Bedingungsloses Grundeinkommen
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Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist ein sozialökonomisches Modell, in dem jeder Bürger vom Staat eine gesetzlich festgelegte und für jeden Bürger gleiche finanzielle Zuwendung (Transferleistung) erhält, deren Höhe zur Existenzsicherung ausreicht und für die keine Gegenleistung erbracht werden muss.
Zu den in Deutschland diskutierten Modellen eines bedingungslosen Grundeinkommens gehören z. B. das Solidarische Bürgergeld (Althaus-Modell), das Ulmer Modell oder das Grundeinkommensmodell nach Götz Werner. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die negative Einkommensteuer, die jedoch nur Geringverdienern zugute kommt. In der Schweiz entwickelt die Initiative Grundeinkommen ein Modell der Umsetzung bedingungslosen Grundeinkommens.
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Allgemeines Konzept
Das bedingungslose Grundeinkommen stellt ein Einkommen für alle dar, das eine Grundlage zur Sicherung der Existenz und gesellschaftlichen Teilhabe darstellen soll, ohne dass eine sozialadministrative Bedürftigkeitsprüfung erfolgt und ohne dass eine Bereitschaft zur Arbeit gefordert wird.
Das bedingungslose Grundeinkommen ist somit eine Form des Bürgergelds (Grundeinkommens). Eine andere Form ist die Negative Einkommensteuer. Die Negative Einkommensteuer kann genau wie das bedingungslose Grundeinkommen so gestaltet werden, dass die Bereitschaft zur Annahme einer angebotenen Arbeit nicht vorhanden sein muss.[1] Das bedingungslose Grundeinkommen unterscheidet sich von einer staatlich organisierten Grundsicherung, die nur gezahlt wird, wenn kein anderes ausreichendes Einkommen zu Verfügung steht, und die mit einer Bedürftigkeitsprüfung verbunden ist.
Je nach Modell wird eine Zahlung in Höhe des Sozialhilfesatzes bzw. des Arbeitslosengeldes II bis hin zu einer Zahlung von 1500 Euro pro Monat vorgeschlagen.[2] Ein bedingungsloses Grundeinkommen kann aber auch unterhalb des Existenzsicherungsniveaus liegen. [3] Bedarfsgeprüfte Leistungen können dann auf diese Leistung aufstocken, um das Existenzminimum zu gewährleisten. Wer über mehr Geld als das Grundeinkommen verfügen möchte, könnte sich dies immer noch (z. B. durch Erwerbsarbeit) verdienen – es bestünde nur keine existenzielle Notwendigkeit mehr zur Erwerbsarbeit.
Modelle
Ulmer Modell
Hauptartikel: Ulmer Modell
Das bedingungslose Grundeinkommen nach dem Ulmer Modell wird grundsätzlich allen Bürgern in Höhe des vom Gesetzgeber festzulegenden Existenzminimums ausgezahlt. Finanziert wird das Bürgergeld aufkommensneutral aus einer Bürgergeldabgabe. Diese Abgabe ist ein fester Prozentsatz des Bruttoeinkommens, welche dann in einem Umlageverfahren verteilt wird.
Solidarisches Bürgergeld nach Althaus
Hauptartikel: Solidarisches Bürgergeld
Der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus fordert ein Solidarisches Bürgergeld genanntes bedingungsloses Grundeinkommen von 800 Euro brutto für jeden (abzüglich 200 Euro für eine Basis-Krankenversicherung). Alle staatlichen Transferleistungen sollen damit gebündelt werden. Verbunden ist das Konzept mit einer umfangreichen Umgestaltung („Systemwechsel“) in der Steuer- und Sozialpolitik.
Bedingungsloses Grundeinkommen nach Götz Werner
Hauptartikel: Grundeinkommensmodell nach Götz Werner
Die Initiative Unternimm die Zukunft um Götz Werner fordert die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Zeitgleich sollen alle Steuern auf Einkommen abgeschafft werden. Die Finanzierung soll dann durch eine erhebliche Erhöhung der Mehrwertsteuer erfolgen. Angestrebt wird eine Grundeinkommenshöhe von 1.500 Euro, die über mehrere Stufen schrittweise erreicht werden soll.[4]
Initiative Grundeinkommen
Hauptartikel: Initiative Grundeinkommen
Die Initiative Grundeinkommen verfolgt ähnliche Ziele wie das Grundeinkommensmodell nach Götz Werner, ebenfalls mit einer Umlagerung der Steuern von. Konkrete Realisierungsaussichten erhält die Initiative durch ihren Fokus auf die Schweiz und die dortigen Möglichkeiten einer Gesetzesinitiative.
Modell der Grünen Baden-Württemberg
Auf dem Landesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg im Oktober 2007 fiel die Entscheidung [5] für die Einführung eines Grundeinkommens in Höhe von 420 Euro in Form einer negativen Einkommensteuer. Dieses Sockelgrundeinkommen ist an keine Gegenleistung gekoppelt. Bei Bedürftigkeit sollen darauf auftstockend die Wohnkosten nach der gleichen Berechnung wie zur Zeit beim Arbeitslosengeld II übernommen werden. Weitere bedarfsgeprüfte Leistungen wie z.B. besondere Hilfen für behinderte Menschen bleiben erhalten. Einen in weiten Teilen wortgleichen Beschluss fasste auch der LV Schleswig-Holstein am 11.11.2007[6].
Die 27. Bundesdelegiertenkonferenz (23.-25.11.2007) der Partei lehnte das Konzept jedoch mehrheitlich ab und favorisierte stattdessen eine Reform des Hartz IV-Systems, zeigte sich jedoch offen für die Entwicklung eines Mischmodells[7]. Dieser Beschluss hebt die anderslautenden Beschlüsse der Landesverbände Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein aber nicht auf.
Finanzierung
Zur Finanzierung ist in der Regel eine starke Vereinfachung und Neuordnung des Steuersystems vorgesehen sowie sehr viel weniger Aufwand und Bürokratie in der Sozialverwaltung, da bisherige Transferleistungen durch das bedingungslose Grundeinkommen ersetzt würden. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Rente, Kindergeld und ähnliche Sozialleistungen würden schrittweise ersetzt und letztendlich wegfallen.
Zur Besteuerung gibt es im Wesentlichen zwei Modellansätze: Besteuerung des Konsums oder Besteuerung des Einkommens. Ein Grundeinkommen kann aber auch aus anderen Einnahmen finanziert werden. Ein Beispiel ist die Finanzierung des Grundeinkommens in Alaska aus den Einnahmen aus dem Verkauf von Öl.
- Besteuerung des Konsums: Beim Wernerschen Modell wird Einkommen überhaupt nicht besteuert, weshalb jedes Bruttoeinkommen 1:1 als Nettoeinkommen ausbezahlt wird. Das Wernersche Modell schlägt zur Finanzierung des Grundeinkommens die Besteuerung von Dienstleistungen und Waren vor. Hierbei müsste das Steuersystem stark geändert werden; es würden hohe Konsumsteuern anfallen. Das könnte dazu verleiten, in größerem Maßstab Steuern zu hinterziehen (Schwarzmarkt). Allerdings ist das Problem der Schwarzarbeit gelöst, da Einkommen durch Arbeit nicht besteuert wird.
- Besteuerung des Einkommens (Transfergrenzenmodell, zum Beispiel das Ulmer Modell oder das Solidarische Bürgergeld): Sie könnten relativ einfach in das bestehende System eingeführt werden. Allerdings setzen sie voraus, dass genügend Personen über Einkommen verfügen, das an den einkommenslosen Bevölkerungsteil umverteilt wird. Schwarzarbeit kann dadurch gefördert werden.
Das Transfergrenzenmodell funktioniert ähnlich wie die negative Einkommensteuer, wobei nach der Transfergrenze Einkommen anders (geringer) besteuert wird. Einkommen bleibt weiterhin „subventioniert“ und es wird ein Anreiz gegeben, über die Transfergrenze zu kommen, um weniger Steuern zu zahlen. Die Finanzierung des Grundeinkommens basiert auf den Einnahmen jenseits der Transfergrenze. Das Grundeinkommen wird mit dem Einkommen verrechnet und Einkommen bleiben versteuert. Die Finanzierung basiert hier also hauptsächlich auf der Einkommensteuer.
Nach dem Althaus-Modell entstünden dem Staat jährlich Kosten in Höhe von 583 Milliarden Euro. Das heutige System kostet den Staat dagegen 735 Milliarden Euro pro Jahr. Damit wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen nach Althaus günstiger als das heutige System.[8] Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat das Konzept von Althaus nachgeprüft und kommt zur Feststellung: „Das Konzept (von Althaus) ist finanzierbar“, so KAS-Vorstand Bernhard Vogel.[9]
Rechtslage in Deutschland
Nach heutiger Rechtslage besteht in der Bundesrepublik kein gesetzlicher Anspruch auf ein Grundeinkommen. Menschen, die z. B. wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande sind, sich persönlich oder sozial zu entfalten, haben aber einen rechtlich gesicherten Anspruch auf eine staatliche existenzielle Mindestsicherung, die als Minimalgarantie ein Soziokulturelles Existenzminimum gewährleisten muss (BVerfGE 40, 121,133).
Ansätze zur Einführung
In Brasilien wurden unter Präsident Lula erste Schritte für ein Bedingungsloses Grundeinkommen umgesetzt. Zur Zeit erhalten lediglich die Ärmsten einen geringen Betrag, bis 2010 sollen die Zahlungen auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt werden.
Dahingegen ist das oft in diesem Zusammenhang diskutierte Beispiel Alaskas, trotz der Bedingungslosigkeit der Auszahlung aus dem Alaska Permanent Fund, die dort jeder Bewohner erhält, kein „echtes“ Bedingungsloses Grundeinkommen, da der Betrag (2006: ca. 1.100 US-$ pro Person und Jahr) bei weitem nicht existenzsichernd ist.
In Namibia erhalten die Einwohner einer Ortschaft ein bedingungsloses Grundeinkommen, um zu prüfen, welche Auswirkungen auf die Armut sich ergeben. Zunächst möchte man den Bewohnern Omitaras im Sozialprojekt Basic Income Grant (BIG) monatlich 100-N$ für insgesamt zwei Jahre auszahlen. Gegebenenfalls soll ein bedingungsloses Grundeinkommen in Namibia zur Bekämpfung der Armut eingeführt werden. [10]
Allgemeine Kritik
Zur speziellen Kritik an den einzelnen Modellen siehe jeweiligen Hauptartikel
Die Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Preise sind bei keinem Modell vorhersehbar, von ihnen hängt jedoch die Tauglichkeit des Modells ab. Mit keinem Modell wird Arbeit abgeschafft, da Güter (und Dienstleistungen) auch weiterhin produziert werden müssen.[11]
Kritiker verweisen darauf, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen ein Anreiz zu einer verstärkten Einwanderung sein könne.[12]
Nach Ansicht von Gerd Habermann von der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer beruht die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens auf einer Vorstellung von einem Staat, in dem alle auf Kosten aller anderen leben könnten. Die psychologischen Effekte seien ein starkes Sinken der Arbeitsmotivation, besonders bei den „Schlechterverdienenden“, sowie die Ausbreitung einer innovationsfeindlichen „Rentnermentalität“. Dass die Arbeit nicht ausgehe, zeigten Vollbeschäftigungsländer von der Schweiz bis Neuseeland. Vielmehr habe sich die Zahl der Arbeitsplätze durch Automatisierung vermehrt [13]
Aktuelle Diskussion in Deutschland
- Die Grundsatzprogrammkommission der CDU diskutiert derzeit das Modell von Dieter Althaus.[14] CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hält das Modell zwar für visionär, weil „jede Form von Sozialbürokratie wegfalle: keine Formulare mehr, keine Bedürftigkeitsprüfung.“ Allerdings könne ein Bürgergeld aber auch dazu führen, dass Menschen „sich endgültig aus der Arbeitsgesellschaft zurückziehen.“ [14]
Die CDU nahe Konrad-Adenauer-Stiftung unter dem Vorsitz von Bernhard Vogel hält das Konzept für finanzierbar.[9]
- SPD-Generalsekretär Hubertus Heil kritisiert die Althaus-Pläne für ein Grundeinkommen als „Stilllegungsprämie“. Menschen würden „als nutzlos abgestempelt“ und „mit Geld abgefunden“. [15]
- Bei Bündnis 90/Die Grünen wird das bedingungslose Grundeinkommen intensiv diskutiert. Auf dem baden-württembergischen Landesparteitag im Oktober 2007 gab es eine klare Mehrheit für eine negative Einkommensteuer zur Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens (in Höhe von 420 Euro für Erwachsene) [16] Auf dem Bundesparteitag im November setzte sich allerdings der Vorschlag einer "Grünen Grundsicherung" im Form einer Reform des bisherigen Systems bedarfsgeprüfter Transfers (mit einer vergleichbaren Erhöhung des ALG II), für das Grundeinkommen stimmten 40 % der Delegierten. Gleichwohl sind im Beschluss des Bundesparteitags mehrere Grundeinkommenselemente enthalten: die schrittweise Einführung eines Grundeinkommens für Kinder (bedingungslose Kindergrundsicherung), der Öko-Bonus (ein Grundeinkommen finanziert aus Ökosteuern), ein temporäres Grundeinkommen (Brückenexistenzsicherung) und beim Arbeitslosengeld II der Verzicht auf jegliche finanziellen Sanktionen, die dazu führen, dass das Einkommen unterhalb das Existenzsicherungsniveaus sinkt. [17]
- Die Linksfraktion im Bundestag hat sich für das Modell der bedarfsorientierten Grundsicherung entschieden. Einzelne Abgeordnete halten allerdings weiterhin am Bedingungslosen Grundeinkommen fest, beispielsweise Katja Kipping, ehemalige Sprecherin des Netzwerks Grundeinkommen. Innerhalb der Partei herrscht ein rege Diskussion zwischen Anhängern des BGE und der bedarfsorientierten Grundsicherung. Vor allem die Strömungen emanzipatorische Linke (für ein BGE) und die Sozialistische Linke (für eine bedarfsorientierte Grundsicherung) treten in der Diskussion hervor. [18] Die Bundes- und Landesarbeitsgemeinschaft(en) Grundeinkommen der Partei beschäftigen sich zudem mit dem BGE.,[19]
- Die FDP fordert das „liberale Bürgergeld“, das kein Grundeinkommen darstellt, da es eine Arbeitsverpflichtung enthält.[20]
- Teile von attac, insbesondere die AG Genug für Alle,[21] das Netzwerk Grundeinkommen[22] sowie der Deutsche Bundesjugendring [23] unterstützen ein bedingungsloses Grundeinkommen.[24]
Geschichte
In Thomas Morus’ Roman Utopia (1516) wurde statt der Bestrafung von Dieben vorgeschlagen, allen Menschen des Landes eine Art Lebensunterhalt zu zahlen, um Diebstahl vorzubeugen.[25]
Juan Luís Vives (1492–1540) entwickelte die Gedanken von Thomas Morus zu einem garantierten Minimaleinkommen weiter. Grundlage war nicht Gerechtigkeit, sondern eine effektivere Ausübung der moralisch benötigten Nächstenliebe. Die geforderte Hilfe war bei Vives allerdings an den Beweis eines Arbeitswillen gekoppelt.[25]
Das Denken von Vives hatte später Einfluss auf die Ideen von Montesquieu: Der Staat schuldet allen seinen Einwohnern einen sicheren Lebensunterhalt, Nahrung, geeignete Kleidung und einen Lebensstil, der ihre Gesundheit nicht beeinträchtigt.[25]
Thomas Paine (1737–1809) entwickelte seine Idee in einem Bericht, der an das Direktorat gerichtet war: „Es gibt eine unwiderlegbare Sache, dass die Erde, in ihrem natürlichen und unkultivierten Zustands war, und immer wieder sein wird, was die gemeinsame Armut der Menschheit ist. Jeder Besitzer von kultiviertem Land schuldet der Gemeinschaft eine Bodenmiete (ich kenne keinen besseren Ausdruck, um die Idee zu beschreiben) für das Land, das er besitzt, und diese Bodenmiete fließt in einen Fond, die bei diesem Umsetzungsplan vorgeschlagen wird.“ Aus diesem Fonds „soll an jede Person, die 21 Jahre alt wird, eine Summe von 15 Pfund Sterling bezahlt werden, als Teil einer Entschädigung, für den Verlust seiner oder ihrer natürlichen Erbschaft durch die Einführung eines Grundbesitzsystems. Außerdem eine Summe von 10 Pfund Sterling pro Jahr, an alle Personen, die heute 50 Jahre oder älter sind und an alle anderen, wenn sie dieses Alter erreichen – bis zum Tod.“[25]. Zahlungen, darauf besteht Paine, sollen an alle Personen entrichtet werden – egal, ob reich oder arm, weil es statt der natürlichen Erbschaft ist, welche, als Recht, jeden Menschen angeht, unabhängig vom Besitz, den er angesammelt oder von Verstorbenen geerbt hat.
Was nach Ansicht Paines den gleichberechtigten Besitz der Erde rechtfertigt, ist ein bedingungsloses Einkommen für alle, aber kein garantiertes Einkommen. Zahlreiche Reformer des 19. Jahrhunderts, wie William Cobbett (1827), Samuel Read (1829) und Poulet Scrope (1833) in England legten es soweit aus, dass die Basis eher ein garantiertes Einkommensschema ist als öffentliche Fürsorge. Der bekannteste Vertreter unter ihnen ist der französische Schriftsteller Charles Fourier (1836: 490–2). In La Fausse Industrie (1836) begründet Fourier, dass der Verstoß jeder Person gegen ein fundamentales Naturrecht – wie jagen, fischen, Früchte sammeln oder ihr Vieh auf dem Gemeinschaftsbesitz – auf das hindeutet, dass die „Zivilisation“ jedem einen Lebensunterhalt schuldet, der keine Möglichkeit hat, seine Bedürfnisse zu decken.[25]
Ein Anhänger Fouriers, Victor Considérant macht einen Schritt in die Richtung eines wirklichen Grundeinkommens, indem er betont, dass, wenn Arbeit ein attraktives Danke an das Phalanstère-System bedeute, „dann wird es fähig sein, ein Minimaleinkommen an den Armenteil der Gesellschaft abzugeben, mit der Gewissheit, dass sie mehr verdienten, als die Aufwendungen am Ende eines Jahres.“[25]
1848 veröffentlichte Joseph Charlier seine „Solution du problème social ou constitution humanitaire“, die man als erste Formulierung betrachten kann, welche ein garantiertes Grundeinkommen beinhaltet.[25]. Unter dem Namen „Minimum“ oder „revenu garanti“ (später „Staatsdividende“), schlug er vor, jedem Einwohner mit bedingungslosen Rechten eine quartalsmäßige (später eine monatliche) Zahlung zu geben, deren Höhe jährlich durch die Vertreter der Staatsregierung festgelegt wurde. In einem späteren Buch benennt er es in „Staatsdividende“ um (La Question sociale résolue, précédée du testament philosophique d’un penseur, Brüssel, Weissenbruch, 1894, Seite 252). Diese Art System, so argumentiert er, würde „die Dominanz des Kapitals über die Arbeiterklasse“ beenden. Würde es nicht zu Faulheit führen? „Großes Glück für die Faulen: sie werden mit einem Taschengeld abgespeist. Die Pflicht der Gesellschaft reicht nicht über die Zusicherung eines gerechten Anteils des Genusses, was die Natur ihr zur Verfügung stellt – ohne jemandem das Recht zu nehmen.“ Alles über dem Minimum muss verdient werden.[25]
Der Zeitgenosse von Charlier, John Stuart Mill, fügte zu der zweiten Ausgabe seines Buches „Prinzipien der politischen Ökonomie“ folgendes hinzu und ging damit auf den Fourierster Vorschlag eines ungeprüften Grundeinkommens ein: Die geschickteste Kombination aller Arten von Sozialismus, und mit der größtmöglichen Objektivität, ist allgemein als Fourierismus bekannt. Dieses System betrachtet nicht die Aufhebung von Privateigentum, oder sogar der Erbschaft; im Gegenteil, er zieht sie auf offene Weise mit ein – als Elemente der Verteilung von Waren und Kapital, sowie von Arbeit. [...] In der Verteilung ist ein bestimmtes Minimum für den Lebensunterhalt jedes Mitglieds einer Gemeinschaft bestimmt, ob arbeitsfähig oder nicht. Der Restbetrag der Produktion wird in bestimmten Verhältnissen geteilt, um im Voraus unter den drei Elementen bestimmt zu werden: Arbeit, Kapital und Talent.[25]
Erste konkrete Konzepte für ein garantiertes Grundeinkommen wurden unter anderen von Josef Popper-Lynkeus (Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage. Leipzig 1912) ausgearbeitet. In Österreich wurde der erste Vorschlag von Lieselotte Wohlgenannt und Herwig Büchele vorgelegt.
Erich Fromm plädierte 1955 für ein arbeitsunabhängiges Grundeinkommen als Erweiterung bestehender Sozialversicherung und begründet dieses u.a. mit dem Recht, aus persönlichen Gründen eine Arbeit auszuschlagen, ohne Hunger oder soziale Ächtung zu erleiden. Jeder Bürger habe den Anspruch auf ein Existenzminimum im Sinne dieses Grundeinkommens. Die Vorschläge Fromms lassen sich vor dem Hintergrund einer breiten Diskussion in den USA und Kanada verstehen. Dort erreichte die 60er und 70er Jahre anhaltende Diskussionihren Höhepunkt, als US-Präsident Lyndon B. Johnson 1967 eine Kommission einrichten ließ, die sich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen beschäftigte. Es gab Pilotprojekte in den USA und Kanada welche eine negative Einkommenssteuer in die Tat umsetzten (s. Bsp. das Mincome in Dauphin, Kanada). Trotzdem die Studien zeigten, dass ein befürchteter Rückgang des Arbeitsangebotes, nur in sehr geringen Umfang stattfand, war eine flächendeckende Umsetzung gesellschaftspolitisch nicht durchsetzbar.
Richard Buckminster Fuller stellt in seinem Buch Critical Path (1981) ebenfalls Überlegungen zu einem bedingungslosen Grundeinkommen an: Arbeitslosigkeit beruhe unmittelbar auf der technischen Möglichkeit einer Ephemerisierung. Nach Auffassung des US-Ökonomen Jeremy Rifkin wird durch die digitale Revolution langfristig die Arbeit verschwinden. Daraus stelle sich die Frage, womit ein Mensch seinen Lebensunterhalt bestreiten soll.[26][27]
Der französische Sozialphilosoph André Gorz meint ebenfalls, dass seit Jahrhunderten immer mehr Arbeiten durch Maschinen übernommen werden. Der dadurch bewirkte Anstieg der Produktivität führe dazu, dass selbst bei zunehmender Produktion weniger menschliche Arbeitskraft benötigt wird. Die Vorstellung von Vollbeschäftigung werde zur Illusion. Deshalb befürwortet Gorz ein Grundeinkommen, welches ermöglicht, zu leben, ohne zu arbeiten. Jeder Mensch erhalte eine monetäre Grundlage, sich selbst zu verwirklichen. [28]
Ethische Aspekte
Ein Bedingungsloses Grundeinkommen wird auch unter ethisch-moralischen Aspekten diskutiert.
Befürworter leiten das Ziel eines Bedingungslosen Grundeinkommens aus der Menschenwürde ab: Das grundgesetzliche Verbot der Zwangsarbeit werde durch den ökonomischen Zwang zur Arbeit um der Selbsterhaltung willen ausgehebelt. Die Befürworter möchten damit Freiheit für die persönliche Entfaltung des Individuums schaffen und somit neue Lebenskonzepte in sozialen und künstlerischen Bereichen ermöglichen.
Gegner befürchten, ein bedingungsloses Grundeinkommen werde Bürger häufiger als derzeit zur Untätigkeit verleiten, da der materielle Anreiz zur Aufnahme einer Arbeit sinke. Wenn sich insbesondere für Menschen mit bisher geringem Einkommen Arbeit materiell kaum lohne, würden sich unter anderem nicht mehr genug Menschen finden, um niedrig entlohnte und besonders unangenehme Arbeiten auszuführen.
Götz Werner ist der Auffassung, ein bedingungsloses Grundeinkommen würde nach den Gesetzen freier Märkte dazu führen, dass bisher schlecht bezahlte, aber notwendige Arbeit besser bezahlt werde bzw. attraktiver gestaltet werde. Für notwendige oder weithin gewünschte Arbeiten würden zwangsläufig ansprechende und lohnende Arbeitsverhältnisse geschaffen werden, und für ausreichend attraktive beziehungsweise lukrative Arbeitsangebote fänden sich im Mittel und mittelfristig immer genug Arbeitswillige.
Weblinks
- Archiv Grundeinkommen, umfangreiche Linksammlung zum Thema
- Netzwerk Grundeinkommen, überparteiliche Plattform mit Veranstaltungskalender zum Thema, z.B. Grundeinkommenskongress
- www.bedingungsloses-grundeinkommen.de, Podiumsdiskussion mit Oevermann, Van Parijs, Vobruba, Werner
- Aus Politik und Zeitgeschichte (51-52/2007) - Grundeinkommen?
Talkshows
- „Einkommen als Menschenrecht – die letzte große Vision?“ nachtstudio, Talkshow, 60 Min., ZDF, 20. Mai 2007, mit Götz Werner, Hans-Olaf Henkel, Michael Opielka, Thomas Druyen → Video
- „Geld fürs Nichtstun – Wie gerecht ist ein Grundeinkommen für alle?“ Maybrit Illner, Talkshow, 60 Min., ZDF, 3. Mai 2007, mit Dieter Althaus, Ottmar Schreiner, Oswald Metzger, Rita Knobel-Ulrich, Heinrich Schafmeister, Inhaltsangabe, → Video
- „Revolution: Nie mehr arbeiten! Geld für alle!“ Menschen bei Maischberger, Talkshow, 60 Min., ARD, 2. Mai 2006, mit Götz Werner, Lothar Späth, Oskar Lafontaine, Markus Frick, Dirk Uwe Krüger, Inhaltsangabe, → Video (RealMedia)
Quellen
- ↑ [1]
- ↑ Vier Modelle im Vergleich. In: WDR.de politik. 26. Januar 2007.
- ↑ [2]
- ↑ Finanzierung und Wirkung, auf www.unternimm-die-zukunft.de.
- ↑ Armut bekämpfen, Bildung verbessern, Chancen eröffnen: Der Weg zu einem grünen Grundeinkommen, PDF des Beschlusses für ein Grundeinkommen auf Basis einer negativen Einkommensteuer auf der Website der Grünen Baden-Württemberg.
- ↑ Das GRÜNE Grundeinkommen: Individuell, Existenz sichernd, bedingungslos. Für einen neuen sozialen Zusammenhalt
- ↑ Aufbruch zu neuer Gerechtigkeit!; zum Grundeinkommen S.6ff.
- ↑ Wikinews: Bürgergeld für alle fordert Thüringens Ministerpräsident Althaus (CDU); Cordula Eubel/Albert Funk: Zwei Lager, eine Idee. In: tagesspiegel.de, 21. Juli 2006.
- ↑ a b Hannes Koch: 800 Euro für jeden? CDUler findet’s gut. In: taz.de, 25. Oktober 2006: „Diese Sozialreform – die größte seit Bismarck – wäre realistisch, erklärt die christdemokratische Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). ‚Das Konzept ist finanzierbar‘, sagte KAS-Vorstand Bernhard Vogel der taz.“ Vgl. auch Kölner Stadtanzeiger: „Nach Berechnungen der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ist ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger bezahlbar und nicht teurer als das heutige Sozialsystem.“
- ↑ Namibia: Grundeinkommen für Squatter-Gruppe: Ab Januar 2008 erhält jeder Hüttenbewohner von Omitara über zwei Jahre N$ 100 pro Monat
- ↑ Werner Rätz: Für ein Bedingungsloses Grundeinkommen sind Finanzierungsmodelle unvermeidlich, aber schädlich! Newsletter Netzwerk Grundeinkommen, Nr. 9, November 2006.
- ↑ Z. B. Richard Hauser: Alternativen einer Grundsicherung – soziale und ökonomische Aspekte. In: Zeitschrift Gesellschaft Wirtschaft Politik, Jg. 55, 2006, S. 331–348 (Online-Zusammenfassung).
- ↑ Freibier für alle, täglich.
- ↑ a b Der Tagesspiegel: „Ich verspüre keine Fesselung“
- ↑ Berliner Morgenpost: SPD-General Heil flirtet mit den Liberalen, 29. Oktober 2006
- ↑ Armut bekämpfen, Bildung verbessern, Chancen eröffnen: Der Weg zu einem grünen Grundeinkommen, PDF des Beschlusses für ein Grundeinkommen auf Basis einer negativen Einkommensteuer auf der Website der Grünen Baden-Württemberg.
- ↑ [3]
- ↑ Kommentar von SL-Sprecher Ralf Krämer auf ein Papier der ema.li]
- ↑ BAG Grundeinkommen
- ↑ Das Liberale Bürgergeld
- ↑ AG Genug für Alle
- ↑ Netzwerk Grundeinkommen (Deutschland)
- ↑ DBJR: Grundeinkommen für alle, 3. Dezember 2004
- ↑ Überblick über aktuelle Debatte
- ↑ a b c d e f g h i BIEN: Three Origins
- ↑ Stuttgarter Zeitung, 29. April 2005: Interview über das Ende der Arbeit mit Jeremy Rifkin.
- ↑ Jeremy Rifkin, Das Ende der Arbeit, ISBN 3-596-16971-2, S. 205-208.
- ↑ http://www.attac.de/frankfurt/x_docs/Gorz-Referat.doc.