Tachykardie
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Eine Tachykardie (griech. ταχυκαρδία, tachykardía, wörtl.: „die Schnellherzigkeit“) ist ein anhaltend beschleunigter Puls auf über 100 Schläge pro Minute. Die Ursachen können vielfältig sein. Generell können Tachykardien in supraventrikuläre und ventrikuläre Tachykardien eingeteilt werden:
- Eine Tachykardie von über 100 Schlägen ist normal bei körperlicher Anstrengung. Die Herzfrequenz bei Babys kann auch in Ruhe über 100 betragen, ohne dass dies krankhaft ist.
- Vom Herzen selbst bedingt, z. B. durch zusätzliche Leitungsbahnen, andere Störungen im Erregungsleitungssystem oder z. B. aus Durchblutungsstörungen im Herzmuskel. Der Mediziner unterscheidet in ventrikuläre (von der Kammer ausgehende) und supraventrikuläre (oberhalb der Kammer entstehende) Tachykardien, wobei die ventrikulären gefährlicher sind, weil sie in der Regel von einer kranken Herzkammer ausgehen.
- Bedingt durch Hormone oder Neurotransmitter, die auf das Erregungsleitungssystem oder den Herzmuskel einwirken. Hierzu zählen Schilddrüsenhormone und Katecholamine. Siehe auch Morbus Basedow
- Idiopathisch (idios = einzigartig, pathos = das Leiden)

Die Steuerung der Herzfrequenz liegt in entwicklungsgeschichtlich alten Teilen des Gehirnes, die intensive Verschaltungen mit Gehirnteilen, die für Gefühle zuständig sind. Eine obere Frequenzgrenze ist dabei abhängig vom Alter des Betroffenen und dessen Zustand der Herzkranzgefäße. Pauschal kann man sagen, dass gesunde Jugendliche Frequenzen bis 220 Schläge pro Minute noch verkraften, wohingegen bei älteren Patienten die Grenze wesentlich tiefer anzusetzen ist (bei etwa 160 Schlägen pro Minute).
Ein spezieller Fall ist die angeborene Tachykardie. Diese beruht auf einer fehlerhaften Erregungsleitung zum Herzen und kann operativ geheilt werden.
In 95 % der Anfälle kommt die Tachykardie schlagartig zum Stillstand, zum Beispiel durch Hochlegen der Beine oder Luftanhalten. Sonst helfen Medikamente z. B. Betablocker wie Metoprolol und andere Antiarrhythmika wie Ajmalin oder Amiodaron.
Das Gegenteil der Tachykardie – eine zu geringe Herzfrequenz – ist die Bradykardie.
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[Bearbeiten] Einteilungen der Tachykardie
Es gibt mehrere mögliche Einteilungen einer Tachykardie. In der Medizin wird meistens anatomisch zwischen einer Vorhof- und einer Kammertachykardie unterschieden, zumal diese Einteilung auch für die Beurteilung der Gefährlichkeit eine gewisse Bedeutung besitzt. Kontrahiert sich das Herz schnell genug, wird unter Umständen kein Blut mehr gepumpt, weil sich das Blut zwischen den einzelnen Schlägen aus Trägheits-Gründen nicht mehr bewegt. Vorhoftachykardien sind in der Regel weniger gefährlich als Kammertachykardien, da die Vorhöfe zur funktionellen Leistung (Herzzeitvolumen) nur einen geringen Teil beitragen. Die Kammer (Ventrikel) kontrahiert sich bei einer Vorhoftachykardie normalerweise deutlich langsamer, da der AV-Knoten als Frequenzfilter wirkt und nicht jede Erregung des Vorhofs damit auch eine Erregung der Kammer bewirkt. Bei Kammertachykardien droht hingegen meist ein Kreislaufstillstand, da das Herz kein Blut mehr pumpt.
Eine weitere wichtige Einteilung richtet sich nach der Kammerfrequenz. Alle Tachykardien über 120 sind beim Erwachsenen als bedrohlich und alle Tachykardien über 150 als sofort behandlungsbedürftig bzw. überwachungsbedürftig einzustufen. Wichtig ist auch der zeitliche Verlauf einer Tachykardie: Akut oder chronisch, rezidivierend oder dauerhaft. Schließlich ist noch die Einteilung Tachykardie mit oder ohne Herzerkrankung wichtig, um die Gefährdung für das Herz einzuschätzen. Ein ungeschädigtes Herz übersteht eine Tachykardie im Allgemeinen problemloser.
[Bearbeiten] Vorhoftachykardien
Vorhoftachykardien haben gemein, dass im EKG ein schmaler QRS-Komplex gefunden wird, typischerweise mit einer Breite von ≤ 120 ms (0,12 s). Dies ist wichtig als Differentierungskriterium zur bedrohlicheren Kammertachykardie. Eine Ausnahme stellen Vorhoftachykardien in Kombination mit Schenkelblöcken dar, hier findet sich ein breiter QRS-Komplex.
[Bearbeiten] Sinustachykardie
Die Sinustachykardie ist eine schnelle, aber regelmäßige Aktivität von Vorhof und Kammer. Im EKG erkennt man die Sinustachykardie an einer regelmäßigen Folge von QRS-Komplexen (Herzaktivitäten von Vorhof und Kammer), jedoch ist die Frequenz größer als 100 Schläge pro Minute. Dies ist an einem kürzeren Abstand zwischen aufeinanderfolgenden QRS-Komplexen zu erkennen. Ansonsten ist das EKG-Bild normal.
Oft tritt die Sinustachykardie als Begleitsyndrom anderer Erkrankungen auf. (Fieber, Elektrolytstörungen, etc.).
Bei hohem Blutverlust, zum Beispiel bedingt durch einen Unfallmechanismus, kommt es meistens erst zu einer Tachykardie mit einer einhergehenden Hypotonie. Dies ist damit zu erklären, dass das verminderte Volumen durch eine höhere Auswurfleistung kompensiert wird.
[Bearbeiten] AV-Reentry Tachykardie
Diese Tachykardie tritt meist anfallsweise auf. Sie entsteht durch kreisende Erregungen zwischen dem Vorhof und der Kammer des Herzens, wobei der AV-Knoten Teil der Kreisbahn ist. Sie können asymptomatisch oder symptomatisch verlaufen. Die Patienten bemerken in der Regel ein plötzlich einsetzendes Herzrasen, das auch spontan wieder verschwinden kann. Als Akuttherapie sind Antiarrhythmika, wie z. B. Adenosin intravenös, das Mittel der Wahl. Häufig können Betroffene auch sogenannte Valsava-Manöver ausführen, um die kreisende Erregung zu unterbrechen. Dabei wird während eines Anfalls bspw. durch Luftanhalten Druck auf den Brustkorb ausgeübt, um den Herzschlag zu beeinflussen. Zur längerfristigen Behandlung bzw. zur Heilung wird heutzutage mittels einer Herzkatheteruntersuchung das Gewebe, welches die Tachykardien auslöst, im Herzen aufgesucht und anschließend mit elektrischer Hochfrequenzapplikation verödet. Als Alternative zu diesem Verfahren steht die Vereisung des betreffenden Gewebes mittels Kryotechnik gegenüber. Für eine medikamentöse (Dauer-)Therapie stehen Betablocker zur Verfügung, die allerdings nur die Symptome bremsen, nicht jedoch den Auslöser.
[Bearbeiten] Tachyarrhythmie bei Vorhofflimmern
Diese Tachykardie ist relativ häufig. Durch ein Vorhofflimmern wird die Kammer zu einem zu schnellen Herzschlag angeregt. Oft besteht bereits ein Vorhofflimmern mit unregelmäßiger Überleitung, welches durch zusätzliche Einflüsse wie Fieber, Stress, Austrocknung oder ähnlichem zu einer Tachyarrhythmie beschleunigt wird.
[Bearbeiten] Kammertachykardie
Als ventrikuläre Tachykardie bezeichnet man eine von der Herzkammer ausgehende Tachykardie. Diese sind prinzipiell lebensbedrohlich. Meist treten sie infolge einer ischämischen Herzerkrankung auf, können allerdings auch Folge von nicht ischämischen Herzerkrankungen wie z. B. der dilatativen Kardiomyopathie sein.
Sie können eingeteilt werden in anhaltende (Sustained Ventricular Tachycardia, sVT) und nicht anhaltende (non sustained Ventricular Tachycardia, nsVT). Die Grenze zwischen beiden Formen wurde bei 30 Sekunden festgelegt.
Charakteristisch für eine Kammertachykardie ist ein breiter Kammerkomplex (QRS-Komplex) (> 120 ms) im EKG.<br< Weiter können sie nach der Gestalt des QRS Komplexes im EKG in monomorphe und polymorphe ventrikuläre Tachykardien eingeteilt werden.
Alle ventrikulären Tachykardien sind ein internistischer Notfall. Rasches Handeln ist angesagt. Das Mittel der Wahl ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die sofortige elektrische Kardioversion mittels Defibrillator und die stationäre Einweisung mit dem Notarzt. Defibrillatoren können, bei häufigem Auftreten von tachykarden Episoden dem Patienten implantiert werden. Ein solches System nennt sich ICD. Der ICD erkennt eine ventrikuläre Tachykardie und kann diese durch anti-tachykardes-pacing (ATP) oder durch Schockabgabe terminieren.
[Bearbeiten] Paroxysmale Tachykardie
Die paroxysmale Tachykardie ist eine anfallsweise auftretende Steigerung der Herzaktivität auf etwa 150 bis 220 Schläge pro Minute. Sie kann plötzlich eintreten und genauso plötzlich wieder verschwinden. Es kann sich um eine Vorhof- oder um eine Kammertachykardie handeln.
Diese Art von Tachykardie kann zum kardiogenen Schock oder zum Tod führen. Siehe auch Paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie.
[Bearbeiten] Therapie der Tachykardien
Die hier angeführten Therapie richtet sich nach den Empfehlungen des ERC aus dem Jahre 2005.[1]
Neben dem Standard-Vorgehen (Sauerstoff, Zugang, EKG-Monitoring, Blutdruck, Pulsoymetrie, Identifizierung von reversiblen Ursachen) findet zunächst eine Beurteilung hinsichtlich der Stabilität des Patienten statt. Instabilitätskriterien sind
- Reduziertes Bewusstsein
- Brust-Schmerzen
- Systolische Blutdruck unter 90 mmHg
- Zeichen des Herzversagen
[Bearbeiten] Instabiler Patient
Therapie der Wahl: Synchronisierte Kardioversion, bis zu 3 Versuche. Amiodaron 300 mg i. v. über 10–20 min und wiederholte Schocks, dann 900 mg Amiodaron über 24 h.
[Bearbeiten] Stabiler Patient
Es erfolgt eine Trennung nach Schmal- und Breitkomplex-Tachykardien (siehe oben), die Grenze liegt bei 120 ms (0,12 s) Breite des QRS-Komplexes.
- Breiter QRS-Komplex
- Regelmäßig: Ursache ist meist Ventrikulär, Amiodaron 300 mg i. v. über 10–20 min, dann 900 mg Amiodaron über 24 h.
- Unregelmäßig: Ursache am ehesten Vorhofflimmern (VHF) mit Block. Therapie hier wie Schmal-Komplex-Tachykardie. Wenn polymorphes EKG, evtl. Torsades de pointes (dann 2 g Magnesium über 10 min). Als weitere mögliche Ursache Wolff-Parkinson-White-Syndrom mit Präexzitation, dann evtl Amiodaron.
- Schmaler QRS-Komplex
- Regelmäßig: Vagale Manöver (z. B. Valsalva-Versuch). Klinisch bietet es sich an, den Patienten eine 20 ml-Spritze „aufpusten“ zu lassen oder ein Eisbeutel ins Gesicht/Nacken zu legen. Hierdurch werden bereits viele Tachykardien durchbrochen. Wenn nicht erfolgreich unter EKG-Kontrolle Adenosin 6 mg i. v. als Bolus, wenn nicht erfolgreich noch einmal 12 mg, dann noch einmal 12 mg. Wenn bis hier kein Erfolg eingetreten ist, sollte spätestens jetzt Expertenrat eingeholt werden. Bei
- Unregelmäßig: Ursache wahrscheinlich Vorhofflimmern, mit Hilfe von Betablocker i. v., Digoxin i. v. oder Diltiazem i. v. sollte der Versuch einer Frequenzkontrolle unternommen werden. Wenn der Anfang der Tachykardie vor weniger als 48 h lag kann auch Amiodaron 300 mg i. v. über 10 bis 20 min, dann 900 mg Amiodaron über 24 h. Unbedingt sollte hier an Koagulation gedacht werden!
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Quellen
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