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Neonazismus – Wikipedia

Neonazismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Neonazismus (aus griech. νέος/neos (neu) und Nazismus) kennzeichnet die Wiederaufnahme nationalsozialistischen Gedankenguts nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende des Dritten Reiches durch nicht durch die nationalsozialistische Herrschaft geprägte Personen. Der Begriff steht im Gegensatz zum Altnazi (auch: Alt-PG (Parteigenosse)), den Trägern der nationalsozialistischen Ideologie, die diese bereits während der nationalsozialistischen Herrschaft übernommen hatten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Deutschland

Neonazis bei einer Demonstration am 2. April 2005 in München
Neonazis bei einer Demonstration am 2. April 2005 in München
Neonazis marschieren zu Ehren des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß
Neonazis marschieren zu Ehren des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß
Teile der Neonaziszene treten als Skinheads in Erscheinung
Teile der Neonaziszene treten als Skinheads in Erscheinung
Neonazis als Autonome Nationalisten im Schwarzen Block mit antikapitalistischen und nationalsozialistischen Parolen
Neonazis als Autonome Nationalisten im Schwarzen Block mit antikapitalistischen und nationalsozialistischen Parolen
Neonazi-Mahnwache am 8. Mai 2006 in München
Neonazi-Mahnwache am 8. Mai 2006 in München

Bis in die 1970er Jahre hinein war die in Parteien wie der SRP oder der NPD organisierte rechtsextreme Szene in der Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen von so genannten Altnazis bestimmt, die schon während des Dritten Reichs Anhänger des Nationalsozialismus gewesen waren. Seit Ende der 1970er Jahre wird das Bild dieser Szene jedoch überwiegend von Nachgeborenen bestimmt, die keine eigenen Erfahrungen mehr mit der NS-Diktatur und dem Krieg gemacht, sondern sich die Ansichten der Altnazis meist kritiklos angeeignet haben. Sie unterscheiden sich von diesen in der Regel auch durch eine erheblich höhere Gewaltbereitschaft.

Die Neonazis (in ihren Grundüberzeugungen sind sie den Altnazis gleichzusetzen) zeichnen sich im Allgemeinen durch ihre extreme Ablehnung von Minderheiten aus. Juden und Ausländer – insbesondere Asylbewerber und türkischstämmige Einwanderer, aber auch Deutsche mit abweichender ethnischer Herkunft – dienen neben politisch Andersdenkenden wie z. B. Kommunisten, Anarchisten und Sozialdemokraten als bevorzugtes Feindbild. Die Neonazis beabsichtigen die Schaffung einer ethnisch homogenen Nation, in der weder die deutschen Juden, noch von Ausländern abstammende oder eingebürgerte Deutsche Platz hätten. Zu ihrer ausgeprägten Fremdenfeindlichkeit kommen extrem sozialdarwinistische Einstellungen, die sich in ihrem Hass auf gesellschaftliche Randgruppen wie Behinderte, Homosexuelle und sozial Schwache – z. B. Obdachlose – ausdrücken. Ein großer Teil der Neonazis leugnet oder relativiert die Verbrechen des Nationalsozialismus, speziell den Holocaust.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat 2005 mit 4.100 Neonazis 300 mehr als im Vorjahr registriert. Die Anzahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten habe sich zudem von 10.000 auf 10.400 erhöht.

Andere rechtsextreme Strömungen

Neben den Neonazis formieren sich zusehends sog. „nationalrevolutionäre“ Kräfte im Umfeld des rechtsextremen Spektrums. Diese fallen durch eine stärkere theoretische Ausrichtung auf und orientieren sich teilweise an den Vorbildern Ernst Niekisch und Karl Otto Paetel und insgesamt an einem „Sozialrevolutionären Nationalismus“. Bekannt wurden diese Gruppierungen und Zirkel durch Zeitschriften wie „Junges Forum“ (etwa Anfang der 1970er Jahre) und „Wir selbst“. Aus diesen Zirkeln gingen Gruppen wie die „Nationalrevolutionäre Koordination“ hervor. Man ist insgesamt bemüht, sich offiziell vom sog. „Dritten Reich“ abzugrenzen und formuliert eigene Theorien. Im Mittelpunkt stehen hierbei der Ethnopluralismus und ein Antikapitalismus mit teilweise stark antimodernen Ideologiemomenten. Laut Verfassungsschutzberichten verzeichnen derartige Projekte zurzeit einen starken Zulauf, stellen aber immer noch eine verschwindende Minderheit innerhalb der rechtsextremen Szene dar. Zu den wichtigsten Publikationen zählt unter anderem der „Fahnenträger“, eine nach ihrem Selbstverständnis sozialrevolutionäre und nationalistische Zeitschrift. Hinzu zählt man auch die Internetseiten „Die Kommenden“ und „Dritte Front“. Diese seien angeblich Vorreiter einer sich neu abzeichnenden „Nationalrevolutionären Bewegung“.

International

In fast allen europäischen Ländern und den USA gibt es Gruppierungen, die dem Neo-Nationalsozialismus zuzuordnen sind. Die fremdenfeindlichen, antisemitischen und sozialdarwinistischen Ansichten dieser Neonazis entsprechen in jeweils abgewandelter Form denen der deutschen Gruppierungen. So sind US-amerikanische Neonazis in der Regel durch Hass auf Schwarze, Asiaten und Juden gekennzeichnet und vertreten die Ansicht, die „weiße Rasse“ der „Arier“ müsse „rein“ erhalten werden.

Viele Neonazis vertreten ihre Ansichten aktiv und gewalttätig. Seit Anfang der 1990er Jahre kam es in Deutschland vermehrt zu Anschlägen auf Asylbewerberwohnheime, auf Politiker, zu Übergriffen auf Ausländer und zu Demonstrationen, bei denen gewaltsame Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten und der Polizei zur Tagesordnung gehörten.

Internet und Codes

Das Internet mit seinen dezentralen Strukturen und teilweise ungeklärter oder unübersichtlicher Rechtslage wird neben vielen anderen politischen Gruppen auch von Neonazis intensiv genutzt.

Im Internet werden gerne Schlüsselsymbole wie 18 (A.H.) und 88 (H.H.) genutzt, wie auch „Adolf Hitler“ rückwärts geschrieben, floda reltih.

Erkennungsmerkmale und Zeichen

Neonazis ließen sich zwischen 1980 und 1993 immer häufiger an ihrem Erscheinungsbild erkennen. Dieses bestand aus dem Tragen von Bomberjacken (olivgrün oder schwarz), vor allem Jeans oder Flecktarnhosen und so genannten Springerstiefel oder ähnlich aussehende Stahlkappenschuhe mit weißen Schnürsenkeln. Zudem rasierten sie sich den Kopf, was ihnen die Bezeichnung Skinhead einbrachte, obgleich es sich bei den Skinheads eigentlich um eine ältere, nicht rechtsextreme Bewegung aus Großbritannien handelt.

Seit den Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992 hat sich in der deutschen Bevölkerung die Toleranz gegenüber Rechtsradikalen erheblich verringert, so dass die Neonazis dazu übergingen, sich nicht mehr deutlich sichtbar als Neonazi zu erkennen zu geben. Sie ließen ihre Haare wieder wachsen und verzichteten auf ihre Bomberjacken- und Springerstiefel-Aufmachung. Stattdessen wechselten sie zu versteckten Erkennungsmerkmalen, die die normale Bevölkerung nicht kennt.

Besonders wichtig hierbei sind die Zahlenfolgen „88“, „18“, „14“ und seit geraumer Zeit auch „28“. Da der achte Buchstabe des Alphabets das „H“ ist, steht „88“ für „HH“, was für „Heil Hitler“ steht. Die Zahl „18“ steht für „AH“ - „Adolf Hitler“. Die Zahl 14 steht für die „14 words“ („We must secure the existence of our people and a future for White children“) und wurde ursprünglich von US-amerikanischen Rassisten benutzt. Die 28 steht für die mittlerweile in Deutschland verbotene Organisation Blood & Honour - „BH“. Kombinationen aus diesen Zahlen (1488 und 1888) sind ebenfalls sehr beliebt. Diese Zahlen werden unter anderem auf Baseball-Kappen oder T-Shirts getragen.

Als Kleidermarken sind besonders Pit Bull, Everlast, Thor Steinar, New Balance und Consdaple verbreitet. Lonsdale und Consdaple werden gern als T-Shirt unter einer geöffneten Jacke getragen, damit die Buchstabenfolge „nsda(p)“ zu sehen ist.

Nicht jeder, der diese Marken trägt, muss ein Neonazi sein, zumindest Consdaple wird jedoch bewusst für diesen Markt produziert. Fast alle dieser Erkennungsmerkmale kommen aus der Skinhead-Subkultur und haben ursprünglich keine politische Bedeutung. Weiße Schnürsenkel etwa standen ursprünglich für die Vereinigung von weißen und schwarzen Jugendlichen in England oder einfach nur der Optik wegen und nicht für eine rassistische Botschaft.

Es gibt auch in einigen anderen Jugendkulturen viele Neonazis. So zum Beispiel „National Socialist Black Metal“ (NSBM), deren Anhänger äußerlich meist kaum von anderen Anhängern von Black Metal zu unterscheiden sind (schwarze Kleidung, lange Haare, heidnische Symbole) und sich meist sehr stark über das Heidentum definieren. Auch in der Gabberszene gab es in den letzten Jahren immer mehr Neonazis.

Allerdings können diese Erkennungsmerkmale bei weitem nicht auf alle Neonazis bezogen werden. Oftmals sind die politischen Fädenzieher, wie z. B. Christian Worch oder Siegfried Borchardt, kaum von „normalen“ Personen unterscheiden. Ferner gibt es Aktivisten wie Axel Reitz oder Philipp Hasselbach, die in SA-ähnlichen Uniformen oder langen, schwarzen „Gestapo-Ledermänteln“ auftreten.

Seit etwa dem Jahr 2000 übernehmen Neonazis zunehmend ursprünglich linke oder linksradikale Symbolik und Outfits wie die der Autonomen-Bewegung und des „Schwarzen Blocks“. Sie kleiden sich teilweise ganz in Schwarz mit Kapuzenpulli, Basecap etc. Immer häufiger tragen deutsche Neonazis eine Kufiya („Palituch“) als Bekenntnis gegen Israel und Juden allgemein (siehe z. B. die Kader der Freien Kameradschaften wie Alexander Hohensee oder Thomas Gerlach).

Siehe auch: Rechtsextreme Symbole und Zeichen

Rechtsrock

Hauptartikel: Rechtsrock

Der erste Kontakt zur Szene geschieht meist über die Musik der Neonazis. Diese kann teils sehr balladenhaft sein (Frank Rennicke), meist wirkt sie jedoch aggressiv. Ursprünglich kommt der Rechtsrock (auch RAC genannt) aus England (Skrewdriver, No Remorse, Skullhead), seit den 1980er Jahren steigt die Zahl der Neonazi-Bands auch in Deutschland stetig an. Seit Mitte/Ende der 1990er Jahre erkennt die Szene das Rekrutierungspotential, das in der Musik liegt. Bekannte Bands nennen sich Sturmwehr, Störkraft, Kraftschlag, Landser, Zillertaler Türkenjäger, Endstufe, Stahlgewitter, Oidoxie oder Noie Werte.

Es gibt jährlich Hunderte illegaler Konzerte. Per Handy geben die Veranstalter die Orte der Konzerte erst in letzter Minute an die Besucher weiter. Diese stehen untereinander in Kontakt und werden dann dorthin gelotst. Vorab ist nur der ungefähre Standort bekannt, so dass sich alle in unmittelbarer Nähe befinden.

Ausstieg aus der Szene

Wer der Neonaziszene angehört, sich jedoch nicht mehr mit deren Zielen identifiziert und aussteigen will, steht oft vor großen Problemen. Da ist zum einen die Angst vor Racheakten der alten Gesinnungsgenossen, zum anderen haben viele Neonazis außerhalb der Szene keine Freunde (mehr). Daher gibt es seit einigen Jahren Projekte, die Ausstiegswilligen Unterstützung anbieten, unter anderem die Initiative Exit Deutschland.

Siehe auch

Literatur

  • Michael Schmidt: Heute gehört uns die Straße. Der Inside Report aus der Neonazi-Szene. Econ Verlag. Düsseldorf/Wien/New York, 1993. ISBN 3612261657

Weblinks


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