Kinder- und Jugendsportschule
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Die Kinder- und Jugendsportschulen (KJS) der DDR dienten als Spezialschulen für sportlich talentierte Kinder und Jugendliche. Aus ihnen ging ein Großteil der Teilnehmer an den Olympischen Spielen und an internationalen Meisterschaften, wie Weltmeisterschaften und Europameisterschaften hervor. Wer in einer KJS aufgenommen werden wollte, musste einen Sichtungs- und Eignungstest (einheitliche Sichtung und Auswahl für die Trainingszentren und Trainingsstützpunkte des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB der DDR)) absolvieren, der in mehrere Abschnitte unterteilt war.
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[Bearbeiten] Entstehung
Frühzeitig nach der Gründung der DDR hatte die politische Führung die Wechselwirkung zwischen Leistungssport und dem Sport von Kindern und Jugendlichen erkannt. Diese wurde als Grundlage des Leistungssports angesehen. Die ersten KJS der DDR wurden mit dem Schuljahr 1952/1953 durch das Ministerium für Volksbildung in Zusammenarbeit mit dem DTSB geschaffen. Die Erfahrungen, die der sowjetische Sport mit seinen in den 30er Jahren eingeführten KJS gemacht hatte, waren die Grundlage für die Einführung der KJS in der DDR.
Die ersten KJS, die sich in ihren Strukturen jedoch von den sowjetischen unterschieden, entstanden in Berlin, Brandenburg, Halberstadt und Leipzig. Mit dem Schuljahr 1953/1954 folgten acht weitere Schulen, bis Ende 1959 wuchs die Anzahl auf 23. Anfangs waren die KJS als Schulen mit erweitertem Sportunterricht konzipiert, der sowohl im Fach Körpererziehung (insgesamt 3 bis 4 Wochenstunden) als auch als zweistündiges wöchentliches Training durchgeführt wurde. Im Mittelpunkt standen die Sportarten Gerätturnen und Gymnastik, Leichtathletik, Schwimmen und Wasserspringen sowie die Sportspiele. Aufgenommen werden konnte nur,
- wer die erforderlichen sportlichen Leistungen brachte und
- wessen schulische Leistungen das Ablegen des Abiturs erwarten ließen.
[Bearbeiten] Entwicklung
Mit Beschluss vom 6. Juni 1963 des Sekretariats des Zentralkomitees der SED über die Entwicklung der KJS wurden Ziel und Struktur der KJS neu festgelegt. Dies erfolgte aus den bisher gemachten Erfahrungen, dass sowohl die Schüler als auch die Lehrer teilweise nicht die gewünschten Fähig- und Fertigkeiten entwickelten, um die Sportler zu Höchstleistungen zu führen.
Die im Beschluss neu definierte Aufgabe, Unterricht und Training optimal zu koordinieren und die Festlegung, dass die Sportclubs künftig für die Trainingsinhalte verantwortlich waren, führte zur örtlichen Zusammenlegung von KJS und Sportclubs. Meist arbeiteten die KJS mit einem oder mehreren Sportclubs zusammen oder waren diesen angeschlossen.
Die medizinische Betreuung der Schüler, ihre sportartengerechte Verpflegung und die Unterbringung in Internaten waren ebenfalls Anliegen des Beschlusses. Seit Anfang der 70er Jahre wohnten über 50 % der Schüler in KJS-eigenen Internaten. Jeder Schule war ein Arzt und eine Krankenschwester zugeteilt worden. Eine sportärztliche Untersuchung fand für jeden Nachwuchssportler einmal im Jahr statt.
Besonders die Sommersportarten Boxen, Fechten, Fußball, Gerätturnen, Handball, Judo, Kanurennsport, Leichtathletik, Radsport, Rhythmische Sportgymnastik, Ringen, Rudern, Schwimmen, Segeln, Volleyball und Wasserspringen wurden gefördert. Als die Wichtigkeit der Wintersportarten wuchs, wurden zunehmend auch Biathlon, Bob, Eiskunstlauf, Eisschnelllauf, Nordische Kombination, Rodeln, Skilanglauf und Skispringen unterstützt. Die Förderung der Sportarten richtete sich wie im gesamten DDR-Sport vor allem an den olympischen Sportarten aus. So fielen beispielsweise Feldhandball, Wildwasserkanu und Moderner Fünfkampf trotz beachtlicher internationaler Erfolge aus der Nachwuchsförderung heraus.
1989 gab es 25 Kinder- und Jugendsportschulen (nach Schüleranzahl 1989 geordnet: in Berlin (4), Leipzig (2), Dresden, Halle, Rostock, Karl-Marx-Stadt (2), Potsdam, Erfurt, Frankfurt (Oder), Magdeburg, Jena, Schwerin, Oberhof, Cottbus, Neubrandenburg, Oberwiesenthal, Klingenthal, Luckenwalde, Altenberg und Zella-Mehlis) mit über 10.000 Schülern. Etwa 1460 Lehrer unterrichteten diese an den Schulen, über 430 Erzieher gestalteten die Freizeit- und Erziehungsaktivitäten in den Internaten. Nahezu alle Teilnehmer der DDR-Olympiamannschaften von 1988 in den Winter- und Sommersportarten hatten ihren schulischen Werdegang in einer der KJS absolviert.
[Bearbeiten] Aufgaben
Den sportlichen Höchstleistungen war an den KJS alles andere untergeordnet:
- Der Sportunterricht wurde ab den 70er Jahren an diesen Schulen in der Regel zugunsten des Trainings in den jeweiligen Sportarten gestrichen.
- Die Klassen der KJS waren ab den 70er Jahren zumeist sportartenspezifisch zusammengesetzt. Somit konnte der Stundenplan mit dem Trainingsplan der Sportler abgestimmt werden. Ein zweimaliges Training pro Tag war von Montag bis Freitag die Regel, zum Teil konnte auch eine dritte Trainingseinheit (als Ausgleichs- oder Entspannungssport) realisiert werden. Sonnabends wurde meist einmal trainiert, da der Sonnabend bis 1989 Unterrichtstag in der DDR war.
- In oberen Klassen erfolgte oftmals eine zeitliche „Streckung“ des Unterrichts, z. B. konnte das Abitur in drei Jahren, anstatt in den in der DDR üblichen zwei Jahren, abgelegt werden.
- Schulzeitverlängerungen waren auch in den Klassenstufen 8 bis 10 für Schüler in bestimmten Sportarten (Eiskunstlauf, Gerätturnen, Rhythmische Sportgymnastik, Schwimmen und Wasserspringen) möglich.
- „National-Kader“ (Angehörige der Nationalmannschaft) konnten Einzelunterricht erhalten, wenn der Trainingsumfang ein Erreichen der Unterrichtsziele in anderen Unterrichtsformen nicht zuließ.
[Bearbeiten] Entwicklung nach der Wende
Die ehemaligen KJS wurden nach der politischen Wende als Gesamtschulen oder Gymnasien mit sportlichem Schwerpunkt weitergeführt. Viele Schulen erlebten einen Einbruch sowohl inhaltlicher als auch personeller Art. Teilweise gab es in einer Jahrgangsstufe nur noch eine einzige Sportklasse, die unter Umständen mit „normalen“ Schülern aufgefüllt werden musste, da notwendige Mindestklassenstärken nicht mehr erreicht wurden.
Viele der Spezialschulen sind heute wieder in der Lage, mehrere Klassen pro Jahrgangstufe als Sportleistungsklassen zu führen. Teilweise wurde auch eine Trennung nach Sportarten wieder eingeführt. 21 ehemalige KJS haben sich als eine der „Eliteschulen des Sports“ in der Sport- und Schullandschaft in der Bundesrepublik Deutschland etablieren können und belegen mit ihren Schulmannschaften bei den Wettbewerben „Jugend trainiert für Olympia“ vordere Plätze bei den Bundesfinalwettbewerben.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
[Bearbeiten] Links zu Sportgymnasien/Sportschulen, welche aus den KJS hervorgegangen sind
- Altenberg: Bergstadtgymnasium
- Berlin: Coubertin-Gymnasium
- Berlin: Flatow-Oberschule
- Berlin: Werner-Seelenbinder-Schule
- Chemnitz: Sportgymnasium, Sportgymnasium Chemnitz
- Cottbus: Lausitzer Sportschule Cottbus
- Dresden: Sportgymnasium
- Erfurt: Sportgymnasium
- Frankfurt (Oder): Sportschule
- Halle: Sportgymnasium und Sekundarschule
- Jena: Sportgymnasium "Johann Christoph Friedrich GutsMuths"
- Klingenthal: Skisport-Gymnasium
- Leipzig: Sportgymnasium
- Luckenwalde: Oberschule mit Sportbetonung
- Magdeburg: Sportgymnasium und Sekundarschule "Hans Schellheimer"
- Neubrandenburg: Sportgymnasium
- Oberhof: Sportgymnasium
- Oberwiesenthal: Eliteschule des Wintersports
- Potsdam: Sportschule "Friedrich Ludwig Jahn"
- Rostock: CJD Jugenddorf-Christophorusschule
- Schwerin: Sportgymnasium
[Bearbeiten] Ergänzende Informationen
- Online-Hausarbeit im PDF-Format (1,3 MB, Universität Mainz) HOFFMANN, Nils: Der Ausbau der Kinder- und Jugendsportschulen (KJS) der DDR unter besonderer Betrachtung des Konflikts um einen „humaneren Kinderhochleistungssport“ zwischen dem Ministerium für Volksbildung und dem DTSB
- Überblick über die Entwicklung der Kinder- und Jugendsportschulen von Prof. Horst Röder, bis 1989 Vizepräsident des DTSB der DDR
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