Richard Stern
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Richard Stern (*22. Februar 1899 in Weilerswist; † 19. Dezember 1967 in den USA) war ein deutsch-jüdischer Unternehmer, der im Jahre 1939 aufgrund der Judenverfolgung aus Deutschland in die Vereinigten Staaten auswanderte. Er wurde dadurch bekannt, dass er sich öffentlich gegen den Boykott der Nationalsozialisten gegen jüdische Geschäfte zur Wehr setzte.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Leben
Stern absolvierte nach dem Schulabschluss an einer israelitischen Schule eine kaufmännische Ausbildung und wurde im Alter von 18 Jahren als Soldat im Ersten Weltkrieg eingezogen. Er war Frontsoldat, als Maschinengewehrschütze kämpfte er in Russland sowie an der Westfront und erwarb dabei eine Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz der zweiten Klasse.[1]
In der Nachkriegszeit arbeitete er als Angestellter und unterstützte im Jahre 1924 seinen Vater in dessen Kölner Geschäft für Bett- und Polsterwaren, das er ab 1928 ganz übernahm.[2]
Richard Stern war Mitglied im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, dessen Ziel die Abwehr antisemitischer Tendenzen, unter Berufung auf den Einsatz von 85.000 deutscher Juden im Ersten Weltkrieg, war.
[Bearbeiten] Auseinandersetzung mit dem NS-Boykott jüdischer Geschäfte
Wie überall in Deutschland wurde der von Reichspropagandaminister Goebbels für den 1. April 1933 angekündigte und von Julius Streicher geplante „Judenboykott“ von lokalen NS-Organisationskomitees vorbereitet. Nach genauen Anweisungen sollten uniformierte und teils auch bewaffnete Posten von NS-Organisationen vor jüdischen Geschäften, Arzt- und Anwaltspraxen postiert werden und dort Kunden den ganzen Tag lang daran hindern, diese zu betreten. Zusätzlich wurden Spruchbänder und Schilder mit- und angebracht, die zum Boykott der Geschäfte aufriefen und auch zur Meidung jüdischer Dienstleister aufriefen. Wer dies als Kunde missachtete, musste mit einer Feststellung seiner Personalien oder mit einer Fotografie seines Verhaltens rechnen. Es kam auch zum Einsatz von Gewalt gegen Kunden und gegen jüdische Geschäftsleute. Nicht wenige wurden, wie der Kölner Metzgermeister Arnold Katz und sein Sohn Benno mit schmähenden Schildern behangen und von Uniformierten durch die Straßen getrieben.[3]
Richard Stern verteilte bereits im Vorfeld des angekündigten Boykotts ein von ihm konzipiertes Flugblatt, in dem er an die Solidarität der Kölner appellierte. In dem Flugblatt „An alle Frontkameraden und Deutsche“ wies er ausdrücklich und selbstbewusst auf die Verdienste jüdischer Frontsoldaten des Ersten Weltkrieges hin, in dem Wissen, dass Frontsoldaten in Deutschland und sogar unter den Nazis in preußischer Tradition hohe Anerkennung genossen. So leitete er sein Flugblatt mit einer Aussage Adolf Hitlers und Wilhelm Fricks ein:
- „Wer im III. Reich einen Frontsoldaten beleidigt, wird mit Zuchthaus bestraft“.
Dann beschrieb er, wie stark sein Vater, sein Bruder und er auf deutscher Seite in den Krieg involviert waren und fragte, ob er sich nun als „guter Deutscher“ derartig beschimpfen lassen müsse, ob der „Deutsche Jude nunmehr ein Mensch II. Klasse geworden (ist), den man nur noch als Gast in seinem Vaterland duldet“? Den Boykott selbst bezeichnete er als „Schändung des Andenkens von 12.000 gefallenen Frontsoldaten jüdischen Glaubens“. Er unterzeichnete als „Der ehemalige Frontkämpfer Richard Stern“ mit seiner vollen Anschrift.
Am 1. April selbst öffnete er trotz der drohenden Beeinträchtigungen sein Geschäft. Er trug dabei sein Eisernes Kreuz und stellte sich damit sichtbar und lächelnd in seinen Geschäftseingang im Marsilstein 20 – neben den SA-Posten, der vor dem Laden aufgestellt war. Ein dabei aufgenommenes Foto fand in vielen Publikationen über die NS-Zeit Verwendung; es hängt heute auch im Jüdischen Museum Berlin.
Im Verlauf des Tages wurde Stern schließlich verhaftet, kam aber noch am Abend wieder frei, nachdem sich ein Bekannter[2] für ihn eingesetzt hatte.[3]
Stern blieb nicht der einzige, der sich offen gegen die beginnenden Unterdrückungsmaßnahmen des NS-Regimes wehrte. Auch von anderen Ladenbesitzern, die in verschiedenen Orten mit Kriegsabzeichen ihr „wehrhaftes Deutschtum“ demonstrierten, wird berichtet.[4]
Stern selbst blieb die Ernüchterung über den Umgang des neuen Deutschlands „mit Demokraten (...), vor allem, wenn sie Juden waren“.[5]
[Bearbeiten] Flucht und Emigration
Nachdem der Verfolgungsdruck der Nationalsozialisten weiter zunahm und auch Sterns Geschäft von Pogromen des Jahres 1938 betroffen war, gelang ihm 1939 die Ausreise in die USA. Dort kämpfte er ab 1942 für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten und wurde in Europa eingesetzt. Als Sergeant war er 1945 kurzzeitig wieder in Köln, wo er erfuhr, dass 53 seiner Familienangehörigen das tödliche Schicksal einer Deportation erlitten hatten.[3]
In den USA war er nach Anstellungen als Arbeiter und Geschäftsführer schließlich wieder als selbständiger Unternehmer tätig. Er verstarb dort 1967.[2]
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Dieter Corbach: "Ich kann nicht schweigen!" : Richard Stern, Köln, Marsilstein 20. Scriba-Verlag, Köln 1988, ISBN 3-921232-40-6.
- Dominik Jesse: Die Selbstbehauptung des Richard Stern am 01. April 1933. GRIN-Verlag, 2005, ISBN 3638499081.
[Bearbeiten] Weblinks
- Flugblatt von Richard Stern, Gedenk- und Bildungsstätte im Haus der Wannsee-Konferenz (PDF)
- Stern mit Eisernem Kreuz vor seinem Geschäft, www.museeinkoeln.de
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Dieter Corbach: "Ich kann nicht schweigen!", S. 7
- ↑ a b c Ulrich S. Soenius, Jürgen Wilhelm (Hrsg.): Kölner Personen-Lexikon. Greven, Köln 2007, ISBN 978-3774304000. Eintrag zu Richard Stern.
- ↑ a b c Kirsten Serup-Bilfeldt: Zwischen Dom und Davidstern : jüdisches Leben in Köln von den Anfängen bis heute. KIWI, Köln 2001, ISBN 3462035088, S. 129-130.
- ↑ Verschiedene Verweise und Zitate in Jesse: Die Selbstbehauptung des Richard Stern am 01. April 1933; S. 11
- ↑ Corbach, S. 14
Personendaten | |
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NAME | Stern, Richard |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-jüdischer Unternehmer, der im Jahre 1939 aufgrund der Judenverfolgung in Deutschland in die Vereinigten Staaten auswanderte |
GEBURTSDATUM | 22. Februar 1899 |
GEBURTSORT | Weilerswist |
STERBEDATUM | 19. Dezember 1967 |
STERBEORT | USA |