Kinderkreuzzug
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Im Kinderkreuzzug sollen, so berichten Stadtchronisten, im Frühsommer des Jahres 1212 Tausende Kinder aus Deutschland und aus Frankreich gleichzeitig zu einem Kreuzzug ins Heilige Land aufgebrochen sein.
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[Bearbeiten] Deutscher Zug
Der deutsche Kinderkreuzzug wurde von einem charismatischen Kölner Jungen namens Nikolaus angeführt. Dieser behauptete von einem Fremden, den er für Jesus von Nazareth hielt, aufgefordert worden zu sein, ins Heilige Land zu ziehen. Es werde keine Probleme geben, auch das Mittelmeer würde sich vor dem Kreuzzug teilen.
Die Route, die die ca.20.000 Anhänger, in der Mehrheit Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene und Greise, einschlugen, führte über Mainz, Worms, Speyer und Straßburg. Ihre Route führte immer am Rhein entlang. Die Pilger waren auf Almosen angewiesen. Allerdings herrschte um diese Zeit eine Hungersnot wegen eines feuchten Winters und eines trockenen Frühlings, weswegen die Jugendlichen kaum etwas zu essen von den Bauern erwarten konnten. Wenn die Kinder stahlen, wurden sie oft hart geschlagen oder umgebracht. Vom Hunger schon deutlich gezeichnet, erreichten die Kinder die Alpen. Das Bergmassiv wurde am Mont Cenis im Winter 1212 überquert, wobei etwa die Hälfte der Kinder umkam.
In Genua schließlich blieb das Wunder der Meeresteilung aus, und der Zug spaltete sich in zwei Gruppen auf. Eine wanderte über Ancona an der Adria weiter bis Brindisi. Die andere stieß über Pisa bis nach Rom vor.
[Bearbeiten] Ende
Keiner der Pilger hat das Heilige Land je erreicht. Es wird vermutet, dass sehr viele der Deutschen in Pisa und Brindisi Schiffe nach Palästina (in Pisa zwei) bestiegen und unterwegs von Piraten überfallen wurden.
Andere wiederum kamen nach Rom, wo ihnen aufgrund der ablehnenden Haltung der Obrigkeit aber klar wurde, dass ihr Vorhaben zwecklos war. Ein paar von ihnen kehrten über die Alpen zurück, andere blieben in Italien und verdingten sich dort als Bedienstete.
[Bearbeiten] Französischer Zug
Der französische Zug, der angeblich etwa 30.000 Personen zählte, wurde von Stephan aus Cloyes geführt. Er begann in Cloyes, ungefähr 120 km südwestlich von Paris, und führte über Orléans und Lyon nach Marseille.
[Bearbeiten] Ende
Über das Schicksal der französischen Kinder ist heute mehr bekannt. Angeblich wurden 5.000 von ihnen von zwei Kaufleuten – Hugo dem Eisernen und Wilhelm dem Schwein – auf sieben Schiffe gelockt. Zwei kenterten vor Sardinien. Die restlichen Pilger wurden in Nordafrika als Sklaven verkauft.
Ein Beweis hierfür findet sich einerseits in Quellen, die berichteten, dass ein Kalif in Nordafrika 400 Kinder kaufte und sie aus Respekt vor ihrer Religion gut behandelte. Ein weiterer Beleg ist eine noch heute existierende Kirche namens "Chiesa dei Novelli Innocenti" in Carloforte, Sardinien, vor dessen Küste sich die beiden Havarien ereignet haben sollen.
[Bearbeiten] Reaktionen
Die Haltung der Geistlichkeit war umstritten. Den konservativen Quellen zufolge lehnte Papst Innozenz III. diesen Kreuzzug ab und verwies darauf, dass Kinder keinen Kreuzzug führen könnten. Durch das Ablegen des Kreuzfahrerversprechens müsste er sie aber beim Wort nehmen und als Erwachsene verpflichten. Andere Quellen, zum Beispiel aus dem Umkreis der kleruskritischen Bettlerorden, berichteten, dass der Papst diese Kreuzzugsidee für gut befand und als beispielhaft für die Erwachsenen beschrieb.
[Bearbeiten] Quellenlage
Die Quellenlage zu den Kinderkreuzzügen ist sehr dürftig. Falls sie wirklich stattgefunden haben, setzte wahrscheinlich die Legendenbildung schon sehr frühzeitig ein. Manche Historiker nehmen an, dass die Sage vom Rattenfänger von Hameln vom Kinderkreuzzug inspiriert worden sei; aufgrund der abweichenden Jahreszahlen beider Überlieferungen gilt aber als plausibler, dass jene Sage von der Ostkolonisation angeregt wurde (vgl. Interpretation der Rattenfängersage).
[Bearbeiten] Begrifflichkeit
Die Teilnehmer des Kinderkreuzzugs waren nicht, wie der Name impliziert, ausschließlich Kinder, sondern zu einem großen Teil Jugendliche („…multa milia puerorum a 6 annis et supra usque ad virilem etatem,...“ – Chron. Reg. IIa), wie auch Kleriker und andere Gruppen Erwachsener. Es handelte sich bei ihnen überwiegend um Angehörige armer, niederer sozialer Schichten. Eventuell beruht die Vorstellung eines Kinderkreuzzuges auf einem sprachlichen Missverständnis. Das lateinische Wort pueri muss nicht nur „Knaben“ bedeuten, sondern kann auch (vor allem junge) Menschen aus niederem Stand meinen.
[Bearbeiten] Literatur
- Raedts, P.: The Children’s Crusade of 1212, in: Journal of Medieval History 3, 1977
- Gäbler, Ulrich, Der "Kinderkreuzzug" vom Jahre 1212, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte (ZSG) 28 (1978) 1-14. (nach: TRE 20 [1990], 10,26f. [s.u.: Riley-Smith])
- George Zabriskie Gray: The Children's Crusade. An episode of the thirteenth century. Hurd and Houghton, New York 1872 (Digitalisat)
- Arnold, K.: Kinderkreuzzug, in: LMA (=Lexikon des Mittelalters) Bd. 5 (1991) 1150 – 1151.
- Hauschild, Wolf-Dietrich, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte. Band 1. Alte Kirche und Mittelalter, 2., überarb. Aufl., Gütersloh 2000, § 9 Nr. 8.4.2 = S. 541
- Riley-Smith, Jonathan, Art. Kreuzzüge, in: Theologische Realenzyklopädie (TRE) Bd. 20 (1990), 1-10, zum Kinderkreuzzug speziell: 2,13-15, zum allgemeinen Hintergrund große Teile des Artikels. Lit.!
- Ritter, Thomas: Sehnsucht nach dem Paradies. ISBN 3-935910-06-1 (populärwissenschaftlich)
- GEOlino; Ausgabe 07|Juli 2004: Der weite Weg der Kinder
- Christian Waluszek, Philipp der Pfeifer (Roman, 1990)
- Spielfilm der das Thema als Ziel einer unfreiwilligen Zeitreise aufgreift: "Kreuzzug in Jeans" (NL/D/USA) von 2007 [1]
[Bearbeiten] Dichterische Bearbeitung
- Leopold Schefer: Der Hirtenknabe Nikolas, oder der Kinderkreuzzug im Jahre 1212, 1857
- Peter Berling: Das Kreuz der Kinder, 2003
[Bearbeiten] Weblinks
- http://www.thomas-ritter-reisen.de/pdf/kinderkreuzzug.PDF
- http://www.mdr.de/artour/archiv/844166.html
- ZDF-Sendung "Sphinx" 2006
- englische Seite: Der Kinderkreuzzug hat vermutlich nicht stattgefunden
- http://www.srprojects.de/Kreuzzugweb/Kinderkreuzzug/Kinderkreuzzug.htm
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