Zweite Polnische Republik
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Die Zweite Polnische Republik (polnisch II. Rzeczpospolita) bezeichnet die Geschichte Polens von 1918-1945 in der Zwischenkriegszeit.
Formell begann die Zweite Polnische Republik am 14. November 1918 auf dem Gebiet von Kongreßpolen bzw. dem Königreich Polen. Alsbald begann die Verwicklung in internationale Konflikte:
- Posener Aufstand (1918–1919)
- Polnisch-ukrainischer Krieg von 1918 und 1919
- Aufstände in Oberschlesien, drei bewaffnete Konflikte in Oberschlesien zwischen 1919 und 1921
- Polnisch-Tschechoslowakischer Grenzkrieg vom 23. Januar bis 5. Februar 1919 um das Olsagebiet und Teschen
- Polnisch-Litauischer Krieg gegen Litauen, August 1920 bis 7. Oktober 1920
- Polnisch-Sowjetischer Krieg von 1920
- 1938, kurz nach dem Münchner Abkommen, marschiert Polen in das Olsa-Gebiet um Teschen ein
Die Republik war zunächst eine parlamentarische Demokratie, wurde jedoch nach dem Maiputsch Józef Piłsudskis im Mai 1926 in ein von diesem autoritär geführtes Sanacja-Regime mit lediglich demokratischer Fassade umgewandelt. Als faktisches Enddatum gilt meist der 1. September 1939, der Beginn des deutschen Überfalls auf Polen.
Polen war ein zu rund einem Drittel aus nationalen Minderheiten bestehender Staat, der mit praktisch jedem Nachbarland in Konflikte verwickelt war und seine Grenzen dabei um ca. 300 km nach Osten verschoben hat. Mit Międzymorze wurde zudem von Piłsudski das Konzept eines von Ostsee bis Schwarzem Meer reichenden slawisch-baltischen Bundesstaates unter polnischer Führung vorgeschlagen, das von den anderen Nationen abgelehnt wurde.
Die neu erworbenen Gebiete im Osten wurden im der im geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt vom 24. August 1939 gemachten Interessengebietaufteilung wieder Stalins Interessensphäre zugeordnet, der die Rote Armee am 17. September dort einmarschieren ließ. Nach dem Krieg behielt Stalin die Gebiete, entschädigte jedoch seinen neuen Verbündeten mit den deutschen Ostgebieten, wobei die Westallierten zustimmen.
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[Bearbeiten] Unabhängigkeit und die Zweite Republik 1918–1939
[Bearbeiten] Die Konsolidierung des neuen Staates
Anfang des Jahres 1918 verlangten die Mittelmächte in Brest-Litowsk von Russland die „Unabhängigkeit“ für Polen, dabei wurden Polens Grenzen von Deutschland und Österreich enger als 1772 gezogen. Nachdem das Deutsche- und das Österreichische Kaiserreich den Krieg verloren hatten, und das Russische Reich im Chaos des Russischen Bürgerkriegs versank, erlangten die Polen, auch durch die politische Unterstützung der Westmächte, ihre volle staatliche Souveränität zurück. Am 7. Oktober 1918 proklamierte der Regentschaftsrat in Warschau einen unabhängigen polnischen Staat und übernahm fünf Tage später die Befehlsgewalt über die Armee. Nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags wurde Polen 1919 eine international anerkannte und unabhängige Republik.
Bereits im November 1918 hatte der aus der Magdeburger Haft entlassene Józef Piłsudski in Warschau als „Vorläufiges Staatsoberhaupt“ die Macht übernommen. Er berief einen verfassunggebenden Sejm ein, der eine demokratische Verfassung ausarbeiten und verabschieden sollte. Die ersten Jahre der Unabhängigkeit vergingen mit dem inneren Aufbau des Staates. Die bestehenden staatlichen Strukturen, welche die drei verschiedenen Teilungsmächte hinterlassen hatten, mussten vereinheitlicht, teilweise aber auch völlig neu geschaffen werden. Außerdem war das Land weitgehend vom Krieg verwüstet, wie auch seine Grenzen in weiten Teilen nicht festgelegt waren.
Als 1921 die neue Verfassung verabschiedet wurde, in der nur ein schwacher Präsident vorgesehen war, verzichtete Piłsudski auf die Ausübung dieses Amtes und zog sich ins Privatleben zurück. Die Jahre bis 1926 waren innenpolitisch somit von mehreren aufeinanderfolgenden parlamentarischen Regierungen dominiert. Zum ersten offiziellen Präsidenten Polens wurde 1922 Gabriel Narutowicz, ein Vertreter der gemäßigten Linken, gewählt. Narutowicz wurde jedoch wenige Tage nach seiner Amtseinführung von einem nationalistischen Fanatiker ermordet. Zu seinem Nachfolger wählte das Parlament den gemäßigten Sozialisten Stanisław Wojciechowski. Da die Mehrheitsverhältnisse im polnischen Parlament, dem Sejm, sehr instabil waren, wechselten sich die Regierungen häufig ab und waren teilweise sehr schwach.
Polen entwickelte ab 1921 gute Beziehungen zu Großbritannien und Frankreich, die an Polen als strategischem Bündnispartner interessiert waren und den Bau eines neuen Hafens in Gdingen finanzierten. Aus dem Fischerdorf mit 1000 Einwohnern wurde in wenigen Jahren ein Groß- und Militärhafen mit über 100.000 Einwohnern. Die Konkurrenz mit dem Danziger Hafen und die Errichtung eines polnischen Munitionslagers auf der Westerplatte gegen den Willen der Danziger Regierung führte zu Spannungen mit der Freien Stadt Danzig. Der Zugang zu Ostpreußen vom restlichen Deutschen Reich war per verplombtem Korridorzug von Konitz bis Dirschau durch das polnische Gebiet auf der Ostbahn oder per Schiff, durch den Seedienst Ostpreußen möglich.
[Bearbeiten] Konflikte mit den Nachbarn
(→ Hauptartikel: Polnisch-Ukrainischer Krieg, Großpolnischer Aufstand, Polnisch-Litauischer Krieg und Aufstände in Oberschlesien)
[Bearbeiten] Deutschland
Mit Deutschland gab es zwischen 1919 und 1921 Kämpfe vor allem um den Besitz Oberschlesiens. Die Abstimmung am 20. März 1921 ergab eine Mehrheit von fast 60 % für den Verbleib bei Deutschland. Allerdings zeigten sich dabei erhebliche regionale Unterschiede, so dass in einigen Gebieten das pro-polnische Votum überwog. Polnische Freischärler begannen daraufhin am 3. Mai 1921, unterstützt von französischen Besatzungstruppen – Italiener und Briten stellten sich auf die deutsche Seite –, einen bewaffneten Aufstand, um den Anschluss des östlichen Teils Oberschlesiens an Polen gewaltsam durchzusetzen. Die Alliierten wollten zunächst nur den Landkreis Pleß an Polen anschließen. Das Deutsche Reich konnte aufgrund der Beschränkungen durch den Versailler Vertrag und aufgrund der Intervention der anglo-französischen Sieger nicht gegen die Freischärler vorgehen, trotzdem kam es zu einigen blutigen Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Polen. Mit Billigung der deutschen Regierung versuchten Freikorps gewaltsam den Anschluss an Polen zu verhindern. Am 23. Mai 1921 gelang den deutschen Freikorps des „Selbstschutzes Oberschlesien“ die Erstürmung des St. Annabergs, der stärksten Befestigung der Polen, wodurch eine Stabilisierung der Lage eintrat. Am 20. Oktober 1921 beschloss der Oberste Rat der Alliierten, nach einer Empfehlung des Völkerbundes, das ostoberschlesische Industrierevier an Polen zu übertragen, dem es als Autonome Woiwodschaft Schlesien angeschlossen wurde. Beim Deutschen Reich verblieb der zwar flächen- und bevölkerungsmäßig größere Teil des Abstimmungsgebiets – Industriestädte wie Beuthen OS, Gleiwitz oder Hindenburg OS blieben weiter deutsch.
Die Provinzen des Königreichs Preußen, Westpreußen und Posen, die durch die Teilungen Polens an Preußen gekommen waren, wurden aus der Weimarer Republik herausgelöst und ohne Plebiszite der neuen Republik einverleibt. Polen bekam dadurch einen Zugang zur Ostsee bei Gdingen. Einen Teil der Gebiete hatte polnisches Militär im Großpolnischen Aufstand bereits zuvor militärisch besetzt. Die alte Hansestadt Danzig wurde zur Freien Stadt Danzig erklärt und verblieb mit Nutzungsrechten Polens am Danziger Hafen außerhalb der Grenzen des neuen polnischen Staates unter der Aufsicht des Völkerbundes. Für weitere Gebiete sah der Versailler Vertrag Volksabstimmungen über die Staatszugehörigkeit vor. In Masuren (Regierungsbezirk Allenstein) und im Bezirk Marienwerder (ehemals Westpreußen) fanden unter alliierter Aufsicht Volksabstimmungen statt, in denen sich die große Mehrheit der Bevölkerung (98 % bzw. 92 %) für den Verbleib bei Ostpreußen und Deutschland entschied.
[Bearbeiten] Im Osten
Die polnischen territorialen Bestrebungen stießen auch im Osten auf erheblichen Widerstand. Gebietsansprüche überschnitten sich vor allem mit den Ukrainern und den Litauern. Eine Woche nach der polnischen Unabhängigkeitserklärung riefen auch die Ukrainer in Lemberg ihre Unabhängigkeit aus, was den Polnisch-Ukrainischen Krieg um das ehemalige habsburgische Königreich Galizien und Lodomerien auslöste. Besonders heftige Kämpfe wurden um Lemberg geführt, das polnische Freiwilligenverbände und reguläre Armeeteile am 21. November einnahmen. Der Krieg dauerte militärisch jedoch bis in den März 1919 an und wurde erst durch ein Abkommen zwischen Polen und der Volksrepublik Ukraine unter Symon Petljura am 21. April 1920 offiziell beendet.
Der mit dem Versailler Vertrag ins Leben gerufene Völkerbund sah die Ziehung einer Grenzlinie aufgrund der im Dezember 1919 vorgelegten Empfehlungen einer Kommission unter Leitung des britischen Außenministers Curzon vor, durch die mehrheitlich polnischsprachige Gebiete um Vilnius in Litauen und Lemberg in Galizien dem polnischen Staat verloren gehen würden. Die weitergehenden Pläne Piłsudskis zielten zudem auf die Wiedererrichtung einer Republik unter polnischer Führung in der Tradition der 1795 untergegangen Adelsrepublik, zu der auch mehrheitlich von Ukrainern und Weißrussen bewohnte Gebiete gehören sollten. Polnische Truppen besetzten daher 1919 den östlichen Teil Litauens um Vilnius, das seine Unabhängigkeit gerade gegen Russland durchgesetzt hatte, ebenso vorübergehend Kiew in der Ukraine, was aufgrund der Überschneidung mit den territorialen Ansprüchen Sowjetrusslands zum Polnisch-Sowjetischen Krieg führte.
[Bearbeiten] Der Polnisch-Sowjetische Krieg
(→ Hauptartikel: Polnisch-Sowjetischer Krieg)
Zunächst drangen die polnischen Truppen unter General Rydz-Śmigły mit Unterstützung durch nationalukrainische Kräfte bis nach Kiew vor. Der schnelle Erfolg war durch das Ausweichen der sowjetischen Truppen begünstigt, die nach der Eroberung Kiews durch die Polen eine Gegenoffensive starteten. Die sowjetischen Einheiten unter General Tuchatschewski drangen bis Warschau vor, während General Budjonny Lemberg belagerte. Durch ein waghalsiges Zangenmanöver gelang der polnischen Armee unter Piłsudskis Kommando der Durchbruch und eine nahezu vollständige Vernichtung der sowjetischen Einheiten: Während die polnischen Einheiten versuchten, die Armee von General Tuchatschewski bei Radzymin nordöstlich von Warschau aufzuhalten, startete Piłsudski vom Fluss Wieprz in der Wojewodschaft Lublin eine Großoffensive in Richtung Norden. Der Überraschungseffekt war so groß, dass die letzten sich zurückziehenden Einheiten der Roten Armee über deutsches Gebiet – Ostpreußen – flüchten mussten.
1921 wurde in der lettischen Hauptstadt Riga ein Friedensvertrag zwischen den Kriegsparteien geschlossen und der Aufbau des Landes im Inneren in Angriff genommen. Piłsudski verfehlte zwar sein Ziel, die Staatsgrenze von 1772 wiederherzustellen, es gelang ihm jedoch, die polnische Staatsgrenze etwa 200 km östlich der geschlossenen polnischen Sprachgrenze mit relativer Bevölkerungsmehrheit, der Curzon-Linie, zu ziehen. Im östlichen Teil Polens betrug der polnische Bevölkerungsanteil 1919 etwa 25 %, 1938 nach der Amtszeit Piłsudskis bezeichneten sich 38 % als polnisch. Den übrigen Anteil bildeten jeweils verschiedene Nationalitäten. Die Bevölkerungsmehrheit bezeichnete sich als ukrainisch, weißrussisch oder jüdisch. Mehrheitlich polnisch – mit einem hohen Anteil Juden – waren zum Beispiel Vilnius und Lemberg.
[Bearbeiten] Der Mai-Umsturz und das Sanacja-Regime
(→ Hauptartikel: Maiputsch und Sanacja)
Józef Piłsudski war nach einigen Jahren unzufrieden mit der entstandenen innenpolitischen Situation. Im Mai 1926 führte er, obwohl er in Armee und Staat keine offizielle Position bekleidete, mit der Unterstützung seiner zahlreichen Anhänger in der Armee, einen Staatsstreich durch und riss die Macht an sich, die er bis zu seinem Tod 1935 behielt. Allerdings bekleidete Piłsudski hierbei nur selten und nur für kurze Zeit offiziell bedeutende Ämter. Er war z.B. nie Staatspräsident sondern überließ dieses Amt seinem loyalen Gefolgsmann Ignacy Mościcki. Piłsudski war meist nur Verteidigungsminister. Allerdings war er die allgemein anerkannte oberste Autorität im Staat. Auch gab es zumindest bis zum Ende der 1920er Jahre eine mehr oder weniger funktionierende, sogar im Parlament vertretene Opposition, die allerdings konsequent an der Übernahme der Macht gehindert wurde. Nach der Ermordung von Innenminister Bronisław Pieracki im Jahre 1934 ließ die Regierung in der Kleinstadt Bereza Kartuska im heutigen Weißrussland ein Internierungslager für ukrainische Nationalisten, Kommunisten und andere prominente Regimegegner anlegen.
Das Regime, das in der Historiographie manchmal als „Vernunftdiktatur“ bezeichnet wird, nannte sich selbst „Sanacja“ (ungefähr: Gesundung). Eine auf die Person Piłsudski zugeschnittene neue Verfassung konnte erst nach dessen Tod 1935 in Kraft treten. Nach Piłsudskis Tod entstanden zwei Machtzentren in Polen – die Gruppe „Schloss“ um Mościcki, benannt nach der Residenz des Präsidenten, dem Königsschloss in Warschau und die Gruppe der „Obristen“ um den neuen Marschall Edward Rydz-Śmigły. Der Trend hin zu einem autoritären Staat verstärkte sich nun weiter, die Rechte vor allem der slawischen Minderheiten (Ukrainer, Weißrussen) wurden massiv eingeschränkt, die Juden diskriminiert. Auch die insgeheim finanziell vom Deutschen Reich unterstützte deutsche Minderheit geriet trotz der seit dem Nichtangriffsvertrag zwischen Hitler und Piłsudski offiziell guten deutsch-polnischen Beziehungen immer stärker unter die Beobachtung polnischer Geheimdienststellen, wozu auch die wachsende Begeisterung vieler der Volksdeutschen für den Nationalsozialismus beitrug.
Die außenpolitischen Bemühungen Polens, die vor allem mit der Person von Außenminister Józef Beck verbunden sind, waren im Einklang mit der französischen Politik darauf ausgerichtet, einen Block kleiner und mittlerer Staaten zur Eindämmung sowohl Deutschlands als auch der Sowjetunion zu schaffen. Dem standen jedoch vor allem die durch die Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen gegenseitigen Gebietsansprüche im Wege. So war Polen, kurz bevor es selbst von Deutschland und der Sowjetunion überfallen wurde, aktiv an der Zerschlagung der Tschechoslowakei beteiligt und annektierte nach dem Münchener Abkommen im Oktober 1938 die mehrheitlich von Polen und Deutschen besiedelten Industriegebiete in Mährisch-Schlesien und kleinere Gebiete im Grenzgebiet zur Slowakei.
Siehe Hauptartikel Geschichte Polens und Geschichte Polens 1945–1989: Die Volksrepublik Polen (1945–1989)
[Bearbeiten] Literatur
- Norman Davies, God's Playground, Columbia University Press, 2005, ISBN 0-231-12819-3, Books
[Bearbeiten] Weblink
- Herder-Institut Modul Zweite Polnische Republik: Textquellen & Materialien, http://quellen.herder-institut.de/M01/