Ödem
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Klassifikation nach ICD-10 | ||
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R60 | Ödem | |
I50.1 | Linksherzinsuffizienz Akutes Lungenödem |
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G93.6 | Hirnödem (exkl. Geburtsverletzung und traumatisch) | |
ICD-10 online (WHO-Version 2006) |
Das Ödem (v. griechisch οἴδημα „Schwellung“) oder die „Wassersucht“ ist eine Schwellung des Gewebes aufgrund einer Einlagerung von Flüssigkeit aus dem Gefäßsystem.
Ist das Gleichgewicht zwischen Filtration einerseits und Resorption sowie Lymphabfluss andererseits zugunsten der Filtration verschoben, so bleibt vermehrt Flüssigkeit im Gewebe. Die Folge ist eine Wasseransammlung im Interstitium: ein Ödem.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Entstehung
Ödeme sind meist Folge einer zugrunde liegenden Erkrankung, also im engeren Sinne ein Symptom, z. B. bei einer Herz- oder Niereninsuffizienz, oder einer Leberzirrhose. Venöse Abflussstörungen können zu lokalisierten Ödemen führen, eine Beinvenen-Thrombose z. B. kann zu einer Schwellung des betroffenen Beins führen. Wird die Flüssigkeit im Gewebe nicht ausreichend über die Lymphbahnen abgeführt, so nennt man dieses ein Lymphödem. Weiterhin kommt es zum Ödem, wenn die Konzentration von Bluteiweißen (Albuminen) abnimmt (Hypoalbuminämie). Das geschieht z. B. beim Hungerödem (zu geringe Eiweißzufuhr) und beim nephrotischen Syndrom, das durch hohe Eiweißverluste über die Niere gekennzeichnet ist. Die austretende Flüssigkeit ist hierbei eiweißarm und wird Transsudat genannt.
Durch entzündliche oder allergische Prozesse kann es zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Kapillaren kommen. Die hierbei ins Gewebe austretende Flüssigkeit ist eiweißreich und wird Exsudat genannt.
Auch Medikamente (z. B. Kortison, Antidepressiva oder Calciumantagonisten) können zur Ödementstehung beitragen. Ödeme können auch hormonell verursacht sein.
[Bearbeiten] Pathophysiologie
Zwei grundlegende Schritte sind Voraussetzung zur Entstehung von Ödemen:
- Eine Änderung der Strömungsmechanik des Blutes in den Kapillargefäßen, welche den Übertritt von Flüssigkeit aus dem Gefäß in das umliegende Gewebe (Interstitium) begünstigt.
- Die verminderte Ausscheidung (Retention) von Natrium und Wasser durch die Nieren[1].
Abgesehen von lokalen Ödemen wird ein Ödem erst sichtbar, wenn mindestens 2,5 bis 3 l Flüssigkeit in das Gewebe übergetreten sind. Da das Plasmavolumen normalerweise ca. 3,5 l beträgt, würde ein Ödem zum Volumenmangelschock führen, wenn die verloren gegangene Flüssigkeit nicht ersetzt würde. Der Verlust von Flüssigkeit in das Gewebe führt zu einer verminderten Füllung des arteriellen Gefäßsystems, welches jedoch nur etwa 15 % des gesamten Blutvolumens enthält[2]. Das Gesamtblutvolumen kann daher beim Ödem durchaus erhöht sein, wenn davon nur das venöse Blutvolumen betroffen ist. Auch eine verminderte Herzleistung, wie z. B. bei einer Herzinsuffizienz, oder eine Erweiterung der Blutgefäße (Vasodilatation), wie z. B. bei einer Leberzirrhose oder in der Schwangerschaft, kann zu einer verminderten Füllung des arteriellen Gefäßsystems führen. Diese wird von arteriellen Dehnungsrezeptoren in Nierenkörperchen, Aortenbogen und Halsschlagader (Arteria carotis communis) registriert. Die Folge ist eine Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-System in der Niere, eine Stimulation des sympathischen Nervensystems und die Freisetzung von Vasopressin im Hypothalamus. Letztendlich führt dies in den Nierenkanälchen zur vermehrten Rückresorption von Wasser und Natrium.
Im Fall der Herzinsuffizienz kommt es zwar zur Überfüllung des venösen Systems, die von Dehnungsrezeptoren im linken Herzvorhof registriert wird, was zur Freisetzung von atrialem natriuretischen Peptid und damit eigentlich zu vermehrter Natrium- und Wasserausscheidung führt. Die Aktivierung der arteriellen Dehnungsrezeptoren überwiegt aber, so dass im Endeffekt Natrium und Wasser eingelagert werden.
[Bearbeiten] Diagnose
[Bearbeiten] Anamnese
- Bei der Erhebung der Krankenvorgeschichte (Anamnese) wird nach Vorerkrankungen (z. B. Koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck, Alkoholmissbrauch) und Medikamenten gefragt, die zu Herz-, Nieren- oder Leberkrankheiten führen können.
- Die Lokalisation der Wassereinlagerungen gibt weitere Hinweise: Bei Luftnot liegt möglicherweise ein Lungenödem bei Versagen der linken Herzkammer vor. Wassereinlagerungen im Bauch (Ascites) weisen auf eine Lebererkrankung hin. Schwellungen der Beine können durch Versagen der rechten Herzkammer, chronisches Nierenversagen, Venenerkrankungen oder Lymphabflussstörungen verursacht sein.
- Wichtig ist auch der zeitliche Verlauf: Bei Frauen kann es im Rahmen des Menstruationszyklus zu periodischen Wassereinlagerungen kommen. Diese sollten jedoch nicht mit Diuretika behandelt werden, da durch die Behandlung die Symptome eher verschlimmert würden.
[Bearbeiten] Körperliche Untersuchung
Beim Lungenödem sind beim Abhören mit dem Stethoskop (Auskultation) feuchte Rasselgeräusche zu hören. Zur sicheren Diagnose ist eine Lungen-Röntgen-Aufnahme erforderlich, da andere Lungenkrankheiten, wie z. B. eine Lungenembolie ähnliche Symptome verursachen können. Eine Schwellung des Leibes kann auf ein Wassereinlagerungen in der Leibeshöhle (Aszites) bei Leberzirrhose, nephrotischem Syndrom oder Rechtsherzversagen hinweisen. Beim Abklopfen ist ein gedämpfter Klopfschall zu hören, unter Umständen kann beim Beklopfen der Bauchwand eine Flüssigkeitswelle ausgelöst werden. Die Diagnose kann durch eine Ultraschalluntersuchung gesichert werden. Wassereinlagerungen in Bauchwand und Flanken (Anasarka) können bei schwerem Herzversagen oder fortgeschrittenem Nierenversagen auftreten. Eindrückbare Schwellungen der Beine weisen auf venöse Abflussstörungen, eine Herzinsuffizienz oder eine Nierenerkrankung hin, eine einseitige Schwellung des Beines spricht dabei für eine Venenerkrankung. Nicht eindrückbare Schwellungen der Beine findet man dagegen bei Lymphabflussstörungen und beim Myxödem infolge einer Unterfunktion der Schilddrüse. Schwellungen der Augenlider können auf Eiweißverluste über die Nieren hinweisen[3].
[Bearbeiten] Labordiagnostik
Eine Erhöhung des Kreatinins im Serum weist auf eine Nierenerkrankung hin. Beträgt die Eiweißausscheidung im Urin über 2,5 g pro Tag, liegt am ehesten ein nephrotisches Syndrom vor.
[Bearbeiten] Therapie
Ein akutes Lungenödem bei Linksherzinsuffizienz ist ein medizinischer Notfall, der unbehandelt zum Atemstillstand und damit in Minuten zum Tod des Patienten führen kann. Behandelt wird notfallmäßig mit Oberkörperhochlagerung, Beatmung mit Sauerstoffgabe, Katecholaminen, Nitroglyzerin und Diuretika-Gabe / forcierter Diurese sowie frühzeitiger Alarmierung von Rettungsdienst und Notarzt.
Eine Überwässerung bei Nierenversagen wird mit Diuretika und ggf. Dialyse behandelt.
Bei Leberzirrhose wird bevorzugt Spironolacton als Diuretikum eingesetzt. Führt dies nicht zum Erfolg, kann eine Bauchhöhlenpunktion erforderlich werden.
Schwellungen als Begleiterscheinung von Beinvenen-Thrombosen werden zumeist mit Kompressionsstrümpfen therapiert.
Das Lungenödem aufgrund von Herz- oder Nierenversagen ist ein Notfall, der sofort behandelt werden muss. Im Gegensatz dazu weisen Ödeme anderer Ursache zwar häufig auf ernste und behandlungsbedürftige Grunderkrankungen hin, sind als Symptom jedoch weniger bedrohlich. Insbesondere ist darauf zu achten, dass Ödeme häufig mit einer Unterfüllung des arteriellen Gefäßsystems einhergehen. Werden Diuretika in dieser Situation unkritisch oder zu hoch dosiert eingesetzt, kann die Unterfüllung des arteriellen Gefäßsystems weiter zunehmen und die Durchblutung der Gewebe auf kritische Werte absinken. Besonders empfindlich reagiert dabei die Durchblutung der Niere. Im Rahmen einer Therapie mit Diuretika sollte daher die Nierenfunktion überwacht werden. Steigt das Serum-Kreatinin an, kann dies auf eine Überdosierung hinweisen. Symptome einer Überbehandlung mit Diuretika sind Schwäche, Müdigkeit, Schwindel beim Aufstehen, Lethargie und Verwirrung aufgrund einer verminderten Durchblutung des Gehirns.
[Bearbeiten] Spezielle Ödemformen
- ACE-Hemmer induziertes Angioödem
- Angioödem
- Blutstauungsödem
- Dorsonuchales Ödem
- Erworbenes Angioödem (AAE)
- Heilungsödem bei Angiogenese
- Hereditäres Angioödem (HAE)
- Hirnödem
- Höhenhirnödem (HACE), Höhenlungenödem (HAPE), siehe auch Todeszone
- Hungerödem oder Eiweißmangelödem
- Hydrops fetalis
- Hygroma colli
- Idiopathisches Angioödem
- Imbibition
- Knochenödem
- Nackentransparenz
- Nasopharynxödem
- Larynxödem
- Lungenödem
- Lymphödem
- Myxödem
- perifokales Ödem
- Reinke-Ödem
- Quincke-Ödem
- Schwangerschaftsödem
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Burton D Rose: „Pathophysiology and etiology of edema in adults“. UpToDate 2007; 15.2: s. Seiten [Abstract]
- ↑ Robert W. Schrier: „Decreased Effective Blood Volume in Edematous Disorders: What Does This Mean?“. J Am Soc Nephrol 2007; 18: s. 2028-2031 [Abstract]
- ↑ Burton D Rose: „Approach to the adult with edema“. UpToDate 2007; 15.2 [Abstract]
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