Fjodor Michailowitsch Dostojewski
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Fjodor Michailowitsch Dostojewski (russisch Фёдор Михайлович Достоевский anhören ?/i, ˈfʲodər mʲɪˈxajləvʲɪtɕ dəstʌˈjɛfskʲɪj, wiss. Transliteration Fëdor Michajlovič Dostoevskij; * 30. Oktoberjul./ 11. November 1821greg. in Moskau; † 28. Januarjul./ 9. Februar 1881greg. in Sankt Petersburg) gilt als einer der bedeutendsten russischen Schriftsteller.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Leben
Dostojewski entstammte verarmtem Adel, sein Vater war Arzt. Nach dem Tod seiner Mutter 1837 ließ sich Dostojewski mit seinem Bruder Michail in St. Petersburg nieder, wo er von 1838 bis 1843 an der Militärakademie Bauingenieurwesen studierte. 1839 wurde sein Vater auf dem heimischen Landgut durch leibeigene Bauern ermordet. 1844 begann er mit den Arbeiten zu seinem 1846 veröffentlichten Erstlingswerk Arme Leute.
Mit dessen Erscheinen wurde Dostojewski schlagartig berühmt; die zeitgenössische Kritik feierte ihn als Genie. 1847 trat er einem Kreis von Revolutionären bei. Als er in deren Reihen 1849 einen später als kriminelles Schreiben apostrophierten Text des Literaturkritikers Wissarion Belinski an Nikolai Gogol vortrug, denunzierte man ihn und er wurde zum Tode verurteilt. Der Schriftsteller sollte am 22. Dezember 1849 durch ein Erschießungskommando hingerichtet werden. Erst auf dem Richtplatz begnadigte Zar Nikolaus I. ihn zu vier Jahren Verbannung und Zwangsarbeit in Sibirien, mit anschließender Militärdienstpflicht. In der Haft in Omsk wurde bei Dostojewski zum ersten Mal Epilepsie diagnostiziert.
1854 trat er seine Militärpflicht an; Protektion und Wohlverhalten verschafften ihm 1856 die Beförderung in den Offiziersrang. Nach seiner Heirat 1857 und schweren epileptischen Anfällen beantragte er seine Entlassung aus der Armee, die jedoch erst 1859 bewilligt wurde, so dass Dostojewski nach St. Petersburg zurückkehren konnte.
Dort veröffentlichte er 1860 die Aufzeichnungen aus einem Totenhaus, ein Dokument seiner Verbannungszeit in Sibirien, an dem er seit 1856 gearbeitet hatte. Gemeinsam mit seinem Bruder gründete er die Zeitschrift Die Zeit, in der im darauf folgenden Jahr sein Roman Erniedrigte und Beleidigte erschien. Bereits 1863 jedoch fiel Die Zeit wegen eines „antipatriotischen“ Beitrags der Zensur zum Opfer und wurde verboten. 1862, 1863 und 1865 reiste Dostojewski durch Europa; unter anderem führte ihn sein Weg durch Dresden, welches er von allen deutschen Städten am liebsten mochte. 1863 spielte er zum ersten Mal Roulette und verarbeitete dieses Erlebnis in dem Roman Der Spieler. 1864 starben in kurzer Folge Dostojewskis Frau, sein Bruder und sein Freund Apollon Grigorjew; die Nachfolgezeitschrift der Zeit, die Epoche, musste er aus Geldmangel einstellen. 1865 verspielte er beim Roulettespiel in der Spielbank in Wiesbaden seine Reisekasse.
1866 erschien der erste der großen Romane, durch die Dostojewskis Werk Teil der Weltliteratur wurde: Schuld und Sühne. Die Geschichte des heruntergekommenen und armen Studenten Rodion Romanowitsch Raskolnikow, der aus Hochmut zum Mörder wird und sich in der Folge zu einem Menschen entwickelt, der die Welt entdeckt als das, was sie ist, überzeugt durch psychologisch realistische Charaktere und präzises, anschauliches Erzählen. Zugleich ist der Roman auch Abbild der Wandlung Dostojewskis selbst vom Revolutionär zum konservativen Christen. Im selben Jahr erschien auch der innerhalb von nur 26 Tagen verfasste Kurzroman Der Spieler, eine Beschreibung der Spielsucht.
Kurz nach seiner zweiten Eheschließung 1867 setzte er sich wegen seiner hohen Schulden nach dem Zusammenbruch der mit seinem Bruder gegründeten Zeitschrift fluchtartig ins Ausland ab, um sich dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Er wohnte längere Zeit in Dresden. In der dortigen Russisch-Orthodoxen Kirche ließ er seine Tochter Ljubow taufen. Erst 1871 kehrte er wieder nach Russland zurück. Während seines vierjährigen Auslandsaufenthaltes mit seiner 20 Jahre jüngeren Frau spielte er in den Spielbanken von Bad Homburg und Baden-Baden. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, Dostojewski habe große Beträge am Roulettetisch verloren, war er ein Spieler der kleinen Münze, der oft tagelang mit dem Geld eines gerade verpfändeten Kleides seiner Frau spielte. Dostojewski hat nie gespielt, weil seine Schriftstellerhonorare nicht ausreichten. 1868 erschien sein zweites Großwerk, Der Idiot, die tragikomische Geschichte des Fürsten Myschkin, der aufgrund seiner Güte, Ehrlichkeit und Tugendhaftigkeit in der St. Petersburger Gesellschaft scheitert. Noch während seiner von ihm als zweite Verbannung empfundenen Zeit im Ausland begann er die Arbeit an Die Dämonen – einem politischen Roman über die vernichtende Macht des Anarchismus und Nihilismus.
Zu seinem Ende hin verlief das Leben Dostojewskis in ruhigeren Bahnen. Er verfasste seine beiden letzten großen Werke, den Roman Der Jüngling, und schließlich Die Brüder Karamasow, ein Roman, den er in den 1860er Jahren, also in der Zeit der Entstehung von Schuld und Sühne begonnen hatte, und der die Entwicklung der Gesellschaft bis in die 1880er Jahre behandeln sollte. Doch obwohl dieser Roman nicht beendet wurde, wird er oft als Quintessenz des Werkes Dostojewskis betrachtet.
Als Dostojewski 1881 am Lungenemphysem starb, nahmen rund 60.000 Menschen an seinem Begräbnis teil.
[Bearbeiten] Einfluss
Dostojewskis Einfluss auf die Literatur des 20. Jahrhunderts, insbesondere auf existentialistische und expressionistische Strömungen, war hoch. Zu den von ihm beeinflussten Autoren zählten sich Friedrich Nietzsche, Marcel Proust, William Faulkner, Albert Camus, Franz Kafka, Henry Miller und Gabriel García Márquez. Ernest Hemingway schrieb Dostojewski in seinen autobiographischen Werken einen entscheidenden Einfluss zu. Der südafrikanische Nobelpreisträger John M. Coetzee setzte Dostojewski im Roman Der Meister von Petersburg ein literarisches Denkmal.
[Bearbeiten] Übersetzung der Werke ins Deutsche
Die erste umfassende und bis heute maßgebliche Übersetzung der Werke Dostojewskis ins Deutsche wurde in den Jahren 1906 bis 1919 von Elisabeth Less Kaerrick unter dem Pseudonym E. K. Rahsin für den Piper Verlag unternommen. Frau Kaerrick erhielt dafür im Jahr 1960 - über 40 Jahre später - den Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Seither erschienen zahlreiche weitere Übersetzungen ins Deutsche.
Die Übersetzerin Swetlana Geier (* 1923) arbeitet an einer Neuübersetzung Dostojewskis Werks, das im Ammann-Verlag erscheint. Bisher liegen vor: Aufzeichnungen aus dem Kellerloch (1962; überarbeitete Ausgabe 1984; Neuherausgabe 2003 als Teil der Anthologie Russland lesen, als eigener Band 2006); bei Ammann: Verbrechen und Strafe (1994), Der Idiot (1996), Böse Geister (1998), Der Großinquisitor (2001), Die Brüder Karamasow (2003), Ein grüner Junge (2006).
[Bearbeiten] Werke
- Бедные люди (Arme Leute) (1845)
- Двойник. Петербургская поэма (Der Doppelgänger) (1846)
- Господин Прохарчин (Herr Prochartschin) (1846)
- Роман в девяти письмах (Eine Novelle in neun Briefen) (1847)
- Хозяйка (Die Wirtin) (1847)
- Белые ночи (Weiße Nächte) (1848)
- Ползунков (Polsunkov) (1848)
- Мальчик у Христа на ёлке (?) (Weihnachtsbaum und Hochzeit) (1848)
- Честный вор (Der ehrliche Dieb) (1848)
- Der eifersüchtige Gatte (1848)
- Чужая жена и муж под кроватью (Die fremde Frau und der Mann unter dem Bett) (1848)
- Слабое сердце (Das schwache Herz) (1849)
- Неточка Незванова (Nettchen Neswanowa) (1849)
- Маленький герой (Ein kleiner Held) (1857)
- Дядюшкин сон (Onkelchens Traum) (1859)
- Село Степанчиково и его обитатели (Das Gut Stepantschikowo und seine Bewohner) (1859)
- Записки из мертвого дома (Aufzeichnungen aus einem Totenhaus) (1860)
- Униженные и оскорбленные (Erniedrigte und Beleidigte), auch als Erniedrigte und Gekränkte (bei Piper) (1861)
- Зимние заметки о летних впечатлениях (Winterliche Aufzeichnungen über sommerliche Eindrücke) (1863)
- Записки из подполья (Aufzeichnungen aus dem Kellerloch), auch als Aufzeichnungen aus dem Untergrund (1864)
- Eine dumme Geschichte (1865)
- Крокодил (Das Krokodil - Ein ungewöhnliches Ereignis) (Groteske) (1865)
- Преступление и наказание (Schuld und Sühne) (1866) – auch als Rodion Raskolnikoff (so ursprünglich bei Piper) oder in der Neuübersetzung Verbrechen und Strafe
- Игрок (Der Spieler) (1866)
- Кроткая (Die Sanfte) (1867)
- Идиот (Der Idiot) (1868)
- Вечный муж (Der ewige Gatte) (1870) (dt. zuerst udT? Der Gatte, Übersetzer August Scholz, 1918, unter diesem Titel 1921)
- Бесы (Die Dämonen) (1871-1872 bei Russkij Vestnik, 1873 - Einzelausgabe) , auch Die Teufel, Die Besessenen oder Böse Geister (S. Geier, Zürich: Ammann 1998)
- Дневник писателя (Tagebuch eines Schriftstellers) (1873-1881)
- Бобок (Bobok) (1873)
- Подросток (Der Jüngling) (Erschienen in Buchform 1876) - auch Werdejahre, Ein Werdender, Ein grüner Junge (eher selten)
- Сон смешного человека (Traum eines lächerlichen Menschen) (1877)
- Братья Карамазовы (Die Brüder Karamasow) (1880-1881), auch als Die Brüder Karamasoff (bei Piper)
- Великий инквизитор (Der Großinquisitor) (Teilausgabe; = 5. Buch, Kap. 5 des Romans Die Brüder Karamasov
- ?(Puschkin-Rede) (1880)
- ? (Politische Schriften) (dt. 1907)
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Fjodor Michailowitsch Dostojewski im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von Fjodor Michailowitsch Dostojewski bei Zeno.org (deutsch)
- Werke von Fjodor Michailowitsch Dostojewski im Projekt Gutenberg-DE (deutsch)
- Biographie, Bibliographie, Texte, Links
- Dostojewskij-Gesellschaft
- Illustrierte Biographie Fjodor Dostojewskis
Personendaten | |
---|---|
NAME | Dostojewski, Fjodor Michailowitsch |
ALTERNATIVNAMEN | Достоевский, Фёдор Михайлович (russisch); Dostoevskij, Fëdor Michajlovič (wissenschaftliche Transliteration); Dostoïevski, Fedor (im französischen Sprachraum) |
KURZBESCHREIBUNG | russischer Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 11. November 1821 |
GEBURTSORT | Moskau |
STERBEDATUM | 9. Februar 1881 |
STERBEORT | Sankt Petersburg |