Timaios
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Der Timaios (griechisch Τίμαιος, latinisiert Timaeus; auch περὶ φύσεως perì phýseōs „Über die Natur“ genannt[1]) ist ein um 360 v. Chr. verfasstes theoretisches Spätwerk des griechischen Philosophen Platon. Der Dialog besteht vor allem aus dem theologisch, metaphysisch und teleologisch geprägten Referat der Hauptfigur Timaios von Lokri über die Erschaffung und Gestaltung des Universums als Abbild der ewigen platonischen Ideen durch einen Schöpfergott, den Demiurgen. Die Rede des Timaios setzt beim Werden der Welt ein und beschäftigt sich vom göttlichen Schöpfungsakt ausgehend vorwiegend mit naturphilosophischen, kosmologischen, mathematischen wie auch physiologischen Fragestellungen.
Inhaltsverzeichnis
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[Bearbeiten] Überblick

Ausschnitt aus Raffaels Die Schule von Athen (1510–1511), Fresko in der Stanza della Segnatura, Vatikan
- Konzeption
Der Dialog Timaios ist überwiegend als monologischer Vortrag der namensgebenden Hauptfigur des Philosophen und Astronomen Timaios von Lokri verfasst, wobei die beschriebene Dialogsituation wahrscheinlich rein fiktiv ist. Nach Platons ursprünglicher Konzeption bildete er mit dem Kritias und dem nicht geschriebenen Hermokrates eine Trilogie, die vermutlich über den Hermokrates mit dem staatsphilosophischen Gedankengut der früher verfassten Politeia verknüpft sein sollte. Aufgrund inhaltlicher Überschneidungen und der Kürze des fragmentarischen Kritias spricht man in der Forschung häufig zusammenfassend vom Timaios-Kritias und behandelt beide Schriften als Einheit.[2]
- Inhalt
Zunächst referiert Platon in einem staatsphilosophischen Exkurs rückblickend den Idealstaat der Politeia und vorausschauend eine Kurzfassung des im folgenden Kritias erzählten Mythos vom Kampf Ur-Athens und der Seemacht Atlantis. Im Hauptteil folgt die Rede über die Erschaffung und Einrichtung der Welt, als deren Ursache ein Schöpfergott, der so genannte Demiurg, vorausgesetzt werden müsse. Dieser schuf die Welt aus dem Chaos der Elemente, indem er den Kosmos nach dem Idealbild der platonischen Ideen ordnete und gestaltete. Zugleich mit der Schöpfung der materiellen Welt bildete der Demiurg aus Güte und geleitet von Vernunft eine Weltseele, womit er den Kosmos beseelte und als einen lebenden Organismus konstituierte. Anderen von ihm geschaffenen Gottheiten wies der Demiurg die Aufgabe zu, den Menschen aus Materie und Bestandteilen der Weltseele zu kreieren. In der Seelenlehre Platons wird die Seele als unsterblich gedacht, weshalb sie dem Timaios zufolge stets in neue Körper, bei moralischem Verfall auch in niedere Lebewesen inkarniert wird. Neben dem zentralen Aspekt der Demiurgie beschäftigt sich der Timaios mit der Entstehung und Form der Elemente sowie mit der menschlichen Physiologie.
- Rezeption
Der Timaios fand von der Antike bis zum späten Mittelalter die größte Beachtung unter den Werken Platons. In der Antike trug er maßgeblich zur Entwicklung des kohärenten philosophischen Systems des Platonismus bei. Insbesondere die Frage des zeitlichen Anfangs der Welt wurde in zahlreichen Kommentaren diskutiert.
Im Mittelalter blieb der Timaios bis zum 12. Jahrhundert das einzige der lateinischsprachigen Gelehrtenwelt zugängliche Werk Platons und gehörte in der Scholastik zeitweilig dem universitären Curriculum an. Große Beachtung fand das Werk erst im 12. Jahrhundert, das mit der Rezeption in der platonisch orientierten Schule von Chartres den Höhepunkt des Interesses am Timaios markiert. Neben naturphilosophischen wurden im Mittelalter auch theologische Aspekte – wie beispielsweise die Rolle des Demiurgen – erörtert.
Im Zeitalter des Renaissance-Humanismus wurde der Timaios neu übersetzt, kommentiert, in der griechischen Originalfassung gedruckt und auf vielfältige Weise rezipiert. Er beeinflusste insbesondere das Denken der Platoniker unter den Humanisten. Auch in der Gegenwart wird der Timaios intensiv erforscht und diskutiert, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der platonischen Darstellung der Schöpfung. Auch einige Denker und Naturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts ließen sich von seinem Gedankengut anregen.
[Bearbeiten] Dialogsituation
[Bearbeiten] Die auftretenden Figuren
- → Zu den historischen Personen siehe: Sokrates, Timaios von Lokri, Hermokrates, Kritias
Wie der Kritias stellt auch der Timaios ein fiktives Gespräch zwischen Sokrates, Timaios von Lokri, Kritias und Hermokrates dar. Der Dialog unterscheidet sich von Platons früheren Werken dadurch, dass er nach einem kurzen dialogischen Vorgespräch, welches schemenhaft den Idealstaat der Politeia resümiert, und dem Atlantis-Exkurs des Kritias als fast ununterbrochener Monolog der Hauptfigur des Philosophen und Astronomen Timaios geschrieben ist.[3] Die anderen Figuren dienen lediglich als literarische Elemente, um den Rahmen eines Gesprächs zu gestalten. Der Vortrag des Timaios entspricht somit der Konzeption der Trilogie Timaios – Kritias – Hermokrates, wo jeweils einem referierenden „Experten“ ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt wird. In ähnlicher Weise ist die gesamte Dialogsituation als eine literarische Konstruktion Platons anzusehen, die nicht auf einem historisch authentischen Ereignis beruhen dürfte.
- Timaios
Als Hauptreferent ist der Astronom und Philosoph Timaios von Lokri der Namensgeber des Timaios. Im Gegensatz zu den anderen Hauptfiguren von Timaios-Kritias kann für die Figur Timaios von Lokri nicht mit Sicherheit eine historische Existenz nachgewiesen werden, zumal keine schriftlichen Werke dieser Person oder Erwähnungen durch Zeitgenossen bekannt sind und Timaios somit ausschließlich in den platonischen Dialogen literarisch belegt ist, wo er aufgrund seiner politischen und philosophischen Errungenschaften Erwähnung findet.[4] Alle Quellen, die ihn als Pythagoreer bezeichnen, sind später zu datieren und nehmen Bezug auf Platons Version.[5] Man nimmt in der Forschung daher an, dass Timaios eine von Platon erfundene Figur ist, die nach der Vorlage verschiedener historischer Personen konzipiert wurde, um als Pythagoreer in den thematischen Kontext des Timaios zu passen.[6] Eine der Personen, die als Vorlage für Timaios von Lokri gedient haben könnten, ist der im 4. Jahrhundert lebende Archytas von Tarent, mit dem Platon befreundet war, der jedoch – ohne einen Anachronismus zu schaffen – als Dialogpartner nicht in Frage gekommen wäre, da er zum fiktiven Zeitpunkt des Timaios-Gesprächs noch ein Kind war.[7] Jedoch kann auch die Nichtexistenz eines historischen Timaios nicht endgültig nachgewiesen werden, da die Geschichte der griechischen Kolonie Lokri nur bruchstückhaft überliefert ist. Zudem wird häufig als Gegenargument zur Erfindungshypothese der Umstand genannt, dass Platon in der Regel nur historische Personen in seinen Dialogen erwähnte. Die Frage der historischen und fiktiven Aspekte in der Figur Timaios ist nicht abschließend zu beantworten.
- Kritias
Kritias, der Hauptredner des nach ihm benannten Dialogs Kritias, erhält im Timaios eine untergeordnete Rolle. Lediglich im Atlantis-Exkurs wird ihm das Wort erteilt, wobei er einen knappen Ausblick auf den angeblich in seiner Familie tradierten Mythos gewährt und somit eine Vorschau auf seinen eigenen Vortrag im Kritias präsentiert. Außerdem teilt er die einzelnen Redethemen für die kommenden Vorträge den anwesenden Rednern zu: Timaios solle mit seiner kosmologischen Rede beginnen, Kritias anschließend mit staatsphilosophischen Inhalten am Beispiel des detaillierter beschriebenen Atlantis-Mythos fortfahren und Hermokrates seinerseits die Trilogie beenden.[8] Der historische Kritias war über seinen Vorfahren Dropides, den Athener Archon in den Jahren 593/92 v. Chr., mit dem Athener Lyriker und Politiker Solon gleichermaßen verwandt wie mit Platon selbst[9] und wurde von Platon als Erzähler der vorzeitlichen Geschichte Athens und Atlantis’ gewählt. Die genaue historische Identität des Kritias ist jedoch umstritten, da mehrere Träger gleichen Namens in Frage kommen.[10]
- Sokrates
Obwohl Sokrates als Lehrer Platons in vielen Dialogen seines Schülers als Hauptredner und absolute Autorität auftritt, ist seine Funktion im Timaios marginal. Nur im staatsphilosophischen Vorgespräch und in der Überleitung zum Atlantis-Exkurs ergreift Sokrates in der Rolle eines „Moderators“ kurz das Wort. Während des eigentlichen Vortrags des Timaios bleibt Sokrates als verwunderter Zuhörer im Hintergrund und wird lediglich einmal als erzählerisches Element eingesetzt, um das einleitende Vorgespräch über Werdendes und Seiendes und die Rolle eines göttlichen Schöpfers vom tatsächlichen Referat gliedernd zu trennen und sein Staunen über Timaios’ Äußerungen zum Ausdruck zu bringen.[11]
- Hermokrates
Hermokrates tritt im Timaios lediglich auf, um den Atlantis-Mythos zu erwähnen, von dem Kritias auf dem Nachhauseweg vom gestrigen Gespräch berichtet habe, und Kritias zu einem kurzen Vortrag darüber aufzufordern.
[Bearbeiten] Fiktive Datierung
Nach Platons Angaben finden die fiktiven Dialoge Timaios und Kritias an den kleinen Panathenäen einen Tag nach einem weiteren Gespräch statt,[12] bei dem Sokrates sein Modell des Idealstaates präsentiert habe.[13] Dabei knüpft die Dialogsituation des Timaios-Kritias nicht chronologisch, sondern lediglich inhaltlich an die Politeia an, deren fiktiver Vortrag am Festtag zu Ehren der thrakischen Göttin Bendis in Piräus stattfand, also etwa zwei Monate vor dem Fest der kleinen Panathenäen und der Dialogsituation des Timaios-Kritias. Auch muss der Hinweis auf einen staatphilosophischen Vortrag des Sokrates nicht unbedingt als auf die Situation der Politeia selbst bezogen verstanden werden.[14] Indem Platon im Timaios auch die Dialogsituation betreffend auf die Politeia anspielt, transferiert er „mit einem seltsamen Kunstgriff […] die normative Analyse der Politeia in diese Geschichte [des Timaios und des Atlantis-Exkurses] […].“[15]
Eine historische Datierung des Gespräches des Timaios-Kritias im 5. Jahrhundert v. Chr. setzt die Annahme eines realen Timaios von Lokri voraus. Thukydides berichtet von Timaios, dass er sich als einer der führenden Lokrer um 422 v. Chr. in Athen aufgehalten habe, das sich bemühte, mit den westgriechischen Städten Bündnisse zu schließen.[16] Darüber hinaus könnte Hermokrates ausschließlich zu einem Zeitpunkt vor der Sizilienexpedition 415 bis 413 v. Chr. Athen besucht haben, in deren Verlauf Hermokrates maßgeblich an den militärischen Aktionen gegen das athenische Expeditionskorps beteiligt war.[17] Da sein Besuch etwa kurz vor oder nach dem Abschluss des Nikiasfriedens (422−421 v. Chr.) stattgefunden haben müsste und zudem die kleinen Panathenäen als literarischer Hintergrund genannt werden, erscheint die Mitte des August 421 v. Chr. als ein mögliches Datum.[18]
Jedoch vertreten zahlreiche Philologen und Philosophen die Auffassung, dass im Timaios-Kritias – wie in vielen anderen Dialogen Platons – eine rein literarische Situation beschrieben wird, die nicht historisch datiert werden kann. Dies hieße, dass „der angebliche Dialog ein Gespräch unter Toten ist, die einander vermutlich nie begegnet waren“.[19] Platon „kam es offenbar mehr auf die versammelten Personen als auf eine widerspruchsfreie Datierung ihres Gesprächs an.“[20]
[Bearbeiten] Inhalt
- Gliederung
Der Timaios weist eine Einteilung in das Vorgespräch und drei Hauptabschnitte auf:[21]
- Das „Vorgespräch“ besteht aus einer Wiederholung der staatsphilosophischen Postulate Platons, die anhand des skizzierten Atlantis-Mythos erläutert werden.[22]
- „Die Entstehung durch die Vernunft“ beschreibt metaphysisch die Erschaffung des Kosmos und der Weltseele durch einen Schöpfergott, den Demiurgen.[23]
- „Die Entstehung durch die Notwendigkeit“ beschäftigt sich mit dem Aufbau der Materie und der sinnlichen Wahrnehmung des Menschen.[24]
- „Die Entstehung durch Vernunft und Notwendigkeit“ wendet sich abschließend der Entstehung und Physiologie des Menschen und der Lebewesen zu.[25]
[Bearbeiten] Das Vorgespräch
[Bearbeiten] Der Prolog
- → Siehe auch: Politeia

Auf die Begrüßung der Dialogteilnehmer Sokrates, Timaios, Kritias und Hermokrates folgt eine kurze Rekapitulation des Idealstaates, wobei die Kernpunkte des fiktiven „gestrigen“ Gesprächs wiederholt werden. Im Wesentlichen umreißt der Prolog den äußeren Staatsaufbau in Bezug auf dessen ständestaatliche Gesellschaftsordnung, Erziehung und Lebensweise der Wächter: Timaios fasst zusammen, wie die Bevölkerung nach spezifischen individuellen Veranlagungen (κατὰ φύσιν katá phýsin) in Handwerker (δημιουργοί dēmiurgoí), Wächter (φύλακες phýlakes) und Herrscher (ἄρχοντες árchontes) separiert werden müsse, wobei die Einrichtung des Wehrstandes mit besonderem Augenmerk bedacht wird. Dessen innere Egalität, der Verzicht auf Privateigentum, die Frauen- und Kindergemeinschaft, die eugenischen Maßnahmen zur strengen sozialen Segregation des Nachwuchses wie auch die Abgeschlossenheit nach außen hin bringt nach der platonischen Staatsphilosophie die Elite der archontes hervor.[26] Dabei werden die Erziehung des Wächterstandes als Vorbereitung auf dieses Amt und die „Schau der Idee des Guten“ – trotz der Bedeutung in der Politeia – in der Timaios-Einleitung nicht erwähnt.[27]
Auf die staatsphilosophische Zusammenfassung des Timaios erwidert Sokrates, dass er sich eine paradigmatische Umsetzung dieses Modells wünsche, um in einem Gedankenexperiment die Funktionsfähigkeit seines Idealstaates nachzuweisen. „Denn gern wohl möchte ich etwa jemandem zuhören, wenn er erzählt, wie unser Staat die Wettkämpfe, die ein Staat zu bestehen hat, mit anderen Staaten austrägt und wie er in geziemender Weise in den Krieg eintritt […].“[28] Hermokrates will Sokrates’ Wunsch nachkommen und erwähnt, dass Kritias auf dem Heimweg vom gestrigen Gespräch eine „Sage aus alter Überlieferung“ eingefallen sei, welche „auf geheimnisvolle Weise durch eine Art Zufall“ zu dem eben rekapitulierten Staatsmodell passe.[29] Kritias gibt darauf in bewusster Angleichung an die Thematik des Prologs einen kurzen Überblick über den Kampf zwischen dem – im Sinne der platonischen Staatsphilosophie – idealen Ur-Athen und der später versunkenen Insel Atlantis neuntausend Jahre vor dem Zeitpunkt des Dialogs.[30]
[Bearbeiten] Der Atlantis-Exkurs
- → Hauptartikel: Atlantis
Kritias erwähnt in einer kurzen Zusammenfassung – damit vorgreifend auf den nach ihm benannten Dialog Kritias – den „gar seltsamen, aber durchaus wahren Logos“ vom Krieg zwischen dem Idealstaat Ur-Athen und der Seemacht Atlantis. Dieser wird, anders als die sonstigen platonischen Mythen, mit einer aufwendig konstruierten Überlieferungsgeschichte ausgestattet. Der Erzähler Kritias habe die Geschichte in seiner Jugend von seinem Großvater gleichen Namens gehört, der wiederum von seinem Vater Dropides, dem Athener Archon des Jahres 593/92 v. Chr., darüber unterrichtet worden sei.[31] Jener war ein Verwandter des berühmten Solon, welcher den Atlantis-Bericht einst von seiner Reise in das ägyptische Sais mitgebracht habe. Solon habe ursprünglich geplant, Atlantis als Sujet einer Dichtung zu nutzen, die die Epen von Homer und Hesiod überstrahlt hätte, seine staatsmännischen Aufgaben hätten ihn jedoch daran gehindert. So sei der Atlantis-Bericht lediglich mündlich in seiner Familie überliefert worden und so auf Kritias gekommen.
Darin wird zunächst festgestellt, dass die Menschheit regelmäßig von Kataklysmen und Ekpyrosen heimgesucht würde. Einige davon seien den Griechen aus Mythen bekannt wie der Kataklysmos des Deukalion sowie die Ekpyrosis des Phaethon. Dabei würde stets ein Großteil der Menschheit ausgerottet, außer in Ägypten, das aufgrund seiner Lage immer verschont bleibe. Deshalb sei nur in Ägypten die neuntausend Jahre alte Geschichte von Atlantis überliefert worden, während die Griechen nach jeder dieser Katastrophen ihre Kenntnisse der Vergangenheit verloren hätten.[32] Im damaligen Athen, so sei Solon berichtet worden, habe ein Staat existiert, dessen Aufbau dem Idealstaat (der Politeia Platons) gliche.[33] Ihm gegenüber habe die Seemacht Atlantis gestanden, die ausgehend von ihrer jenseits der Säulen des Herakles gelegenen Hauptinsel ganz Nordafrika bis einschließlich Ägypten und ganz Europa bis Etrurien erobert und zur Eroberung Griechenlands angesetzt habe. Doch Ur-Athen habe, obwohl ganz auf sich gestellt, den Angriff abwehren und so die zuvor von Atlantis eroberten griechischen Gebiete befreien können – ein Szenario, das sehr deutlich an die Perserkriege erinnert. Wenig später seien sowohl Atlantis als auch Ur-Athen in einem der zyklisch auftretenden Kataklysmen versunken, weshalb sich nur in Ägypten die Erinnerung an jene „größte Heldentat der Athener“ erhalten habe.
Der Atlantis-Exkurs bildet wie ein Verweis auf den nachfolgenden Kritias den staatsutopischen Auftakt des Timaios und damit der gesamten Trilogie Timaios – Kritias – Hermokrates. Durch den staatsutopischen Exkurs wird die Naturphilosophie des Timaios mit dem politischen Gedankengut Platons verknüpft und der Zusammenhang zu den anderen Werken der Trilogie betont.[34] Kritias legt anschließend die Reihenfolge der einzelnen Vorträge fest: Timaios solle mit seiner Rede über die „Entstehung der Welt“ bis zum „Ursprung des Menschen“ beginnen, worauf Kritias anschließend den Schwerpunkt der Staatsphilosophie am Beispiel des nun detaillierter beschriebenen Atlantis aufgreifen und Hermokrates seinerseits die Trilogie abschließen würde.[8]
[Bearbeiten] Die Entstehung des Kosmos durch die göttliche Vernunft
[Bearbeiten] Seiendes und Werdendes
Der eigentliche Vortrag des Timaios über die Erschaffung und Einrichtung des Kosmos und der Weltseele durch den Nous (νοῦς nūs „Vernunft“) des Demiurgen wird mit einem Götteranruf eröffnet. Inwieweit diese Darstellung wörtlich zu nehmen ist – also ob nach Platons Meinung die Welt tatsächlich im zeitlichen Sinne nach und nach durch die Lenkung eines personalen Gottes entstand –, ist in der Forschung umstritten.[35]
Als Grundlage für die schrittweise Beschreibung der Entstehung des Universums im Timaios werden zunächst metaphysische und epistemologische Prinzipien eingeführt, indem grundsätzlich zwischen dem, was „wird und nie ist“, oder dem Werdenden (τὸ γιγνόμενον tò gignómenon) und dem, was „immer ist und nie wird“, oder dem Seienden (τὸ ὄν tò ón) unterschieden wird.[36] Obwohl im Timaios diese Entitäten nicht näher charakterisiert werden, lässt sich das Gegensatzpaar Werdendes-Seiendes als Gegenüberstellung der Wahrnehmung innerhalb der realen Welt einerseits und der kategorialen Prinzipien der platonischen Ideen andererseits verstehen. Wie in der Politeia die Ideenlehre als Grundlage und Vorbild des Idealstaates postuliert wird, so dienen die Ideen in Platons Timaios als das ewige Modell, wonach der Demiurg den wahrnehmbaren Kosmos gestaltet.
Dieses dialektische Prinzip verknüpft der Timaios mit seinen epistemologischen Entsprechungen: Die sichtbare Natur ist dabei durch „Meinung“ (δόξα dóxa) und „vernunftlose Wahrnehmung“ (αἴσθησις ἄλογος aísthēsis álogos) fassbar und dem Werdenden zuzurechnen, während die Welt der Ideen, die als ewige Urformen dem Bereich des Seienden angehören, nur dem Denken (νόησις nóēsis) offen steht.[37] Deshalb ist jeder Vortrag über die beiden unterschiedlichen Bereiche von der jeweiligen Natur ihrer Objekte bedingt: Spricht man also „vom Bleibenden und Festen und von dem, was sich durch die Einsicht erhellen lässt, da sollen es auch bleibende und unumstößliche Worte sein […].“[38] Somit kann nur eine Rede, die mit der Ideenwelt identisch ist, (ἁκριβὴς λόγος akribés lógos „genaue Rede“) „exakt und präzise bestimmt, eindeutig, wohlunterschieden, konsistent und kohärent, d. h. nicht nur in sich widerspruchsfrei, sondern auch widerspruchslos in das logische Gesamtsystem integrierbar und damit unwiderlegbar“ sein.[39] Da die physikalische Welt aber nur als eine Art Abbild Anteil am Seienden hat, kann auch die Rede darüber nur einen abbildhaften Charakter annehmen, während der direkte Zugang zur Ideenwelt ihr verschlossen bleibt. Daher ist ein diesbezüglicher Vortrag nicht mit der Wahrheit des Seienden identisch, sondern kann nur „wahrscheinlich“ und annähernd sein (εἰκὼς λόγος eikṓs lógos); denn „wie zum Werden das Sein, so verhält sich zum Glauben die Wahrheit.“[40]
Die deutsche Philosophin Karen Gloy begründet jene Verzerrung des sinnlich wahrnehmbaren Kosmos im Gegensatz zu den rein geistig wahrnehmbaren platonischen Ideen und damit auch eines sich auf diesen Kosmos berufenden Vortrags in dreierlei Hinsicht:[41]
- Die räumliche Fixierung der Idee in der Realität ist zwangsläufig mit Ungenauigkeit verbunden: So hält Platon beispielsweise in seinem siebten Brief fest, dass ein idealer Kreis sich als die Summe aller Punkte definiert, die vom Mittelpunkt den gleichen Abstand aufweisen. Im Sinnesbereich lässt sich jedoch kein perfekter Kreis finden, der nicht lediglich eine Annäherung an die Idealform darstellen würde. Dadurch bindet die räumliche Ausdehnung die Umsetzung einer Idee stets an einen fortschreitenden Annäherungsprozess, wodurch in vielen Bereichen der Kosmos in der platonischen Vorstellung nur abweichend der Idee nahe kommen kann.
- Auch die materielle Fixierung der Idee wird im Parmenides[42] metaphorisch für die Abweichung der Realität gegenüber der Idee verantwortlich gemacht: Ein Bild kann aus unterschiedlicher Distanz seine Farbe, seine Strichform oder seine Intensität scheinbar verändern und verschwimmen oder verwischen. Somit bedingt die Bindung an Materie bereits eine entscheidende Abweichung von der Idee.
- Eine systematisch-erkenntnistheoretische Begründung findet sich im Timaios selbst, der unter anderem auch die Entstehung der Elemente behandelt. Denn obwohl die Elemente zunächst sinnlich wahrgenommen und dann unter Umständen geistig begriffen werden können, nähert man sich lediglich der endgültigen Wahrheit, ohne sie jemals ganz zu erreichen; denn „die noch weiter zurückgehenden Anfänge dieser aber kennt nur Gott und wer unter den Menschen sich seiner Huld erfreut.“[43]
Daher kann dem Timaios zufolge ein naturphilosophischer Ansatz im Rahmen eines räumlich und materiell geprägten Kosmos und eines begrenzten Verstandes nur als glaubhaft und abbildend, niemals jedoch als endgültig oder vollständig gelten und bleibt ständiger Revision unterworfen. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine derartige Beschreibung metaphorisch oder literarisch zu verstehen ist, sondern betont eine Wahrscheinlichkeit rein geistig wahrnehmbarer Objekte, die nicht die Plausibilität empirisch überprüfbarer Tatsachen erreicht, wie im Timaios immer wieder betont wird.[44]
[Bearbeiten] Die Schöpfung nach den Ideen
Da alles Werdende als das Resultat einer Ursache zu sehen ist, postuliert der Timaios, dass der Kosmos das Produkt eines Schöpfungsprozesses sein muss, indem ein Demiurg (δημιουργός dēmiurgós „Handwerker“) alles Werdende gewissermaßen als Vater des Universums in Nachbildung eines ewigen Ideen-Modells erschuf. Aufgrund der Schönheit und vernunftgemäßen Ordnung des Kosmos wird gefolgert, dem Schöpfergött müsse die Ideenwelt als Vorbild gedient haben. Denn „überall nun, wo der Schöpfer jeweils auf das hinblickt, was mit sich selbst identisch ist, indem er etwas Derartiges als Vorbild verwendet und danach den Gehalt seines Werkes nachschafft, da muss notwendig alles schön sein, was auf diese Weise zustande kommt.“[45] Die metaphyische Prämisse von Werdendem und Seiendem sowie ihre Bezüge zur Erkenntnistheorie bilden die Grundlage und den Rahmen für die Kosmologie im Timaios.
Die Argumentation und die abgeleiteten Schlüsse in Bezug auf die Ideenlehre und die Rolle des Demiurgen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:[46]
Argumentationsstruktur
-
- Es gibt Objekte, die existieren, ohne jemals entstanden zu sein (Seiendes).
- Es gibt Objekte, die entstehen, ohne jemals zu existieren (Werdendes).
- Objekte, die existieren, können durch den Verstand begriffen werden und führen zu wahrer Erkenntnis.
- Objekte, die entstehen, können durch die Meinung begriffen werden und führen zu einer vernunftlosen Sinneswahrnehmung.
- Das Universum ist entstanden:
- Das Universum ist sichtbar und fühlbar und besteht aus Materie.
- Wenn ein Objekt sichtbar und fühlbar ist und aus Materie besteht, ist es wahrnehmbar.
- Wenn ein Objekt wahrnehmbar ist, ist es entstanden.
- → Schluss: Das Universum ist entstanden.
- Alles, was entstanden ist, beruht auf einer Ursache.
- Weil das Universum entstanden ist, muss es eine Ursache haben.
- Die Ursache des Universums ist ein Demiurg, der es nach einer Vorlage erschuf.
- Die Vorlage des Universums muss etwas sein, das existiert:
- Entweder ist die Vorlage etwas, das immer existiert, oder etwas, das entstanden ist.
- Wenn das Universum schön gestaltet ist und der Demiurg gut handelte, ist die Vorlage etwas, was existiert.
- Wenn das Universum nicht schön gestaltet ist und der Demiurg nicht gut handelte, ist die Vorlage etwas, was entstanden ist.
- Das Universum ist schön gestaltet und der Demiurg handelte gut.
- → Schluss: Die Vorlage des Universums muss etwas sein, das existiert.
- → Conclusio: Das Universum ist das Produkt einer Schöpfung, gestaltet vom Demiurgen nach einer ewigen Vorlage.
Ausgehend von der ersten Prämisse, welche die Existenz von Ideen (1) und den danach geformten realen Objekten (2) postuliert, bemüht sich die Methodologie Platons um logische Züge. Lediglich der ungedeckte Übergang von der Notwendigkeit einer Ursache (7) zur Doktrin eines Demiurgen (8) lässt argumentative Lücken entstehen und kann aus logischer Sicht kritisiert werden. Da sich der Timaios jedoch nicht ausschließlich der Entstehung des Kosmos selbst, sondern primär dessen vernünftiger und überwiegend „schöner“ Gestaltung (9.4) zuwendet, erscheint eine profane oder zufällige Ursache für die platonische Kosmologie undenkbar, weshalb der teleologisch konzipierte Timaios zwangsläufig zu Gunsten eines göttlichen Schöpfungsursprunges argumentieren muss.[46]
[Bearbeiten] Die Erschaffung des Kosmos

Indem er den Kosmos als Abbild der Ideen konstruierte, war der gütige und neidlose Demiurg bestrebt, die bestmögliche Weltordnung nach dem Vorbild der Ideen aus dem ursprünglichen Chaos zu schaffen. Dabei ordnete er „alles, was sichtbar war und nicht in Ruhe verharrte, sondern sich reglos und ungeordnet bewegte, und brachte es aus der Unordnung zur Ordnung, weil er meinte, dass die Ordnung auf jeden Fall besser sei als die Unordnung.“[47] Aus dem formlosen und unkontrolliert bewegten Chaos der Elemente, das als ein Mangel an homogener Ordnung charakterisiert wird, geht der geordnete Kosmos hervor, welcher der göttlichen Vorstellung von Schönheit entspricht. Da sich Schönheit in Vernunft ausdrückt und Vernunft in einer Seele eingebettet sein muss, verlieh der Demiurg der Seele Vernunft und setzte diese der Materie ein, woraus der Kosmos als „beseeltes und vernünftiges Wesen“ hervorging.[48] Diese kosmische Schönheit wäre nicht perfekt, wenn es mehrere Welten gäbe und der bekannte Kosmos nur als Teil, nicht als ein unvergleichliches Unikum existieren würde, weshalb der Demiurg nur eine singuläre Welt erschuf.[49]
Der physikalische Anteil des Kosmos entspricht dabei dem göttlichen Streben nach Proportionen: Aus den Elementen Feuer und Erde für das Sichtbare und das Tastbare erschuf der Demiurg die Welt und verband sie als entgegengesetzte Bindeglieder mit Wasser und Luft, woraus sich der dreidimensionale Raum ergibt: „Deswegen also und mit Hilfe dieser Elemente und ihrer Vierzahl wurde der Leib der Welt geschaffen; dank der Proportion stand er mit sich selbst im Einklang und es ergab sich daraus eine solche Befreundetheit (seiner Teile), dass er zu einer homogenen Einheit zusammenwuchs.“[50] Im Streben nach Harmonie wurde die Welt in Kugelform „als ein vollständiges Ganzes“ erschaffen und in Rotation versetzt. Dem Körper des Kosmos setzte der Demiurg die vernunftbegabte Seele ein, welche in der ganzen Schöpfung verteilt Ausdruck der Schönheit des Erschaffenen ist und den Kosmos selbst zur „glückseligen Gottheit“ macht.[51]
[Bearbeiten] Die Erschaffung der Weltseele
Der materielle Körper des Kosmos (σώμα sōma) ist mit der Weltseele (ψυχή psychē) immanent verbunden und ähnelt dabei der dualistischen Vorstellung von Leib und Seele des Menschen. Dem Timaios zufolge ging dabei die Erschaffung der Weltseele der des materiellen Kosmos voraus, dem sie ebenso hierarchisch übergeordnet ist.[52] Bestehend aus den Prinzipien des Selben (τὸ αὐτόν to autón) und des Verschiedenen (τὸ ἕτερον to héteron) als Ausdruck des Gegensatzes von Vernunft und Unordnung wurde die Weltseele mit einer „dritten Wesenheit“ verbunden, welche der Demiurg aus beiden Prinzipien mischte. Die entstehende Masse teilte der Schöpfer nach präzisen mathematischen Verhältnissen, die an pythagoreische Zahlenspekulationen erinnern und von diesen inspiriert worden sein könnten.[53]
Diese Grundsubstanz zerschnitt der Demiurg anschließend der Länge nach und verband die beiden entstehenden Bänder an einem zentralen Knotenpunkt in Form des Buchstaben Chi: Χ. Die Enden der beiden Stränge verschmolz er miteinander, sodass zwei sich schneidende Kreise entstanden. Außerdem versetzte er beide Kreise in Rotation um ihre jeweilige Achse: Dem äußeren Kreis wies er den Bereich des Selben zu und ließ ihn horizontal nach rechts rotieren, während sich der innere Kreis als Bereich des Verschiedenen diagonal nach links zu bewegen begann.[54] Dabei erhielt der äußere Kreis größere Kraft und blieb ungeteilt, während der innere in sieben ungleiche Kreise mit unterschiedlichen Rotationsrichtungen und -geschwindigkeiten unterteilt wurde.[55] Diese Unterteilung in zwei gegenläufige Kreise erklärt nach Platon ebenso die kosmologische Organisation des Universums: Als göttliche Wesen werden die Kreise im Bereich des Verschiedenen mit den Himmelskörpern Sonne, Venus, Merkur, dem Mond, Mars, Jupiter und Saturn besetzt und dienen als kalendarische Zeitgeber.[56] Die Fixsterne markieren Tag und Nacht, der Mond den Monat und die Sonne ein Jahr. Die Zeit selbst wurde nach Platon zusammen mit den Bewegungen der Himmelskörper als „Abbild der Ewigkeit“ geschaffen. Abschließend verband der Demiurg Körper und Seele des Kosmos, indem er vom Zentrum aus die unsichtbare Seele in allen Teilen der sichtbaren Materie verteilte und diese damit einhüllte.[57]
Die physikalischen Gesetzmäßigkeiten der kosmischen Bewegung werden im Timaios ebenfalls auf die menschliche Erkenntnis übertragen: Tritt die Seele mit Objekten der Wahrnehmung in Kontakt, versetzt dies den Kreis des Verschiedenen in Rotation, woraus „Überzeugungen“ und „Meinungen“ entstehen. Stößt der Intellekt aber „umgekehrt auf das Denkbare und der Kreis des Selben verläuft dabei richtig und gibt diese Kunde, so kommen mit Notwendigkeit Einsicht und Wissen zustande.“[58]
Neben der Erschaffung der sichtbaren Götter, die als Gestirne oder als die „glückselige Gottheit“ des Kosmos selbst charakterisiert werden, beschreibt der Timaios auch eine Theogonie,[59] die – obwohl Platon gerade mit der Beschreibung eines einzigen personalen Demiurgen mit der griechischen Mythologie bricht – sich auf den traditionellen Götterglauben stützt: Namentlich nennt der Timaios in unvollständiger Abfolge Gaia und Uranos sowie drei von ihnen abstammende Göttergenerationen, die unter anderem von Okeanos, Kronos, Zeus und Hera vertreten werden. In einer Rede wendet sich der Demiurg anschließend an die von ihm geschaffenen Götter und sichert ihnen zu, dass er weder sie noch den Kosmos jemals wieder zerstören werde, was zwar in der Macht des Demiurgen stünde, jedoch auf Grund seines göttlichen Willens sowie der Wohlgeordnetheit und Schönheit des Kosmos ein Frevel wäre.[60]
[Bearbeiten] Die Rolle der Notwendigkeit
[Bearbeiten] Die Notwendigkeit und die „dritte Gattung“
Ist die Schöpfung bisher kausal allein auf das Wirken der göttlichen Vernunft des Demiurgen zurückgeführt worden, so geht der Timaios erneut zu der Begründung seiner Kosmologie zurück und ergänzt, dass die Entstehung des Universums zugleich auch als Ergebnis von sekundären Kräften (συναίτιαι synaítiai) zu sehen ist.[61] Vor dem Eingreifen des Demiurgen existierten demnach bereits Strukturen, deren Eigenschaften durch die „Notwendigkeit“ bestimmt wurden und die beim Akt der Schöpfung selbst nicht mehr weiter verändert oder vernichtet werden konnten. Dadurch erlaubten diese Urstrukturen dem Demiurgen bestimmte Gestaltungen und verhinderten andere, wodurch der Kosmos im Timaios nicht im christlichen Sinn aus dem Nichts geschaffen wurde („creatio ex nihilo“), sondern das Produkt aus „Notwendigkeit“ (ἀνάγκη anánkē) und „Vernunft“ (νοῦς nūs) des Demiurgen darstellt: „Denn diese Weltordnung beruht auf einer Mischung, die sich aus der Vereinigung von Notwendigkeit und Vernunft ergab. Indessen regiert die Vernunft über die Notwendigkeit, indem sie sie dazu überreden konnte, das meiste von dem Entstehenden zum Besten zu führen; aus diesem Grund also […] kam dieses All von Anfang an so zustande.“[62]
Der kontrovers diskutierte Begriff der „Notwendigkeit“ wird vor allem auf zwei Weisen interpretiert: Autoren und Kommentatoren des Timaios wie Clemens Baeumker, Taylor und Cornford[63] sehen in der „Notwendigkeit“ den Bereich natürlicher Kontingenz und Unordnung als die notwendige materielle Grundlage, auf welcher die göttliche Vernunft des Demiurgen zum Ausdruck kommt, indem der Kosmos geordnet wird.[64] Dem gegenüber steht z. B. bei Plutarch, Justus Lipsius, Pierre Gassendi oder Pierre Bayle[65] die „Interpretation der ἀνάγκη als einer der Materie immanenten Kraft zur Regellosigkeit, die der ordnenden Wirkung der göttlichen Vernunft widersteht.“[66]
Der Timaios unterscheidet in der Einleitung übereinstimmend mit der Ideenlehre Platons zwischen dem Seienden (τὸ ὄν tò ón), den abstrakten Urbildern der kategorialen Ideen, und dem Werdenden (τὸ γιγνόμενον tò gignómenon), also den realen Objekten, welche der Demiurg nach dem Vorbild der Ideen schuf. Erneut wird diese Differenzierung wiederholt, und es werden den einzelnen Prinzipien Qualitäten zugeschrieben, wobei der Timaios jedoch dieses Modell um ein dritte „unsichtbare und gestaltlose Wesensart“ erweitert,[67] die meist als χώρα (chṓra „Platz, Raum“) bezeichnet wird.[68] Diese dritte Entität ist als ein räumliches Prinzip wie auch metaphorisch als „Amme des Werdens“ (γενέσεως τιθήνη genéseōs tithēnē) vorzustellen,[69] um zu versinnbildlichen, dass der Raum gewissermaßen die Kinder der Idee aufnimmt und zu real wahrnehmbaren Objekten werden lässt, jedoch nicht ursächlich für deren Entstehung verantwortlich ist. Die „Amme des Werdens“, die in keinem anderen Dialog Platons erwähnt wird, erweitert als dritte Entität somit das Idee-Abbild-Prinzip der platonischen Ideenlehre:
- Die Ideen oder das Seiende als die „erste Wesensart […], die sich immer gleich verhält, ohne Werden und ohne Vergehen; sie nimmt weder irgendwoher ein anderes in sich auf, noch geht sie selbst irgendwohin in ein anderes ein; sie ist unsichtbar und auch sonst auf keine Weise wahrzunehmen, das also, dessen Betrachtung dem einsichtigen Denken vorbehalten ist.“
- Das reale Objekt oder das Werdende als „zweite Art […] ist wahrnehmbar, dem Werden unterworfen, immerfort in Bewegung, an einem Ort entstehend und von dort wieder verschwindend und durch das Meinen mit Hilfe der Sinneswahrnehmung erfassbar.“
- Die „Amme des Werdens“ als „dritte Gattung […] lässt keine Vernichtung zu, gewährt aber allem Einsitz, das eine Entstehung hat; sie [die Gattung] selbst aber ist durch keine Wahrnehmung, nur durch falsche Überlegung und kaum zuverlässig fassbar.“
In weiteren Metaphern verdeutlicht der Timaios dieses dreigliedrige Prinzip anhand von Vater, Mutter und Kind:[70] Während der „Vater“ (Idee) die Eigenschaften des „Kindes“ (sinnlich wahrnehmbares Objekt) wie als genetische Vorlage bestimmt, lässt die „Mutter“ es in sich entstehen,[71] woraus dann das „Kind“ als Abbild des Vaters und von der Mutter zur Welt (sinnlich wahrnehmbarer Bereich) gebracht hervorgeht.
Umstritten ist jedoch, ob die dritte Gattung primär als räumlich dreidimensionale Ausdehnung eines Objekts oder als Substrat und materielle Grundlage realer Gegenstände verstanden werden soll. Denn einige Bestimmungen der dritten Gattung wie Aufnahme des Werdenden und in diesem Sinne auch Amme, Sitz, Aufnahme wahrnehmbarer Objekte, Unsichtbarkeit und amorphe, beständige Gestalt lassen sich auf den Raum („Worin“ des Werdens) beziehen. Dagegen wird sie anderenorts mit Notwendigkeit als Ursprung des Werdens, Ursache, Bewegungsprinzip, Prägestoff der später beschriebenen Elemente und Mutter charakterisiert, was auch eine materielle Funktion („Woraus“ des Werdens) impliziert.[72] Die Unsicherheit in dieser Interpretation der zweifachen Funktion geht soweit, dass der französische Philosoph Jacques Derrida die Entität der „Amme des Werdens“ im Timaios für gänzlich bestimmungslos und damit auch weder räumlich noch materiell definiert hält. Eine Übersetzung sei demzufolge nicht möglich, da bereits die Bezeichnung eine Unterscheidung enthalte und die Identitätslosigkeit dieses Prinzips ignoriere, weshalb anstelle einer spekulativen Übersetzung ein x eingefügt werden solle.[73] In Vereinigung beider Aspekte vergleicht eine andere Interpretation die chṓra mit einem angefüllten Raum, der einem wahrnehmbaren Objekt einerseits räumliche Ausdehnung verleiht, jedoch andererseits – auf Grund seiner angefüllten Räumlichkeit – auch als zu Grunde gelegtes, in sich neutrales Substrat oder eine materielle Prägemasse die Objekte konstituiert. Dadurch wird die dritte Entität sowohl als materielles Prinzip, welches Objekte entstehen lässt, wie auch als räumliche Dimension oder Medium verstanden, in welchem diese subsistieren.[74] Andere Interpreten sehen die dritte Gattung in ihrer Funktion als Mittler der platonischen Ideen: So kann man die unterschiedlichen qualitativen Konzeptionen auch vor dem Hintergrund der Unterscheidung in mathematische und nicht-mathematische Ideen sehen. Während reale Objekte nicht-mathematischer Ideen, z. B. der Idee des Feuers, den materiellen, nicht-mathematisch bestimmten Aspekt der chṓra bedingen, verlangen die Abbilder mathematischer Ideen, z. B. der einer geometrischen Figur, nach einem räumlichen Prinzip, in welchem sie umgesetzt werden und sich bewegen.[75]
Die Einführung einer dritten Entität von räumlicher sowie materieller Qualität in die platonische Ideenlehre versucht damit zu erklären, welche Eigenschaften ein wahrnehmbares Objekt erhalten muss, um überhaupt das Abbild einer Idee sein zu können: Der Gegenstand muss räumliche Ausdehnung und Begrenzung aufweisen und von einer unbestimmten materiellen Komponente gestaltet sein, welche durch die Teilhabe an den Ideen (μέθεξις méthexis) geprägt wird. Dadurch wird das metaphysische Idee-Abbild-Schema der Ideenlehre in den mittleren Dialogen Platons deutlich erweitert.[74]
[Bearbeiten] Die Elemente
Zentraler Bestandteil der platonischen Naturphilosophie ist die Lehre von den vier Elementen Erde, Feuer, Wasser und Luft, aus denen anorganische und organische Objekte des Kosmos dem Timaios zufolge zusammengesetzt sind. Anspielend auf die Vorsokratiker wird in der Passage des Timaios zur Elementenlehre hinzugefügt, dass bisher niemand die Entstehung dieser Elemente thematisiert, sondern sie vielmehr als vermeintliche Anfänge (ἀρχαί archaí) und Urbestandteile (τὰ στοιχεῖα tà stoicheîa) des Alls bezeichnet hätte, ohne tiefere Kenntnisse erlangt zu haben.[76]
Der Timaios selbst beansprucht, auf die Entstehung der Elemente zurückgehen zu können: Denn sollten die Elemente tatsächlich als Anfänge und Urbestandteile bezeichnet werden, müssten sie von dauerhafter Qualität sein, was anhand physikalischer Prozesse wie Fest- und Flüssigwerden, Auflösung und Entzündung zu widerlegen versucht wird. Dadurch sind die Elemente selbst werdende, nicht seiende Objekte; nicht Wasser als Wasser oder Luft als Luft ist von unveränderlichem Bestand, sondern nur das zugrunde liegende Substrat, die chṓra, bleibt auf einer anderen Ebene als die eigentlichen Elemente konstant. Der Timaios vergleicht dieses Postulat metaphorisch mit einem Handwerker, der aus Gold verschiedene geometrische Formen gestaltet und sogleich wieder umprägt. Würde man fragen, was das denn sei, wäre eine Antwort, welche die momentane Gestalt, also die Akzidenz des Objektes benennt, unbrauchbar, da sie schon falsch wäre, sobald der Handwerker seine Arbeit erneut umformt. Einzig die Antwort „Gold“ ist korrekt, da sie das dauerhaft Seiende, die Substanz bezeichnet.[77]
Der Timaios sieht daher die amorphe Prägemasse der chṓra als Grundlage der Entstehung der Elemente: Im Stadium der Erschaffung durch die Notwendigkeit befand sich die „Amme des Werdens“ in ständiger ungeordneter Bewegung, wodurch die materielle Urstruktur – metaphorisch umschrieben – wie auf einer Rüttelplatte nach ihren Eigenschaften abgesondert wurde und in diesem Zustand bereits „Spuren ihres (späteren) Wesens“ zeigte.[78] Während die chṓra bisher weitgehend unkommentiert sowohl räumliche als auch materielle Qualitäten vereinte, differenziert der Timaios in diesem Schritt die lokalen Absonderungen der Urmaterie.[79] Daraus entwickelten sich die eigentlichen Elemente, indem der Demiurg der kleinsten Struktur eines Elements jeweils eine bestimmte geometrische Form zuwies: dem Feuer das Tetraeder, der Luft das Oktaeder, dem Wasser das Ikosaeder, der Erde den Würfel und dem gesamten All das Dodekaeder.[80]
Jedes der ersten drei Polyeder wiederum besteht entweder aus gleichschenkeligen orthogonalen „Elementardreiecken“ mit der Winkelanordnung 45°–90°-45° und dem Seitenverhältnis 1:√2:1 oder ungleichschenkeligen orthogonalen Dreiecken mit der Winkelanordnung 30°–90°-60° und dem Seitenverhältnis 1:2:√3. Basierend auf ihrer geometrischen Verwandtschaft begründet der Timaios die Interaktion der Elemente: Demzufolge können die atomähnlichen Körper der Elemente Feuer, Luft und Wasser durch Zusammenstöße gespalten und entsprechend der Anzahl und geometrischen Eigenschaft der beteiligten Dreiecke wieder kombiniert werden: So wandeln sich z. B. zwei Feuer-Körperchen in Luft oder zwei Luft-Teilchen in vier Bestandteile Feuer um.[81] Die Erde, als einziges Element in Würfelform, kann demnach nicht direkt interagieren oder sich transformieren. Die sinnlich wahrnehmbaren Unterschiede in den Qualitäten realer Objekte – z. B. die Aggregatzustände des Wassers oder die Abstufungen von Erde zu Stein – werden dabei auf verschiedene Größen und Zusammensetzungen der Element-Körperchen und der Elementardreiecke zurückgeführt.
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Tetraeder – Feuer | Oktaeder – Luft | Ikosaeder – Wasser | Dodekaeder – Kosmos | Würfel – Erde |
[Bearbeiten] Der Mensch als Geschöpf der Vernunft und der Notwendigkeit
[Bearbeiten] Die Erschaffung des Menschen
Der dritte Hauptteil des Timaios – nach der Erschaffung des Kosmos und der Weltseele durch die Vernunft (νοῦς nūs) und der Einführung der Notwendigkeit (ἀνάγκη anánkē) als Einflussfaktor auf die materielle Schöpfung – beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel aus Vernunft und Notwendigkeit anhand der psychisch-physischen Ausstattung des Menschen mit Funktionen und Eigenschaften.[82] Dabei relativiert der Timaios diese Vereinigung (σύστασις sýstasis), da die göttliche Vernunft des Demiurgen durch Überredung die Notwendigkeit dazu veranlasste, das meiste der werdenden Objekte nach dem Vorbild der Ideen bestmöglich zu gestalten.[83]
Zur Belebung des Kosmos mit Menschen teilte der Demiurg den Himmelskörpern Sonne, Venus, Merkur, Mond, Mars, Jupiter und Saturn zunächst die – inzwischen minderwertigen – Überreste der Weltseele zu. Darauf wies er die von ihm aus Feuer geschaffenen Götter an, nach seinem Vorbild zunächst nur Männer aus den vier Elementen Erde, Feuer, Wasser und Luft zu gestalten. In einem periodischen Zyklus werden nach der Vorstellung der platonischen Seelenwanderungslehre die ewigen Seelen von diesen Himmelskörpern ausgehend in physischen Körpern inkarniert und kehren nach dem materiellen Tod zu ihrem ursprünglichen Sitz zurück. Der Mensch wurde somit als das höchste unter den Lebewesen direkt von den Göttern geschaffen; die übrigen Arten entstehen aus ihm durch einen Prozess des Verfalls und der Degeneration. Zunächst entarten manche der geformten Männer, „Feiglinge“ und „Unwissende“, deren unsterblichen Seelen nach dieser Auffassung bei einer späteren Inkarnation in Gestalt einer Frau oder eines Tieres wiedergeboren werden.[84] Durch die Fesselung der wandernden Seele an einen sterblichen Körper und die physischen Bewegungen werden zudem die kognitiven Fähigkeiten des Menschen beeinträchtigt; erst durch Nahrung und Erziehung erreicht er im Prozess der Anamnesis wieder Zugang zu seinem Intellekt.
Da die unsterblichen Seelen in einen sterblichen Körper versetzt werden, müssen auch der Seele sterbliche Anteile beigemengt sein in Form von Empfindungen wie Lust, Schmerz, Tapferkeit, Furcht, Zorn, Hoffnung und Begierde.[85] Dabei trennt der Timaios sterbliche und unsterbliche Seelenanteile, die unterschiedlichen Körperregionen zugeordnet werden: (I) den rationalen und unsterblichen Aspekt der Seele weist er dem Kopf zu – vom Rumpf getrennt durch den Hals als „Landenge zwischen dem Kopf und der Brust“ –, (II) den Mut sowie den Zorn der Brust (also näher als die Begierden an der Vernunft) (III) und die Begierden dem Bauch. Die unterschiedlichen Organe unterstützen dabei funktional die in ihnen ansässigen Seelenteile: So wird der Lunge beispielsweise die Funktion zugewiesen, als eine Art Luftpolster um das Herz den dort wütenden Zorn zu kühlen.[86] Anhand verschiedener Organe, der Knochen, Sehnen und des Fleisches demonstriert der Timaios, wie die Anatomie des Menschen den ihr von der göttlichen Vernunft zugewiesenen Zweck erfüllt und gleichzeitig auch materiell von der Notwendigkeit einer realen Welt mitbestimmt wird. Der Schädelknochen ist z. B. ein solcher Kompromiss zwischen der Vernunft, welche für einen stärkeren Schutz aus Fleisch und Knochen gesprochen hätte, und der Notwendigkeit, die das als eine Gefahr für die kognitiven Fähigkeiten und die Wahrnehmung des Menschen erwies; deshalb „wurde also dem Rumpfe jedes Menschen ein für Sinneswahrnehmung und Nachdenken empfänglicherer, aber weit schwächlicherer Kopf angefügt.“[87]
Der Timaios beschäftigt sich im Folgenden unter anderem detailliert mit der Entstehung und Funktion der Atmung und des Kreislaufsystems sowie mit Ursachen und möglichen Behandlungen für psychische und somatische Krankheiten.[88]
[Bearbeiten] Die Seelenwanderung
Da die Schöpfungsvorstellung des Timaios nur die Entstehung von Männern begründet, ohne auf Frauen oder andere Lebewesen eingegangen zu sein, wird dessen Kosmologie um eine kurze Darstellung der Entstehung der Frauen und der Tierwelt ergänzt, die auf der Vorstellung des Prozesses der seelischen Degeneration beruht und die weitere Schöpfung durch die Seelenwanderung mit dem vom göttlichen Demiurgen geschaffenen Kosmos in Verbindung setzt. Diese Degeneration verläuft vierfach abgestuft,[89] woraus neben dem Mann die Frau, Vögel, Säugetiere und Wasserlebewesen hervorgehen:
- Feige Männer werden nach ihrem Tod als Frauen wiedergeboren; bei dieser Gelegenheit wird kurz die Fortpflanzung erläutert.[90]
- Männer, „die harmlos, aber leichtsinnig waren, und sich zwar mit den Erscheinungen am Himmel beschäftigen, aber aus Einfalt meinten, dass die auf diesem Gebiet durch die Augen erbrachten Beweise am zuverlässigsten seien“, werden als Vögel reinkarniert, womit wahrscheinlich materialistische Philosophen gemeint sein dürften.[91]
- Diejenigen, die sich im bisherigen Leben nicht mit Philosophie befassten, kommen als Landtiere zur Welt, die „Unverständigsten unter ihnen“ als Kriechtiere.[92]
- Die „Allerunverständigsten und Unwissendsten“ schließlich lässt der Prozess der Seelenwanderung als Fische und sonstige Wassertiere wiedergeboren werden, da „die Umgestaltenden [sie] nicht einmal mehr reiner Atmung wert erachteten“.[93]
Es ist wahrscheinlich, dass dieser von Franz von Kutschera als „Satyrspiel“ bezeichnete Abschnitt nicht ganz Platons Ernst sein dürfte:[94] Während Platon Totengericht und Seelenwanderungslehre auch anderenorts ernsthaft erörtert,[95] sind die angegebenen Kriterien für die Abstufung hier offenbar ironisch formuliert. Die genaue Grenze zwischen Ernst und Scherz ist jedoch schwer zu bestimmen.[96][97]
Der Vortrag der referierenden Hauptfigur Timaios schließt mit einem Lob auf das göttliche Wesen des Kosmos: „Und jetzt dürfen wir wohl endlich behaupten, das Ziel unserer Rede über das All erreicht zu haben. Denn so hat nun diese Welt sterbliche und unsterbliche Wesen in sich aufgenommen und ist von ihnen erfüllt als ein sichtbares, lebendiges Wesen […], ein wahrnehmbarer Gott als ein Abbild des denkbaren, und ist zu diesem größten und besten, zum schönsten und vollkommensten Himmel geworden, wie es keinen anderen geben kann.“[98]
[Bearbeiten] Werkhintergrund und Konzeption
[Bearbeiten] Entstehung des Timaios
Umstritten ist – wie bei vielen Werken des Corpus Platonicum – die Datierung der Dialoge Timaios-Kritias. Allgemein werden beide Platons Spätwerk zugerechnet. Diese Annahme stützt sich je nach Interpret auf den literarischen Charakter der Schriften[99] wie auch auf den naturphilosophischen Inhalt des Timaios, der als Nachhall von Ideen der Pythagoreer gesehen werden kann, die Platon vor seiner ersten Italienreise (um 388) wohl noch nicht kannte.[100] Ein anderer Ansatz beruft sich auf den historischen Kontext dieser Lebensphase Platons und sieht besonders in der Staatsphilosophie sowie dem Atlantis-Exkurs des Kritias und des Timaios-Vorgesprächs eine kritische Betrachtung der gescheiterten Seemachtspolitik Athens. Somit boten nach Pierre Vidal-Naquet gerade die Niederlage der Athener im Bundesgenossenkrieg (357–355 v. Chr.) und das damit verbundene Ende des Zweiten Attischen Seebundes 355 v. Chr. einen möglichen Hintergrund wie auch einen Anlass, den Timaios-Kritias zu verfassen.[19]
Einer anderen Theorie zufolge sind das staatsphilosophische Einleitungsgespräch und die „experimentelle“ Umsetzung im Atlantis-Mythos als Antwort auf den um 370 v. Chr. von Isokrates verfassten Busiris zu verstehen, worin der Ständestaat und die Arbeitsteilung, wie sie die Politeia und später auch Timaios-Kritias beschreiben, auf alte ägyptische Einrichtungen zurückgeführt werden.[101] Besonders die Anspielung, manch berühmter Philosoph bediene sich dieser alten Einrichtungen als Vorlage,[102] kritisiert die platonische Staatsphilosophie als Plagiat. Gewissermaßen als Reaktion könnte Platon den Timaios konzipiert haben, der umgekehrt Sais zu einer um tausend Jahre jüngeren ur-athenischen Kolonie degradiert und somit das beschriebene Staatsmodell im Athen der Vorzeit zu begründen versucht.[103]
Einen anderen Plagiatsvorwurf erhoben der Sillograph (Verfasser von Spottdichtung) Timon von Phleius im 3. Jahrhundert v. Chr. und ein ungenannter Autor, auf den sich Hermippos von Smyrna berief, der seinerseits von Diogenes Laertios zitiert wurde. Timon behauptete, Platon habe für viel Geld ein kleines Buch gekauft, aus dem er dann das für die Abfassung des Timaios benötigte Wissen bezogen habe. Der anonyme Gewährsmann des Hermippos, der sich ähnlich äußerte, gab an, es habe sich um ein Werk des Pythagoreers Philolaos von Kroton gehandelt, das Platon in Italien erworben habe. Dass die Schrift des Philolaos Platon bekannt war, ist gut möglich, und dass sie ähnliche oder dieselben Fragen behandelte wie der Timaios, ist aufgrund der erhaltenen Fragmente anzunehmen, doch der Plagiatsvorwurf dürfte haltlos sein. Zu solchen Behauptungen pflegten schon entfernte Ähnlichkeiten mit älteren Werken Anlass zu geben.[104]
Eingegrenzt wird der mögliche Entstehungszeitraum außerdem durch Isokrates' Areopagitikos, der sich auf den Timaios bezieht[105] und kurz vor[106] oder nach[107] dem Bundesgenossenkrieg oder auch während[108] dieser Auseinandersetzung entstanden sein dürfte. Wenn man nun die Entstehung des Timaios nach die des Busiris und vor die des Areopagitikos setzt, fällt sie in den Zeitraum von ca. 370 bis ungefähr 355 v. Chr. Wird der Timaios vor dem Hintergrund des Bundesgenossenkrieges gesehen, beschränkt sich die Spanne auf die Dauer dieses Konflikts von 357 bis 355 v. Chr. bzw. bis zur nicht eindeutig geklärten Abfassungszeit des Areopagitikos. Der Einordnung des Dialogs in die Spätphase von Platons Werk stehen vereinzelt Thesen gegenüber, welche ihn in das zeitliche Umfeld der Politeia und damit in die mittlere Schaffensperiode datieren.[109]
[Bearbeiten] Konzeption der Trilogie Timaios – Kritias – Hermokrates
Zusammen mit dem Fragment Kritias und dem geplanten, jedoch niemals tatsächlich geschriebenen Hermokrates war der Timaios vermutlich als Teil einer Trilogie gedacht. Bereits im Vorgespräch des Timaios findet eine fachspezifische Aufteilung verschiedener Themenbereiche zwischen den Rednern Timaios, Kritias und Hermokrates statt, die sie Sokrates im Hinblick auf seinen „gestrigen“ staatsphilosophischen Vortrag als „Gastgeschenke“ präsentieren wollen.[8] Dabei dürfte die Dreiteilung so konzipiert gewesen sein, dass die Schöpfungsgeschichte im Timaios in ihrer theologischen und naturphilosophischen Auslegung mit der Menschheitsgeschichte anhand des Atlantis-Mythos im Kritias und der – höchstwahrscheinlich – staatsphilosophischen Thematik des Hermokrates verknüpft worden wäre.[34] Dieses breite Themenspektrum entsprang „Platons Wunsch, in seinem […] ursprünglich als Trilogie angelegten Dialogstück um die drei Hauptredner […] einen Bogen von seinem neu entfachten Interesse für Theologie und Kosmologie hin zum Themenkomplex seiner früher geschaffenen Politeia zu schlagen. Eine Geschichte der Welt vom Werden des Kosmos bis zur Entwicklung und Degeneration des staatlichen Lebens und einen Ausblick auf dessen erhoffte Wiederherstellung sollte das Werk umfassen.“[110] Diese Konzeption weist deutlich darauf hin, wie eng beide Themenkomplexe – Physis und Staatsphilosophie – im platonischen Verständnis miteinander verbunden sind und in wechselseitiger Ergänzung Platons Weltbild bedingen.[111]
[Bearbeiten] Rezeption und Einfluss
[Bearbeiten] Antike
Bereits in der Antike wurde der Timaios als naturwissenschaftliche Abhandlung der platonischen Physik in den Lehrbetrieb der Schulen und Akademien von Athen und Alexandrien aufgenommen, in denen die Werke Platons in bestimmter Reihenfolge gelesen wurden.[112] Gleichzeitig „erhielt der Timaios eine enorm gesteigerte Bedeutung, ja wurde letztlich in der Auffassung der Zeitgenossen zu einer Art ‚Summe‘ des platonischen Denkens. Die Geburt des ‚Platonismus‘, d. h. die Entstehung eines kompakten und kohärenten philosophischen Systems platonischer Prägung, vollzog sich im engsten Zusammenhang mit der Lektüre und Interpretation dieses Basistextes. […] Dies basiert auf einer komplexen Summe von Faktoren, vor allem auf dem Versuch Platons, hier disziplinen-gebundendes Wissen (Astronomie, Mathematik, Medizin und Biologie), Theologie und Ethik zu bilanzieren. Diese, im Timaios zu Teilen implizit gebliebene, Perspektive spielte eine entscheidende Rolle für die Konstitution eines ‚Platonismus‘ als System bis hin zu den neuplatonischen Entwürfen des Plotin und Proklos […].“[113]
Im antiken Diskurs galt speziell der Frage besonderes Interesse, ob Platon tatsächlich die Auffassung vertrat, dass der Kosmos einen zeitlichen Anfang genommen hat, also nicht von ewigem Bestand war. Im Wesentlichen bildeten sich unter den antiken Platon-Interpreten zwei Positionen zu dieser grundlegenden Frage: Auf der einen Seite wurde Platons Darstellung der Weltentstehung im Sinne eines zeitlichen Anfangs wörtlich genommen, was unter anderem von Platons Schüler Aristoteles vehement verteidigt wurde. Zugleich kritisiert Aristoteles in seinem Werk De Caelo[114] die platonischen Auffassung einer ewigen Schöpfung des Kosmos, da zwar „jeder gewordene Gegenstand vergänglich“ und „jeder vergängliche Gegenstand geworden“, jedoch „keiner von beiden ewig sein könne“.[115] Bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. dürfte die Ansicht, Platon vertrete im Timaios wörtlich eine Weltentstehung, vorgeherrscht haben.
Auf der Gegenseite, beginnend mit Speusippos und Xenokrates, die nach Platons Tod nacheinander die Leitung der Akademie übernahmen, verwarf man eine wörtliche Auffassung und argumentierte, Platon selbst habe den zeitlichen Ursprung des Kosmos nicht in diesem Sinne verstanden.[116] Insbesondere die Platoniker der Älteren Akademie sprachen sich stets gegen eine wörtliche Interpretation aus.[117] Diese Haltung war vor allem in der platonischen Seelenlehre begründet, denn Platon hatte im Phaidros die Seele als „unentstanden“[118] bezeichnet und damit den Grundgedanken einer ewigen Seele formuliert. Da das System Platons als kohärent angesehen wurde, konnten die Seele und somit auch der Kosmos nicht als real entstanden aufgefasst werden, ohne einen inneren Widerspruch einzugestehen. Ebenfalls gegen eine wörtliche Interpretation sprach das Postulat der Unveränderlichkeit Gottes, welches in Frage gestellt worden wäre, wenn ein Schöpfergott sich vor oder nach dem Schöpfungsakt unterschiedlich verhalten hätte und sich dadurch ein „Früher“ und „Später“ im Wesen Gottes ergäbe.[119]
Innerhalb dieser Interpretationsgruppe herrschten nach Baltes in der Antike im Wesentlichen drei Deutungen vor:
- Die methodologischen Erklärungen „von Seiten der Platoniker in dieser ersten Auseinandersetzung weisen alle in dieselbe Richtung: Einzig und allein aus didaktischen Gründen und zum Zwecke größerer Deutlichkeit hat Platon die Welt im Entstehen vorgeführt, so wie man mathematische Figuren im Unterricht entstehen lässt, die real nie entstanden sind.“[120] Interpretationen dieses Ansatzes sehen den Timaios als platonischen Mythos, dessen Wahrheitsanspruch nicht belegt werden kann und daher nicht in diesem Sinne konzipiert wurde.[121]
- Aus metaphysisch-ontologischer Sicht interpretierten Krantor von Soloi, der den ersten, jedoch lediglich fragmentarisch bei Proklos erhaltenen Timaios-Kommentar verfasste, und die Neuplatoniker Proklos und Plotin den Timaios: Sie erklärten, „die Welt werde im Timaios ‚geworden‘ genannt, weil sie nicht selbstständig und autark sei, sondern von einer höheren Ursache abhänge, die sie immerfort im Sein erhalte, ohne dass es in diesem Prozess je einen Beginn gegeben habe.“[122] Krantor betont vor allem hinsichtlich der platonischen Kosmologie die Zeitlosigkeit der Seinsordnung. Dass Platon im Timaios den Kosmos als eine entstandene, von der zeitlichen Dimension abhängige Ordnung beschreibt, ist nach Krantors Auffassung also nicht wörtlich als zeitliches Nacheinander zu verstehen, sondern als mythisch-didaktische Illustration der Abhängigkeit des Bewirkten vom Verursacher.[123] Oftmals ist die metaphysisch-ontologische Interpretation mit der methodologischen Erklärung verbunden zu finden.
- Eine physikalische Variante der Interpretation entwickelte sich etwa in der Zeit des Hellenismus oder zu Beginn der römischen Kaiserzeit:[124] Die Vertreter dieser Position[125] lehnten einen zeitlichen Schöpfungsbegriff ab, da „die Welt deswegen geworden genannt werden (soll), weil sie ihr Sein in ständigem Werden besitzt und nicht in fertigem, dauerhaften Zustand.“[126] Damit versteht diese Auffassung den Kosmos nicht als geworden in dem Sinne, dass die Welt zu einer bestimmten Zeit nicht existiert hätte, sondern als ständig neu werdendes Objekt, das auf eine höhere Ursache seiner Existenz verweist. Die Unvollkommenheit und Unselbstständigkeit der Welt in der physikalischen Interpretation – vermengt mit der metaphysisch-ontologischen Auffassung – bedingt damit eine erhaltende und begründende Ursache, ohne die die Existenz der Welt selbst nicht denkbar ist. Diese Anschauung tritt in inhaltliche Nähe zur so genannten creatio continua („fortwährende Schöpfung“), welche sich im jüdischen und christlichen Denken der Antike als die Vorstellung entwickelte, dass eine einmalige Schöpfung nicht ausreichen würde, um die Existenz der Welt über die Zeit hinweg zu erklären.[127]
Den Timaios-Kommentaren antiker Autoren, die den Timaios zum am häufigsten kommentierten Werk Platons machten, sind die verschiedenen Grundpositionen zu entnehmen. In seinem Kommentar befasste sich der Platoniker Krantor im 3. Jahrhundert v. Chr. auch mit dem Atlantis-Mythos, den er für eine geschichtliche Tatsache hielt. Er berief sich dabei auf eine Behauptung ägyptischer Priester, dass es in Sais Stelen gebe, deren Angaben Platons Mythos bestätigen würden.[128] Die Äußerung Krantors stellt einen Beleg für eine frühe Diskussion um Fiktion oder Realität der Atlantis-Erzählung dar. Jedoch wird in der Forschung die Existenz der genannten Stelen bezweifelt; ebenso ist umstritten, ob Proklos, der Krantors Bemerkung in seinem Timaios-Kommentar auszugsweise überliefert, dessen Auffassung exakt wiedergibt und ob die Berufung auf die Stelen eine von Krantor selbst stammende Information bzw. eine von ihm aufgezeichnete Behauptung anderer ist oder nur eine ungenaue Wiedergabe einer Passage des Textes Platons,[129] worin schriftliche Aufzeichnungen in ägyptischen Tempeln erwähnt werden.[130] Ein weiterer früher Timaios-Kommentar stammt von Numenios von Apamea, dessen Werk jedoch ebenso nur fragmentarisch bei Proklos und anderen überliefert ist.[131]

Im 5. Jahrhundert verfasste der Neuplatoniker Proklos den bedeutendsten spätantiken Kommentar zum Timaios, worin er die bisherigen Stellungnahmen vorwiegend von Platonikern wie Krantor oder Numenios sammelte und die platonische Gedankenwelt – ähnlich wie in seinen Kommentaren zu Alkibiades, Kratylos, Parmenides und der Politeia – im Sinne der eigenen Hermeneutik interpretierte. Der Kommentar entstand zwar aus dem spätantiken Schulunterricht der Akademie, deren Leitung Proklos um 437 übernahm, stellt aber keine rein philologische Deutung dar, sondern fasst doxographisch die kontroverse Exegese-Tradition des Timaios in der Antike zusammen.
Eine von Cicero angefertigte lateinische Übersetzung eines Auszuges des Timaios, die vermutlich nie veröffentlicht wurde, sondern nur als Arbeitsübersetzung diente, ist erhalten.[132] Im 4. oder 5. Jahrhundert übertrug Calcidius den ersten Abschnitt[133] des Timaios ins Lateinische und versah ihn mit einem ausführlichen Kommentar. Er war einer der wenigen christlichen Interpreten, die den Timaios im Sinne einer nicht-zeitlichen Weltentstehung deuteten. Seine Übersetzung war einer der sehr wenigen Texte Platons, die im Mittelalter im lateinischsprachigen Europa zugänglich waren. Sie bildete eine wichtige Grundlage der neuplatonisch geprägten mittelalterlichen Kosmologie.
[Bearbeiten] Mittelalter
Philosophisches Denken im lateinischen Mittelalter, soweit es nicht speziell im Bereich der Logik an Aristoteles anschloss, war bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts – bis zur Wiederentdeckung der übrigen Werke des Aristoteles zunächst im Medium der arabischen Tradition – hauptsächlich durch platonisches Vorstellungsgut geprägt, wie es durch die Kirchenväter, besonders Augustinus, und durch Pseudo-Dionysius sowie für Grundgedanken des Timaios durch Macrobius, Martianus Capella und Boethius[134] übermittelt wurde. Die mittelalterliche Kenntnis der eigenen Schriften Platons war ausschließlich auf die lateinischen Timaios-Texte von Cicero und Calcidius beschränkt,[135] bis seit dem 12. Jahrhundert auch Übertragungen des Menon (1154/60) und des Phaidon (vor 1156) jeweils durch Henricus Aristippus[136] und eines Teils des Parmenides durch Wilhelm von Moerbeke († 1268) entstanden.
Auch für den Timaios kann man jedoch zunächst nicht von einer verbreiteten Textkenntnis sprechen: Die Übersetzung Ciceros, im 9. und 10. Jahrhundert durch drei Handschriften bezeugt, erlangte erst in humanistischer Zeit wieder eine gewisse Bedeutung. Der Einfluss des Textes und Kommentars von Calcidius war vergleichsweise größer. Beide sind in insgesamt 133 Handschriften oder umfangreicheren Fragmenten nachgewiesen (die Übersetzung in 119, der Kommentar in 57, beide in 43), nur drei davon (alle drei mit der Übersetzung, zwei auch mit dem Kommentar) stammen jedoch aus dem 9. Jahrhundert, jeweils aus Frankreich. Etwa ein Dutzend entstanden im 10. und 11. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland und wirkten in dieser Zeit anscheinend auch vereinzelt nach Italien. Erst im 12. und frühen 13. Jahrhundert jedoch, dem Höhepunkt des Interesses und der Beschäftigung mit dem Timaios, entstanden Abschriften in größerer Zahl, die dann auch aus England und ab dem 13. Jahrhundert aus Spanien erhalten sind[137] Zitate oder direkte Benutzungen bleiben jedoch in der Zeit vor dem 12. Jahrhundert rar.[138] Im Unterschied zu anderen antiken Texten entstanden für den Schulunterricht gedachte Glossen und Kommentare erst seit dem 12. Jahrhundert.[139] Diese blieben meist anonym und können nur im Fall der bedeutenden Glosae super Platonem („Glossen über Platon“) den französischen Theologen und Philosophen Bernhard von Chartres und Wilhelm von Conches zugeschrieben werden.
Das Gedankengut des Timaios mischte sich im mittelalterlichen Diskurs mit aristotelischen Inhalten wie der Elemententheorie und der Vier-Ursachen-Lehre aus der Physik. Dadurch wurde der Timaios vor allem im 12. Jahrhundert, als die Schrift im Mittelpunkt des philosophischen wie auch des theologischen Interesses stand, ein integraler Bestandteil der universitären Lektüre als naturphilosophisches Hauptwerk Platons. Im Gegensatz zur antiken Rezeption, die den Timaios in neuplatonischer Tradition primär als Beschreibung des Göttlichen in der Natur sah, wurde der Timaios im Mittelalter wesentlich von einem naturwissenschaftlichen Standpunkt aus interpretiert, zugleich aber auch im christlichen Sinne gedeutet, indem die Weltentstehung der Genesis und des Timaios in Einklang gebracht wurden; so verband beispielsweise Wilhelm von Conches das platonische Schema Demiurg-Ideen-Weltseele mit der christlichen Dreifaltigkeit.[140]
Bernhard von Chartres verfasste in Form seiner Glosae super Platonem den ersten systematischen Kommentar zum Timaios im 12. Jahrhundert und hielt darin erstmals fest, dass der Timaios im Sinne einer naturalis iustitia („natürliche Gerechtigkeit“) zu interpretieren sei, die er für den zentralen Gegenstand der Schrift Platons hielt. Diesen Begriff einer natürlichen und damit durch den Kosmos konstituierten Gerechtigkeit habe Platon der postiven Gerechtigkeitsauffassung (iustitia positiva), also der rein durch das Gesetz verankerten Gerechtigkeit, die Bernhard in der Politeia entwickelt sah, ergänzend gegenübergestellt. Um den Begriff der Gerechtigkeit vollständig philosophisch behandeln zu können, habe Platon bewusst den Timaios analog zur Politeia in zehn Büchern konzipiert und den Demiurgen die Macht der naturalis iustitia demonstrieren lassen, indem der sich ihrer bei der Erschaffung der Welt bediente und somit einen Urzustand des Kosmos schuf, in dem nur die naturalis iustitia das Leben der Menschen prägte.[141] Zugleich spiegelt sich auch Bernhards theologisch-philosophisch geprägtes Verständnis der Naturwissenschaft in seiner Timaios-Interpretation wider, die im Rahmen einer philosophia mundi („Weltphilosophie“) und angelehnt an den Platonismus die unmittelbaren Ursachen der Objekte (causae rerum) sowie die zugrunde liegenden Prinzipien erforscht. In Berhards Exegese verschmelzen Physik und Metaphysik, indem er in der platonischen Ideenlehre zwischen transzendenten Ideen Gottes und den der Materie immanenten Ideen (formae nativae) unterscheidet. Dabei ist nach Bernhard der Bereich der Ideen dem göttlichen Intellekt untergeordnet, durch den diese gedacht werden und in dem allein die Ideen existieren, während die Materie als drittes Prinzip aller Dinge nach Gott und den Ideen nur auf von Gott geschaffene Abbilder der ursprünglichen Ideen (imagines idearum) zurückgeht.[142]
Da der Timaios sowohl einen ethischen, logischen wie auch physikalischen[143] Gesichtspunkt enthalte und damit umfassend die septem artes liberales behandle, ordnete Bernhard ihn im Lehrplan der universitätsähnlichen Schule von Chartres als wissenschaftliche Lektüre der Physik dem zweiten Studienabschnitt zu, dem Quadrivium.[144] Auf derartige Vorlesungen für fortgeschrittene Studenten gehen Berhards Glossen ursprünglich zurück, durch die der Timaios Eingang in das wissenschaftliche Curriculum der Schule von Chartres fand.[145]
Auch der Chartreser Scholastiker Wilhelm von Conches verfasste im 12. Jahrhundert einen Glossen-Kommentar zum Timaios, wurde aber auch in seinem frühen Hauptwerk Philosophia (um 1125) stark von der platonischen Tradition beeinflusst. Als die grundlegenden Prinzipien, auf die alle naturwissenschaftlichen und -philosophischen Prozesse zurückzuführen seien, nannte Wilhelm in der Philosophia Gott, die Seele und die Materie, wobei er sich maßgeblich an der platonischen Theorie der Weltseele und der Elementlehre im Timaios nach Calcidius orientierte. Wilhelm interpretierte jedoch die platonische Weltseele im christlichen Sinne und setzte sie mit dem Heiligen Geist gleich, worauf Wilhelm von St. Thierry ihn in einem offenen Brief an Bernhard von Clairvaux der Häresie bezichtigte.[146] Er beschuldigte Wilhelm, im Sinne des Sabellianismus „die Wahrheit der Personen in der heiligen Trinität“ zu zerstören, also nicht die getrennte Subsistenz der Dreifaltigkeit zu lehren, sondern sie lediglich als bloße Unterscheidung in der Erscheinung des einen Gottes zu interpretieren.[147][148]
Nach dem Höhepunkt der Auseinandersetzung mit dem Timaios im 12. Jahrhundert ging der Einfluss des Platonismus in den Wissenschaften bald zurück, und es begann eine Wende zu aristotelischem Gedankengut. „Zu dieser Zeit war der Timaios bereits aus dem formellen Curriculum der universitären Ausbildung verschwunden. […] Daneben aber gewinnt der Timaios ein neues Interesse abseits des universitären, aristotelisch dominierten Kontextes in volkssprachlichen Übersetzungen und Erzählungen […].“[149] Im Gegensatz zur Zeit der frühscholastischen Glossatoren finden sich ab dem 13. Jahrhundert nur noch vereinzelt Kommentierungen, die sich, wie beispielsweise die Anmerkungen Petrarcas zum Timaios, auf literarische Einzelfragen beschränken.
[Bearbeiten] Frühe Neuzeit
Die lediglich indirekte Auseinandersetzung mit Platons Timaios über die Glossen und Kommentare – und die damit verbundene Interpretationstradition der Schule von Chartres – beherrschte zunächst auch Renaissance und Humanismus und reichte bis in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die dergestalt eingeschränkte Quellenlage erstreckte sich bis in die Zeit Nicolaus’ Cusanus, in dessen philosophischem Schaffen, der Chartreser Tradition verhaftet, auch Anklänge an platonisches Gedankengut wie die Weltseele und die Demiurgie zu finden sind. Eine umfassende Untersuchung der Rezeption und der Wirkungsgeschichte des Timaios in der Renaissance ist in der Forschung jedoch nicht vorhanden.[150]
Erst Marsilio Ficino übersetzte den Timaios ab 1463 im Rahmen seiner Gesamtübertragung von Platons Œuvre. Der 1484 in Florenz veröffentlichten Übersetzung folgte 1496 das Compendium in Timaeum als Bestandteil der Commentaria in Platonem.[151] Während der Timaios in der Antike primär als naturphilosophischer Text interpretiert wurde,[152] zeigte sich bereits in der mittelalterlichen Rezeption, insbesondere bei den Chartreser Scholastikern, eine verstärkt theologische Lesart. Ficino selbst erläutert in seinem Compendium, das einen beachtlichen Teil seiner Physik, Kosmologie, aber auch Theologie verkörpert, eine neuplatonisch geprägte Naturtheorie, die sich in ähnlicher Weise als eine „Art theologische Physik“ versteht.[153] Als Ausgangspunkte einer solchen Auffassung nennt Ficino die Vorstellung, dass die Welt ihre Existenz einer höheren Ursache verdanke (Nicht-Aseität), die hinterfragt werden könne, sowie die innere Ordnung und Struktur der Welt und die teleologische Ausrichtung der Kosmogonie auf den Menschen als ihr letztes Ziel.[154] Diese christlich ebenso wie neuplatonisch besetzte theologische Physik überträgt Ficino in seinem Compendium auch auf Platons Timaios.
Ficinos Erläuterungen bilden keinen kontinuierlichen Kommentar, sondern beschäftigen sich besonders mit den Kernthemen des Timaios wie der Erschaffung der Welt, der Weltseele und dem Problem der Unsterblichkeit der menschlichen Seele, einer mathematischen Grundstruktur der Natur oder der Zahlentheorie, die systematisch miteinander verbunden und behandelt werden. Ähnlich wie Proklos diskutiert Ficino zunächst die Konstitution des Kosmos (cc. 7–15), anschließend dessen Teilung in den Weltkörper (cc. 16–26) und die Weltseele (cc. 27–37) sowie die vier Grundelemente, die Ficino mit den vier geistigen Formen intellectus, intelligentia, anima und natura (Intellekt, Einsicht, Seele, Natur) verknüpft, welche wiederum mit speziellen Lebensformen und Sinnesverfassungen in Verbindung gesetzt werden.[155] Zugleich spiegelt Ficino in seinem Compendium Fragestellungen wider, die in seiner eigenen Zeit Aktualität erlangten und in deren Argumentation Ficino auf die platonische Tradition des Timaios zurückgreift, wie beispielsweise in der seit dem 13. Jahrhundert intensiv diskutierten Frage der pluralitas mundorum (Vielzahl der Welten),[156] wogegen Ficino unter Bezug auf Platon die Einzigartigkeit der Welt postuliert.[157]
Nachdem Ficino seine lateinischen Platon-Übersetzungen in Florenz und Venedig im 15. Jahrhundert veröffentlicht hatte, folgte 1513 die erste orginalsprachliche Druckausgabe (editio princeps) der Werke Platons bei Aldus Manutius in Venedig, eine zweite und dritte Auflage in Basel. Obwohl deren Herausgebern Simon Grynaeus und Johannes Oporin keine neuen Platonhandschriften zur Verfügung standen, stieß diese Basler Ausgabe auf große Wertschätzung, da sie die nach dem Erstherausgeber Aldus Manutius benannte Aldina an vielen Stellen korrigierte. Zudem enthielt sie neben einem griechischen Wort- und Sachindex sowie einer Biographie Platons nach Diogenes Laertios auch den Erstdruck der Proklos-Kommentare zum Timaios und der Politeia. Weitere bedeutende Textausgaben wurden von Chrétien Wechel 1532 in Paris und Henricus Stephanus 1578 besorgt, auf dessen dreibändiger Sammelausgabe der Werke Platons die heute noch übliche Stephanus-Paginierung beruht.
Anlehnungen an Platon und speziell an den Timaios zeigen sich auch bei Pico della Mirandola ebenso wie in den Werken zahlreicher Ficino-Schüler, beispielsweise bei dem Spanier Sebastiano Fox Morzillo, der in seinem Timaios-Kommentar erneut die Parallelen und Übereinstimmungen zwischen Platonismus und Christentum, aber auch zwischen platonischem und aristotelischem Gedankengut thematisierte.[158] Anklänge an den Timaios finden sich auch bei Vertretern der Paduaner Schule wie bei Giordano Bruno, der kurz vor seiner Verhaftung in Padua lehrte und den Timaios durch die Schriften von Cusanus und Ficino kannte. In dieser Tradition sind bei Bruno zentrale Gedanken des Timaios wie die Demiurgie, das Postulat der Weltseele, die Auffassung mathematischer Elementstrukturen, die Vorstellung des Kosmos als eines lebenden Organismus oder die im mittelalterlichen Diskurs behandelte iustitia naturalis präsent. Ebenfalls der Schule von Padua entstammend, kannte auch Galileo Galilei den Timaios, den er in Form des Ficino- wie auch des Proklos-Kommentars nachweislich in seiner Bibliothek besaß.[159] Folgt man Gloy, so war bereits Kopernikus stark vom Timaios beeinflusst, da er „trotz Revolutionierung des geozentrischen Weltbildes durch das heliozentrische an der von Platon im Timaios aufgestellten Kreisbewegung als der vollkommensten aller Bewegungsarten nach dem ästhetischen Ideal der Griechen festhielt […].“[160]
Von der Renaissance bis zu Schellings 1794 publiziertem Timaeus und der Abhandlung Von der Weltseele lag und liegt die Attraktivität des Timaios insbesondere in seiner Verknüpfung von Physik und Metaphysik: „Denn ungeachtet der immer größer werdenden Diskrepanz zwischen der faktisch sich entwickelnden, empirisch-experimentell gestützten, letztlich im Kern mechanistisch oder materialistisch sich verfestigenden Naturwissenschaft der Neuzeit und dem εἰκὼς λόγος des platonischen Werkes ist es gerade dieser theologisch-metaphysische Hintergrund […], der immer wieder philosophische Auseinandersetzungen inspirierte […].“[161]
[Bearbeiten] Gegenwart
Auch in der Gegenwart bildet der Timaios einen der Kernpunkte der Platon-Forschung, obwohl die Politeia das allgemein weitaus bekannteste Werk Platons darstellt. In der modernen wissenschaftshistorischen Forschung wird der Timaios äußerst kontrovers beurteilt, ohne dass aber seine Wirkung auf die europäische Geistesgeschichte in Frage stünde. Denn während die Kosmologie Platons bisweilen als Pseudowissenschaft bezeichnet und von einem unheilvollen Einfluss Platons auf die Entwicklung der Naturwissenschaft oder von einem Unglücksfall für die Physik gesprochen wurde,[162] setzte sich doch die Meinung durch, dass trotz unwissenschaftlicher Aspekte und überholter Resultate im Detail der Timaios in seinen Grundpositionen – wie z. B. in der Annahme der mathematischen Struktur der Natur – bis heute einen fundamentalen Vorläufer der modernen Naturwissenschaft bildet.[163]
Daneben setzt sich – ähnlich wie in der antiken Rezeption – die Tradition von kommentierten Ausgaben des Timaios fort: 1841 publizierte Thomas-Henri Martin seine Études sur le Timée de Platon, welche die Grundlage für ein zweibändiges wissenschaftliches Kommentarwerk bildeten. Eine Abhandlung[164] widmete Martin auch Atlantis, worin er Hypothesen einer realen Lokalisierung bis zu seiner Zeit beleuchtete und prüfte, Atlantis jedoch schließlich ganz in die „Welt des Denkens“ verwies und lediglich anmerkte, dass der Atlantis-Mythos „der nicht weniger interessanten und auch nicht weniger instruktiven Geschichte der menschlichen Denkweisen durchaus ein recht kurioses Kapitel zu liefern“ vermag.[165]
Auch die bereits in der Antike aufgeworfene Fragestellung der unterschiedlichen Lesarten einer zeitlichen oder metaphorisch gedeuteten Schöpfung im Timaios wird in der modernen Forschung unverändert diskutiert, wobei die Auffassung vorherrschend ist, dass dieser Prozess nicht wörtlich verstanden werden dürfe. So vertritt auch Alfred E. Taylor, der 1928 den umfangreichsten Kommentar zum Timaios verfasste, die Position des Xenokrates, auf den immer wieder Bezug genommen wird, dass die von Platon beschriebene Kosmogonie nicht im wörtlichen, sondern im literarisch-mythischen Sinne konzipiert sei. Zu einem ähnlichen Resultat gelangte der deutsche Theologe und Philosoph Eduard Zeller, der die Argumente und Widersprüche einer wörtlichen Auslegung des Timaios erörterte.[166] Zeller kommentierte zwar, die Form der Darstellung im Timaios impliziere, „dass sie nicht sowohl über den geschichtlichen Hergang der Weltbildung zu berichten, als vielmehr die allgemeinen Ursachen und Bestandteile der Welt, wie sie jetzt ist, aufzuzeigen beabsichtigt.“[167] – jedoch ohne seine Position endgültig festzulegen.[168] Auch der britische Altphilologe Cornford lehnte es in seinem 1937 erschienenen Timaios-Kommentar ab, die Passagen zur Weltentstehung durch den Demiurgen wörtlich zu interpretieren. Vielmehr sieht er darin die mythische Veranschaulichung einer göttlichen Instanz, die Platon anhand des „göttlichen Schöpfers“ („divine maker“) mythisch als beinahe menschlichen Handwerker bei seiner Arbeit mit Modellen und Materialien in Aktion treten lässt, um in dieser Form die rationale Ordnung der Elemente im Universum zu analysieren, ohne aber dieses paradigmatische Bild mit der realen Weltentstehung gleichsetzen zu wollen.[169] Auch Harold Cherniss schloss sich der mythisch-literarischen Interpretation des Timaios an, da er Widersprüche hinsichtlich des platonischen Seelenbildes zu anderen Werken wie dem Phaidros oder den Nomoi zu erkennen glaubte, weshalb Platon selbst seinen Schöpfungsbericht als eine „mythische Form der Darstellung“ („mythical form of exposition“) verstanden hätte.[170]
Im Gegensatz zu den meisten modernen Interpreten, die eine wörtliche Lesart bezweifeln, vertrat z. B. Gregory Vlastos den Standpunkt, dass Platon an einen zeitlichen Ursprung des Kosmos und die Schöpfung durch den Demiurgen geglaubt habe, der aus dem Chaos die geordnete Welt und damit eine geordnete Zeit schuf, wodurch ein realer zeitlicher Beginn eingeleitet wurde. Als ein weiterer Vertreter des nicht-fiktiven Verständnisses der Kosmogonie Platons wandte sich Reginald Hackforth in seinem postum publizierten Ausatz Plato’s Cosmogony gegen die Auffassung des Xenokrates sowie der modernen Vertreter Taylor und Cornford, indem er den im Timaios als „erzeugt“ (γεννητόν) bezeichneten Kosmos wörtlich im Sinne einer realen Entstehung deutete.[170]
Auch für Whiteheads prozessphilosophischen Versuch, Kosmologie und Metaphysik mit den modernen Naturwissenschaften des 20. Jahrhunderts in Einklang zu bringen, diente der Timaios als Inspirationsquelle, sodass die oft zitierte Passage aus Prozess und Realität, welche die europäische Philosophiegeschichte als „Fußnoten zu Platon“ bezeichnet, primär auf den großen Rezeptionseinfluss des Timaios bezogen verstanden werden kann.[171] Ebenso wurde der Timaios in der Gegenwart auch abseits der philologischen und philosophischen Kommentare häufig rezipiert, so z. B. durch von Weizsäcker.[172] Auch Heisenberg griff in seinem Aufsatz Gedanken der antiken Naturphilosophie in der modernen Physik zwei Errungenschaften der griechischen Naturphilosophie im Allgemeinen und der platonischen des Timaios im Speziellen auf: zum einen die Mathematisierung der Natur in der Tradition von Pythagoras und Platon sowie zum anderen die Entwicklung von Theorien zu Elementarteilchen v. a. bei Demokrit und Empedokles, aber auch in Form der platonischen Element-Theorie in Form der Polyedertheorie des Timaios, der man nach Heisenberg eine „größere systematische Verwandtschaft zur modernen Atomtheorie zuzubilligen hat als der zeitlich viel näheren Atomtheorie des 19. Jahrhunderts.“[173][174] Ebenso finden sich Aspekte der Element-Lehre Platons in der modernen Chemie wieder, insbesondere in der Kristallographie und Stereochemie.[175]
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Editionen und Übersetzungen
- Benjamin Jowett: The dialogues of Plato. Bd. 3, Oxford 1871.
- Hieronymus Müller und Friedrich Schleiermacher: Platon. Werke in acht Bänden. Bd. 7 (Timaios, Kritias, Philebos) 2. Auflage. Darmstadt 1990.
- Albert Rivaud: Plato. Œuvres complètes (gr.-fr.) Bd. X, Timée, Critias. Paris 1925.
[Bearbeiten] Sekundärliteratur
- Monographien
- Matthias Baltes: Die Weltentstehung des Platonischen Timaios nach den antiken Interpreten. 2 Bde., Leiden 1976/78. (= Philosophia antiqua, Bde. 30, 35).
- Tomás Calvo, Luc Brisson (Hrsg.): Interpreting the “Timaeus-Critias”. Sankt Augustin 1997, ISBN 3-89665-004-1.
- Francis Macdonald Cornford: Plato’s Cosmology. The Timaeus of Plato, translated with a running commentray. London 1937.
- Jairo Escobar Moncada: Chora und Chronos. Logos und Ananke in der Elemententheorie von Platons „Timaios“. (= Deimling wissenschaftliche Monographien. Bd. 7) Wuppertal 1995, ISBN 3-928258-17-6.
- Christopher Gill, M. M. McCabe: Form and Argument in Late Plato. Oxford 1996, ISBN 0-19-824012-0.
- Margot Fleischer: Anfänge europäischen Philosophierens. Heraklit, Parmenides, Platons „Timaios“. Würzburg 2001, ISBN 3-8260-2001-4.
- Karen Gloy: Studien zur Platonischen Naturphilosophie im Timaios. Würzburg 1986, ISBN 3-88479-247-4.
- Thomas Kjeller Johansen: Plato’s natural philosophy. A study of the Timaeus-Critias. Cambridge [u. a.] 2004, ISBN 0-521-79067-0.
- Gijsbert Jonkers: The manuscript tradition of Plato’s Timaeus and Critias. Amsterdam 1989.
- Thomas Leinkauf, Carlos Steel (Hrsg.): Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance. (= Ancient and Medieval Philosophy. De Wulf-Mansion Centre ser. 1, vol. XXXIV) Leuven 2005, ISBN 978-90-5867-506-4.
- Thomas Henri Martin: Etudes sur le Timée. Paris 1841.
- Stephen P. Menn: Plato on God as nous. Carbondale 1995, ISBN 0-8093-1970-5.
- Richard D. Mohr: The Platonic Cosmology. (= Philosophia antiqua. Bd. 42) Leiden 1985, ISBN 90-04-07232-2.
- Harald Morin: Der Begriff des Lebens im „Timaios“ Platons unter Berücksichtigung seiner früheren Philosophie. (= Studia philosophica Upsaliensia. Bd. 1) Uppsala 1965.
- Sousanna-Maria Nikolaou: Die Atomlehre Demokrits und Platons Timaios. Eine vergleichende Untersuchung. (= Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 112) Stuttgart 1998, ISBN 3-519-07661-6.
- Mischa von Perger: Die Allseele in Platons „Timaios“. (= Beiträge zur Altertumskunde, Bd. 96) Stuttgart 1997, ISBN 3-519-07645-4.
- Gretchen J. Reydams-Schils (Hrsg.): Plato’s Timaeus as Cultural Icon. Notre Dame 2003, ISBN 0-268-03872-4.
- Wolfgang Scheffel: Aspekte der platonischen Kosmologie. Untersuchungen zum Dialog Timaios. (= Philosophia antiqua. Bd. 29) Leiden 1976.
- Dietrich J. Schulz: Das Problem der Materie in Platons „Timaios“. (= Abhandlungen zur Philosophie, Psychologie und Pädagogik. Bd. 31) Bonn 1966.
- Alfred E. Taylor: A commentary on Plato’s Timaeus. Oxford 1928.
- Gregory Vlastos: Plato’s Universe. Seattle 1975, ISBN 0-19-824538-6.
- Aufsätze
- Jacques Derrida: Chora. In: Ders.: Über den Namen. Drei Essays. Wien 2000, ISBN 3851653750, S. 125–170.
- Aryeh Finkelberg: Plato’s Method in „Timaeus“. In: American Journal of Philology. 117, 1996, S. 391–409.
- Dorothea Frede: The Philosophical Economy of Plato’s Psychology: Rationality and Common Concepts in the “Timaeus”. In: M. Frede, G. Striker (Hrsg.): Rationality in Greek Thought. Oxford 1996, ISBN 0-19-824044-9, S. 29–58.
- M. L. Gill: Matter and Flux in Plato’s “Timaeus”. In: Phronesis. 32, 1987, S. 34–53.
- G. E. L. Owen: The Place of the “Timaeus” in Plato’s Dialogues. In: R. E. Allen (Hrsg.): Studies in Plato’s Metaphysics. London/New York 1965.
- E. D. Perl: The Demiurge and the Forms: A Return to the Ancient Interpretation of Plato’s Timaeus. In: Ancient Philosophy. 18, 1998, S. 81–92.
- J. F. Phillips: NeoPlatonic Exegeses of Plato’s Cosmology. In: Journal of the History of Philosophy. 35, 1997, S. 173–197.
- Leonardo Tarán: The Creation Myth in Plato’s Timaeus. In: J. P. Anton und G. Kustas (Hrsg.): Essays in Ancient Greek Philosophy. Bd. 1, Albany 1971, S. 372–407.
[Bearbeiten] Weblinks
- Platons Timaios als pdf-Datei
- deutsche Übersetzung nach Franz Susemihl von 1856 bei Zeno.org
- Platons Timaios in Griechisch, Deutsch und Latein nach Calcidius (teilweise Transkription und Interlinearübersetzung)
- Jowett, The Dialogues of Plato translated into English with Analyses and Introductions, 3. rev. und korr. Aufl., Oxford University Press, 1892 (Englisch)
- Ausschnitte der kommentierten Calcidius-Übersetzung (Latein)
- Ausschnitte der Cicero-Übersetzung (Latein)
- Kyung Jik Lee, Der Begriff des Raumes im „Timaios“ im Zusammenhang mit der Naturphilosophie und der Metaphysik Platons, Konstanz 1999
- Eintrag in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (englisch, inkl. Literaturangaben)
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Bezeichnung des Timaios in Thrasyllos’ Tetralogien der Dialoge Platons
- ↑ So etwa Calvo/Brisson 1997 oder Lampert/Planeux 1998
- ↑ Hinweis auf den Beruf des Timaios gibt Platon, Timaios, 27 a
- ↑ Platon, Timaios 20 a: „Denn unser Timaios da, aus Lokris, dem unter allen Staaten Italiens der besten Gesetzgebung sich erfreuenden, stammend, gelangte, an Reichtum und Herkunft keinem seiner Mitbürger nachstehend, zu den größten Würden und Ehrenbezeugungen im Staate; in der ganzen Philosophie aber hat er, meiner Meinung nach, das Höchste erreicht.“; Platon, Timaios 27 a in Bezug auf seine wissenschaftliche Tätigkeit: Timaios solle die Trilogie eröffnen, da er „mehr als wir alle von der Astronomie versteht und weil er sich am meisten darum bemüht hat, etwas von der Natur des Alls zu wissen […].“
- ↑ Vidal-Naquet, Atlantis, S. 18
- ↑ Cornford, Plato’s Cosmology, S. 2
- ↑ Erich Frank, Plato und die sogenannten Pythagoreer. Ein Kapitel aus der Geschichte des griechischen Geistes, Halle 1923, S. 379
- ↑ a b c Platon, Timaios 27 a-b
- ↑ Platons Mutter Periktione war die Tochter des Glaukon, welcher wiederum Bruder von Kritias’ Vater Kallaischros war.
- ↑ Insbesondere Kritias, das Mitglied der Dreißig Tyrannen, wie auch dessen Großvater gleichen Namens sind in der Forschung viel diskutierte Optionen.
- ↑ Platon, Timaios 29 d
- ↑ Platon, Timaios 26 e
- ↑ Platon, Timaios 17 b-c
- ↑ Cornford 1937, S. 4: „There was nothing to prevent [Plato] from imagining Socrates describing his ideal state on more than one occasion. He tells us here that Socrates has outlined its institutions, and nothing more, on the previous day.“ (deutsch: „Es gibt nichts das Platon daran gehindert hätte, Sokrates seinen Idealstaat mehr als einmal beschreiben zu lassen. Er erzählt uns hier [an dieser Textstelle], dass Sokrates die Institutionen [des Idealstaates], und nichts mehr, am Vortag umrissen habe.“)
- ↑ Vidal-Naquet, Atlantis, S. 19 f.
- ↑ vgl. Thukydides V 4–5
- ↑ A. E. Taylor: Plato. The man and his work, London 1926, S. 437
- ↑ Lampert/Planeux 1998, S. 94 f.
- ↑ a b Vidal-Naquet, Atlantis, S. 18
- ↑ Nesselrath, Kritias. Übersetzung und Kommentar, Göttingen 2006, S. 59
- ↑ Gliederung nach Müller/Schleiermacher-Edition
- ↑ Platon, Timaios 17 a-27 c
- ↑ Platon, Timaios 27 c-47 e
- ↑ Platon, Timaios 47 e-68 d
- ↑ Platon, Timaios 69 a-92 c
- ↑ Platon, Timaios 17 c-19 a
- ↑ Herter, „Urathen der Idealstaat“, in: Ders., Kleine Schriften, München 1975, S. 290: Eine solche Reduktion kann im Falle der Timaios-Einleitung wie auch der Beschreibung Ur-Athens als unvermeidbar eingeschätzt werden, um „das theoretische Referat auf das für das Verständnis des urathenischen Gemeinwesens unbedingt Notwendige zu beschränken und nicht […] den ganzen Inhalt der Politeia von A bis Z […] zu komprimieren […].“
- ↑ Platon, Timaios 19 c
- ↑ Platon, Timaios 20 b
- ↑ Platon, Timaios 20 d ff.
- ↑ Platon, Timaios 20 d-e, Platon unterlief bei dieser Konstruktion jedoch ein Fehler, da der Erzähler Kritias und der Archon Dropides sechs statt vier Generationen auseinander liegen.
- ↑ Platon, Timaios 22 b-23 a
- ↑ Platon, Timaios 24 a-b: Hierbei skizziert der Priester – den Inhalt der Politeia leicht abwandelnd – den Aufbau Ur-Athens gemäß dem Klassenschema Handwerker und Landwirte – Krieger – Priester, wobei die Ersetzung der archontes durch Priester als „Konzession an die Erzählsituation“ in Anbetracht der ägyptischen Gesellschaftsstruktur angesehen werden kann, Bichler, Athen besiegt Atlantis, S. 76.
- ↑ a b Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, 40. Halbband, 2506 (Leisegang)
- ↑ s. Abschnitt zur Rezeptionsgeschichte
- ↑ Platon, Timaios 27 d-28a
- ↑ Platon, Timaios 28 a
- ↑ Platon, Timaios 29 b
- ↑ Gloy, Studien zur Platonischen Naturphilosophie im Timaios, S. 34
- ↑ Platon, Timaios 29 c-d
- ↑ Gloy, Studien zur Platonischen Naturphilosophie im Timaios, S. 36 ff.
- ↑ Platon, Parmenides 165 a f.
- ↑ Platon, Timaios 53 d
- ↑ z. B. Platon, Timaios 30 b7, 44 d1, 48 d2, 49 b6, 53 d5–6, 55 d5, 56 a1, 57 d6, 59 c6, 68 d2, 72 d7, 90 e8
- ↑ Platon, Timaios 28 a-b
- ↑ a b vgl. Plato’s Timaeus, in: Stanford Encyclopedia of Philosophy
- ↑ Platon, Timaios 30 a
- ↑ Platon, Timaios 30 b
- ↑ Platon, Timaios 31 a-b
- ↑ Platon, Timaios 31–33
- ↑ Platon, Timaios 34 b
- ↑ Platon, Timaios 34 c
- ↑ Pythagoreische Einflüsse sind v.a. im Timaios und Philebos zu erkennen, Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, 40. Halbband, v.a. 2505, 2507 f. (Leisegang).
- ↑ Platon, Timaios 24 c-36 c
- ↑ Platon, Timaios 36 c-d
- ↑ Platon, Timaios 38 c-d
- ↑ Platon, Timaios 36 e
- ↑ Platon, Timaios 37 a-c
- ↑ Im Kritias-Götteranruf der Figur Timaios (Platon, Kritias 106 b 3–4) wird der darauf folgende Timaios generell als Theogonie charakterisiert, was nicht ganz passend erscheint: „Damit wir also in Zukunft über die Entstehung der Götter die Wahrheit reden, so flehen wir ihn an, er möge uns als Heilmittel, und zwar als das vollkommenste und beste aller Heilmittel, die Erkenntnis verleihen, und nach dem wir also den Gott angerufen, überlassen wir unser Übereinkunft gemäß dem Kritias die Fortsetzung.“
- ↑ Platon, Timaios 40 d-41 d
- ↑ Platon, Timaios 46 c
- ↑ Platon, Timaios 48 a
- ↑ Baeumker, Das Problem der Materie in der griechischen Philosophie, Frankfurt a. M. 1890, S. 117–125
Taylor, A commentary on Plato’s Timaeus, S. 299–303
Cornford, Plato’s Cosmology, S. 159–177 - ↑ Hartbecke, Der Timaios in der französischen Aufklärung, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 458
- ↑ Lipsius, Opera Omnia, Wesel 1675, IV 867 f.
Gassendi, Opera Omnia, Lyon 1658, I 156
Bayle, Dictionnaire historique et critique, Paris 1820–1824, XV 90–94 - ↑ Hartbecke, Der Timaios in der französischen Aufklärung, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 459
- ↑ Platon, Timaios 49 a ff.
- ↑ Platon selbst spricht abwechselnd von χώρα chṓra „Platz“, ὑποδοχή hypodochē „Aufnahme“, ἕδρα hédra „Sitz“, ἐκμαγεῖον ekmageîon „Prägemasse“, Platon, Timaios 49 a5–6, 50 c, 52 b1.
- ↑ Platon, Timaios 52 d
- ↑ Platon, Timaios 50 c
- ↑ Hierbei spiegelt die Metapher die griechische Vorstellung von der untergeordneten Rolle der Mutter bei der Zeugung wider.
- ↑ Fleischer, Anfänge europäischen Philosophierens, S. 90 f.
- ↑ Derrida, Chôra, Wien 1990, S. 14, 17 f., 21 f., 24 ff.
- ↑ a b vgl. Plato’s Timaeus, in: Stanford Encyclopedia of Philosophy
- ↑ Kyung Jik Lee, Der Begriff des Raumes im „Timaios“ im Zusammenhang mit der Naturphilosophie und der Metaphysik Platons, S. 118
- ↑ Platon, Timaios 48 b-c
- ↑ Platon, Timaios 49 b-50 b
- ↑ Platon, Timaios 53 a-b
- ↑ Fleischer, Anfänge europäischen Philosophierens, S. 93
- ↑ Platon, Timaios 53 c ff.
- ↑ andere Transformationen bei Platon, Timaios 56 d-e
- ↑ Die primäre Erschaffung des Menschen durch Verbindung von Seele und Leib ist im Timaios zwar Teil des Abschnittes „Entstehung durch die Vernunft“, wird dann aber in „Entstehung durch Vernunft und Notwendigkeit“ detaillierter ausgeführt und daher an dieser Stelle zusammengefasst behandelt.
- ↑ Platon, Timaios 48 a
- ↑ Platon, Timaios 41 d ff. und 90 e–92 c
- ↑ vgl. die Gliederung der Seele analog zu den Ständen des Staates in vernünftig, mutig und triebhaft, Platon, Politeia 434 d, 439 d–e, 441 d
- ↑ Platon, Timaios 69 c–71 a
- ↑ Platon, Timaios 75 b-c
- ↑ Platon, Timaios 77 c-90 d
- ↑ vgl. explizit Platon, Timaios 92 b1: „das vierte Geschlecht endlich“
- ↑ Platon, Timaios 90 e–91 d
- ↑ Platon, Timaios 91 d
- ↑ Platon, Timaios 91 e–92 a
- ↑ Platon, Timaios 92 a–92 b
- ↑ Franz von Kutschera, Platons Philosophie, Paderborn 2003, Bd. 3: Die späten Dialoge, S. 84
- ↑ etwa Platon, Phaidon, v. a. 110 b–115 a; Gorgias 523 a–526 c; überhaupt setzt die Anamnesis-Lehre eine Wiedergeburt voraus.
- ↑ Vgl. die eben zitierte Arbeit von Kutscheras. Die Kommentare von Taylor und Cornford, aber auch die aktuelle Darstellung von Johansen erörtern diese Passage kaum; Johansen (Plato’s Natural Philosophy, Cambridge 2004, S. 143) nennt sie „a comic exemplification“.
- ↑ zum platonischen Verständnis von Spiel und Ernst s. Guthrie, Play and Earnest, in: History of Greek Philosophy, Bd. 4, 56 ff.
- ↑ Platon, Timaios 92 c
- ↑ z. B. Schleiermacher aufgrund des „inneren Charakters der höchsten Reife und des ernsten Alters“ beider Dialoge, in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, 40. Halbband, 2372 (Leisegang)
- ↑ Als weitere Schrift dieses Typus neben Timaios und Kritias nennt Leisegang den Philebos, in: Pauly-Wissowa RE 40. Halbband, Sp. 2355: „Nach seiner Rückkehr [von der dritten Sizilienreise] in die Akademie ließ Platon die im Sophistes und Politikos begonnene Arbeit liegen und wandte sich, wahrscheinlich den Anregungen folgend, die er durch die Pythagoreer erhalten hatte, naturwissenschaftlichen Arbeiten zu, aus denen der Timaios entstand, dem der Kritias und der Philebos folgten.“
- ↑ Isokrates, Busiris 15–20
- ↑ Isokrates, Busiris 17
- ↑ Platon, Timaios 23 d-e
- ↑ Walter Burkert: Weisheit und Wissenschaft, Nürnberg 1962, S. 208-211; Carl Huffman: Philolaus of Croton, Cambridge 1993, S. 12f.
- ↑ Isokrates, orationes VII 74
- ↑ Robert W. Wallace: „The Date of Isokrates' Areopagitikos“, in: Harvard Studies in Classical Philology 90, 1986, S. 77-84. doi:10.2307/311460
- ↑ Klaus Bringmann: Studien zu den politischen Idee des Isokrates (= Hypomnemata 14), Göttingen 1965, S. 76-81.
- ↑ Eberhard Ruschenbusch: „PATRIOS POLITEIA. Theseus, Drakon, Solon und Kleisthenes in Publizistik und Geschichtsschreibung des 5. und 4. Jh. v. Chr.“, in: Historia 7, 1958, S. 398-424 [S. 407].
- ↑ z. B. G. E. L. Owen, The Place of the Timaeus in Plato’s Dialogues, zitiert nach: Guthrie, A History of Greek Philosophy, Bd. 5, S. 243: „Until 1953, the Timaeus and its sequel the Critias were universally believed to be, with the possible exception of the Philebus, the latest of Plato’s works except the Laws. In that year G. E. L. Owen published his now famous article designed to show that on the contrary it belonged to the middle group of Republic and Phaedo and preceded the ‚ctritical‘ group.“ (deutsch: „Bis 1953 galten der Timaios und die Nachfolgeschrift Kritias allgemein, mit der möglichen Ausnahme des Philebos, als die spätesten der Werke Platons abgesehen von den Nomoi. In diesem Jahr publizierte G. E. L. Owen seinen heute bekannten Aufsatz, der darauf ausgerichtet war zu zeigen, dass er im Gegenteil zur mittleren Gruppe von Politeia und Phaidon gehört und der ‚fraglichen‘ Gruppe vorausgeht.“)
- ↑ Bichler, Athen besiegt Atlantis, S. 74
- ↑ Fleischer, Anfänge europäischen Philosophierens, S. 74
- ↑ Kobusch, Der Timaios in Chartres, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 235
- ↑ Leinkauf, Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. X f.
- ↑ v. a. Aristoteles, De Caelo, 1. Buch, Kapitel 10–12
- ↑ Baltes 1976, S. 6
- ↑ Zusammenfassung bei Baltes 1976, S. 208–210 f.
- ↑ Baltes 1976, S. 208
- ↑ Platon, Phaidros 245 c-d
- ↑ Baltes 1976, S. 213
- ↑ Baltes 1976, S. 210 f.
- ↑ Weitere Vertreter dieser Interpretation sind z. B. Speusippos, Xenokrates, Theophrastos, Krantor, Philon, Aetios, Plotin, Iamblichos und Proklos
- ↑ Baltes 1976, S. 211
- ↑ Weitere Vertreter dieser Interpretation sind z. B. Albinos, Plotin, Porphyrios, Calcidius, Iamblichos und Proklos
- ↑ Baltes 1976, S. 82
- ↑ Weitere Vertreter dieser Interpretation sind z. B. Philon, Amonios (Lehrer Plutarchs) und Albinos
- ↑ Baltes 1976, S. 212
- ↑ Baltes 2006, S. 92, 96
- ↑ Proklos, Procli Diadochi in Platonis Timaeum Commentaria, I, S. 75, 30 ff. (Diehl), (= FGrHist 665 F 31): „Es bezeugen dies aber – sagt er – auch die Priester der Ägypter, die behaupten, dies sei auf noch existierenden Stelen niedergeschrieben.“ (Übersetzung nach Nesselrath); siehe dazu Heinz-Günther Nesselrath: Atlantis auf ägyptischen Stelen? Der Philosoph Krantor als Epigraphiker, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 135, 2001, S. 33
- ↑ Alan Cameron, Crantor and Posidonius on Atlantis, in: Classical Quarterly 3 (1983) S. 81–91; Leonardo Tarán, Proclus on the Old Academy, in: Proclus lecteur et interprète des anciens, Paris 1987, S. 269–272
- ↑ Platon, Timaios 23 a4–5
- ↑ Matthias Baltes, Numenios von Apamea und der platonische Timaios, in: Vigiliae Christianae 29, 1975, S. 241–270 doi:10.2307/1582870
- ↑ Übersetzung von Platon, Timaios 27 d-47 b, Ausschnitte der Cicero-Version siehe hier.
- ↑ Übersetzung von Platon, Timaios 17 a-53 c, Ausschnitte der Calcidius-Version siehe hier.
- ↑ Boethius, De consolatione philosophiae. III, metr. IV
- ↑ Speer, Lectio physica. Anmerkungen zur Timaios-Rezeption im Mittelalter, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 214.
- ↑ Charles H. Lohr: Henricus Aristippus, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. IV (1989), Sp. 2136.
- ↑ Eckart Mensching, Zur Chalcidius-Überlieferung, in: Vigiliae Christianae 19 (1965), S. 42–56
- ↑ Nachgewiesen z. B. bei Johannes Scotus Eriugena und Pseudo-Dunchad in ihren Glossen zu Martianus Capella, ferner Abbo von Fleury, Gerbert von Aurillac, Manegold von Lautenbach oder Lanfrank von Bec
- ↑ Speer, Lectio physica. Anmerkungen zur Timaios-Rezeption im Mittelalter, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 214 f.
- ↑ Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. XIV f.
- ↑ Bernhard von Chartres, Glossae super Platonem (accessus) 1 (ed. P. E. Dutton), 140, 20–22, 32–39, 50–51
- ↑ Bernhard von Chartres, Glosae super Platonem (In Timaeum 50 d) 8 (ed. P. E. Dutton), 226, 201–202
- ↑ Als physikalische Aspekte des Timaios nennt Bernhard die Beschreibung von Flächen und Körpern in der Elementlehre, die Inkorporation der Weltseele, deren Bewegung und die Bahnen der Gestirne.
- ↑ Bernhard von Chartres, Glosae super Platonem (accessus) 1 (ed. P. E. Dutton), 141, 56–63
- ↑ Speer, Lectio physica. Anmerkungen zur Timaios-Rezeption im Mittelalter, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 219.
- ↑ Die Identifizierung der Weltseele mit dem Heiligen Geist ist keine außergewöhnliche Ansicht, sondern vielmehr ein „Gemeinplatz im 12. Jahrhundert“, der u. a. von Abaelardus oder Bernardus Silvestris vertreten wurde, Kobusch, Der Timaios in Chartres, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 249 f.
- ↑ Speer, Lectio physica. Anmerkungen zur Timaios-Rezeption im Mittelalter, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 223 f.
- ↑ Die Gleichsetzung der platonischen Weltseele mit dem Heiligen Geist ist in Wilhelms Spätwerk Dragmaticon – wahrscheinlich als Reaktion auf den Häresievorwurf – nicht mehr zu finden, Kobusch, Der Timaios in Chartres, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 249.
- ↑ Speer, Lectio physica. Anmerkungen zur Timaios-Rezeption im Mittelalter, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 233
- ↑ Leinkauf, Die Rezeption des Timaios in Renaissance und Früher Neuzeit, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 375
- ↑ Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. XXI
- ↑ Als Vorläufer einer theologischen Lesart in der Antike können Proklos und Iamblichos gesehen werden.
- ↑ Leinkauf, Die Rezeption des Timaios in Renaissance und Früher Neuzeit, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 366 f.
- ↑ Ficino, In Timaeum, c. 2
- ↑ Ficino, In Timaeum, c. 26
- ↑ Ficino, In Timaeum, c. 16
- ↑ Leinkauf, Die Rezeption des Timaios in Renaissance und Früher Neuzeit, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 369
- ↑ Hankins, Plato’s psychogony in the later Renaissance, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 393 f.
- ↑ Leinkauf, Die Rezeption des Timaios in Renaissance und Früher Neuzeit, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 377 f.
- ↑ Gloy, Studien zur Platonischen Naturphilosophie im Timaios, S. 8
- ↑ Leinkauf, Die Rezeption des Timaios in Renaissance und Früher Neuzeit, in: Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. 381
- ↑ So z. B. W. C. Dampier-Whetham, A History of Science, 1930, S. 27
- ↑ Rey, La science dans l’antiquité, 5 Bde., Paris 1930–1948, Bd. 3, S. 277 ff.; Heisenberg, „Gedanken der antiken Naturphilosophie in der modernen Physik“, in: Die Antike, Bd. 13, 1937; Whitehead, Process and Reality, 1929, New York 31941, S. 142 ff.
- ↑ Martin, „Abhandlung zu Atlantis“, in: Études sur le Timée de Platon, S. 257–333
- ↑ Martin, „Abhandlung zu Atlantis“, in: Études sur le Timée de Platon, S. 333
- ↑ Zeller, Die Philosophie der Griechen, 3 Bde., Leipzig 51922, Bd. 2, S. 791–796
- ↑ Zeller, Die Philosophie der Griechen, Bd. 2, S. 796
- ↑ Zeller, Die Philosophie der Griechen, Bd. 2, S. 796: „Mögen nun auch diese Widersprüche nicht hinreichen, um zu beweisen, dass Plato die Annahme eines Weltanfangs mit ausdrücklichem Bewusstsein als eine für sich unwahre Vorstellung gebraucht, und seiner eigentlichen Meinung nach die Anfangslosigkeit der Welt ausdrücklich angenommen habe, so können sie doch wenigstens so viel darthun, dass ebensowenig die entgegengesetzte Annahme als ein von Plato mit ausdrücklicher didaktischer Absicht vorgetragener Lehrsatz, sondern höchstens nur als eine von den Vorstellungen betrachtet werden kann […].“
- ↑ Cornford, Plato’s Cosmology, S. 27: „What is really an analysis of the elements of rational order in the visible universe and of those other elements on which order is imposed, is presented in mythical form as the story of a creation in time.“ (deutsch: „Was in Wahrheit eine Analyse der Elemente von rationaler Ordnung im sichtbaren Universum und der anderen Elemente ist, denen diese Ordnung aufgezwungen wird, wird in mythischer Form als die Geschichte einer zeitlichen Schöpfung präsentiert.“)
- ↑ a b Scheffel, Aspekte der platonischen Kosmologie, S. XIII
- ↑ Leinkauf, Steel (Hgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, S. VI
- ↑ von Weizsäcker, Platonische Naturwissenschaft im Laufe der Geschichte (Veröffentlichung der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften), Göttingen 1971
- ↑ Scheffel, Aspekte der platonischen Kosmologie, S. X
- ↑ Heisenberg, „Gedanken der antiken Naturphilosophie in der modernen Physik“, in: Die Antike, Bd. 13, 1937, abgedruckt auch in: Wandlungen in den Grundlagen der Naturwissenschaft, Stuttgart 111980 S. 77–84
- ↑ Gloy, Studien zur Platonischen Naturphilosophie im Timaios, S. 8
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