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Gewalt an Schulen – Wikipedia

Gewalt an Schulen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Gewalt an Schulen äußert sich in physischer Gewalt, Diebstahl, Erpressungen und Mobbing zwischen Schülern, zwischen Schülern und Lehrern, sowie Gewalt gegen Schuleigentum und Gegenständen. Gegebenenfalls können auch Schulfremde beteiligt sein, die das Schulgelände betreten.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Definition

Eine eindeutige und klare Definition des Begriffs „Gewalt“ ist nicht möglich, da dem Gewaltbegriff in unterschiedlichen Zusammenhängen eine abweichende Bedeutung zugeschrieben wird. Die Einschätzung von Gewalt hängt davon ab, welchen Handlungen in unserer Gesellschaft (in der Schule) die Eigenschaft „gewalttätig“ - und damit verabscheuungswürdig - zugeschrieben wird.

Der Freiburger Pädagoge Matthias Koch formuliert einen auf die Lehr- und Lernkultur der Schule abzielenden engen und gleichzeitig weiten Gewaltbegriff, der in erster Linie aktive Handlungen, die Schüler gegen Schüler, Schüler gegen Sachen, Schüler gegen Lehrer und/oder Lehrer bzw. die Institution Schule gegen Schüler und Lehrer begehen. Auch strukturelle Formen von Gewalt sind in der Schule anzutreffen. [1]

Zu den Körperverletzungen zählen laut eines Berichts der Unfallkasse Hessen unter anderem Blutergüsse, Schürfwunden, Zahnschäden und Knochenbrüche. [2] Ein Teil der Vorfälle ereignet sich auf dem Schulweg, ein anderer auch inmitten des Unterrichts, zum Beispiel beim Schulsport.

Typische Fälle von Diebstahl sind das Entwenden von Geldbörse oder Handy, Beispiele für Mobbing in der Schule sind Beleidigungen, für Erpressung das Verlangen von Schutzgeld.

Bei Befragungen von Direktoren in Baden-Württemberg, welche Verhaltensweisen unter dem Begriff der Gewalt subsumiert werden, wurde das Mitführen von Waffen genannt, ferner wurden von einigen Befragten auch Ungehorsamkeit, Boykott des Unterrichts und ähnliches als Gewalt angesehen. [3]

Übergriffe von Lehrern auf Schüler sind unter anderem auch als Erziehungs- und Ordnungsmaßnahme (körperliche Züchtigung, Prügelstrafen, Ohrfeige, die „Watsch'n“ usw.) verboten (§ 39 Sächsisches Schulgesetz usw.).

[Bearbeiten] Ursachen

Als äußere Ursachen werden Gewalt im Fernsehen und in Computerspielen vermutet, mangelnde Integration in sogenannten Brennpunktschulen mit hohem Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund, die schlechte Perspektive der Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt und Probleme in der eigenen Familie wie zum Beispiel Armut, Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und Häusliche Gewalt, sowie Desinteresse der Eltern an einer konsequenten, weil anstrengenden Erziehung. Der Jugendpsychiater Max Friedrich nennt auch Leistungsdruck und mangelnde Kommunikation im Elternhaus. [4]

Sozialforscher wie zum Beispiel Ferdinand Sutterlüty nennen mangelnde gesellschaftliche Anerkennung als Gewaltmotiv. [5] Der Soziologe Norbert Elias warnte 1989: „Wenn die Gesellschaft den Menschen der heranwachsenden Generation eine kreative Sinnerfüllung versagt, dann finden sie schließlich ihre Erfüllung in der Zerstörung.“ [6]

[Bearbeiten] Situation

[Bearbeiten] Deutschland

Der Bundesverband der Unfallkassen berichtet von 93.295 gemeldeten Raufunfällen im Jahre 2003 (250 verletzte Schüler pro Tag). Die Anzahl der Raufunfallrate (pro 1.000 Schüler) betrug 11,3 (an Hauptschulen 32,8). Der Bundesverband stellte in seinen Statistiken eine Abnahme gegenüber 1993 fest, ebenso bei der Frakturenquote. [7]

In Brandenburg wurden 2004 838 Fälle polizeilich gemeldet. [8]

Nach einer Studie von Prof. Thomas Feltes und seinen Mitarbeitern an der Ruhr-Universität Bochum 2004 unter 4.000 Schülern der achten Klassen sämtlicher Schulformen in Bochum hat „jeder fünfte Hauptschüler einen anderen Jugendlichen schon einmal so brutal verprügelt, dass dieser zum Arzt musste.“ In den zurückliegenden 12 Monaten haben 14 % der befragten Schüler an Gesamtschulen und 8 % an Gymnasien nach eigenen Angaben eine solche Tat begangen. [9]

Im August 2005 wandten sich 180 (von 240) Lehrerinnen und Lehrer der neun Bochumer Hauptschulen an Barbara Sommer, Schulministerin von NRW, um auf Mängel und Probleme an den Schulen hinzuweisen. Hauptschulen müssten nahezu allein die Integration ausländischer Schüler übernehmen. Auf ihnen laste zudem der Zwang, abgewiesene und „abgeschulte“ Kinder und Jugendliche anderer Schulen aufzunehmen. Probleme wie z. B. Beleidigungen, Mobbing, aber auch Übergriffe auf Lehrer wurden als Folgen genannt. Das Ministerium verwies in seiner Antwort auf den Instanzenweg. [10] [11]

Im November 2005 ereignet sich an der Alfred-Teves-Schule in Gifhorn während einer Pause eine Schülerkonfrontation, in deren Verlauf strafbare Inhalte (Gewaltvideos) auf Schülerhandys gefunden wurden. Die Schule machte das Problem mit Hilfe von Medien (unter anderem Gestaltung von Vorträgen und Schulwebseiten) publik. Die Vorgehensweise wird bundesweit als vorbildlich bezeichnet. [12]

Im März 2006 gingen die Lehrer der Rütli-Schule in Berlin an die Öffentlichkeit, um auf die besonderen Probleme an ihrer Hauptschule hinzuweisen. [13]

[Bearbeiten] Frankreich

Nach Angaben von Betty Galy, Sprecherin der Lehrer-Selbsthilfe-Organisation Fédération Autonome de Solidarité (FAS) in Frankreich, ereigneten sich im Schuljahr 2004/2005 allein gegen Lehrer 1.651 Gewalttaten (etwa 8 pro Tag). Der damalige französische Innenminister Nicolas Sarkozy sprach 2006 von 80.000 Gewalttaten in Realschulen und Gymnasien im Jahr 2005. [14]

[Bearbeiten] Großbritannien

In Großbritannien wird das Phänomen, dass sich angeblich 29 % aller britischen Schülerinnen zwischen 11 und 15 Jahren mindestens einmal im Jahr mit einem anderen Mädchen prügeln, „Ladette“ genannt. Hier wird die Gewalt als Mittel zur Anerkennung verstanden. [15]

[Bearbeiten] USA

Nach Angaben des National Center for Education Statistics (NCES) wurden im Schuljahr 2002/2003 15 Schüler getötet, es gab ferner zwei Millionen Verbrechen, darunter 150.000 schwere Verbrechen wie Vergewaltigungen oder Körperverletzungen. [16]. Der Bestsellerautor Ron Suskind hat 1995 für akribitsch recherchierte Features über Gewalt an Schulen den Pulitzer Preis erhalten.

[Bearbeiten] Russland

In manchen Schulen treiben Berichten der Presse zufolge 16-jährige „inoffizielle Schulleiter“ von Mitschülern Schutzgelder ein. Die Kriminalität unter Jugendlichen ist allgemein sehr hoch, so begingen russische Jugendliche im Jahr 2004 in Russland 154.000 Straftaten, darunter rund 1.500 Morde.

[Bearbeiten] Vorfälle an Schulen

[Bearbeiten] Deutschland

  • 26. April 2002 in Erfurt, Thüringen
    Der Gymnasiast Robert Steinhäuser erschießt im Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen und sich selbst (siehe Amoklauf von Erfurt).
  • Mai 2006. An einer Hauptschule in Hamm verletzte ein 15-Jähriger einen gleichaltrigen Mitschüler mit drei Messerstichen in den Rücken lebensbedrohlich.
  • 29. Mai 2006. In Berlin-Kreuzberg erleidet eine Lehrerin an der Lemgo-Grundschule mehrere Knochenbrüche im Gesicht durch die Schläge eines 12jährigen Schülers.
  • 20. November 2006. An der Realschule Geschwister-Scholl-Schule in Emsdetten verletzt ein 18jähriger Amokläufer 37 Menschen und tötet sich selbst. Sein Sprengstoffgürtel musste nach der Tat von der Polizei entschärft werden. (Siehe Amoklauf von Emsdetten)

[Bearbeiten] Österreich

  • Am 6. Oktober 1993 schoss ein Schüler in Hausleiten (Bezirk Korneuburg, Niederösterreich) einen Direktor an, von dem er beim Rauchen erwischt worden war und verletzte ihn schwer. Nach der Tat erschoss er sich selbst.
  • Im Juli 1994 verletzte eine 15-Jährige in einer Hauptschule in Wien-Meidling einen 14-Jährigen. Motiv waren ein familiärer Streit und Eifersucht.
  • Am 5. Mai 1995 erschoss ein 15-jähriger Schüler in Zöbern im niederösterreichischen Bezirk Neunkirchen eine Lehrerin und verletzte eine weitere schwer. Der Jugendliche wurde zu acht Jahren Haft verurteilt.
  • Im Juni 1998 griff ein Berufsschüler im Internat im obersteirischen Murau im Streit mit einem Mitschüler zum Klappmesser und verletzte ihn leicht.
  • Im Oktober 2003 setzte ein 13-Jähriger an einer Linzer Hauptschule zwei Mitschülerinnen ein Fixiermesser an den Hals und bedrohte auch einen Jungen. Der als Problemschüler bekannte Schüler wurde von einer Lehrerin entwaffnet.
  • Am 15. April 2004 stach ein 13-Jähriger in der Hauptschule Wies in der Weststeiermark eine gleichaltrige Mitschülerin nieder und verletzte sie schwer. Der psychisch kranke Junge wollte ursprünglich die Lehrerin attackieren. Der 13-Jährige wurde danach in die Landesnervenklinik eingeliefert.
  • Am 15. September 2005 kam es in Wien 18., Schopenhauerstraße, in einer Polytechnischen Lehranstalt zu einer Rauferei unter mehreren Schülern. Im Zuge dessen nahm der 15-jährige Nikola N. aus Wien 16., sein Fixiermesser und stach seinem Klassenkameraden, dem 14-jährigen Kevin G. aus Wien 18., in den Bauch und in den Bereich des Herzens. Das Opfer wurde mit schwersten inneren Verletzungen ins Spital gebracht, wo er verstarb.

[Bearbeiten] USA

  • 1974 in Olean, New York tötet Anthony Barbaro drei und verletzt 9 seiner Mitschüler.
  • 1979 in San Diego, California tötet die 16-jährige Brenda Spencer zwei und verletzt weitere 9 Kinder einer Grundschule in der Nähe ihres Hauses.
  • 21. Mai 1998 tötet der 15-jährige Kipland Kinkel zuerst seine Eltern, geht dann in die Schule und erschießt zwei Schüler und verletzt weitere 22.
  • 20. April 1999 in Littleton, Colorado
    Der 18-jährige Eric Harris und der 17-jährige Dylan Klebold töten beim Schulmassaker von Littleton zwölf Schüler, einen Lehrer und sich selbst.
  • 29. Februar 2000 in Mount Morris, Michigan
    Ein erst sechs Jahre alter Junge erschießt in der Grundschule eine ebenfalls sechsjährige Mitschülerin.
  • 16. April 2007 in Blacksburg, Virginia: An der Virginia Polytechnic Institute and State University tötet der 23-jährige Cho Seung-Hui 32 Menschen und verletzt 29.

[Bearbeiten] Andere Länder

  • 2006 in Danzig (Polen) gegen die 14jährige Schülerin Anna Halman, die daraufhin einen Selbstmord begann; der Fall wurde über die Grenzen hinaus viel beachtet

[Bearbeiten] Deeskalation & Prävention

Maßnahmen in der Schulsozialarbeit wie zum Beispiel Schulmediation, Schlichtungsstellen, Workshops und gemeinsame Projekte können zur Gewaltdeeskalation beitragen.

Um Gewalt, insbesondere physische, im Vorfeld zu verhindern, werden an den betroffenen Schulen Programme zur Veränderung der Lern- und Schulkultur ins Leben gerufen. Hierbei wird unter anderem eine Öffnung der Schule angestrebt, wodurch der Unterricht näher an die Lebenswelt der Schüler gebracht werden soll.

In USA gibt es laut William Modzelski, Direktor des U.S. Department of Education's Safe and Drug-Free Schools Program das Konzept „places, persons, purpose“ mit Waffenkontrollen, Beobachten, Schulungen der Personen und Programme zum Fördern und Fordern der Schüler.

[Bearbeiten] Quellen

  1. Matthias Koch: Gewalt in der Realschule und Möglichkeiten der Prävention. 2006. ISBN 3-8288-9106-3
  2. Unfallkasse Hessen: Gewalt auf der Spur. September 2000 (pdf)
  3. Sikorski, Thiel: Gewalt an Schulen: Ergebnisse einer Befragung von Schulleitern in Baden-Württemberg zur Gewaltentwicklung und zu möglichen Interventionsmaßnahmen. Bericht. Landesinstitut für Schulentwicklung, Baden-Württemberg. 1995
  4. Die Spirale der Gewalt zur Brutalität In: OÖNachrichten, 17. September 2005
  5. Die Zeit, 6. April 2006: Dynamik der Gewalt. Wie Ohnmachtsgefühle sich in einen Machtrausch verkehren können. Der Fall der Neuköllner Rütli-Schule.
  6. Norbert Elias: Studien über die Deutschen, Frankfurt 1989, ISBN 3518286080
  7. Bundesverband der Unfallkassen: Gewalt an Schulen. Empirischer Bericht. (pdf)
  8. Gewalt an Schulen. 250 verletzte Schüler pro Tag In: Der Spiegel, 8. Juni 2005
  9. Gewalt an Schulen: Prügeln, bis der Arzt kommt In: Der Spiegel, 28. März 2005
  10. Düsseldorf watschte Hauptschul-Brandbrief ab. In: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Ortsteil Bochum, 4. April 2006
  11. Resolution Bochumer Hauptschullehrer(innen), 2005: Maßnahmen zur Stärkung der Hauptschule In: waz.de
  12. Alfred-Teves-Schule: Gewaltvideos auf Schülerhandys - Berichterstattung und Chronik
  13. Der Brief der Neuköllner Lehrer, 30. März 2006 In: RBB Online
  14. Schulgewalt in Frankreich: Die stolze Bildungsnation kapituliert In: Der Spiegel, 21. Februar 2006
  15. Gewalt an Schulen - ein weltweites Problem In: RP Online, 1. April 2006
  16. Gewalt an Schulen. Wie gehen Amerikaner damit um? In: tagesschau.de, 1. April 2006

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

[Bearbeiten] Weblinks


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