Jüdische Geschichte in Köln

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Die Jüdische Geschichte in Köln geht urkundlich bis auf das Jahr 321 zurück und ist damit beinahe so lang wie die Geschichte Kölns. Die heutige Kölner Synagogengemeinde bezeichnet sich aufgrund dieser historischen Kontinuität selbst als „die älteste Jüdische Gemeinde nördlich der Alpen“.[1]

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Antike

Kaiser Konstantin verbindet Köln und Deutz mit einer ersten festen Brücke
Kaiser Konstantin verbindet Köln und Deutz mit einer ersten festen Brücke

Für die Berufung in ein städtisches Amt waren Grundbesitz und ein gewisses Ansehen der Person Voraussetzung. So gilt das an den Kölner Stadtrat ergangene Dekret Kaiser Konstantins des Jahres 321, das auch Juden die Berufung in die „curia“ erlaubte, als frühester Beleg für die Existenz einer jüdischen Gemeinde in der Stadt Köln. Das kaiserliche Dekret hatte in der Übersetzung folgenden Wortlaut:

„Allen Stadträten gestatten Wir durch allgemeines Gesetz, Juden in die Kurie zu berufen. Damit ihnen aber eine gewisse Entschädigung für die frühere Regelung verbleibt, lassen Wir es zu, dass immer zwei oder drei das Vorrecht genießen sollen, durch keinerlei Berufung (zu Ämtern) in Anspruch genommen zu werden.“

In einer weiteren Urkunde von 341 ist vermerkt, dass die Synagoge mit kaiserlichen Privilegien ausgestattet wurde. Der Bau eines Gotteshauses lässt davon ausgehen, dass zu dieser Zeit schon eine größere Gemeinde vorhanden war. Die zweite Urkunde ergänzt und belegt die frühe Existenz des jüdischen Viertels. Diese Anordnungen Konstantins bleiben jedoch über einige Jahrhunderte die einzigen Belege für das Vorhandensein einer jüdischen Gemeinde in Köln.[2]

[Bearbeiten] Mittelalter

Plan des jüdischen Viertels am Rathausplatz
Plan des jüdischen Viertels am Rathausplatz

Im Mittelalter gab es in Köln die folgenden jüdischen Gemeinden, Synagogen, Mikwen, Schulen, Hospize und Begräbnisstätten:

  • Erzbischof Engelbert II. gab den Juden ein Privileg, dokumentiert auf einer Steintafel des Jahres 1266 (heute im Kölner Dom)
  • Grabstein der Rachel aus dem Jahr 1323 (im Zeughaus)
  • Mittelalterliches Judenviertel bis um 1424 mit Synagoge und Mikwe um das spätere Kölner Rathaus (Mikwe noch vorhanden)
  • Mittelalterlicher Friedhof am Judenbüchel, Köln-Raderberg (nicht mehr vorhanden)

[Bearbeiten] Jüdische Viertel

Köln 1266, Erzbischof Engelbert II. gibt den Juden ein Privileg
Köln 1266, Erzbischof Engelbert II. gibt den Juden ein Privileg

Wann erste Juden auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands auftraten, lässt sich nicht genau feststellen. Gesichert ist, dass zur Römerzeit Juden an den Rhein und an die Donau gelangt sind. Aufgrund der ungenauen Überlieferungen hierüber gibt es nur Vermutungen, die einen ersten jüdischen Friedhof im Süden der Stadt Köln unmittelbar am cardo maximus lokalisieren.[3]

Dieser erste Hinweis auf ein jüdisches Wohnviertel im Zentrum der spätantiken Römerstadt fand sich in den ältesten Schreinsbücher führenden Kölner Pfarreien St. Martin und St. Laurenz. Die sogenannten Schreinsbücher waren die Grundbücher des Mittelalters, sie erfassten auch die zu ihrem Bezirk gehörenden Liegenschaften der jüdischen Anwohner.

Christliche und jüdische Gelehrte beim Disput (Holzschnitt 1483)
Christliche und jüdische Gelehrte beim Disput (Holzschnitt 1483)

Zu jener Zeit kann man hier von einem gutnachbarlichen Zusammenleben der Juden und Nichtjuden ausgehen. Die Juden sprachen damals neben ihrem wohl rudimentär vorhandenen Hebräisch die gleiche Sprache wie alle anderen. [4] Allerdings blieben sie im Gegensatz zu dem übrigen Völkergemisch im frühen Köln in ihrem östlich der Hohe Straße in der Nähe des Kölner Rathauses gelegenen Viertel unter sich. Über einige kleine Nebenstraßen der Hohe Straße, wie zum Beispiel die Salomonsgasse oder die Große Budengasse, gelangte man mit wenigen Schritten zum rheinwärts (östlich) gelegenen „Judenviertel“.

Seit wann ein Straßenzug „Judengasse“ genannt wurde, ist allerdings nicht mehr zu klären. Um 1270 ist der Begriff platea judeorum urkundlich belegt.[5] [6] Köln besaß damit die erste nachgewiesene jüdische Gemeinde nördlich der Alpen [7], die annähernd ein Jahrtausend als eine der bedeutendsten in Deutschland bestand.

Die heutige Judengasse verläuft zwischen dem Rathausplatz und Obenmarspforten. Sie verlief ehemals über den Rathausplatz hinaus und umfasste die spätere Bürgergasse sowie die Straße Unter Taschenmacher. In dieser Zeit wird auch eine Judenschule [8] des Viertels erwähnt. Um 1200 ist eine Talmud-Schule als „scola judeorum“ an der Portalsgasse genannt, im Jahr 1400 heißt es „die joedenschoeile“ oder „judinschoile“. Weitere Gebäude der Gemeinde waren Mikwe (Ritualbad), Badestube, Bäckerei, Hochzeits- und Spielhaus und Hospiz. Heute sind die Grundrisse dieser Gebäude in der Pflasterung durch eine Bronzetafel kenntlich gemacht. Die Mikwe wurde restauriert und kann nach Anmeldung besichtigt werden.

Zu Beginn des Kreuzzuges 1096 und erneut im „Kölner Pestjahr“ 1349 wurde das jüdische Viertel im Laufe der einsetzenden Pogrome zerstört. 1424 wurden die noch verbliebenen jüdischen Einwohner vertrieben. 1426 erbaute man auf den Mauern der jüdischen Synagoge die Kirche „Sankt Maria in Jerusalem“, die Ratskapelle.

[Bearbeiten] Mittelalterliche Pogrome in Köln

Judenverbrennung im Heiligen Römischen Reich (mittelalterliches Manuskript, heute in der Luzerner Bürgerbibliothek)
Judenverbrennung im Heiligen Römischen Reich (mittelalterliches Manuskript, heute in der Luzerner Bürgerbibliothek)

Im Sommer 1349 wurde auch die Stadt Köln von der aus dem Orient über Italien und Frankreich nach Deutschland eingeschleppten Pest erreicht. Die katastrophalen hygienischen Verhältnisse in den engen Stadtgassen förderten überdies die Ansteckung, sodass die Sterbefälle signifikant anstiegen. Der Epidemie erlagen in der Stadt täglich bis zu Hundert Menschen. Nachdem weder Gottesdienste, Selbstgeißelung, Wunderheiler oder Scharlatane den Menschen halfen, schlug die Furcht der Menschen um in Hass. Diese allgemeinen aus Angst und Hilflosigkeit resultierenden Hassausbrüche der Bevölkerung richteten sich vor allem gegen die jüdische Minderheit. So kam es zu Ausschreitungen, die am 24. August in der später so genannten „Kölner Bartholomäusnacht“ gipfelten. In dieser Nacht wurden die Juden in ihrem Viertel angegriffen, Flüchtende verfolgt und getötet, ihre Häuser wurden niedergebrannt. Der Rat ließ nicht eingreifen, da er selbst und die Kaufmannsgeschlechter durch die Geschehnisse profitierten, denn in dieser Nacht verbrannte auch so mancher von Bürgern unterschriebene Schuldschein in den Häusern der jüdischen Kreditgeber.

Die dann folgende Vertreibung der Überlebenden aus der Stadt ließ einige der Entkommenen jenseits des Rheins Zuflucht suchen. 1372 gestattete der Rat erstmals wieder den Zuzug einiger Juden. Auf Bitten des Erzbischofs Friedrich wurden sie in der Stadt aufgenommen und erhielten ein erstes befristetes Schutzprivileg für eine Dauer von 10 Jahren. An dieses knüpfte der Rat jedoch Bedingungen. So war für den Zuzug ein Aufnahmegeld zwischen 50 und 500 Gulden zu zahlen sowie eine jährlich neu festzulegende Summe als allgemeine Abgabe zu entrichten. Nach weiteren Verlängerungen des Bleiberechtes verschärfte der Rat seine Restriktionen gegen die Juden, er proklamierte 1404 eine „Judenordnung“. Es wurde den Juden auferlegt, sich durch ihre Kleidung zum Beispiel durch den spitzen Judenhut kenntlich zu machen, auch jede Art von Luxus wurde ihnen untersagt. 1423 beschloss der Kölner Rat, ein bis Oktober 1424 befristetes Aufenthaltsrecht für die Juden nicht mehr zu verlängern. [9]

[Bearbeiten] Emigration

In Folge der mittelalterlichen Pogrome und der endgültigen Ausweisung 1424 entschlossen sich wohl auch viele der Kölner Juden zur Auswanderung in osteuropäische Länder wie Polen und Litauen, in denen sich in der Folge das Jiddisch als Umgangssprache aus dem Hebräischen, Mittelhochdeutschem und Slawischen entwickelte. Viele dieser Emigranten kehrten Anfang des 19. Jahrhunderts zurück und wohnten dann hauptsächlich im Bereich der Thieboldsgasse südöstlich des Neumarktes.

Nur wenige der Juden blieben in der Nähe Kölns und wurden vorwiegend im Rechtsrheinischen (Deutz, Mühlheim, Zündorf) sesshaft. Später entstanden so neue kleine Gemeinden, die mit den Jahren heranwuchsen. Die erste Gemeinde in Deutz entstand im Bereich der heutigen „Mindener Straße“. Dort fühlten Juden sich unter dem Schutz des Erzbischofs Dietrich von Moers (1414-1463) in Sicherheit.

[Bearbeiten] Judenbüchel

Hauptartikel: Judenbüchel

Grabstein der Rachel, 1323  (siehe Bildtext)
Grabstein der Rachel, 1323
(siehe Bildtext)

Für das Jahr 1212 erwähnt eine Urkunde des Heiligen Engelbert, zu der Zeit Propst des Stiftes St. Severin, „dass vor 38 Jahren Ritter Ortliv fünf Joch Landes auf dem Judenkirchhof, die er vom Stift St. Severin zu Lehen trug, diesem resigniert (zurückübertragen) habe; dass sie dann den Juden gegen jährlichen Zins von vier Denaren überlassen seien und Ortliv jetzt darauf keine Ansprüche machen könne.“ [10] 1266 sicherte Erzbischof Engelbert II. den Juden gerechte Behandlung und die ungestörte Benutzung ihres Friedhofes an der Bonner Straße zu. Es handelte sich um den vor den Mauern des Köln nach Süden abgrenzenden Severinstores gelegenen, so genannten Judenbüchel oder Toten Juden. Diese Bezeichnung blieb dem Gelände auch nach der Aufhebung des Friedhofes bis zum Bau des Großmarktes an dieser Stelle.

Grabsteine aus dem Jahr 1323. Bei Grabungen im Kölner Rathausbezirk wurden 1953 zwei vollständig erhaltene Grabsteine an der Nordwestecke des Rathauses in einem großen Bombentrichter gefunden. Wahrscheinlich stammen sie von diesem jüdischen Friedhof vor dem Severinstor, die als Baumaterial missbraucht worden waren. Die Inschrift des Grabsteines der Rachel lautet:

"Es starb Frau Rachel, Tochter des R. Schneior, am Dienstag, dem 16. Elul des Jahres 83 des 6. Jahrtausends. Ihre Seele sei geknüpft in den Bund des ewigen Lebens. Amen. Sela."

Auch in den Jahren nach der Ausweisung aus Köln wurden verstorbene Gemeindemitglieder der Deutzer Gemeinde auf mühevolle Weise zum linksrheinisch gelegenen Friedhof gebracht.

[Bearbeiten] Neuzeit

Geschehnisse, Gemeinden, Synagogen, Bethäuser, Mikwen, Schulen, Hospize und Begräbnisstätten im heutigen Stadtgebiet.

[Bearbeiten] Nach der Ausweisung

Joseph Clemens von Bayern gewährt den Juden Privilegien
Joseph Clemens von Bayern gewährt den Juden Privilegien

Die wenigen verbliebenen Juden bildeten im rechtsrheinischen Deutz den Anfang einer Gemeinde, deren Rabbiner sich später als „Landrabbiner von Köln“ bezeichneten. Die Anfänge der Deutzer Gemeinde waren recht bescheiden. So wird aus der Mitte des 15. Jahrhunderts „Rabbi Vives“ erwähnt, der neben anderen auch die Gemeinde Deutz betreute. Um 1634 waren es 17 Juden, 1659 waren 24 Häuser von Juden bewohnt, und 1764 bestand die Gemeinde aus 19 Personen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erreichte die Gemeinde einen Stand von 163 Mitgliedern.[11]

Die Gemeinde wurde zu einem kleinen jüdischen „Viertel“ im Bereich Mindener- und Hallenstraße. Dort stand auch eine erste, 1426 erwähnte Synagoge, welche durch den immensen Eisgang des Rheins im Jahr 1784 zerstört wurde. Die diesem Gotteshaus zugehörige Mikwe, das wie ein Brunnen tief angelegte Ritualbad, ist möglicherweise noch heute unter der Aufschüttung der Brückenrampe (Deutzer Brücke) vorhanden. [12] Dieses erste im rechtsrheinischen Kölner Raum gelegene jüdische Gotteshaus ersetzte die Gemeinde durch einen kleinen Neubau am westlichen Ende der „Freiheit“, der heutigen Straße „Deutzer Freiheit“ (1786-1914). Zu dieser Zeit lebten auch die Juden der Deutzer Gemeinde wie alle anderen des Kurfürstentums Köln unter den rechtlichen und gesellschaftlichen Bedingungen, die vom Staat seit dem Ende des 16. Jahrhunderts durch eine sogenannte „Judenordnung“ vorgegeben worden waren. Der letzte Erlass dieser Judengesetze war die von Kurfürst Joseph Clemens verkündete Ordnung aus dem Jahr 1700. Sie hatte Bestand bis zur neuen Gesetzgebung, als es auch im rechtsrheinischen Deutz zur Einführung des französischen Zivilrechts kam. [13] Bedingt durch den Bau der Hängebrücke im Jahr 1913/14, die nach dem Reichspräsidenten Hindenburg benannt wurde, musste das Gebetshaus aufgegeben werden, es wurde niedergelegt. [14] Im Dezember des Jahres 1913 wurde bei Arbeiten zur Beseitigung der „Schiffsbrückenstraßenbahnlinie“ in Deutz an der „Freiheitsstraße“ ein rituelles Frauenbad unter der alten Synagoge der jüdischen Gemeinde freigelegt. Das Bad hatte eine Verbindung zum Rheingewässer. [15]

[Bearbeiten] Friedhof Deutz

Stelen und Grablagen nord-östlich ausgerichtet
Stelen und Grablagen nord-östlich ausgerichtet

Hauptartikel: Jüdischer Friedhof Deutz

Im Gegensatz zu den Bauzeugnissen der Innenstadt lässt sich die Geschichte der jüdischen Gemeinden außerhalb des Stadtkerns vor allem durch die verbliebenen jüdischen Friedhöfe aufzeigen. Es sind im rechtsrheinischen Köln die israelitischen Friedhöfe in Mülheim, „Am Springborn“, in Zündorf zwischen „Hasenkaul“ und dem „Gartenweg“ und in Deutz der Friedhof am „Judenkirchhofsweg“. [16] Diesen erhielten die Deutzer Juden 1695 durch den Erzbischof als Grundstück zur Pacht. Auf ihm fanden ab 1698 erste Bestattungen statt. Auch einige jüdische Kölner, deren Namen noch heute geläufig sind, fanden hier auf der noch heute erhaltenen Begräbnisstätte am Judenkirchhofsweg in Köln-Deutz ihre letzte Ruhe. 1918 wurde der Friedhof geschlossen blieb aber im Besitz der Gemeinde.

[Bearbeiten] Neuanfang

Erste Seite der Erstausgabe des Code Civil von 1804
Erste Seite der Erstausgabe des Code Civil von 1804

Bis zur Besetzung durch das französische Revolutionsheer 1794 durften sich in Köln keine Juden mehr niederlassen. Der von den Franzosen eingeführte Code civil beinhaltete die Gleichheit vor dem Gesetz, individuelle Freiheitsrechte sowie die Trennung von Staat und Kirche. So war es 1798 „Josef Isaak“ aus Mühlheim, der sich als erster Jude wieder in Köln niederlassen durfte. Ebenfalls im Jahr 1798 verlegte der erst 17-jährige Salomon Oppenheim junior seinen Geschäftsstandort von Bonn nach Köln. Er gehörte zu den Familien, die ab 1799 die erste Kölner Gemeinde der Neuzeit bildeten. Oppenheim betrieb auch Handel mit Baumwolle, Leinen, Öl, Wein und Tabak. Sein Hauptgeschäft war jedoch das Kreditwesen. Schon 1810 führte er das nach „Abraham Schaffhausen“ zweitgrößte Bankhaus Kölns. Innerhalb der neuen Kölner Judengemeinde nahm Oppenheim sowohl im sozialen wie auch im politischen Leben eine herausragende Stellung ein. Ihm unterstand die Aufsicht der Gemeindeschulen, er fungierte aber auch als Delegierter seiner Kölner Gemeinde, die ihn zu einem Kongress jüdischer Notabeln nach Paris entsandte.

Als Gebetshaus wurde bald ein durch die französischen Besatzer aufgehobenes Klarissen-Kloster in der Glockengasse eingerichtet. Auch wenn zu dieser Zeit eine Reihe jüdischer Geschäftsleute schon einen wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg erlebten, Oppenheim jr. wurde einstimmig zum Mitglied der Handelskammer gewählt und hatte somit als erster Jude wieder ein öffentliches Amt inne, war ihr rechtlicher Status noch unsicher. Das ergangene preußische „Edikt“ galt nicht überall. Es sollte noch bis zum Preußischen Judengesetz von 1847 dauern und letztlich bis 1848, als mit der Verabschiedung der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat der Sonderstatus der Juden endgültig aufgehoben und eine völlige Gleichstellung mit allen anderen Bürgern erreicht wurde.[17]

Im Verlauf der Märzrevolution 1848/49 kam neben den süd- und ostdeutschen Regionen sowie in Städten wie Berlin, Prag und Wien auch in Köln zu schweren antijüdischen Exzessen.

Die Familie Oppenheim stiftete nach dem Anwachsen der Gemeinde und dem Verfall des vorerst als Bethaus benutzten ehemaligen Klarissengebäudes den Bau einer neuen Synagoge in der Glockengasse 7. Die Anzahl der Gemeindemitglieder war nun auf etwa 1000 Personen angewachsen. Waren es in mittelalterlicher Zeit die „Viertel“, die sich nach Zugehörigkeiten der Bevölkerung in der engen Stadt gebildet hatten, änderte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch die räumliche Verteilung der jüdischen Bevölkerung. Statt ein um die Synagoge gewachsenes Viertel wie an der Kölner „Judengasse“ zu bilden, lebten Juden nun dezentral unter der übrigen Bevölkerung. Viele zogen nach der Stadterweiterung in die entstehenden neuen Vorstadtviertel.[18]

Dem Neubau in der Glockengasse folgte aufgrund des Anwachsens der jüdischen Bevölkerung ein weiterer Bau. Es war die orthodoxe Synagoge in der St.Apern-Straße, sie wurde am 16. Januar 1884 eingeweiht. Die liberale Synagoge in der Roonstraße wurde am 22. März 1899 eingeweiht.

Vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen in Europa gründeten Juden jedoch auch Initiativen zum Aufbau eines eigenen Staates, die in Deutschland wesentlich von Köln ausgingen: In der Richmodstraße am Neumarkt war zum Ende des 19. Jahrhunderts der Sitz der Zionistischen Vereinigung für Deutschland, vom Anwalt Max Bodenheimer gemeinsam mit dem Kaufmann David Wolffsohn gegründet. Bodenheimer war bis 1910 ihr Präsident und setzte sich in Zusammenarbeit mit Theodor Herzl für den zionistischen Gedanken ein. Die unter Bodenheimer entwickelten „Kölner Thesen“ zum Zionismus wurden, mit kleinen Anpassungen, als „Baseler Programm“ auf dem ersten Zionistischen Weltkongress übernommen.[19] Ziel der Vereinigung war, die Gründung eines eigenen Staates Israel in Palästina für alle Juden der Welt zu erreichen.

Zur Maifeier 1910 hielt in Deutz die Vertreterin der europäischen Arbeiterbewegung und engagierte Antimilitaristin Rosa Luxemburg eine Rede vor einer großen Volksmenge.

[Bearbeiten] Synagoge Glockengasse

Hauptartikel: Synagoge Glockengasse

Glockengasse im 19. Jahrhundert
Glockengasse im 19. Jahrhundert
Innenraumansicht im 19. Jahrhundert
Innenraumansicht im 19. Jahrhundert

Nach dem stetigen Anwachsen der Gemeinde war das bestehende Gebetshaus in der Glockengasse überlastet. Eine Spende des Kölner Bankiers Abraham Oppenheim in Höhe von 600000 Talern ermöglichte der Gemeinde den Bau eines neuen Gotteshauses. Der für die Bauplanung gewonnene Architekt und Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner entwarf einen Bau in Maurischem Stil, der nach vierjähriger Bauzeit im August des Jahres 1861 eingeweiht werden konnte. Die innere aber auch die äußere Gestaltung sollte an die Blütezeit der jüdischen Kultur während der Maurenherrschaft im Spanien des 11. Jahrhunderts erinnern. Die neue Synagoge mit ihren orientalischen Minaretten und einer mit glänzenden Kupferplattem gedeckten Kuppel hatte eine helle Sandsteinfassade mit roten Querstreifen. Die Ornamentik des Inneren war der Alhambra Granadas nachempfunden. Das neue Haus, das auch von den Kölnern positiv bewertet wurde, bot im Gebetsraum Sitzplätze für 226 Männer und 140 Frauen.

Durch den Kölner Geistlichen Gustav Meinertz wurde 1938 die Tora-Rolle aus der brennenden Synagoge Glockengasse gerettet. In der Synagoge an der Roonstraße fand sie einen Ehrenplatz in einer Glasvitrine.

[Bearbeiten] Synagoge St. Apern-Straße

Synagoge Adass-Jeschurun
Synagoge Adass-Jeschurun
Gedenktafel Helenen- und  St.-Apern-Straße
Gedenktafel Helenen- und St.-Apern-Straße

Die St.-Apern-Straße war schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein „gediegenes“, von wohlhabenden Bürgern geschätztes Wohn- und Geschäftsviertel. Hier dominierten exquisite Antiquitätengeschäfte, in denen von meist jüdischen Inhabern erlesener Schmuck oder kostbares Mobiliar feilgeboten wurde. Diese Anwohner errichteten 1884 ein Gotteshaus, es entstand die Synagoge der orthodoxen Gemeinde „Adass Jeschurun“. Letzter amtierenden Rabbiner war Isidor Caro der im KZ Theresienstadt den Tod fand.

In der der Synagoge angegliederten Jawne, einer jüdischen Schule, wurde in der Zeit von 1919 bis 1941 unterrichtet. Sie war das erste und einzige jüdische Gymnasium im Rheinland.

[Bearbeiten] Synagoge Roonstraße

Blick auf Toraschrein und die Bina (Toralesepult)
Blick auf Toraschrein und die Bina (Toralesepult)

Hauptartikel: Synagoge (Köln)

Seit dem Bau der Synagoge in der Glockengasse war die Jüdische Gemeinde Ende 1899 auf 9745 Mitglieder angewachsen. Schon im Jahr 1893 hatte die Gemeinde an der Roonstraße gegenüber dem damaligen Königsplatz ein Grundstück erworben. 1894 bewilligten die Stadtverordneten einen Baukostenzuschuss in Höhe von 40.000 Mark, sodass das Neubauprojekt in Angriff genommen werden konnte. Die Synagoge Roonstraße bot nach ihrer Fertigstellung 1899 rund 800 Männern sowie auf einer Galerie 600 Frauen Platz. Das Bauwerk wurde während des letzten Krieges stark beschädigt, hatte aber als einziges der jüdischen Gotteshäuser die nötige noch vorhandene Substanz für einen Wiederaufbau. Am 20. September 1959 wurde die wieder hergestellte Synagoge eingeweiht.[20]

[Bearbeiten] Synagoge Reischplatz Deutz

Die Tora (vermutlich 18. Jahrhundert) der Deutzer Synagoge, 1926 Ankauf der Stadt (Zeughaus)
Die Tora (vermutlich 18. Jahrhundert) der Deutzer Synagoge, 1926 Ankauf der Stadt (Zeughaus)

Als drittes und letztes Gotteshaus der Gemeinde entstand ein von der Stadt als Ersatz errichtetes Gebetshaus am Reischplatz 6. Das 1915 eingeweihte Gebäude wurde nach erlittenen Kriegsschäden in veränderter Form wieder aufgebaut und diente dann, da es die jüdische Gemeinde Deutz nicht mehr gab, anderen Zwecken. An die Deutzer Gemeinde mit ihrem letzten Gotteshaus erinnert dort heute eine Gedenktafel. [21]

[Bearbeiten] Synagoge Mülheimer Freiheit

Ein erstes Gotteshaus der Mülheimer Gemeinde wurde bei dem Eisgang von 1784 wie auch das in Deutz zerstört. Eine neue Synagoge wurde wenige Jahre später an gleicher Stelle eingeweiht. Das dann etwa zeitgleich mit der Deutzer Synagoge an der Mülheimer Freiheit um 1788/1789 erbaute Gotteshaus entwarf der Mülheimer Baumeister Wilhelm Hellwig. Die Anordnung der Anlage begann an der Straßenfront mit einem Schulgebäude, an welches sich der mit einem vierseitig abgewalmten Dach versehene Synagogenbau anschloss. Das Bauwerk überlebte die Novemberpogrome von 1938, wurde aber durch Kriegseinwirkung zerstört und 1956 abgetragen.

[Bearbeiten] Zündorfer Judengemeinde

Die Synagoge im Ortsteil Niederzündorf war anfänglich ein Gebetssaal, der nach dem starken Anwachsen der Gemeinde in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr genügend Raum bot. Für das Jahr 1882 findet sich zu einem Neubau folgender Eintrag in der „Zündorfer Pfarrchronik“:

"Die jüdische Synagoge ist nach vielen Anstrengungen fertig, die Feier verlief unter der Teilnahme vieler auswärtiger Juden programmgemäß ab“.

Das Grundstück (heute Hauptstr. 159) hatten die dortigen jüdischen Handelsleute „Lazarus Meyer“ und „Simon Salomon“ der Gemeinde teilweise verkauft, aber auch teilweise geschenkt.

Die Pfarrchronik berichtet weiter: „Die Juden erbauen sich eine Synagoge, d. h. ein Zimmer, ein Gelass, welches als Synagoge dienen soll. Die zu Gunsten derselben bewilligte Hauskollekte bei den Israeliten der Rheinprovinz hat angeblich einen kärglichen Betrag aufgewiesen“.[22]

  • Israelitisches Asyl für Kranke und Altersschwache an der Silvanstraße (Severinsviertel)
  • Gemeinde- und Bethäuser gab es vor allem in der Innenstadt. So südlich des Neumarkts in der Bayardsgasse, der Thieboldsgasse und der Agrippastraße bis hin zur Quirinstraße hinter St. Pantaleon. Diese Bethäuser waren gleichermaßen auch Treffpunkte der dort lebenden aus osteuropäischen Ländern zugewanderten Juden.

[Bearbeiten] Jüdischer Friedhof auf Melaten

Jüdischer Friedhof am Melatengürtel (neben der Gerichtsmedizin)
Jüdischer Friedhof am Melatengürtel (neben der Gerichtsmedizin)

In welchem Jahr die Anlage eines jüdischen Friedhofes als Teilbereich des seit 1810 bestehenden Friedhofes Melaten erfolgte, ist unklar. Bis zum Jahre 1829 durften hier jedoch nur Katholiken bestattet werden, während die Protestanten auf dem alten Geusenfriedhof im Weyertal begraben wurden. Die jüdische Gemeinde bestattete ihre Verstorbenen bis 1918 in Deutz und danach in Bocklemünd. Jedoch wurde im Jahre 1899 auch ein Abschnitt des Friedhofs Melaten für die Juden freigegeben. [23] Um 1899 fand dort auch eine erste Bestattung statt. Das unmittelbar dem Melatenfriedhof angrenzende, von einer hohen Mauer umgebene Grundstück ist weder von der Melatener Seite noch von der Straße Melatengürtel aus einzusehen. 1928 wurde der Friedhof erstmals geschändet, 1938 die ihm zugehörige Trauerhalle zerstört. [24]

[Bearbeiten] Friedhof Deckstein

In Köln Lindenthal, hinter dem Areal des alten Decksteiner Friedhofs gelegen, befindet sich der um 1910 von der Gemeinde „Adass Jeschurun“ angelegte Friedhof. Die Adass Jeschurun lehnt jegliche Anpassung an christliche Gebräuche oder Rituale des Totenkultes entschieden ab. So gibt es keine Sarg- oder Urnenbestattungen. Auch Blumenschmuck oder mit Gedenkschleifen versehene Kränze sind bei den Beerdigungen nicht gebräuchlich. Die Grabsteine des Frieshofes sind sehr schlicht und überwiegend mit hebräischen Schriftzeichen versehen. Der Zugang ist jedoch nicht öffentlich. (Erlaubnis durch die Synagogengemeinde Köln)[25]

[Bearbeiten] Geschäftswelt

Die jüdische Geschäftswelt sah optimistisch in die Zukunft. 1891 eröffnete der Kaufmann Leonhard Tietz auch ein Warenhaus in Köln. Die Bankgeschäfte des Häuser Seligmann und Oppenheim florierten. Das Kaufhaus der Textilgroßhandelsfirma „Gebrüder Bing und Söhne“ eröffnete am Neumarkt ein Warenhaus. Exquisite Geschäfte jüdischer Kaufleute befanden sich in Domlage auf der Hohe Straße und der Schildergasse.

[Bearbeiten] Integration

Moses Hess, Zeughaus Köln
Moses Hess, Zeughaus Köln

Köln entwickelte sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Mittelpunkt, an dieser Entwicklung hatte auch die jüdische Bevölkerung starken Anteil. So wie jüdische Mitbürger in der Finanz- und der Geschäftswelt Fuß gefasst hatten, von „Nichtjuden“ respektiert und anerkannt worden waren, versuchten sie auch an der politischen Meinungsbildung mitzuwirken. Beispiele hierfür sind das Engagement des Moses Hess und Karl Marx, die in der 1842 neu gegründeten Kölner Rheinischen Zeitung schrieben. In dieser Zeitung „für Politik, Handel und Gewerbe“ gehörten sie zu den bedeutendsten Mitarbeitern.1862 erschien das bekannteste Werk von Hess, „Rom und Jerusalem“, in diesem versuchte er, Möglichkeiten für eine Wiederansiedlung der Juden in Palästina aufzuzeigen. Sein Werk fand jedoch wenig Anklang, die Juden Deutschlands, insbesondere in den Großstädten wie zum Beispiel die jüdische Kölner Gesellschaft betrachteten Deutschland als ihre Heimat und als ihr Vaterland. [26]

[Bearbeiten] Erster Weltkrieg und Weimarer Zeit

Gleich zu Beginn des Ersten Weltkrieges riefen jüdische Vereinigungen auch in Köln ihre Mitglieder dazu auf, sich nach allen Kräften für ihr Vaterland einzusetzen. Dennoch waren die vorhandenen, verstärkt im Offizierskorps festgestellten, Ressentiments gegen jüdische Kriegsteilnehmer so erheblich, dass das Kriegsministerium zur Beschwichtigung eine sogenannte Judenzählung durchführen ließ.[27] Zum Ende des Krieges 1918 übernahm Adolf Kober in Köln, in einer der damals größten jüdischen Gemeinden Deutschlands, die Stelle eines Gemeinderabbiners. Kober war Mitinitiator der Darstellung der jüdischen Geschichte innerhalb der „Jahrtausend-Ausstellung der Rheinlande“, die 1925 auf dem Kölner Messegelände stattfand. Ebenfalls im Jahre 1918 wurde der Jüdische Friedhof Köln-Bocklemünd eröffnet.

[Bearbeiten] Kölner Juden zur Zeit des Nationalsozialismus

Im Frühjahr 1933 hatte Köln laut einer stattgefundenen Volkszählung 15.000 Einwohner, die sich zum Judentum bekannten. Bis dahin existierten 6 Synagogen sowie weitere Gemeinde- und Bethäuser in Köln. Sie alle wurden am 9.November 1938, in der Pogromnacht geschändet und waren nach dem Krieg, bis auf das wiederaufbaufähige Gotteshaus in der Roonstraße, völlig zerstört. Mit der Übernahme der politischen Macht durch die Nationalsozialisten begannen erneut Repressionen gegen die jüdischen Bürger Kölns.

[Bearbeiten] Antisemitismus in Köln

Auch in Köln gab es nationalsozialistische und antisemitische Einstellungen in Bevölkerung und Gesellschaft. Zwar wurde den Kölnern nach Kriegsende von Politikern wie Konrad Adenauer oder Autoren wie Heinrich Böll Widerstandsgeist[28] und eine Souveränität „dass kein Tyrann, kein Diktator sich in Köln wohlfühlen kann“[29] attestiert. Letztlich leisteten wenige Kölner offenen Widerstand gegen das Naziregime oder versteckten Juden; ein bekanntes Beispiel hierfür war die Ehrenfelder Gruppe. Die Hetze gegen das Judentum und gegen jüdische Kölner fand dagegen auf breiter Ebene, so etwa auch in antisemitischen Stücken des Hänneschen-Theaters[30] oder auch im Kölner Karneval, in dem nur einzelne Karnevalisten ein klares Profil gegen den Nationalsozialismus zeigten, statt.[31] Karnevalswagen im Rosenmontagszug zeigten antisemitische Motive und ein Karnevalslied spottete „Metz dä Jüdde es jetz Schluß, Se wandere langsam uss. (...) Mir laachen uns für Freud noch halv kapott. Der Itzig und die Sahra trecke fott“.[32]

[Bearbeiten] Arisierung

Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933
Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933
Boykottberichte in der Zeitung 1933
Boykottberichte in der Zeitung 1933

Die sogenannte Arisierung verlief in zwei Phasen. In der ersten ab dem Januar 1933 bis zum November 1938 waren es die „freiwilligen“ Arisierungen. Nach offizieller Lesart stellten sie einen freiwilligen Eigentumswechsel zwischen einem jüdischen und einem nicht jüdischen Vertragspartner dar. Erreicht wurde diese Bereitschaft, ein Geschäft, eine Praxis, ein Lokal, eine Apotheke oder einen Betrieb „freiwillig“ zu veräußern, durch die im Folgenden beschriebenen Vorgänge. Zunehmend versahen Geschäftsleute ihre Ladenlokale oder auch ihre Werbeinserate mit opportunen Slogans. Man sah Handschriftliches oder Gedrucktes mit unterschiedlichsten Parolen, so zum Beispiel: „deutsches Geschäft“, „deutsche Erzeugnisse“ oder auch „christliches Geschäft“. Es folgten auf Hauswände und Schaufenster der Juden gemalte Davidsterne oder Hetzparolen. Veröffentlichungen der örtlichen NSDAP, in denen in Listen aufgeführte Firmen zusätzlich mit dem Namen des jüdischen Inhabers versehen wurden, kamen hinzu.

Am 1. April 1933, dem Tag des „Judenboykotts“ postierten sich auch in Köln uniformierte Angehörige von NS-Organen vor jüdischen Geschäften und hinderten die Kunden am Zutritt. Zu einiger Bekanntheit gelangte der jüdische Kaufmann Richard Stern: Der ehemalige Frontkämpfer aus dem ersten Weltkrieg verteilte ein Flugblatt gegen den Boykott und stellte sich demonstrativ mit seinem Eisernen Kreuz neben den SA-Posten vor seinem Geschäft.

Die Repressionen gegen jüdische Unternehmer zeigten insofern Wirkung, dass von der Bevölkerung diese Geschäfte beim Einkauf gemieden wurden und deren Inhaber somit ihre Existenzgrundlage verloren. Je länger jüdische Geschäftsleute dem so ausgeübten Druck standhielten, um so geringer fiel die Entschädigung aus, die man ihnen für ihr Eigentum anbieten musste. In der Presse häuften sich in der Folge Anzeigen über Konkurse und Übernahmen jüdischer Firmen. Die zweite Phase der Arisierung setzte nach dem November 1938 ein, nun agierte die Partei offener. Jüdischer Besitz an Firmen oder Immobilien wurde nun aufgrund staatlicher Verordnungen „zwangsarisiert“. Sie wurden gezwungen, ihr Eigentum weit unter Wert zu verkaufen. Es traf zum Beispiel die Firma „Deka-Schuh, Leopold Dreyfuß“ in Ehrenfeld, den Krawattengroßhändler „Herbert Fröhlich“ in der Streitzeuggasse, die Metzgerei und Imbisskette „Katz-Rosenthal“, das Modehaus „Michel“ (später Jacobi) und das Bekleidungshaus „Bamberger“ (später Hansen). Besonders hart betroffen waren die zahlreichen jüdischen Geschäfte auf der Hohe Straße und der Schildergasse, dort wurde fast jedes dritte Geschäft arisiert. Mit den Geschäften und ihren den Kölnern vertrauten Namen verschwanden die dazu gehörenden Menschen.[33] Am Ende dieser Maßnahmen ging man zur Verfolgung und Deportation der Kölner Juden über. An diese erinnern heute noch Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig vor Häusern, in denen NS-Opfer gewohnt hatten.

[Bearbeiten] Ehrenfeld

Gedenktafel - Synagoge Körnerstraße
Gedenktafel - Synagoge Körnerstraße

Obwohl schon seit 1925 Köln „Hauptstadt“ des NSDAP-Gaus Köln-Aachen war, rechneten viele nicht mit der dann einsetzenden Radikalität dieser Partei. So wurde noch 1927 die Synagoge Körnerstraße als letztes Bauwerk jüdischer Gemeinden Kölns vom Architekten Robert Stern erbaut. Sie war geweiht „der Ehre Gottes, der Wahrheit des Glaubens und dem Frieden der Menschheit“.[34]

Das Gotteshaus in der Körnerstraße hatte einem kleinen Vorhof, den mit Arkaden versehene Gebäude umstanden. Der Gebetsraum bot, unter Beachtung räumlicher Trennung nach Geschlecht, für die Männer 200 und für die Frauen rund 100 Sitzplätze. Letztere befanden sich, wie vielerorts üblich, auf einer Frauengalerie. Der jüdische Bevölkerungsanteil in Ehrenfeld umfasste etwa 2000 Personen. Die Synagoge besaß auch eine Mikwe, die bei Ausschachtungsarbeiten in der Körnerstraße entdeckt wurde.[35] Die heute in der Körnerstraße angebrachte Tafel erinnert an die zerstörte Synagoge mit der ihr angeschlossenen Religionsschule:

„An dieser Stelle stand die Ehrenfelder Synagoge, verbunden mit einer Religionsschule für Mädchen und Jungen, erbaut 1927 nach dem Entwurf des Architekten Robert Stern, zerstört am Tag nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938“

An Stelle der Synagoge befindet sich heute ein Hochbunker, erbaut in den Jahren 1942 bis 1943, der seit 1995 unter Denkmalschutz steht.

[Bearbeiten] Sammellager Müngersdorf

Zwischenwerk V a, ein Gedenkstein am Sportplatz in der Nähe erinnert an die NS-Opfer
Zwischenwerk V a, ein Gedenkstein am Sportplatz in der Nähe erinnert an die NS-Opfer
Der sog. Judenstern
Der sog. Judenstern

Nach den organisierten und gelenkten im ganzen Land stattfindenden Zerstörungen von Leben, Eigentum und Einrichtungen verschärfte sich die antisemitische Politik auch in Köln noch weiter. Jüdische Kinder durften nun keine deutschen Schulen mehr besuchen. Bis zum 1. Januar 1939 wurden alle Juden aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen und zur Zwangsarbeit genötigt. Sie wurden enteignet, Mietern wurde 1939 der Mieterschutz entzogen. Im Mai 1941 verfügte die Kölner Gestapo, die jüdischen Kölner in sogenannten Judenhäusern zusammenzulegen. Daraufhin wurden viele von ihnen in das Barackenlager am Fort V in Müngersdorf eingewiesen. Die Ghettoisierung erfolgte als Vorbereitung auf die Deportation in die Vernichtungslager. Im September 1941 verpflichtete die Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden alle jüdischen Personen im Deutschen Reich, vom vollendeten sechsten Lebensjahr an einen gelben Judenstern „sichtbar auf der linken Brustseite des Kleidungsstückes fest aufgenäht zu tragen.

[Bearbeiten] Deportationen ab Deutz

Gedenktafel KZ-Außenlager Deutz
Gedenktafel KZ-Außenlager Deutz

Im Oktober 1941 ging der erste Transport von Köln ab, der letzte bekannte wurde am 1. Oktober 1944 nach Theresienstadt geschickt. Unmittelbar vor den Transporten dienten die Messehallen in Köln-Deutz als Sammellager. Von der Tiefebene des Deutzer Bahnhofes fuhren die Transporte ab. Für die meisten Deportierten waren Lodz, Theresienstadt und andere Ghettos und Lager im Osten nur eine Durchgangsstation: Von hier aus erfolgte die Deportation in die Vernichtungslager, in den fast sicheren Tod.

Außer in Müngersdorf und Deutz befanden sich auch Gefangenen- und Konzentrationslager auf einem Fabrikgelände in Porz Hochkreuz sowie im nahegelegenen Ort Brauweiler.

Als die amerikanischen Truppen am 6. März 1945 Köln besetzten, konnten sie nur noch 30 bis 40 jüdische Menschen in Köln befreien.

[Bearbeiten] Nachkriegssituation

Stolpersteine zur Erinnerung an deportierte jüdische Bürger
Stolpersteine zur Erinnerung an deportierte jüdische Bürger

Von den ehemals 19500 jüdischen Bürgern Kölns wurden etwa 11000 Opfer der NS-Zeit, sie wurden ermordet.[36], Überlebende der Kölner Gemeinde fanden sich in den Trümmern des Ehrenfelder Asyls, dessen Hauptgebäude weitgehend erhalten geblieben war, zu einem Neuanfang zusammen.

In der Ottostraße befand sich dann ab 1949 vorübergehend auch die Synagoge, bis die Gemeinde 1959 in das instandgesetzte neoromanische Gotteshaus an der Roonstraße umziehen konnte.

[Bearbeiten] Jüdischer Friedhof Bocklemünd

Ehrenmal des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten
Ehrenmal des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten

Hauptartikel: Jüdischer Friedhof Köln-Bocklemünd

Der Jüdische Friedhof im Kölner Stadtteil Bocklemünd besteht als Begräbnisstätte seit dem Jahr 1918 und wird bis heute als Friedhof genutzt.

Das Lapidarium des Friedhofs beherbergt 58 Fragmentsteine aus dem 12. bis 15. Jahrhundert, die dem im Jahre 1695 nach der Eröffnung eines neuen Friedhofes in Deutz geschlossenen und 1936 aufgegebenen jüdischen Friedhof Judenbüchel im Stadtteil Köln-Raderberg entstammen. Die dort Bestatteten wurden nach Bocklemünd umgebettet.

[Bearbeiten] Jüdisches Zentrum Nußbaumerstraße

Gemeinde-Ehrenfeld Gebetshaus
Gemeinde-Ehrenfeld Gebetshaus
Gemeinde-Ehrenfeld alter Komplex
Gemeinde-Ehrenfeld alter Komplex

Hauptartikel: Jüdisches Wohlfahrtszentrum

Das heutige Jüdische Zentrum Ehrenfelds an der Nußbaumerstraße / Ottostraße ist Nachfolger des „Jüdischen Krankenhauses Ehrenfeld“. Das Krankenhaus überstand die NS-Zeit und entging der Zerstörung durch die Bomberangriffe. In ihm sammelte sich die verbliebene Gemeinde Kölner Juden. Die auf gleichem Gelände entstandenen, heute unter dem Namen „Jüdisches Wohlfahrtszentrum“ firmierende Einrichtungen haben ihren Ursprung, wie das teilweise erhaltene Gebäude des alten Krankenhauses (1908), in einer im 19. Jahrhundert geschaffenen karitativen jüdischen Einrichtung in der „Silvanstraße“. [37]

[Bearbeiten] Jüdische Gemeinde in Köln-Riehl

Die im Juni 1997 in München gegründete Union progressiver Juden in Deutschland (UpJ) ist eine religiöse Vereinigung, der sich die Jüdische liberale Gemeinde in Köln-Riehl verbunden fühlt.

[Bearbeiten] Gedenkstätten

  • Auf dem jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd erinnern zwei Denkmäler an die jüdischen Opfer. Ein Denkmal bewahrt den Mitgliedern der Kölner Synagogengemeinde ein ehrendes Andenken, die mit dem bis 1942 amtierenden Rabbiner Isidor Caro in Theresienstadt den Tod fanden. Nach dem Rabbiner Caro wurde auch eine Straße in Köln-Stammheim benannt. Eine zweite an diesem Denkmal angebrachte Tafel ehrt das Andenken aller Opfer aus der Synagogengemeinde Köln
  • Das Denkmal "Die Gefangenen", 1943 von Ossip Zadkine geschaffen, steht auf der Ehrengräberanlage des Westfriedhofes, Köln-Bocklemünd
  • Gedenktafeln in Ehrenfeld, Körnerstraße
  • An die Synagoge in der Glockengasse erinnert eine am Opernhaus angebrachte Bronzetafel
  • Der Synagoge St. Apern-Straße gewidmet ist eine Gedenktafel in der St. Apern-Straße / Ecke Helenenstraße (Hotelseite). Vor dem Hotelbau auf dem kleinen „Erich Klibansky – Platz“, steht der Löwenbrunnen (1997)
  • Gedenktafel für die Opfer der Gestapo in der Krebsgasse
  • Gedenktafel am Reischplatz 6 in Deutz für die letzte der drei Deutzer Synagogen (Haus der Polizeistation)
  • Gedenktafel am Messeturm, Kennedy-Ufer
  • Gedenktafel im Stadtpark, Walter-Binder-Weg

Die heutige Judengasse in der Nähe des Rathauses erinnert an das ehemalige Judenviertel. Sie hatte 1813 für kurze Zeit den französischen Namen „Rue des Juifs“, [38] erhielt aber später ihre alte Bezeichnung zurück. Sie ist heute eine unbewohnte Straße ohne Wohngebäude.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

Commons
 Commons: Jüdische Geschichte in Köln – Bilder, Videos und Audiodateien

[Bearbeiten] Literatur / Quellen

  • Arnold Stelzmann: „Illustrierte Geschichte der Stadt Köln.“ Verlag Bachem, Köln 1958, Verlagsnummer 234758
  • Adam Wrede: „Neuer Kölnischer Sprachschatz“, 3 Bände A – Z, Greven Verlag, Köln, 9. Auflage 1984, ISBN 3-7743-0155-7
  • Michael Brocke/Christiane Müller: „Haus des Lebens. Jüdische Friedhöfe in Deutschland“. Verlag Reclam, Leipzig 2001, ISBN 978-3-379-00777-1
  • Carl Dietmar: „Die Chronik Kölns“, Chronik Verlag, Dortmund 1991, ISBN 3-611-00193-7
  • Johann Wilhelm Rosellen: Geschichte der Pfarreien des Dekanates Brühl. J. P. Bachem, Köln 1887
  • Michael Berger: Eisernes Kreuz und Davidstern. Die Geschichte Jüdischer Soldaten in Deutschen Armeen, trafo Verlag, 2006, ISBN 3-89626-476-1
  • Monika Grübel und Georg Mölich: "Jüdisches Leben im Rheinland. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart"; ISBN 3-412-11205-4.
  • Johannes Ralf Beines: Die alte Synagoge in Deutz in Rechtsrheinisches Köln, Jahrbuch für Geschichte und Landeskunde. Geschichts- und Heimatverein Rechtsrheinisches Köln e. V. Band 14 – ISSN 0179-2938
  • Barbara Becker-Jákli: Das jüdische Krankenhaus in Köln; die Geschichte des Israelitischen Asyls für Kranke und Altersschwache 1869–1945, 2004, ISBN 3-89705-350-0 (mit Ergänzungen zum Nachbau)
  • Ulrike Mast-Kirschning: Zwischen Dom und Davidstern. Jüdisches Leben in Köln. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln. ISBN 3-462-03508-8

[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. Auf der Website der Synagogen-Gemeinde Köln, http://www.sgk.de/; abgerufen am 16. Dezember 2007
  2. Carl Dietmar, Die Chronik Kölns, Seite 34
  3. Ein römischer Grabstein mit Aufschrift Leo wird im Römisch-Germanischen Museum ausgestellt - es gilt als möglich, dass er zu einem jüdischen Grab gehörte: Kirsten Serup-Bilfeldt: Zwischen Dom und Davidstern, S. 14
  4. Rabbiner Dr. Joel Berger.
  5. Adam Wrede, Band I, Seite 393
  6. http://www.museenkoeln.de/bild-der-woche/default.asp?bdw_02.asp~inhalt
  7. Monika Grübel: „Seit 321…Juden in Köln“
  8. Grimms Wörterbuch
  9. Carl Dietmar, Die Chronik Kölns, Seite 114, 121, 128
  10. Wilhelm Rosellen, S. 518 (Der Judenbüchel), Verweis auf Ficken: Engelbert der Heilige S. 281
  11. Johannes Ralf Beines, Seite 53
  12. Paul Clemen, 1934 Seite 245
  13. Barbara Becker-Jäkli, Seite 35
  14. Arnold Stelzmann, Illustrierte Geschichte der Stadt Köln, S. 135 f
  15. Carl Dietmar, Die Chronik Kölns, Seite 321
  16. Johannes Ralf Beins, Seite 55
  17. Carl Dietmar, Die Chronik Kölns, Seite 255
  18. Carl Dietmar, Die Chronik Kölns, Seite 217, 222
  19. Werner Jung: Das neuzeitliche Köln: 1794 - 1914; von der Franzosenzeit bis zum Ersten Weltkrieg. Bachem, Köln 2004, ISBN 3-7616-1590-6, S. 245-246
  20. Carl Dietmar, Die Chronik Kölns, Seite 292
  21. Johannes Ralf Beins, Seite 62
  22. http://www.zuendorfer-wehrturm.de/wehrturm/Seiten/wehr_zj.html Zugriff 12.12.07
  23. http://www.koelnguide.net/03_tourismus-01_sehenswuerdigkeiten-10_melatenfriedhof.htm letzter Zugriff 19. Dezember 2007
  24. Ulrike Mast-Kirschning, Seite 106
  25. Ergänzt nach: Ulrike Mast-Kirschning, Seite 105
  26. Ergänzt nach: Ulrike Mast-Kirschning, Seite 92 ff
  27. Michael Berger, Eisernes Kreuz und Davidstern
  28. „keine große Stadt ist vom Krieg so schwer getroffen wie Köln. Und dabei hatte sie von allen deutschen Großstädten es am wenigsten verdient; denn nirgendwo ist dem Nationalsozialismus bis 1933 so offener und seit 1933 so viel geistiger Widerstand geleistet worden.“; Konrad Adenauer, März 1946, zitiert nach Werner Jung: Das moderne Köln. Bachem, Köln; 6. Auflage 2005, ISBN 3-7616-1861-1, S. 180
  29. „(...)und es ist gewiss kein Zufall, daß Hitler sich keiner Stadt so wenig wohl gefühlt hat, wie in Köln; die Souveränität der Bevölkerung liegt so sehr in der Luft, daß kein Tyrann, kein Diktator sich in Köln wohlfühlen kann“; Heinrich Böll, Werke; Hrsg. von Bernd Balzer; Kiepenheuer u. Witsch, Köln; 2. Essayistische Schriften und Reden 1: 1952-1963, ISBN 3-462-01259-2; S. 105-106
  30. Herbert Hoven: „Auch Tünnes war Nazi“ in: DIE ZEIT, 09/1995; [1]
  31. Jürgen Meyer: De Nazis nit op d'r Schlips getrodde; in: TAZ vom 7. Februar 2005, [2]
  32. Übersetzung: „Mit den Juden ist jetzt Schluss, sie wandern langsam aus. (...) Wir lachen uns vor Freude halb kaputt. Der Itzig und die Sahra ziehen fort“, Karnevalsschlager „Hurra, die Jüdde trecke fott“ von Jean Müller, zitiert nach Werner Jung: Das moderne Köln, S. 133
  33. Ulrike Mast-Kirschning, Seite 138 ff
  34. Zitiert nach Johannes Maubach: Quer durch Ehrenfeld; Ehrenfelder Geschichtspfad Teil 1. Flock-Druck, Köln 2001, Seite 96
  35. Maubach, S. 96
  36. Kirsten Serup-Bilfeld, Zwischen Dom und Davidstern. Jüdisches Leben in Köln von den Anfängen bis heute. Köln 2001, Seite 193
  37. Barbara Becker-Jákli: Das jüdische Krankenhaus in Köln, S. 152
  38. Adam Wrede, Band I, Seite 393