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Wissenschaftstheorie – Wikipedia

Wissenschaftstheorie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Wissenschaftstheorie ist ein Teilgebiet der Philosophie, das sich mit den Voraussetzungen, Methoden und Zielen von Wissenschaft und ihrer Form der Erkenntnisgewinnung beschäftigt.

Kernfragen der Wissenschaftstheorie lauten:

  1. Welche Charakteristika weist wissenschaftliche Erkenntnis auf? (z. B. Erklärung, Vorhersage von experimentellen Ergebnissen)
  2. Was zeichnet wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn aus (Methodologie)?
  3. Gibt es wissenschaftlichen Fortschritt?
  4. Welchen erkenntnistheoretischen Status haben wissenschaftliche Theorien und die von ihnen postulierten Entitäten? Ist Wissenschaft eine Form von Wahrheitsfindung oder muss wissenschaftliche Erkenntnis pragmatischer konzipiert werden?
  5. Welchen Einfluss haben ästhetische Faktoren auf wissenschaftliche Erkenntnisse und auf die Entwicklung der Wissenschaften?

Die Beschäftigung mit wissenschaftstheoretischen Problemen, vor allem solchen, die die Struktur und Entwicklung wissenschaftlicher Kenntnisse und Methoden betreffen, reicht in ihren Anfängen bis in die Antike zurück (Aristoteles). Weiterführende Untersuchungen zu Teilproblemen der Wissenschaftstheorie finden sich bei Philosophen wie Francis Bacon, Descartes, Leibniz, D'Alembert, Diderot, Kant, Fichte, Hegel, später Bolzano. Wissenschaft wird in diesen Untersuchungen vorwiegend als System wissenschaftlicher Erkenntnisse verstanden, und Wissenschaftstheorie ist in diesem Sinne eng mit Erkenntnistheorie und Methodologie verbunden.

Sie stützt sich auf die Ergebnisse von Untersuchungen zur Wissenschaft, die aus der Sicht der einzelnen Disziplinen gewonnen werden, z. B. Ökonomie, Soziologie, Psychologie u. a., erarbeitet – davon ausgehend – ihr eigenständiges Begriffssystem, verallgemeinert auf dieser Grundlage die disziplinären Erkenntnisse und versucht so ihrerseits zum einheitlichen theoretischen Fundament aller disziplinären Wissenschaftsforschungen zu werden.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Realistische Theorien

[Bearbeiten] Wissenschaftlicher Realismus

Hauptartikel: Wissenschaftlicher Realismus
Hauptvertreter: Ernan McMullin, Stathis Psillos, ihrem Selbstverständnis nach auch Hilary Putnam und Richard Boyd, obwohl Putnams interner Realismus und Boyds Konstruktivismus bezüglich natürlicher Arten etwas von den klassischen Doktrinen abweicht

Der Wissenschaftliche Realismus lässt sich auf zwei Hauptaussagen bringen:

  1. Die Begriffe einer wissenschaftlichen Theorie beziehen sich auf reale Entitäten, das heißt auf Objekte, die in der Wirklichkeit existieren. (Die Bedeutung von Begriffen wie "Elektron" besteht in der Bezugnahme auf solche Teilchen in der wirklichen Welt.)
  2. Die Geschichte der Wissenschaften ist als eine Annäherung an die Wahrheit zu verstehen. Wissenschaftliche Arbeiten bestätigen dabei, im Erfolgsfall, die entsprechenden Theorien.

[Bearbeiten] Struktureller Realismus

Hauptvertreter: John Worrall

Dem Strukturellen Realismus zufolge ist Wissenschaft nicht in der Lage, den Inhalt der Realität zu erkennen. Wissenschaft beschreibt vielmehr die Struktur der Realität. Nicht auf die in Theorieformulierungen erwähnten Objekte (Elektronen, Äther etc.) kommt es an, sondern die mathematischen Gesetzmäßigkeiten entsprechen (wenn eine Theorie wahr ist) der Ordnung der Natur.

In "Structural Realism" argumentiert Worrall dafür u. a. so: Die mathematischen Gleichungen, die Fresnel durch Theoretisierungen über den Licht-tragenden Äther gewann, stehen in Kontinuität zu den Maxwellschen Gleichungen, die die Eigenschaften von elektromagnetischen Feldern beschreiben. Der Äther wurde verworfen, aber die Gleichungen gelten heute noch.

Die These des epistemischen strukturellen Realisten lautet: bezüglich der strukturellen Aussagen unserer Theorien sind wir epistemisch besser gestellt als bezüglich der nicht-strukturellen. Kritiker wenden meist ein, dass diese Unterscheidung nicht trennscharf gezogen werden kann. Eine mögliche Antwort liegt in der Analyse mathematischer theoretischer Strukturen.[1]

[Bearbeiten] Entitätenrealismus

Hauptartikel: Entitätsrealismus
Hauptvertreter: Ian Hacking, Nancy Cartwright

Der "Entitätenrealismus" glaubt nicht an die Realität aller in der Formulierung einer Theorie erwähnten Entitäten, sondern nur derjenigen, die in Experimenten eine ursächliche Rolle spielen: Teilchen, Kräfte etc. Es sei aber nicht gerechtfertigt, Theorien vollständig für wahr zu halten. Insbesondere nicht die in ihnen erwähnten Naturgesetze. Bei diesen handle es sich lediglich um nützliche Hilfsmittel.

[Bearbeiten] Raffinierter Falsifikationismus

Imre Lakatos, der an die Signifikanz der Wissenschaftsgeschichte glaubte, sie jedoch gegen Kuhns Unterstellung eines irrationalen Moments verteidigen wollte, verwarf die Auffassung von Kuhn zugunsten einer Modifikation von Poppers Methode. Die wesentliche Änderung ist die Aufgabe von Poppers Verbot der konventionalistischen Wendung („Immunisierung“) durch Ad-hoc-Hypothesen. Theorien müssen bei ihm nicht durch bessere ersetzt werden, wenn sie falsifiziert, d.h. von experimentellen oder empirischen Resultaten widerlegt werden, sondern dürfen unter gewissen Bedingungen mit einem Schutzgürtel aus Ad-hoc-Hypothesen versehen werden. Dieser muss dazu dienen, bewusste oder auch unbewusste Grundüberzeugungen im Kern der Theorie zu schützen, die ein so genanntes Forschungsprogramm bilden und den Paradigmen bei Kuhn entsprechen. Nur die über diesen Kern hinausgehenden Zusatzannahmen werden modifiziert. Die Grundüberzeugungen, die den Kern eines Forschungsprogramms ausmachen, können und sollen nach Lakatos erst dann aufgegeben werden, wenn das Forschungsprogramm sich degenerativ entwickelt und durch ein besseres Forschungsprogramm ersetzt werden kann.

Die Sichtweise von Lakatos ist jedoch kein Teil des kritischen Rationalismus geworden, weil die Wissenschaftsgeschichte dort nicht als wesentlich angesehen wird.

[Bearbeiten] Nicht-Realistische Theorien

[Bearbeiten] Positivismus

Hauptartikel: Positivismus

Der Positivismus ist eine philosophische Position, welche nur mittels Interpretation naturwissenschaftlicher Beobachtung gegebene Befunde akzeptiert. Dazu müssen die Untersuchungsbedingungen exakt definiert werden. Nur diejenigen Begriffe, die eine Entsprechung in unterschiedlichen möglichen Beobachtungen haben, sind wörtlich zu nehmen; alle übrigen sind bedeutungslos. Soweit Theorien auf Beobachtungssprache reduzierbar sind, können sie wörtlich genommen werden und wahr oder falsch sein.

Vertreten wurde diese Position besonders im 19. und frühem 20. Jahrhundert Emil du Bois-Reymond, Ernst Mach und Richard Avenarius (siehe auch Empiriokritizismus) und war eine der bedeutendsten Richtungen seiner Zeit, welche die Entwicklung der modernen Naturwissenschaft stark beeinflusste. Albert Einstein erwähnt z.B. die außerordentlich wichtigen Impulse, welche er von Machs Philosophie für die Entwicklung seiner Relativitätstheorie erhielt[2]. Trotz dieses großen Einflusses entsprach die Relativitätstheorie letztlich aber nicht den Erwartungen Machs. Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Tradition des Positivismus vom Wiener Kreis und dem Logischen Empirismus aufgegriffen, welche aber wichtige Positionen des ursprünglichen Positivismus aufgaben.

Oft wird auch der Logische Empirismus selbst als Neopositivismus oder Logischer Positivismus bezeichnet, obwohl dies nach Wolfgang Stegmüller eine Fehlbezeichnung ist, sofern man den Begriff "Positivismus" in seiner ursprünglichen Bedeutung versteht. Zwar sahen die Logischen Empiristen sich selbst durchaus in der Tradition von E. Mach, verwendeten aber den Begriff "Positivismus" in einem viel weiteren Sinn. Die logischen Empiristen bezeichneten alle philosophischen Richtungen als Positivismus, in welchen die Bewertung von wissenschaftlichen Theorien maßgeblich (aber nicht ausschließlich) durch Konfrontation mit empirischen Beobachtungen erfolgte.

[Bearbeiten] Konventionalismus

Hauptartikel: Konventionalismus
Hauptvertreter: Henri Poincaré, Ernst Mach

Ernst Mach betrachtete wissenschaftliche Theorien als möglichst einfache, neutrale und pragmatische Beschreibungen der Welt. Diese These wird auch als Denkökonomie bezeichnet. Da er jede wissenschaftliche Theorie immer in einem konkreten, empirischem Gesamtzusammenhang sah, lehnte er jeden allgemeinen Wahrheitsanspruch ab. Wissenschaft wird bei Mach so zu einer nützlichen Konvention, die auch psychologische Komponenten berücksichtigen muss.

siehe: Gestalttheorie

[Bearbeiten] Instrumentalismus

Theorien können, dieser Position zufolge, nicht wörtlich genommen werden und auch nicht wahr oder falsch sein. Die in Theorieformulierungen erwähnten Begriffe (die sog. theoretischen Terme) sind lediglich nützliche Hilfsmittel, um die Gesetzmäßigkeiten empirischer Experimente zu strukturieren. Dass eine Theorie "Atome" erwähnt, legt diese daher keinesfalls auf die wirkliche Existenz kleinster Teilchen fest.

Siehe Instrumentalismus (Pierre Duhem).

[Bearbeiten] Pragmatismus

Siehe Pragmatismus (John Dewey, Charles S. Peirce)

[Bearbeiten] Relativismus

Hauptartikel: Relativismus

Als Hauptvertreter des wissenschaftstheoretischen Relativismus gilt Paul Feyerabend. Oft wird auch Thomas Samuel Kuhn als Relativist bezeichnet, obwohl er selbst diese Bezeichnung immer abgelehnt hat.

Zentral für Feyerabend ist der Inkommensurabilitätsbegriff. Wissenschaftliche Paradigmen können vollständig oder teilweise inkommensurabel sein, also unvergleichbar, genauer: es gibt kein gemeinsames Maß, das es erlaubt, Sätze des einen Paradigmas mit solchen eines anderen zu vergleichen. Von Wahrheit kann man deswegen immer nur unter Bezugnahme auf ein bestimmtes Paradigma sprechen.

Sowohl Kuhn als auch Feyerabend waren mit zahlreichen früheren Kritikern einer strengen Trennung zwischen Theorie- und Beobachtungssprache der Meinung, Beobachtungen seien grundsätzlich "theoriegeladen" ('theory-laden').

[Bearbeiten] Sozialkonstruktivismus

Hauptartikel: Sozialkonstruktivismus
Hauptvertreter: Bruno Latour, Karin Knorr-Cetina

Sozialkonstruktivisten behaupten, dass auch scheinbar objektive naturwissenschaftliche Tatsachen tatsächlich das Ergebnis von Prozessen der sozialen Konstruktion, und abhängig von der sozialen Situation des Labors, der Forschungseinrichtung etc. sind.

[Bearbeiten] Konstruktiver Empirismus

Hauptartikel: Konstruktiver Empirismus
Hauptvertreter: Bas van Fraassen

Vertreter des Konstruktiven Empirismus sind agnostisch gegenüber theoretischen Begriffen einer Theorie (Atom, Gen o.ä.). Entscheidend ist nicht, wovon eine Theorie spricht, sondern ob sie sich an den Beobachtungen bestätigt. "Beobachtungen" kann üblicherweise die Zuhilfenahme von Instrumenten einschließen. Das Ziel von Wissenschaft ist nach dieser Auffassung empirische Adäquatheit.

[Bearbeiten] Konstruktiver Realismus

Hauptartikel: Konstruktiver Realismus
Vertreter: Friedrich Wallner

Friedrich Wallner unterscheidet in seiner Ontologie zwischen der Wirklichkeit - dem menschlichen Bewusstsein gegenüberstehend - , der konstruierten Realität mit ihren (sub)disziplinären Mikrowelten und der Lebenswirklichkeit - kulturspezifisch tradierte Systeme von Regeln und Überzeugungen.

Das Ziel ist die Darstellung des Zirkels von Gegenstand und Methode in der Forschung und dessen Berücksichtigung bei der Deutung der Wissenschaft. Wie der Solipsismus ist er sich der Ungewissheit des Gegenstandes bewusst, erkennt aber, dass es einer Vielzahl von Handlungen bedarf, um zu einem inhaltlichen Sinn zu kommen. Als Methode der (Selbst)-Erkenntnis wird die Verfremdung angeboten.

[Bearbeiten] Gesellschaftskritische Theorien

[Bearbeiten] Marxistische Wissenschaftstheorie

In der marxistischen Wissenschaftstheorie wird davon ausgegangen, dass Marx und Engels mit dem dialektischen und historischen Materialismus und Lenin mit der dialektisch-materialistischen Widerspiegelungstheorie die philosophisch-theoretischen Grundlagen für die Erforschung der Wissenschaft und ihrer Entwicklung schufen. In der politischen Ökonomie wird das grundlegende Instrument der Wissenschaftstheorie zur Erforschung der produktiven Funktion und der Rolle der Wissenschaft in der materiellen Produktion und im gesellschaftlichen Reproduktionsprozess gesehen. Die so verstandene Wissenschaftstheorie widmet ihre Untersuchungen drei Komponenten der Wissenschaft:

  1. dem wissenschaftlichen Arbeitsprozess (Wesen und Spezifik, soziale Determiniertheit und Arten der wissenschaftlichen Tätigkeit, Bedingungen und Faktoren wissenschaftlichen Schöpfertums, Produktivität und Effektivität der wissenschaftlichen Tätigkeit, Planung, Leitung und rationelle Organisation wissenschaftlicher Arbeitsprozesse u. a.);
  2. dem Wissenschaftspotential als der Gesamtheit der materiellen und ideellen Voraussetzungen wissenschaftlicher Arbeitsprozesse (Komponenten, Struktur und Entwicklung des Wissenschaftspotentials, optimale Proportionen der personellen, finanziellen u. a. Potentialkomponenten usw.);
  3. dem System wissenschaftlicher Erkenntnisse als dem Produkt der wissenschaftlichen Tätigkeit (Klassifikation der Wissenschaften, Gesetzmäßigkeiten der Entstehung und Entwicklung von sowie der Beziehung zwischen einzelnen Wissenschaftsdisziplinen, Begriffs-, Hypothesen- und Theorienbildung in der Wissenschaft, methodisches Vorgehen in der Forschung, relative Eigengesetzlichkeit der Erkenntnisentwicklung u. a.).

Darüber hinaus ergibt sich eine Vielzahl von Problemen, die die Entwicklung der Wissenschaft als Ganzes betreffen: Entwicklungsgesetzmäßigkeiten der Wissenschaft, Triebkräfte der Wissenschaftsentwicklung, Stellung und Funktion der Wissenschaft in konkret-historischen Gesellschaftsordnungen, Verhältnis von Wissenschaft, Technik und Produktion bzw. generell von Wissenschaft und Gesellschaft in Geschichte und Gegenwart, wissenschaftlich-technischer Fortschritt u. a.

Da wissenschaftliche Erkenntnis nur im wissenschaftlichen Arbeitsprozess erzeugt wird und in ihm reproduziert, vermittelt und angewendet wird, ist der Begriff der wissenschaftlichen (allgemeinen) Arbeit (Marx) der für einen logisch konsistenten Aufbau der Wissenschaftstheorie grundlegende Begriff. Er gestattet, sowohl die positivistische Enge der Wissenschaftsauffassung zu überwinden als auch die Determiniertheit der Wissenschaft nach den drei genannten Komponenten im Rahmen konkreter ökonomischer Gesellschaftsordnungen zu begründen. Für die Arbeitsweise der Wissenschaftstheorie ist die Einheit von theoretischer und empirischer sowie von disziplinärer und interdisziplinärer Forschung kennzeichnend.

[Bearbeiten] Methodische Programme

[Bearbeiten] Logischer Empirismus

Hauptartikel: Logischer Empirismus

Der logische Empirismus ist eine der bedeutendsten wissenschaftstheoretischen Richtungen des 20. Jahrhunderts, zu deren Exponenten etwa der Wiener Kreis gehörte, sowie Vertreter der mathematischen Logik (in der Tradition von Bertrand Russell und Gottlob Frege). Führende Vertreter sind u. a. Rudolf Carnap, Otto Neurath. Wichtige Kernpunkte des logischen Empirismus sind das Toleranzprinzip (methodischer Neutralismus) und das Programm der Einheitswissenschaft, in welcher alle empirischen Wissenschaften in einer physikalistischen Sprache formuliert werden sollten.

Der logische Empirismus, in der Form wie sie durch R. Carnap verkörpert wurde, war bis in die 1960er die dominante wissenschaftstheoretische Richtung; besonders im angelsächsischen Raum. Besonders die Kritik von W. Quine an den Grundlagen des logischen Empirismus trug maßgeblich dazu bei, dass diese Dominanz an den methodischen Naturalismus abgegeben wurde. Trotzdem bilden die Resultate des logischen Empirismus bis heute einen wichtigen Unterbau der Wissenschaftstheorie und viele moderne wissenschaftstheoretische Richtungen beziehen sich in ihrem Ausgangspunkt auf eine Analyse der stärken und schwächen des Logischen Empirismus.

[Bearbeiten] Kritischer Rationalismus

Hauptartikel: Kritischer Rationalismus

Der maßgeblich von Karl Popper entwickelte Kritische Rationalismus beinhaltet eine Wissenschaftstheorie (Falsifikationismus), der zufolge sicheres oder rechtfertigbares Wissen nicht möglich ist und daher auch nicht das Ziel der Wissenschaft sein kann. Stattdessen fasst der Kritische Rationalismus Wissenschaft als methodisches Vorgehen durch Versuch und Irrtum auf, so dass Hypothesen und Theorien kein sicheres, wahrscheinliches oder begründet akzeptiertes Wissen sind. Sie sind und bleiben immer versuchsweise Vermutungen, die wenn möglich wahr sein sollen. Der Forscher versucht, diese Vermutungen auf einen allgemeineren Anwendungsbereich zu erweitern, zu verfeinern und sie durch Experimente anzugreifen, um ihre Schwächen herauszufinden, so dass sie durch neue, verbesserte Vermutungen ersetzt werden können ("trial and error"). Auf diese Weise ist eine Annäherung an die Wahrheit möglich, aber der Forscher kann nicht wissen, ob er sie erreicht hat.

[Bearbeiten] Analytische Philosophie

Hauptartikel: Analytische Philosophie

Die Analytische Philosophie ist anfangs als eine philosophische Richtung aus dem logischen Empirismus hervorgegangen. Die heutige analytische Philosophie zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass sie eigentlich keine philosophische Position ist, sondern aus teilweise recht unterschiedlichen Strömungen mit sehr unterschiedlichen Grundvoraussetzungen besteht. Diese haben jedoch methodisch gemeinsam, dass Probleme in einer möglichst klaren exakten Sprache verfasst werden und mit Hilfe formaler Instrumentarien (wie der mathematischen Logik oder z.B. semantischer und formal-ontologischer Hilfsmittel) bearbeitet werden. Demententsprechend gibt es auch sehr unterschiedliche wissenschaftstheoretische Positionen, die von analytischen Philosophen vertreten werden. Die zeitgenössische Wissenschaftstheorie wird in großen Teilen von analytisch geschulten Philosophen betrieben und umfasst ganz unterschiedliche Themenfelder. Dazu gehören etwa Theorien über die Struktur wissenschaftlicher Theorien, über deren ontologische Verpflichtungen, über die Erklärung ihrer Begriffe, über die Natur, Reichweite und Kriterien wissenschaftlicher Erkenntnis usw. Philosophen, die in einem der Punkte gleichartige Positionen verteidigen, können an anderen Punkten gegensätzlicher Auffassung sein. Trotzdem lassen sich teilweise geteilte Gesamtauffassungen und Schulbildungen benennen, deren heutige Ausarbeitung und Modifikation aber oft stark divergiert. Zu derartigen Gesamtbildern über das Wesen der Wissenschaft könnte man etwa den von W. Quine vertretener Naturalismus zählen oder das Strukturalistische Theorienkonzept, welches u.a. von J.D.Sneed und Wolfgang Stegmüller vertreten wurde.

[Bearbeiten] Erlanger oder Methodischer Konstruktivismus

Hauptvertreter: Paul Lorenzen und Wilhelm Kamlah, sowie Jürgen Mittelstraß, Kuno Lorenz, Peter Janich, Friedrich Kambartel, Christian Thiel und Harald Wohlrapp, einst auch Oswald Schwemmer.

Der wissenschaftskritische Ansatz Erlanger Ursprungs zielt auf die methodisch einwandfreie Re-Konstruktion der Wissenschaftssprache im allgemeinen und der einzelwissenschaftlichen Terminologien im besonderen, der Logik in Form einer dialogischen Argumentationslehre, der konstruktiv begründbaren Mathematik im engeren (Arithmetik, Analysis) wie im weiteren Sinn (Wahrscheinlichkeitstheorie, Geometrie und Kinematik), der protophysikalischen Messlehre sowie der ethischen Prinzipien und darauf gründenden politischen Wissenschaft mit dem Ziel einer "Theorie der technischen und politischen Vernunft". Kern des Erlanger Konstruktivismus ist die allgemein lehr- und lernbare und damit von jedermann nachvollziehbare Konstruktion von Begriffen als Grundelementen aller theoriegestützten Praxis.

[Bearbeiten] Operationalismus

Zum Operationalismus vgl. Percy William Bridgman.

[Bearbeiten] Theorie und Evidenz

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  • Die Duhem-Quine-These besagt, dass eine Theorie immer als Ganzes und nicht bloß eine einzelne Aussage der Theorie bestätigt bzw. falsifiziert wird.
  • Norwood Russell Hanson und Thomas Samuel Kuhn waren der Ansicht, Beobachtungen seien grundsätzlich "Theorie-beladen" ('theory-laden'). Fakten sind in diesem Sinne niemals 'nackt'.
  • Thomas Kuhn war der Meinung, dass Theorien, die um die Paradigmavorherrschaft streiten, nicht aufgrund von Evidenz ausgewählt werden können. (vgl. Unterdeterminierung)
  • Francis Bacon prägte den Begriff des Experimentum Crucis, das ein-eindeutig über die Wahrheit der einen oder der anderen Hypothese entscheidet. Diese Idee wird in der heutigen Wissenschaftstheorie angezweifelt.

[Bearbeiten] Erklärungsmodelle

Das bekannteste Modell für wissenschaftliche Erklärungen ist das Deduktiv-nomologische Erklärungsmodell von Carl Gustav Hempel. Dieses Modell hat viele Kritiker. In jüngerer Zeit hat besonders Nancy Cartwright es als unzutreffend kritisiert und durch ihr Simulacrum-Erklärungsmodell ersetzt.

Eine weitere aktuell diskutierte Erklärungsart ist der Schluss auf die beste Erklärung (Inference to Best Explanation, kurz IBE), eine Form der Abduktion.

[Bearbeiten] "Context of discovery" und "context of justification"

Der logische Empirist Hans Reichenbach führte diese Unterscheidung 1938 ein.

  • Entdeckungszusammenhang: Reichenbach zufolge braucht der Wissenschaftsphilosoph bei der rationalen Rekonstruktion und der Erklärung von Wissenschaft singuläre und subjektive Einflüsse, denen ein Forscher ausgesetzt ist (Entdeckungszusammenhang), nicht zu berücksichtigen.
  • Begründungszusammenhang: Alles, worauf es ankommt, ist, wie der Wissenschaftler seine Behauptungen - normalerweise in der Form von mathematischen Gleichungen und mittels Logik - rechtfertigt (Rechtfertigungszusammenhang, Begründungszusammenhang, Erklärungszusammenhang).

Karl Popper übernahm diese Trennung unter diesen Bezeichnungen. Da sich der Kritische Rationalismus jedoch gegen Begründung stellte, wird heute das Wort Analysezusammenang statt Begründungszusammenhang verwendet. Diese Unterscheidung will also zufällige Bedingungen (besonders soziologischer und psychologischer Art) aus wissenschaftlichen (Kausal-)Erklärungen und Begründungen ausschließen.

Dass "zufällige" Bedingungen in diesem Sinne irrelevant für die Begründung wissenschaftlicher Theorien seien und von "eigentlichen" Faktoren streng unterscheidbar sind wurde von Thomas Samuel Kuhn angefochten[3]. Jede Rechtfertigung sei vielmehr an ein "Paradigma" gebunden, das u.a. bestimmte Begriffsschemata und normative Bedingungen einschließt. Bestätigungen einer bestimmten Theorie finden immer nur innerhalb eines solches Paradigmas statt, die Evidenz konkurrierender Theorien ist daher, wenn diese einem gravierend andersgearteten Paradigma zugehören, überhaupt erst sichtbar, nachdem man zu jenem Paradigma gleichsam konvertiert werde. Innerhalb welchen Paradigmas man sich befindet ist damit wesentlich auch zufällig und zunächst selbst nicht nochmals rational gerechtfertigt. Diese Thesen wurden in jüngerer Zeit verstärkt kritisiert von praktisch sämtlichen Anhängern eines wissenschaftlichen Realismus.

[Bearbeiten] Zwei Sichtweisen in Bezug auf Theorie und Modell

Theorien sind axiomatisch-deduktive Kalküle bestehend aus Symbolen und Regeln. Bedeutung gewinnen die Terme der Theorie durch Referenz auf Beobachtungen bzw. durch Korrespondenzregeln. Modelle haben lediglich heuristische und pädagogische Funktion (Carnap zufolge). Braithwaite jedoch versteht Modelle als weitere mögliche Interpretationen des Kalküls. Die Syntaktische Sicht hält man in der heutigen Diskussion ebenso wie den Logischen Empirismus, auf dem die syntaktische Sicht beruht, für überholt. (Es ist anzumerken, dass der Term "syntaktische Sicht" nicht von deren Proponenten benutzt wurde, sondern eine retrospektive Bezeichnung von Vertretern der sog. "semantischen Sicht" ist.)
Theorien werden als Mengen von Modellen definiert. Modelle sind grundsätzlich nicht-linguistische Entitäten und werden als Realisierungen von Theorien entsprechend Modellen in der Modelltheorie der Mathematischen Logik verstanden. Realisierungen sind konkrete Verknüpfungen und Objekte, die von der Theorie abstrakt formuliert werden. Ein Beispiel für das mathematische Vorbild dieser Sichtweise ist die mathematische Gruppentheorie.

Dem Wechsel zur semantischen, modellorientierten Sicht entspricht häufig ein Fokus auf deren Hauptproblemfeld der Repräsentation.

[Bearbeiten] Modellkonstruktion und Analogien

Modelle werden oft durch einen Analogieschluss mit anderen Systemen konstruiert. Mary Hesse unterscheidet positive, negative und neutrale Analogien. Aspekte zwischen Modell und System sind ähnlich (positiv), verschieden (negativ), oder nicht determinierbar (neutral). Neutrale Analogien motivieren weitere Untersuchungen der Eigenschaften des realen Systems, das durch das Modell repräsentiert werden soll.

[Bearbeiten] Geschichte der Wissenschaftstheorie

Die Beschäftigung mit der Frage der richtigen und exakten Erkenntnisgewinnung ist eine der zentralen Fragen der Philosophie und wird seit Jahrtausenden von den größten Denkern der Menschheit bearbeitet. Vorläufer der heutigen Wissenschaftstheorie sind v. a. einzelne Fachwissenschaftler des 19. und 20. Jahrhunderts, die sich jeweils mit grundlegenden methodischen Fragen der Wissensgewinnung unter Blickwinkel ihres Faches auseinander setzten. Von der „Wissenschaftstheorie“ als eigenständigem Begriff kann man erst ab den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts reden. Damals gründete sich der Wiener Kreis, der Ausgangspunkt des Neopositivismus. Viele Themen und Positionen die in diesem Kreis geäußert wurden, bestimmen auch heute noch einen Teil der fachinternen Diskussion der Wissenschaftstheorie.

Den eher abstrakten Betrachtungen über das 'Wesen' der Wissenschaft setzte Ludwik Fleck bereits 1935 eine genaue Analyse der sozialen Konstruktion von Wissenschaft anhand einer Fallstudie entgegen. Sein Buch Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache wurde jedoch lange Zeit wenig beachtet. Eine Wende zu einer stärker historisch ausgerichteten Diskussion brachte erst "Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" (Original 1962) von Thomas Kuhn. Einen Generalangriff auf Grundannahmen des logischen Positivismus unternahm Paul Feyerabend mit Against Method.

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Vgl. Chris Pincock: Mathematical Structural Realism, ersch. vorauss. in: A. Bokulich, P. Bokulich (Hgg.): Scientific Structuralism, Boston Studies in the Philosophy of Science, Springer 2008
  2. P.A. Schillp (Hrsg.) Albert Einstein: Philosopher-Scientist. Library of Living Philosophers, Cambridge University Press, Volume VII, London, 1949.
  3. Passim in seinem Buch The Structure of Scientific Revolutions

[Bearbeiten] Literatur

Philosophiebibliographie: Wissenschaftstheorie – Zusätzliche Literaturhinweise zum Thema

[Bearbeiten] Standardwerke

[Bearbeiten] Einführungen

  • Wolfgang Balzer: Die Wissenschaft und ihre Methoden. Grundsätze der Wissenschaftstheorie. Ein Lehrbuch. 2. Aufl. Alber, Freiburg/München 2002, ISBN 978-3-495-47853-0
  • Alexander Bird: Philosophy of science. London: UCL Pr. 1998 (Fundamentals of philosophy), ISBN 1-85728-681-2
  • Martin Carrier: Wissenschaftstheorie zur Einführung Junius, Hamburg 2006, ISBN 3-88506-617-3.
  • Alan F. Chalmers: Wege der Wissenschaft: Einführung in die Wissenschaftstheorie, 5. Auflage, Berlin u.a. 2001.
  • Alex Rosenberg: Philosophy of science: a contemporary introduction 2. Aufl. Routledge, New York 2005. (Routledge contemporary introductions to philosophy)
  • James Ladyman: Understanding philosophy of science. Routledge, London 2002, ISBN 0-415-22157-9
  • B. Lauth, J. Sareiter: Wissenschaftliche Erkenntnis: Eine ideengeschichtliche Einführung in die Wissenschaftstheorie. 2. Auflage, Mentis 2005, ISBN 3-89785-555-0
  • Samir Okasha: Philosophy of Science: A Very Short Introduction. Oxford University Press, Oxford 2002.
  • David Papineau: The philosophy of science. Oxford University Press, Oxford u.a. 1996.
  • Hans Poser: Wissenschaftstheorie: Eine philosophische Einführung. Reclam, Stuttgart 2001, ISBN 3-15-018125-9
  • Johann A. Schülein, Simon Reitze: Wissenschaftstheorie für Einsteiger, 2. Auflage, WUV Facultas, Wien, 2005, ISBN 3-8252-2351-5
  • Gerhard Schurz: Einführung in die Wissenschaftstheorie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006.
  • Helmut Seiffert: Einführung in die Wissenschaftstheorie. 11. Aufl. Beck, München 1991, ISBN 3-406-34622-7

[Bearbeiten] Nachschlagewerke und Handbücher

  • Jürgen Mittelstraß (Hg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bde. 1-4, (Metzler), Stuttgart 1995 (Sonderausgabe 2004)
  • Seiffert, Helmut; Radnitzky, Gerard (Hrsg.) (1992): Handlexikon zur Wissenschaftstheorie. 2. unv. Aufl. (Orig. 1989), Berlin: dtv, ISBN 3-423-04586-8
  • Andreas Bartels / Manfred Stöckler (Hgg.): Wissenschaftstheorie. Ein Studienbuch, Paderborn : mentis 2007
  • R. Boyd / P. Gasper / J. D. Trout (Hgg.): The Philosophy of Science. Cambridge: MIT Press 1991.
  • Martin Curd, J.A. Cover (Hg.): Philosophy of science: the central issues. Norton, New York/London 1998, ISBN 0-393-97175-9
  • Marc Lange (Hg.): Philosophy of science: an anthology Malden, Mass. : Blackwell 2007 (Blackwell philosophy anthologies 25)
  • Peter Machamer (Hg.): The Blackwell guide to the philosophy of science Malden, Mass. : Blackwell 2002 (Blackwell philosophy guides 7). ISBN 0-631-22108-5
  • W. H. Newton-Smith (Hg.): A companion to the philosophy of science Malden, Mass. : Blackwell 2000 (Blackwell companions to philosophy 18), ISBN 0-631-17024-3

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Überblicksartikel

[Bearbeiten] Vorlesungsmaterial

[Bearbeiten] Wissenschaftliche Zentren und Datenbanken

[Bearbeiten] Bibliographien


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