Bahnstrecke Hamm–Minden
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Die Bahnstrecke Hamm–Minden ist eine der wichtigsten und am meisten befahrenen Eisenbahnstrecken in Deutschland. Sie ist die Hauptachse des Schienenpersonenfern-, -nahverkehrs und Güterverkehrs zwischen dem Ruhrgebiet und dem Osten Deutschlands.
Sie ist ein Teil der von der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft gebauten Hauptstecke, nach der die Gesellschaft benannt wurde. Sie wurde 1847 eröffnet und seither mehrfach modernisiert und ausgebaut. Die beiden heutigen Strecken mit den Nummern 1700 (Personenverkehr) und 2990 (Güterverkehr) bilden den längsten viergleisigen Gleiskörper Deutschlands.
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[Bearbeiten] Geschichte
Eröffnet wurde die Strecke am 15. Oktober 1847 von der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft als letzter Teil ihrer Stammstrecke und Fortsetzung der bereits in den Vorjahren gebauten Verbindung (Köln-)Deutz – Düsseldorf – Duisburg – Dortmund – Hamm (Westf).
Die Strecke war von Anfang an zweigleisig angelegt, wenn auch manche Abschnitte in Betrieb genommen wurden, bevor das zweite Gleis fertig war. Wegen ihrer Bedeutung für den Ost-West-Verkehr in Preußen und im internationalen Verkehr wurde Anfang des 20. Jahrhunderts der viergleisige Ausbau durchgeführt. Dazu wurden zahlreiche Bahnübergänge durch Unterführungen ersetzt und Bahnhofsgebäude neu gebaut, um Platz für die Strecke zu bekommen. Betriebstechnisch sind es aber zwei Strecken mit jeweils zwei Gleisen, von denen die eine mit der Nummer 1700 für den Personenverkehr vorgesehen ist mit Geschwindigkeiten bis 200 km/h, während die Strecke mit der Nummer 2990 vornehmlich dem Güterverkehr dient und mit maximal 120 km/h befahren werden darf. Von Hamm bis kurz hinter Gütersloh bilden die beiden südlichen Gleise die Strecke 2990, die beiden nördlichen die Strecke 1700; ab Avenwedde ist die Schnellfahrstrecke südlich neben der Güterstrecke geführt. Elektrifiziert wurde das Streckenpaar Mitte der 1960er Jahre.
[Bearbeiten] Ausbau zur Schnellfahrstrecke
Der erste Bundesverkehrswegeplan (1973) führte die Ausbaustrecke Dortmund–Hannover–Braunschweig als eines von acht geplanten Ausbauvorhaben im Bereich der Schienenwege[1].
Bereits am 1973 stand ein 28 km langer Versuchsabschnitt zwischen Gütersloh und Neubeckum zur Verfügung, auf dem versuchsweise Schnellfahrten mit bis zu 250 km/h erfolgten. Als Versuchslok kam zunächst 103 118 zum Einsatz, die mit einer speziellen Getriebeübersetzung für eine Höchstgeschwindigkeit 265 km/h zugelassen wurde.[2] Im September 1973 erreichte ein Versuchszug zwischen Gütersloh und Neubeckum eine Geschwindigkeit von 252,9 km/h[3].
Als eine der ersten Schnellfahrstrecken in Deutschland wurde 1980 ein 58,0 km langer Abschnitt zwischen Hamm und Brackwede für fahrplanmäßige Fahrten von 200 km/h freigegeben.[4]
Mitte 1985 stellte ein Versuchszug des Bundesbahn-Zentralamts Minden, der von einer mit einer speziellen Getriebeübersetzung versehenen 103 003 gezogen wurde, auf der Strecke zwischen Brackwede und Neubeckum mit einer Geschwindigkeit von 283 km/h einen Geschwindigkeitsrekord auf deutschen Schienen auf.[5]
Am 26. November 1985, um 11:29 Uhr, erreichte der mit Fahrgästen voll besetzte InterCityExperimental im Streckenabschnitt Gütersloh–Hamm eine Geschwindigkeit von 317 km/h. Der ICE stellte damit einen neuen deutschen Rekord für Rad/Schiene-Fahrzeuge sowie einen Weltrekord für Drehstrom-Schienenfahrzeuge auf.[6][7] Die Rekordfahrt erfolgte, ebenso wie die vorausgegangenen Hochgeschwindigkeitsfahrten, unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen: Für jede Fahrt wurden alle Signale im Versuchsabschnitt auf Fahrt (grün) gestellt und das benachbarte Gleis gesperrt. Nach jeder Fahrt wurden die Schienen durch einen Prüfzug per Ultraschall kontrolliert, ein Triebwagen zur Reparatur der Oberleitung stand in Bereitschaft. Bei der Rekordfahrt fuhr eine Angstlok dem Zug voraus, eine weitere folgte dem ICE-Vorläuferzug. Alle Brücken und Bahnhöfe der Strecke wurden darüber hinaus bewacht.[8]
[Bearbeiten] Schwere Unglücke
In Porta Westfalica ereignete sich am 20. Januar 1944 ein Auffahrunfall zweier D-Züge: Dabei kamen 79 Menschen zu Tode, darunter 20 Frauen und vier Kinder. 64 Menschen überlebten zum Teil schwer verletzt, 15 von ihnen blieben auf Dauer verstümmelt.[9][10][11]
siehe Hauptartikel: Katastrophen im Schienenverkehr
In Bielefeld Brackwede (Bahnhof) ereignete sich am 17. April 1974 ein Güterzugunglück. Mehrere Kesselwaggons entgleisten und explodierten.
[Bearbeiten] Brücken
[Bearbeiten] Schildescher Viadukt
Ein bemerkenswertes Brückenbauwerk im Verlauf der Stammstrecke ist der Viadukt von Schildesche, einem Stadtteil von Bielefeld. Er ermöglicht, die Strecke schon ab Brake auf Hügelrücken zu führen und so den Anstieg zum Bielefelder Pass, einem Einschnitt im Teutoburger Wald, sehr gering zu halten. Das ursprüngliche Bauwerk wurde 1847 zweigleisig mit 28 Bögen fertiggestellt. Im Zuge des viergleisigen Ausbaus der Strecke wurde 1917 eine weitgehend baugleiche zweite Brücke daneben gestellt.
Im 2. Weltkrieg wurde vorsichtshalber eine zweigleisige, aber kurven- und steigungsreiche Umgehungsstrecke angelegt, die so genannte „Gummibahn“. Die beiden außerordentlich solide ausgeführten Viadukte hielten zunächst mehreren Luftangriffen stand und stürzten erst am 14. März 1945 ein, als die Royal Air Force eine zehn Tonnen schwere Bombe auf den Viadukt abwarf. Die sogenannte Grand-Slam-Bombe war bis dahin die schwerste ihrer Art. Als Folge der gewaltigen Detonation starben in Schildesche mindestens 50 Einwohner.
Wegen ihrer immensen Bedeutung wurde der nordwestliche Viadukt kurz nach Ende des Krieges provisorisch wieder aufgebaut und der Güterverkehr darüber geführt. Bis zur Fertigstellung einer neuen südöstlichen Brücke im Jahre 1965 wurde der Personenverkehr weiterhin über die „Gummibahn“ geführt, bei langen Zügen mit Vorspannloks. Das noch aus Pionierteilen der Wehrmacht bestehende Provisorium der nordwestlichen Überführung wurde durch eine 1983 fertiggestellte neue Brücke ersetzt.
[Bearbeiten] Weserbrücke
Die Weserbrücke bei Rehme wurde am 23.März 1945 durch einen Luftangriff zerstört[12]. Die nach dem Krieg aufgebaute Brücke war nur zweigleisig ausgelegt, sodass der Verkehr zwischen dem Bahnhof Bad Oeynhausen und dem Rangierbahnhof Neesen eine zweigleisige Engstelle aufwies. Dies endete erst mit dem Neubau der Weserbrücke im Dezember 1984.
[Bearbeiten] Angebot
Im Personenfernverkehr erfolgt die Bedienung im Stundentakt durch die ICE-Linie 10 Köln / Bonn – Ruhrgebiet / Wuppertal – Hannover – Berlin, sowie mehrerer IC-Züge verschiedener Linien, wie z. B. im Zweistundentakt auf der Relation Köln – Wuppertal – Hamm – Hannover – Magdeburg – Leipzig, siehe auch Liste der InterCityExpress-Bahnhöfe und Liste der InterCity-Bahnhöfe.
Im Personennahverkehr besteht durch den RE 6 „Westfalen-Express“ (aus Düsseldorf) auf der gesamten Strecke ein Stundentakt, der durch weitere Linien von und nach Bielefeld zu einem Halbstundentakt verdichtet wird: Der Abschnitt Hamm – Bielefeld wird von der RB 69 „Ems-Börde-Bahn“ (aus Münster) genutzt, der Abschnitt Bielefeld – Minden abwechselnd vom RE 70 „Weser-Leine-Express“ (nach Braunschweig) und vom RE 78 „Porta-Express“ (nach Nienburg, nur montags bis freitags). Das Angebot wird zwischen Rheda-Wiedenbrück und Herford durch abzweigende Regionalbahnlinien ergänzt.
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Rüdiger Block: Auf neuen Wegen. Die Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn. In: Eisenbahn-Kurier Special: Hochgeschwindigkeitsverkehr. Nr. 21, 1991, ohne ISSN, S. 30–35.
- ↑ Matthias Maier, Rüdiger Block: ICE. InterCity Experimental. InterCity Express. In: Eisenbahn-Kurier Special: Hochgeschwindigkeitsverkehr. Nr. 21, 1991, ohne ISSN, S. 58–67.
- ↑ Gunther Ellwanger: Neubaustrecken und Schnellverkehr der Deutschen Bundesbahn. Chronologie.. In: Knut Reimers, Wilhelm Linkerhägner (Hrsg.): Wege in die Zukunft. Neubau- und Ausbaustrecken der DB. Hestra Verlag Darmstadt, 1987, ISBN 3-7771-0200-8, S. 245–250
- ↑ Rüdiger Block: ICE-Rennbahn: Die Neubaustrecken. In: Eisenbahn-Kurier Special: Hochgeschwindigkeitsverkehr. Nr. 21, 1991, ohne ISSN, S. 36–45.
- ↑ Meldung Deutscher Rekord auf der Schienen-Strecke Bielefeld–Hamm. In: Eisenbahntechnische Rundschau. 34, Nr. 7/8, 1985, S. 511.
- ↑ Meldung ICE erreicht 317 km/h. In: Eisenbahntechnische Rundschau. 34, Nr. 12, 1985, S. 846
- ↑ Meldung ICE ZUG DER ZUKUNFT. In: Eisenbahntechnische Rundschau 34, Heft 12, 1985, S. 908
- ↑ Jürgen Hörstel, Marcus Niedt: ICE – Neue Züge für neue Strecken. Orell Füssli Verlag, Zürich und Wiesbaden 1991, ISBN 3-280-01994-X, S. 95–108
- ↑ Mindener Tageblatt, 20. Januar 2004
- ↑ Falsches Signal löste die Katastrophe aus
- ↑ Eckhard Möller: Tod auf freier Strecke In: Eisenbahn Geschichte 25 (Dezember 2007 / Januar 2008), S. 46.
- ↑ Hermann Kleinebenne: Die Weserlinie, Kriegsende 1945, Stolzenau 1999
[Bearbeiten] Quellen
- NRWbahnarchiv von André Joost:
- Beschreibung der Strecke 1700 (Hamm (Westf) Pbf ↔ Minden (Westf) Gbf)
- Beschreibung der Strecke 2990 (Hamm Rbf Hvn ↔ Minden (Westf) Gbf)