Basedow-Krankheit
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Klassifikation nach ICD-10 | ||
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E05.0 | Morbus Basedow | |
ICD-10 online (WHO-Version 2006) |
Morbus Basedow oder Basedow-Krankheit (lat. „Morbus“ = die Krankheit) ist im deutschen Sprachraum benannt nach dem deutschen Erstbeschreiber (1840) Carl Adolph von Basedow. Im englischsprachigen Raum wird sie nach dem Erstbeschreiber Robert James Graves (1835) Graves' Disease genannt, weitere Bezeichnungen sind Autoimmunthyreopathie Typ 3, Immunthyreopathie oder Immunhyperthyreose.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
Die "Basedow-Krankheit" ist ebenfalls unter den Bezeichnungen Begbie's disease, Graves' disease, Flajani's disease, Flajani-Basedow syndrome, Marsh's disease oder Parry's disease in der Literatur bekannt.[1]
Carl von Basedow beschrieb 1840 die s.g. "Merseburger Trias" (Exophthalmus, Kropf und Palpitationen).[2][3] Er deutete sie als maskierte skrofulöse Dyskrasie des Blutes. Er behandelte das Syndrom mittels jodhaltem Mineralwasser.[4] Robert James Graves hatte diese Symptomenkombinaton bereits 1835 beschrieben und sie als Krankheit des Herzens interpretiert.[5] Erst 1886 wies Paul Julius Möbius den Bezug des Syndroms zur Schilddrüse nach.[4]
1942 wendeten S. Hertz und A. Roberts erstmals die Radiojodtherapie beim Morbus Basedow an.[6][7] 1943 beschieb Astwood E.B. die Therapie der Erkrankung mittels eines Thyreostatikums (Thiouracil). [4]
[Bearbeiten] Einführung
Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, die eine Überfunktion der Schilddrüse und im Allgemeinen auch deren Vergrößerung (Kropf) zur Folge hat. Die vom Körper gegen das Schilddrüsengewebe gebildeten Antikörper binden an den Rezeptor für Thyreotropin (TSH), ein Hormon, welches von der Hypophyse (Hirnanhangdrüse) zur Stimulierung und somit zur Regelung der Schilddrüsenfunktion gebildet wird.
Diese Antikörper heißen TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) und stimulieren nun ständig die hormonbildenden Zellen (Hyperthyreose). Positive TRAK beweisen einen Morbus Basedow. Gleichzeitig sinkt im Allgemeinen der Anteil des von der Hypophyse produzierten TSHs stark ab, weil die Hypophyse im Rahmen des Regelkreises von Hypothalamus und Schilddrüse die Information bekommt, weniger TSH zu produzieren, weil bereits ausreichend Hormone gebildet werden.
Die Diagnose gelingt in vielen Fällen allein durch eine Blutuntersuchung. Verringerte (oft nicht messbare) TSH-Werte und erhöhte Hormonwerte (idealerweise sollen die freien Hormone untersucht werden, also fT3 oder fT4) sowie das Vorhandensein von TRAK sind beweisend für einen Morbus Basedow. Als ergänzende Untersuchung wird oft eine Sonographie der Schilddrüse und gelegentlich auch eine Szintigraphie bei einem Spezialisten (vorzugsweise einem Endokrinologen oder Nuklearmediziner) durchgeführt.
Frauen erkranken sieben Mal häufiger als Männer. Dabei liegt der Krankheitsbeginn bei ihnen häufig in Zeiten des hormonellen Umbruches (Pubertät, Schwangerschaft, Klimakterium). Insgesamt sind etwa 6 % der Bevölkerung betroffen. Es existiert eine genetische Anlage für die Krankheit. Weitere Ursachen der Erkrankung sind nach wie vor nicht geklärt.
Das gleichzeitige Auftreten von Morbus Basedow und Schilddrüsenautonomie (zum Beispiel Autonomes Adenom) heißt Marine-Lenhart-Syndrom.
[Bearbeiten] Ursachen
Wie bei vielen Autoimmunerkrankungen sind auch bei Morbus Basedow die genauen Ursachen der Krankheit nicht bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass – neben der genetischen Veranlagung – ein oder mehrere Faktoren zum Ausbruch der Krankheit führen:
- Psychische Belastung (Stress). Stress als akuter Auslöser ist durch zahlreiche anekdotische Berichte belegt (unter anderem durch Erfahrungsberichte von Ferdinand Sauerbruch im Ersten Weltkrieg und während seiner Zeit an der Charité in Berlin). Auch aktuelle Berichte liegen vor. Nach einer Studie im Fachblatt „Thyroid“ stieg nach dem Krieg auf dem Balkan in den 1990ern die Zahl der Morbus-Basedow-Neuerkrankungen in Serbien deutlich an.
- Infektion durch Bakterien (Yersinien) oder Viren. Dieser Auslöser wird allerdings zunehmend kontrovers diskutiert.
- Zu hohe Jodaufnahme zum Beispiel im Rahmen der Jodmangelprophylaxe, Einnahme von stark jodhaltigen Medikamenten, wie z. B. Amiodaron. Allerdings führt eine hohe Jodaufnahme bei gesunden Menschen nicht zwangsläufig zu einem Morbus Basedow.
[Bearbeiten] Symptome
Die Symptome der Basedowschen Erkrankung bestehen aus den Symptomen der Schilddrüsenüberfunktion und denen der Immunerkrankung. Typisch für die Basedow-Erkrankung gilt die sog. Merseburger Trias (benannt nach dem Wohnort Basedows, Merseburg):
- Struma (Kropf)
- Tachykardie (Pulsbeschleunigung)
- Exophthalmus (Hervortreten des Augapfels)
[Bearbeiten] Symptome der Schilddrüsenüberfunktion
- Erhöhter Puls, Herzrasen, Herzrhythmusstörungen (vor allem Vorhofflimmern)
- Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
- Nervosität, Reizbarkeit, Ruhelosigkeit
- Depressionen
- Schlafstörungen
- Zittern der Hände, plötzliche Grobmotorik
- Wärmeintoleranz
- Schwitzen
- Gewichtsverlust trotz hoher Nahrungsaufnahme
- Durchfall
- Hunger
- Durst
- Zyklusstörungen
- Angst-/ Panikattacken
- häufiger nächtlicher Harndrang
[Bearbeiten] Mögliche Symptome der Immunerkrankung
- Augenerkrankung (Endokrine Orbitopathie)
- Gelenkschmerzen
- Rückenschmerzen
- Muskelschmerzen
- Haarausfall
- Ödeme an den Unterschenkeln (prätibiales Myxödem), welches sich durch eine gelbliche, bzw. blaurote und grobporige Schwellung an der Tibia kennzeichnet. Vergleiche Myxödem bei Hypothyreose
[Bearbeiten] Symptome der endokrinen Orbitopathie
Die bei Morbus Basedow sehr häufig vorkommende Augenerkrankung äußert sich u. a. in folgenden Symptomen
- Hervortreten der Augen (Protrusio bulbi)
- Ungenügender Lidschluss
- erweiterter Lidspalte (Dalrymplesches Zeichen)
- Zurückbleiben des Oberlides bei Blicksenkung (von Graefesches Zeichen)
- Trockenheit und seltener Lidschlag (Stellwagsches Zeichen)
- erhöhte Lichtempfindlichkeit
- Druck- und Fremdkörpergefühl
- Rötung
- Vermehrtes Auftreten von Bindehautentzündungen
- Brennen und Tränen der Augen
- Konvergenzschwäche (Dalrymplesches Zeichen)
- das Sehen von Doppelbildern
Beim letztgenanntem Symptom ist ein Augenarztbesuch nicht mehr aufzuschieben, denn die im Rahmen des Immunprozesses ablaufenden Veränderungen in der Augenhöhle führen nicht nur zu Fehlstellungen (Schielen), sondern können auch auf den Sehnerv drücken und zu bleibenden Schäden führen (eingeschränkte Sehfunktion!)
[Bearbeiten] Therapie
Die Notwendigkeit einer Behandlung kann durch die begleitende Erhöhung des Schilddrüsenhormonspiegels im Blut (Hyperthyreose), oder aber Beschwerden durch die Vergrößerung der Schilddrüse (Struma) oder aber auch andere Begleitsymptome (z.B. Endokrine Orbitopathie) notwendig werden. Eine ursächliche Behandlung der Autoimmunerkrankung ist bislang nicht bekannt. Eine definitive Behandlung ist nur mittels Operation oder Radiojodtherapie möglich.
Wesentliche Therapieformen:
- Medikamentös: Bei der medikamentösen Therapie des Morbus Basedow handelt es sich immer um die symptombezogene Therapie einer Hyperthyreose, die durch die TSH-Rezeptorautoantikörper verursacht ist. Ihr Ziel ist die Normalisierung des Schilddrüsenhormonspiegels im Blut. Dabei wird 1 Jahr lang ein Thyreostatikum eingesetzt. In etwa der Hälfte aller Fälle tritt anschließend wieder eine Erhöhung des Schilddrüsenhormonspiegels im Blut (Rezidiv) auf, sodaß eine definitive Behandlung, die das Volumen des hormonproduzierenden Schilddrüsengewebes auf ein Minumum reduziert, notwendig wird. (→ Hauptartikel: Hyperthyreose)
- Radiojodtherapie: Eingesetzt wird dabei radioaktives Jod131. Da die Therapie erst nach Wochen wirksam wird, muß dabei mit Thyreostatika vor- und nachbehandelt werden. (→ Hauptartikel: Radiojodtherapie).
- Operativ: Das Schilddrüsengewebe wird dabei bis auf einen minimalen Rest (weniger als 2 ml) entfernt. (→ Hauptartikel: Strumaresektion)
- In einigen Fällen kann auch die Behandlung einzelner Begleitsymptome notwendig werden:
- → Hauptartikel Endokrine Orbitopathie
- → Hauptartikel Tachykardie
- → Hauptartikel Bluthochdruck
- bei weiteren siehe deren Hauptartikel
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ www.whonamedit.com, Basedow's syndrome or disease, zuletzt eingesehen am 24.März 2008
- ↑ Hädecke1 J., Schneyer1 U.: Endokrinologische Befunde bei der endokrinen Orbitopathie in Klin Monatsbl Augenheilkd 2005; 222: 15-18; zuletzt eingesehen am 24.März 2008
- ↑ Homepage der Stadt Merseburg; zuletzt eingesehen am 24.März 2008
- ↑ a b c Gerabek W.: Enzyklopädie Medizingeschichte, S 152, 2005; zuletzt eingesehen am 24.März 2008
- ↑ www.whonamedit.com: Robert James Graves; zuletzt eingesehen am 23. März 2008
- ↑ Hertz, S., Roberts, A.: Application of radioactive iodine in therapy of Grave´s disease, J div 21 (624) (1942) zuletzt eingesehen am 10. März 2008
- ↑ Paschke, R. e.a.: Therapie der uni- oder multifokalen Schilddrüsenautonomie, Dtsch Arztebl 2000; zuletzt eingesehen am 10. März 2008
[Bearbeiten] Literatur
- Graves RJ. New observed affection of the thyroid gland in females.(Clinical lectures.) London Medical and Surgical Journal (Renshaw), 1835; 7: 516-517. Nachdruck in Medical Classics, 1940;5:33-36.
- Von Basedow KA. Exophthalmus durch Hypertrophie des Zellgewebes in der Augenhöhle. [Casper's] Wochenschrift für die gesammte Heilkunde, Berlin, 1840, 6: 197-204; 220-228. Englische Übersetzung in: Ralph Hermon Major (1884-1970): Classic Descriptions of Disease. Springfield, C. C. Thomas, 1932. 2nd edition, 1939; 3rd edition, 1945.
- Von Basedow KA. Die Glotzaugen. [Casper's] Wochenschrift für die gesammte Heilkunde, Berlin, 1848: 769-777.
- Brakebusch / Heufelder / Zuckschwerdt: „Leben mit Morbus Basedow“ Ein Ratgeber für Betroffene. Ausführliche Erläuterungen zu Symptomen, Therapie, Hormonen und Ursachen, 2002, ISBN 3-88603-799-1
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