! Bürger! Brüder und Schwestern! Kämpfer unserer Armee und Flotte, an Euch wende ich mich, meine Freunde" (Товарищи! Граждане! Братья и сестры! Бойцы нашей армии и флота! К вам обращаюсь я, друзья мои!) an.[12] Angesichts des bisherigen Personenkultes um Stalin, war diese Anrede, die faktisch auf Augenhöhe stattfand, mehr als ungewöhnlich. In den Folgemonaten veränderte sich das Bild Stalins und der sowjetischen Propaganda völlig. Stalin trat in den Hintergrund, die Prawda veröffentlichte nur noch alte Fotos des Diktators, Reden wurden gar nicht mehr gehalten. Anstelle einer ideologisch motivierten Propaganda, die zum "neuen Menschen" erziehen sollte, geriet immer mehr eine patriotisch orientierte Kriegskampagne. Kurz: Stalin verschwand größtenteils von Plakaten, aus Filmen usw. und wurde durch die allgegenwärtige Rodina mat’ ersetzt. Der Personenkult um Stalin erwachte erst wieder Ende 1944, als ein Sieg der Roten Armee über Hitlerdeutschland als sicher galt.

Während des Kriegs veränderte sich auch der Terror. Von der Willkür des Großen Terrors der 30er Jahre fand ein Übergang auf gezielten Terror gegen einzelne Volksgruppen der Sowjetunion statt, die verdächtigt wurden, mit den Deutschen zu paktieren. Millionen von Menschen, ganze Völker und Volksgruppen wie die Krimtataren, die Russlanddeutschen oder die Tschetschenen wurden in dieser Zeit als potentielle Kollaborateure zur Zwangsarbeit in die unwirtlichen Permafrostgebiete nach Sibirien deportiert, wo viele der Deportierten einen grausamen Tod starben. Auch die Armenier waren von diesen Deportationen betroffen. Die baltischen Staaten verloren etwa zehn Prozent ihrer Einwohner.

Auf der Konferenz von Teheran 1943 und der Konferenz von Jalta 1945 1945, an denen Stalin teilnahm, wurden die Grenzen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg neu gezogen. Dies resultierte in der Vertreibung von mehreren Millionen Menschen in der östlichen Hälfte Europas.

Auf dem Kriegsschauplatz hatte schon die Schlacht um Stalingrad zum Stillstand des deutschen Angriffs geführt. Die Sommeroffensive von 1944 hatte die Rote Armee bis Ende des Jahres an die Reichsgrenzen herangeführt. Wenige Monate später war mit der Schlacht um Berlin auch das Ende des Adolf Hitler besiegelt.

Die Zeit nach dem Krieg

Stalin, während der Konferenz von Jalta 1945 (sitzend, rechts)
Stalin, während der Konferenz von Jalta 1945 (sitzend, rechts)

In den Verhandlungen mit den westlichen Alliierten (Konferenzen von Jalta und Potsdam) erreichte Stalin Zugeständnisse, die letztlich den Machtantritt kommunistischer Parteien in mittel- und osteuropäischen Ländern begünstigten und so die Einflusssphäre der UdSSR weiter ausdehnte. Die Ausschaltung nationalkommunistischer Kräfte durch Schauprozesse in den von der UdSSR dominierten Ländern führte 1948 zum Bruch mit dem von Tito geführten Jugoslawien. Der von Stalin formierte Warschauer Pakt geriet in scharfen Gegensatz zu der von den USA geführten westlichen Welt, der Kalte Krieg begann.

Innenpolitisch kam es 1949 bis 1951 erneut zu „Säuberungen“. Auch Geistliche, Angehörige nichtrussischer Völker und vermeintliche politische Gegner (Kosmopoliten, Westler, Juden) wurden zahlreich inhaftiert und mitunter der Folter ausgesetzt, wobei viele Unschuldige sich des Vorwurfs von Spionage oder „konterrevolutionärer Tätigkeit“ ausgesetzt sahen. 1950 wurde auch der Leiter der Kriegswirtschaft, Wosnessenski, hingerichtet.

Tod Stalins und Verurteilung des Stalinismus

Stalins Grab; Kremlmauer
Stalins Grab; Kremlmauer

Am Abend des 1. März 1953 nahm Stalin ein nächtliches Essen mit Lawrenti Beria, Georgi Malenkow, Nikolai Bulganin und Nikita Chruschtschow ein. Stalin befand sich in aufgekratzter Stimmung, vermutlich weil er angetrunken war. In dieser Nacht brach Stalin zusammen. Er starb vier Tage später, am 5. März 1953, im Alter von 74 Jahren, an den Folgen eines Schlaganfalls.

Stalins Tochter Swetlana Allilujewa wurde zu dem sterbenden Diktator auf dessen Datscha in Kunzewo gerufen und sagte über Stalins Ende: „Vater starb schrecklich und schwer. Gott gibt den Gerechten einen leichten Tod.“

In dem bei seiner Beisetzung auf dem Roten Platz am 9. März 1953 auftretenden Gedränge gab es etliche Tote.

Laut den Memoiren von Wjatscheslaw Molotow, die 1993 veröffentlicht wurden, hat Beria ihm gegenüber behauptet, dass er Stalin vergiftet habe. Auch einige der angesehensten und bekanntesten Mediziner der UdSSR wurden in den Monaten vor seinem Tod beschuldigt, an einer Ärzteverschwörung beteiligt zu sein, die sich zum Ziel gesetzt hätte, die oberste sowjetische Politik- und Militärführung zu vergiften. Nach Stalins Tod erwies sich diese Verdächtigung als haltlos.

1956 distanzierte sich Nikita Chruschtschow auf dem 20. Parteitag der KPdSU im Namen der Sowjetunion in einer Geheimrede offiziell von Stalin. Bezeichnenderweise kritisierte er nur diejenigen Verbrechen, die Stalin an anderen Kommunisten verübt hatte, und nicht etwa das diktatoriale System als solches. Stalins Leichnam, der neben Lenin im Lenin-Mausoleum beigesetzt worden war, wurde nach der Entstalinisierung aus dem Mausoleum entfernt und an der Kremlmauer beigesetzt.

Der Prozess der Entstalinisierung folgte dann auch in allen anderen Ostblockstaaten.

Zitate

„Was wäre die Folge, wenn es dem Kapital gelänge, die Republik der Sowjets zu zerschlagen? – Eine Epoche der schwärzesten Reaktion würde über alle kapitalistischen und kolonialen Länder hereinbrechen, man würde die Arbeiterklasse und die unterdrückten Völker vollends knebeln, die Positionen des internationalen Kommunismus würden liquidiert!“

Stalin: Rede am 7. Dezember 1926 auf dem VII. erweiterten Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale. Werke Bd. 9. S. 29

Das Zitat ist beispielhaft, weil es den allgemeinen Redestil Stalins sehr gut veranschaulicht. Er stellte während seiner Ansprachen sehr häufig rhetorische Fragen, die er sogleich selbst beantwortete.

„Bei Stalin war jedes Verbrechen möglich, denn es gibt kein einziges Verbrechen, das er nicht begangen hätte. Mit welchem Maß wir ihn auch messen wollen, ihm wird jedenfalls… der Ruhm zufallen, der größte Verbrecher der Geschichte zu sein…“

Josip Broz Tito: 1962


Schriften

  • Werke. Deutsche Ausgabe besorgt vom Marx-Engels-Lenin-Institut beim Parteivorstand der SED. Nach Band 13 abgebrochen. Dietz, Berlin 1950–1955; Band 14 und 15 erschienen auf Beschluss des Zentralkomitees der KPD/ML. Verlag Roter Morgen, Dortmund 1976

Einzelausgaben, Textsammlungen und Briefe

  • Über Dialektischen und Historischen Materialismus. Vollständiger Text und kritischer Kommentar von Iring Fetscher. Diesterweg, Frankfurt/Berlin/Bonn 1956
  • Die unheilige Allianz. Stalins Briefwechsel mit Churchill 1941–1945. Rowohlt, Reinbek 1964
  • Zu den Fragen des Leninismus. Eine Auswahl. Fischer-Bücherei, Frankfurt/Hamburg 1970
  • Schriften zur Ideologie der Bürokratisierung. Rowohlt, Reinbek 1970, ISBN 3-499-45258-8
  • Stalin. Briefe an Molotow. 1925–1936. Siedler, Berlin 1996, ISBN 3-88680-558-1

Literatur

In der Datenbank RussGUS werden weit über 1000 Publikationen mit Bezug auf Stalin nachgewiesen.

Weblinks

Commons
 Commons: Josef Stalin – Bilder, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Josif Dschugaschwili wird in den Aufzeichnungen der Uspenski-Kirche in Gori als am 6. Dezember 1878 geboren aufgeführt. Dieses Datum wird auch in seinem Schulzeugnis, seiner umfassenden zaristischen Polizeikarteikarte und allen anderen erhaltenen Dokumenten der vorrevolutionären Ära genannt. Möglicherweise war sein ossetischer Name aber auch Soslan Dsugajew. Dass er in Polizeiakten unter dem georgischen Namen Dschugaschwili geführt wurde, könnte mit seiner Arbeit als Einflussagent der Ochrana unter den georgischen Nationalisten zusammenhängen, die Edward Ellis Smith in Der junge Stalin 1969 dokumentiert hat. Stalin selbst gab noch 1920 handschriftlich den 18. Dezember 1878 als Geburtsdatum an. Nachdem er die Macht im Jahre 1922 übernommen hatte, änderte sich das Datum ohne Erklärung zum 21. Dezember (alter Kalender: 9. Dezember) 1879; dieses war das fortan in der Sowjetunion verwendete und gefeierte Datum.
  2. LeMO-Biografie; Igal Halfin: Terror in My Soul: Communist Autobiographies on Trial. Harvard University Press, 2003, ISBN 0674010329, S. 15
  3. Nicolas Wert : Ein Staat gegen sein Volk in : Stépahne Courtois et al. (Hrsg.) : Das Schwarzbuch des Kommunismus, 4. Auflage, München, 1998 S. 178 - 188
  4. Eine Quelle dieser Behauptungen ist der NKWD-Offizier Alexander Michailowitsch Orlow, der während der Zeit der großen Säuberung 1938 in die Vereinigten Staaten desertierte und sich dort bis zum Tod Stalins versteckt hielt. 1953 veröffentlichte Orlow seine Memoiren, in denen er auch auf die Spitzeltätigkeit Stalins für die zaristische Geheimpolizei Ochrana einging.
  5. Basler Zeitung: Stalins Enkelin gestorben, 29. August 2007
  6. Prawda: Zu einer Lügenmeldung der Nachrichtenagentur Havas, 30. November 1939. Deutsche Übersetzung nach Viktor Suworow: Der Eisbrecher. Hitler in Stalins Kalkül. Klett-Cotta, Stuttgart 1989, ISBN 3-608-91511-7 (Russischer Text)
  7. Anthony Upton : Finland 1939–40, Newark, 1974 S. 62-70; Carl van Dyke : The Soviet Invasion of Finland 1939–40, London, Portland 1997S. 8f; S. 19, S. 38f, S. 44, S. 60; S. 72, S. 199-213; William Trotter : A Frozen Hell,Chapel Hill 1991, S. 61
  8. Anton Antonow-Owssejenko: Stalin. Porträt einer Tyrannei. Piper, München/Zürich 1983, ISBN 3-492-02760-1, S. 329–332, 341
  9. Anastas I. Mikojan: Tak bylo. Moskau 1999, S. 389
  10. Richard Overy: Russlands Krieg 1941-1945. Reinbek 2003, ISBN 3-498-05032-X, S. 126
  11. Isaac Deutscher: Stalin. Eine politische Biographie. Reinbek 1992, S. 590
  12. Bayerische Staatsbibliothek: Radioansprache des Vorsitzenden des Staatlichen Verteidigungskomitees J. V. Stalin, 3. Juli 1941 mit Faksimile