Geschichte
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Geschichte im allgemeinen Sinn bezeichnet alles, was geschehen ist. Im engeren Sinne bezeichnet Geschichte die Entwicklung der Menschheit. So wird auch von Menschheitsgeschichte gesprochen. Dabei wird Geschichte immer synonym mit Vergangenheit gebraucht. Daneben bedeutet Geschichte aber auch die Betrachtung der Vergangenheit im Gedenken, im Erzählen und in der Geschichtsschreibung.
Schließlich bezeichnet man mit Geschichte auch das Schulfach Geschichte, das über den Ablauf der Vergangenheit informiert und einen Überblick über Ereignisse der Welt-, Landes-, Regional-, Personen-, Politik-, Religions- und Kulturgeschichte gibt.
Inhaltsverzeichnis |
Einführung
Wenn man Geschichte als Vergangenheit betrachtet, lassen sich folgende Bereiche unterscheiden:
- Die Geschichte des Universums: Sie wird von Astronomen, Astrophysikern, Philosophen, Geologen, Biologen und anderen Naturwissenschaftlern betrachtet (Urknall, Kosmologie, Erdgeschichte, Naturgeschichte).
- Die Geschichte der Menschen: Damit setzt eine Entwicklung ein, die kulturelle Faktoren beinhaltet. Der Mensch verändert seine Umwelt, um sie seinen Bedürfnissen anzupassen. Diese Art Geschichte ist Gegenstand von Archäologie, Ethnologie und Sozialgeographie.
- Die Geschichte seit Erfindung der Schrift.
Nur die Geschichte in diesem dritten, engsten Bereich ist Gegenstand der Geschichtswissenschaft mit ihrer spezifischen Methode, denn erst über Schriftzeugnisse wird fassbar, was der Mensch aus dem Erfahrenen als seine Geschichte versteht und wie er sich diese angeeignet hat.
Dabei ist zu unterscheiden zwischen Geschichte als Geschehen und dem Bewusstsein von Geschichte, dem Bild des Gewesenen, das sich einerseits im Selbstverständnis der historischen Personen widerspiegelt, andererseits sich bei der Erforschung und Darstellung aufgrund der vorhandenen Überlieferungen für den Betrachter ergibt, der das Geschehen zu erfassen versucht (vgl. Geschichtsschreibung und Geschichte der Geschichtsschreibung). Diese nachträgliche Geschichtserkenntnis gründet sich auf Überreste und Tradition.
Solche Erkenntnis ist allerdings nie völlig objektiv, sondern abhängig von der historischen Situation, der Perspektive des Betrachters und den verfügbaren Quellen. Eine bestimmte Perspektive gegen andere Perspektiven durchzusetzen (aber auch der Versuch, Multiperspektivität zu ermöglichen) ist Sache der Geschichtspolitik.
Dagegen hat sich Geschichtsdidaktik die Aufgabe gestellt, den Zugang zu den wichtigsten Bereichen von Geschichte zu erleichtern und ein mehrdimensionales Geschichtsbewusstsein zu ermöglichen.
Der Geschichtsunterricht ist der Versuch der praktischen Umsetzung von Geschichtsdidaktik.
Einen Zugriff auf Geschichte von den verschiedenen Geschichtsräumen und Nationalgeschichten aus verschafft das Portal:Geschichte. Den Zugriff auf spezifische Sachbereiche der Geschichte ermöglichen die verschiedenen Disziplinen der Geschichtswissenschaft.
Definitionsversuch
Über Geschichte gibt es sowohl aus der Philosophie als auch der Geschichtswissenschaft eine Reihe von allgemeinen Definitionsversuchen. Beispielhaft nur diese:
- Wilhelm von Humboldt: „Das Ziel der Geschichte kann nur die Verwirklichung der durch die Menschheit darzustellenden Idee sein.“
- Johann Gustav Droysen: „Was in ihr täglich geschieht, wird von keinem Verständigen als Geschichte getan oder gewollt. Erst eine gewisse Art, das Geschehene nochmals zu betrachten, macht aus Geschäften Geschichte".
- Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Geschichte ist „Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit“ – „die Entfaltung der Natur Gottes in einem besonderen, bestimmten Element“
- Karl Jaspers: „Wir sprechen zwar von Geschichte der Natur und von Geschichte der Menschen. Beiden gemeinsam ist ein unumkehrbarer Prozeß der Zeit. Aber beide sind in Sinn und Wesen verschieden. Die Geschichte der Natur ist ihrer selbst nicht bewußt. Sie ist ein bloßes Geschehen, das sich nicht weiß, sondern von dem erst der Mensch weiß. Bewußtsein und Absicht ist nicht ein Faktor dieses Geschehens. Es ist daher eine Verführung unseres in Kategorien der Natur gewohnten Denkens, die Geschichte selber noch nach Analogie von Naturgeschehen zu betrachten.“
- Golo Mann: „Immer hat Geschichte zwei Komponenten: das, was geschehen ist, und den, der das Geschehene von seinem Orte in der Zeit sieht und zu verstehen sucht. Nicht nur korrigieren neue sachliche Erkenntnisse die alten; der Erkennende selber wandelt sich. Die Vergangenheit lebt; sie schwankt im Lichte neuer Erfahrungen und Fragestellungen.“
- Zur Aufgabe der Geschichtsschreibung: Leopold von Ranke: „Man hat der Historie das Amt, die Vergangenheit zu richten, die Mitwelt zum Nutzen zukünftiger Jahre zu belehren, beigemessen; so hoher Ämter unterwindet sich gegenwärtiger Versuch nicht: er will bloß sagen, wie es eigentlich gewesen.“
Davon ließen sich ungezählte weitere anführen. Hier offenbart sich das Problem einer allgemeinverbindlichen Definition von Geschichte. Sämtliche hier aufgeführten Definitionen deuten auf etwas Wesentliches hin. Sie sind jedoch alle von einer gewissen subjektiven Sicht derer durchdrungen, die sie aufstellen. Das ist auch kaum anders denkbar, da diese Gelehrten jeweils von einer anderen Geschichtsperspektive aus urteilen. Außerdem schließt sich bei der Frage nach der Definition der Geschichte unweigerlich die Frage nach den Aufgaben der Geschichtsschreibung an. Sehr schnell offenbart sich dabei, dass die Geschichtsschreibung auch von der Politik und damit von politischen Interessen abhängt. Sehr deutlich tritt das an der Nationalgeschichte zutage. Da diese wiederum immer einem Wandel unterworfen war, ist und bleiben wird, ändern sich entsprechend die politischen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Geschichtsschreibung. So stellt sich das Problem der historischen Wahrheit. Es gibt nicht die historische Wahrheit an sich, sondern nur eine Interpretation der Quellen aus der jeweiligen Perspektive (Ort, Zeit, Interesse, Freund/Feind …). Im Jahr 5000 wird man - gleichen Quellenstand vorausgesetzt - ein anderes Bild von Geschichte haben als heute.
Betrachtungsweisen und Funktionen der Geschichte
Wissenschaftliche Betrachtungsweisen
- Geschichte kann einerseits wissenschaftlich erforscht werden, andererseits ist die Darstellung der Ergebnisse und Zusammenhänge als eine künstlerische Tätigkeit zu betrachten: Der Historiker soll dem Leser auf eine nachvollziehbare, objektive und überzeugende Weise den Gang der Ereignisse sowie deren Ursachen und Wirkungen darlegen. Die Geschichtsphilosophie versucht, den Gang der Handlungen in einen übergeordneten Zusammenhang, ein Geschichtsbild, zu bringen. Dies ist vorwiegend der Ansatz der Geisteswissenschaften. Wesentliche Ordnungskriterien- und Hilfsmittel sind hierbei die Chronologie und Periodisierung.
- Die Erforschung der Geschichte der Natur oder die Erdgeschichte wird selbstverständlich auch von der Naturwissenschaft betrieben. Hierbei geht es hauptsächlich darum, die Naturgeschichte beziehungsweise die Geschichte der Erde nachvollziehbar zu machen auf der Grundlage naturwissenschaftlicher Erkenntnismethoden.
- Einen weiteren Ansatz verfolgt die Historio-Metrie, welche zeitliche Geschehnisse in einer metrischen Übersicht darzustellen versucht.
Geschichte als Konstruktion
Die Geschichtswissenschaft diskutiert auch die Frage, wie weit das von ihr entworfene Bild von der Vergangenheit überhaupt in der Lage ist, die tatsächliche Vergangenheit abzubilden. Das hängt nicht nur von der Dichte, sondern auch vom Vertrauen in ihre Quellen (ganz abgesehen von den Fälschungen) zusammen. Während man im 19. Jahrhundert bemüht war, gegensätzliche Aussagen in verschiedenen Quellen weitestgehend zu harmonisieren, findet man sich heute eher damit ab, dass in der Regel der vergangene Sachverhalt endgültig und unrekonstruierbar verschwunden ist. Bekanntes Beispiel für diesen Wandel ist die Darstellung der Krönung Karls des Großen in Rom zum Kaiser, die in den päpstlichen Quellen anders geschildert wird als in den Quellen, die nördlich der Alpen entstanden sind. Während in diesem Falle die Nichtrekonstruierbarkeit angesichts sich widersprechender Quellen heute allgemein akzeptiert wird, ist es bei Quellen, denen keine abweichende oder von ihr unabhängige Darstellung gegenübersteht, eine vieldiskutierte Frage, ob das Bild, das auf Grund dieser Quellen von der Vergangenheit gezeichnet wird, nicht eine Konstruktion ist, die mit den wirklichen Geschehnissen wenig oder möglicherweise nichts zu tun hat. Hier können der Prozess Jesu oder die Hintergründe der Konstantinischen Wende als Beispiel dienen. Dabei wird zum einen die Frage diskutiert, ob der Versuch einer Rekonstruktion in diesen Extremfällen nicht ebenfalls unterbleiben sollte, zum anderen, ob eine solche Unterscheidung zwischen „wirklicher“ und „rekonstruierter“ Wirklichkeit überhaupt einen Sinn hat und ob nicht die Maxime genügt, dass die rekonstruierte Geschichte so lange der Wirklichkeit entspricht, bis neue Erkenntnisse eine Korrektur erfordern.
Künstlerische Betrachtungsweisen
- Indem die Darstellung der Geschichte auch als eine künstlerische Aufgabe betrachtet werden kann, kommt es umgekehrt zur künstlerischen bzw. literarischen Verarbeitung von geschichtlichen Themen, ohne dass vordergründig ein wissenschaftliches Erkenntnisinteresse besteht. Zum Beispiel das Drama Wallenstein von Friedrich von Schiller oder der Torquato Tasso von Johann Wolfgang von Goethe sind literarische Werke auf der Grundlage des historischen Stoffes, ohne zugleich als Geschichtswerke verstanden werden zu können.
- Neben den literarischen Betrachtungsweisen von Geschichte manifestieren diese sich auch in der Bildenden Kunst wie z. B. in der Malerei und Grafik. Als Beispiel dafür betrifft es das künstlerische Werk von Werner Tübke. Diese Betrachtungsweisen setzen ein hohes Maß von individuellem Geschichtsbewusstsein des Künstlers voraus und eine ausgeprägte Fähigkeit, sich kritisch mit Geschichte auseinanderzusetzen.
Geschichtspolitik
Die Darstellung von Geschichte ist Gegenstand der Geschichtspolitik, die auch von Historikern aktiv mit betrieben wird. Geschichtsschreibung steht deshalb stets auch unter dem Verdacht der interessensgeleiteten Darstellung. Das gilt insbesondere dann, wenn ihr eine Geschichtsphilosophie zugrundeliegt. Geschichtspolitik dient also der Einflussnahme auf die allgemeine Meinungsbildung der Gesellschaft. Diese greift folglich auch in den Bereich der Geschichtsdidaktik und der Geschichtspädagogik ein. Die Formen der Geschichtspolitik können sehr unterschiedlich sein. Verwandte Begriffe sind etwa: Geschichtlichkeit, Geschichtsbewusstsein, Geschichtsraum, Geschichtsperspektive, Historisierung, Erinnerungskultur, Glorifizierung beziehungsweise Geschichtsfälschung.
Weiterhin gibt es Formen der Wissensvermittlung, die besonders in Verbindung mit Unterhaltungsmedien, von Museumspädagogik bis zu Histotainment (wie zum Beispiel Mittelaltermärkte) reichen und damit ein Spektrum abdecken, von didaktischer Wissensvermittlung bis zur bloßen Unterhaltung. Wobei diese Abstufung auch innerhalb der hier gewählten Eckbeispiele auftreten kann.
Siehe auch
Literatur
- John H. Arnold: Geschichte. Eine kurze Einführung. Reclam, Ditzingen 2001, ISBN 978-3-15-017026-7
- Jörg Baberowski: Der Sinn der Geschichte: Geschichtstheorien von Hegel bis Foucault. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52793-0
- Erich Bayer und Frank Wende (Hrsg.): Wörterbuch der Geschichte. 5. Auflage, Kroener Verlag, Stuttgart 1995, ISBN 3-520-28905-9
- Marc Bloch; Peter Schöttler; Jacques Le Goff; Wolfram Bayer: Apologie der Geschichtswissenschaft oder der Beruf des Historikers. (Neudruck) Klett-Cotta, Stuttgart 2002 , ISBN 3-608-94170-3
- Otto Brunner u.a. (Hgg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. 8 Bde., Stuttgart 1972–1992.
- Jacob Burckhardt: Weltgeschichtliche Betrachtungen. Hrsg. v. Jacob Oeri, Berlin/Stuttgart 1905.
- Manfred Mai: Weltgeschichte. Hanser, München/Wien 2002, ISBN 3-446-20191-2
- Carl Ploetz: Der große Ploetz: Die Daten-Enzyklopädie der Weltgeschichte; Daten, Fakten, Zusammenhänge. 32. Aufl. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1998 , ISBN 3-86150-412-X
- Lutz Raphael: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart. München 2003, ISBN 3-406-49472-2
- Pietro Rossi (Hrsg.): Theorie der modernen Geschichtsschreibung. Frankfurt/M. 1987, ISBN 3-518-11390-9
- Jörn Rüsen: Grundzüge einer Historik. Drei Bände, Vandenhoeck und Rupprecht, Göttingen 1983 - 1989 (Bd. 1: Historische Vernunft. Die Grundlagen der Geschichtswissenschaft - ISBN 3-525-33482-6; Bd. 2: Rekonstruktion der Vergangenheit: Die Prinzipien der historischen Forschung - ISBN 3-525-33517-2; Bd. 3: Lebendige Geschichte: Formen und Funktionen des historischen Wissens ISBN 3-525-33554-7)
Weblinks
- Fachkatalog zur Geschichtswissenschaft TU Dortmund, Fachbereich Geschichte
- Lotse zum Fachbereich Geschichte Unibibliothek Münster
- Virtual Library Geschichte Bündelung der deutschsprachigen www-Angebote zu Geschichtswissenschaften
- Kommunikation und Fachinformation für die Geschichtswissenschaften Humboldt-Universität Berlin
- http://www.historicum.net Geschichtswissenschaft im Internet e.V.
- http://www.nfhdata.de/premium/index.shtml/ Nachrichtendienst für Historiker
- Geschichte Online E-Learning-Plattform der Universität Wien
Wege zu Geschichtsdarstellungen für Laien und für schulische Zwecke
- SUSAS Netzwerk für Wissensweitergabe: Geschichte
- didaktisch aufbereitete Geschichtsdarstellung mit Links
- Epochenüberblicke mit Links
- Geschichte - Ideen und Materialien für den Unterricht (im ZUM-Wiki)