Julius Streicher
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Julius Streicher (* 12. Februar 1885 in Fleinhausen bei Augsburg; † 16. Oktober 1946 in Nürnberg) war ein nationalsozialistischer Politiker und Herausgeber der antisemitischen Wochenzeitung „Der Stürmer“.
Streicher gehörte zu den 24 im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof angeklagten Personen und wurde am 1. Oktober 1946 in einem von zwei Anklagepunkten schuldig gesprochen und zum Tod durch den Strang verurteilt.
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[Bearbeiten] Biografie
Streicher war eins von neun Kindern des Volksschullehrers Friedrich Streicher und dessen Frau Anna (geb. Weiss). Er war selbst ab 1905 als Lehrer angestellt. Bis Mitte 1909 war er Volksschullehrer in Kammlach. Bereits als Lehrer fiel er durch Jähzorn und diktatorisches Gehabe auf, so der ehemalige Schüler und spätere SPD-Reichstagsabgeordnete Josef Felder.[1] Im Jahre 1909 ließ Streicher sich nach Nürnberg versetzen, wo er 1913 die Bäckerstochter Kunigunde Roth heiratete. Mit ihr hatte er zwei Söhne: Lothar Streicher (* 1915) und Elmar Streicher (* 1918).
Im Ersten Weltkrieg wurde der spätere Leutnant der Reserve mehrfach ausgezeichnet. Vor dem Krieg gehörte er der „Fortschrittspartei" an, und nach dem Krieg war er kurzzeitig Mitglied der USPD; 1920 kandidierte er erstmals für die Nationalsozialisten. Streicher war 1919 Mitbegründer der Nürnberger Ortsgruppe der antisemitischen Deutschsozialistischen Partei, die er 1922 nach seinem Übertritt in die NSDAP mit dieser verschmolz. Er hatte Hitler im Münchener Bürgerbräukeller kennengelernt. 1923 wurde er wegen seiner Beteiligung am Hitler-Ludendorff-Putsch vom Schuldienst suspendiert. Von 1925 bis 1940 war er Gauleiter der NSDAP für Mittelfranken, später von Franken. In dieser Eigenschaft bezeichnete er sich selbst schon in den 30er Jahren mit dem Titel "Frankenführer", den ihm sein Protektor Hitler möglicherweise - wie einige Quellen behaupten - offiziell zuerkannt, auf jeden Fall aber nicht abgesprochen hat. Er zeigte sich in seinem neuen Amt mit Reitpeitsche in der Hand. Zwischen 1924 und 1932 war er Landtagsabgeordneter in München, danach Mitglied des Reichstags. Er hatte außerdem den Rang eines Obergruppenführers der SA. Im Gau Mittelfranken ging er besonders scharf gegen Juden und bürgerliche Gegner vor.
Streicher war einer der radikalsten Antisemiten der NSDAP, Organisator von Pogromen und Boykotten gegen Juden und Herausgeber der nationalsozialistischen Wochenzeitung Der Stürmer. Das 1923 zum ersten Mal erschienene Propagandablatt erreichte 1938 mit einer halben Million Exemplaren seine höchste Auflage. Bekannt war Der Stürmer für seine antisemitischen Judenkarikaturen und seine Verquickung von Antisemitismus mit pornographischen Obsessionen. Ab 1927 wurde auf der Titelseite des Stürmers ständig das aus dem Kontext gelöste Zitat „Die Juden sind unser Unglück“ des Historikers Heinrich von Treitschke aufgedruckt.
Ab Kriegsbeginn 1939 wurde die offene Propagierung des Antisemitismus in der Presse ein wenig zurückgefahren. 1940 entschied ein NS-Parteigericht, dass Streicher zur „Menschenführung nicht fähig“ sei, er wurde aller Ämter enthoben. Grundlage waren neben seiner exzessiven Aggressivität auch Gauleiterkollegen gegenüber die Verquickung privater und politischer Ambitionen, das öffentlich ausgelebte Bedrängen von Frauen, an denen er interessiert war, sowie persönliche Raffgier und Selbstbedienungsmentalität. Selbst manche Parteigenossen hielten Streicher für „nicht ganz zurechnungsfähig“, doch Streicher genoss die persönliche Protektion Hitlers. Der „Stürmer“ und der zugehörige Verlag wurden ihm auf unmittelbaren Befehl Adolf Hitlers belassen; das Blatt erschien weiter in einer Auflage von 300.000 Exemplaren. Streicher erhielt ein Verbot, Nürnberg zu betreten und wohnte außerhalb der Stadt, auf dem Gutshof "Pleikershof" zu Cadolzburg im Landkreis Fürth. 1943 starb Streichers Frau Kunigunde. Im Mai 1945 heiratete er Adele Tappe, die seit Mai 1940 seine Sekretärin gewesen war.
Streicher wurde am 23. Mai 1945 in einem Bergdorf bei Waidring in den Alpen festgenommen. Henry G. Plitt, ein jüdischer US-Major, war einem Hinweis aus der Bevölkerung gefolgt, dass sich in einem Haus dort ein hochrangiger Nazi versteckte. Aufgrund der Beschreibung hielt er den Mann, der sich zunächst als „Josef Sailer“ ausgab und auch dementsprechend gefertigte Papiere besaß, für Heinrich Himmler. Als der Major im Laufe der Befragung dann allerdings auf den Namen Julius Streicher zu sprechen kam, antwortete dieser: „Ja, der bin ich“ und wurde festgenommen.[2]
Streichers Anhänger sollen ihm in der Kriegszeit diverse Fotos von Hinrichtungen und Greueltaten an jüdischen Menschen geschickt haben. Nach dem Krieg behauptete Streicher, von den Vernichtungsprogrammen nichts gewusst zu haben, er sei lediglich ein „Naturfreund“ gewesen, der nur die „Fremdlinge“ aus dem Land haben wollte.
Über seine Zeit in der Nürnberger Haft hat Streicher zahlreiche Misshandlungen durch seine Bewacher zu Protokoll gegeben, die meist aus den schriftlichen Gerichtsprotokollen gestrichen wurden, sich aber noch auf den Tonbandaufzeichnungen des Nürnberger Prozesses finden.
Im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess von 1946 wurde Streicher im Anklagepunkt vier (Verbrechen gegen die Menschlichkeit) für schuldig befunden, zum Tod durch den Strang verurteilt und zwei Wochen später hingerichtet. Vor seiner Hinrichtung soll er u. a. ausgerufen haben: "Heil Hitler! Dies ist mein Purimfest 1946. Ich gehe zu Gott. Die Bolschewisten werden eines Tages Euch auch hängen."[3]
[Bearbeiten] Zitate Streichers
- „Die Judenfrage kann nur auf blutigem Wege gelöst werden." (bereits 1936 auf einer Pressekonferenz, nach einem Bericht des polnischen Korrespondenten Antoni Sobański: Nachrichten aus Berlin 1933 - 1936 Parthas, Berlin 2007)
- „Der Vater der Juden ist der Teufel." Streicher in einer im Dokumentarfilm über Anja Lundholm zu hörenden Propagandarede
- „Wer gegen die Juden kämpft, ringt mit dem Teufel." Streicher im NS-Kinderbuch "Der Giftpilz"[1]
[Bearbeiten] Internationale Auszeichnungen
Noch vor Kriegsausbruch wurde Streicher 1939 zum Ritter der französischen Ehrenlegion ernannt.
[Bearbeiten] Einzelnachweis
- ↑ Wolfgang Thierse, Ansprache des Bundestagspräsidenten beim Trauerstaatsakt für Josef Felder im Reichstagsgebäude in Berlin am 7. November 2000 online einsehbar
- ↑ http://www.ushmm.org/outreach/hps0055m.htm – Interview mit dem jüdischen Major Henry G. Plitt über die Verhaftung Streichers
- ↑ http://www.spiegel.de/sptv/reportage/0,1518,101879,00.html, Einzelheiten umstritten, Quellenlage widersprüchlich
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Julius Streicher im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Jewish Virtual Library. Julius Streicher (1885-1946)
- SPIEGEL TV. Reportage. KURZBIOGRAFIE: Julius Streicher (1885 - 1946)
- Hetzkarikaturen des Stürmers
- Fundstück aus Franken: Hesselberg
Göring | Heß | Bormann (Verbleib damals unbekannt) | v. Ribbentrop | Ley (Suizid vor Prozessbeginn) | v. Papen | Keitel | Jodl | Raeder | Dönitz | Kaltenbrunner | Speer | Sauckel | Schacht | Funk | Krupp v. Bohlen und Halbach (Prozessunfähig) | Frank | Seyß-Inquart | Rosenberg | v. Neurath | Frick | Streicher | Fritzsche | v. Schirach
Personendaten | |
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NAME | Streicher, Julius |
KURZBESCHREIBUNG | nationalsozialistischer Politiker und Herausgeber des Stürmer |
GEBURTSDATUM | 12. Februar 1885 |
GEBURTSORT | Fleinhausen bei Augsburg |
STERBEDATUM | 16. Oktober 1946 |
STERBEORT | Nürnberg |