John Dewey

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John Dewey (* 20. Oktober 1859 in Burlington, Vermont; † 1. Juni 1952 in New York) war ein amerikanischer Philosoph und Pädagoge.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Dewey graduierte 1879 an der Universität von Vermont und arbeitete danach zwei Jahre als Highschool-Lehrer, bevor er an die Johns-Hopkins-Universität ging, an der er 1884 promovierte. Zu seinen Lehrern gehörten Granville Stanley Hall, ein Begründer der experimentellen Psychologie, und Charles Sanders Peirce. Dewey unterrichtete Philosophie an den Universitäten von Michigan (1884–88 und 1889–94) und Minnesota (1888). 1894 wurde er Vorsitzender des Departments für Philosophie, Psychologie und Pädagogik an der gerade vier Jahre alten Universität Chicago. Ab 1904 war er Professor an der Columbia-Universität New York und emeritierte dort 1930.

Dewey war (1899-1900) Präsident der American Psychological Association und (1911) der American Philosophical Association. Zwischen 1919 und 1921 unternahm er Vortragsreisen nach Japan und in die Republik China, 1928 besichtigte er Schulen in der Sowjetunion.

Dewey war eines der Gründungsmitglieder der American Civil Liberties Union und des China Institute in America. Mitte der 1930er Jahre wirkte er in einer Kommission mit, die die im Moskauer Schauprozess gegen Trotzki erhobenen Vorwürfe überprüfte; 1940 setzte er sich für den Verbleib Bertrand Russells im Lehramt ein.

Neben zahlreichen akademischen Artikeln und Büchern schrieb Dewey häufig Kommentare für Zeitschriften wie The New Republic und Nation.

John Dewey (Briefmarke der USA, 1968)
John Dewey (Briefmarke der USA, 1968)

[Bearbeiten] Philosophie

Deweys folgte zunächst bis in die 1890er Jahre dem Hegelschen Idealismus. In Chicago vollzog er schließlich die Wende zu einer empiristischen Philosophie. Seine damit ergriffene Position legte er am deutlichsten 1929 in "Die Suche nach Gewissheit" dar.

Seine zentrale Intention hier besteht darin, die heutigen Naturwissenschaften gegen den Vorwurf zu verteidigen, bereits in ihren Grundbegriffen immer schon theoretische Annahmen zugrunde zu legen, über die sie selbst sich keinerlei Rechenschaft ablegen können. Dieser Vorwurf besagt entsprechend, dass die Naturwissenschaften von keinerlei gesichertem Fundament ausgehen und daher stets nur die Möglichkeit einer Anwendbarkeit ihrer Grundbegriffe auf konkrete Phänomene demonstrieren, ohne über deren eigentlichen Wahrheitsgehalt entscheiden zu können. Eben diesen Vorwurf sucht Dewey umzukehren: Der bloß hypothetische Charakter naturwissenschaftlicher Erkenntnis wird vollauf bejaht und gegen jegliche Kritik verteidigt.

Zu diesem Zweck entwickelt Dewey eine Perspektive auf die Philosophiegeschichte insgesamt, derzufolge es bislang eigentlich noch gar keine eigenständige Philosophie gegeben habe. Was bisher unter diesem Titel auftrat, sei tatsächlich bloß eine Mischform aus Theologie und Naturforschung gewesen: Aus der Theologie habe sie ihren Anspruch auf absolute Erkenntnis (Wahrheit im starken Sinne, Gewissheit) übernommen, aus der Naturforschung hingegen die Mittel zu deren Erlangung, nämlich das rationale Denken. Aufgrund dieser Mischform sei die Philosophie in der Vergangenheit die schärfste Feindin der Naturwissenschaften gewesen, insofern sie bei grundsätzlich gleicher Vorgehensweise immer noch am letztlich bloß theologischen Anspruch auf absolute Erkenntnis festgehalten habe. Dieser Anspruch habe innerhalb der Theologie anfänglich durchaus seine Berechtigung gehabt, solange die Menschen der Natur noch schlicht ausgeliefert waren und deshalb den Glauben an eine beständige jenseitige Welt brauchten. Der zunehmende Fortschritt der Naturwissenschaften hingegen habe ihn überflüssig gemacht und in Gestalt der philosophischen Einwände gegen naturwissenschaftliche Vorgehensweisen habe er sich inzwischen zum größten Hindernis für einen weiteren Fortschritt der Menschheit entwickelt. Ihn gelte es daher aufzugeben, um stattdessen alle apriorischen Begriffe (die "Ideen" der philosophischen Tradition) voll und ganz dem alleinigen Kriterium der Nützlichkeit zu überantworten ("pragmatische Wende"). Im Alltagsleben bedeutet dies, dass sich die Wahrheit in jeglicher Wahrnehmung stets schon zugrundegelegter Begriffe anhand ihrer Brauchbarkeit für jeweils intendierte Handlungen bestimmen lassen soll. Auf der Ebene der Wissenschaften bedeutet es, den Ausgang von bloßen Konstruktionen zu verteidigen, solange diese im Dienst bestimmter Anwendungswissenschaften stehen.

Aus dieser Perspektive heraus weist Dewey auch jeder künftig erst möglichen Philosophie eine ganz bestimmte Aufgabe zu: Nämlich im Ausgang von den jeweiligen Grundlagen gesellschaftlichen Zusammenlebens jene "Werte" zu bestimmen, denen die Naturwissenschaften verpflichtet werden sollen, damit diese wieder an die gerade wichtigen "großen menschlichen Zwecke" zurückgebunden werden (ebd. 310). Faktisch wird die Philosophie solcherart auf eine bloße philosophische Anthropologie reduziert, die stets nur den gesellschaftlich gewordenen Menschen zu ihrem Gegenstand haben und dessen durchschnittliche Werte in immanent-affirmativer Weise verallgemeinern soll. Die Frage nach einer Notwendigkeit apriorischer Voraussetzungen für ein solches Unterfangen wird von Dewey nicht diskutiert. Insgesamt ist sein Primärinteresse die Rechtfertigung der Naturwissenschaften gegenüber der traditionell-philosophischen Kritik an ihnen und das Programm einer zukünftigen Philosophie wird lediglich abschließend knapp skizziert. Scharf hervorzuheben ist auf jeden Fall, dass Deweys Pragmatismus die Philosophie im traditionellen Sinne abzuschaffen sucht und sich selbst als Grundlage für eine gänzlich neue Konzeption der Philosophie begreift, die jedoch nicht näher verfolgt wird.


[Bearbeiten] Pädagogik

Gesellschaftspolitisch setzte sich Dewey für die Demokratisierung sämtlicher Lebensbereiche ein.

Deweys Ansatz ist von der Auffassung geprägt, dass die demokratische Staatsform wesentlich ein 'way of life' ihrer Bürger/innen ist. So hatte sich auch die demokratische Verfassung Amerikas aus einem Gemeinschaftsleben freier und gleicher Individuen heraus entwickelt. „Das klare Bewusstsein eines gemeinschaftlichen Lebens, mit allem, was sich damit verbindet, konstituiert die Idee der Demokratie.“[1] In „Demokratie und Erziehung“ (1993, engl. 1916) macht Dewey deutlich, wie Erziehung und Demokratie miteinander verwoben sein müssen, wenn eine Gesellschaft nicht „lediglich ihren Fortbestand“ [2], sondern einen Wandel zum Besseren erstrebt. Seiner Auffassung nach sollte Demokratie stets im konkreten Zusammenleben verankert und gelebt werden. Diese tätige Erfahrung muss so durchgängig und so intensiv wie möglich in der Familie, in der Schule und in der großen Gemeinschaft gemacht werden.

Demokratie als gesellschaftliche Lebensform sollte auf individueller Ebene so früh wie möglich lebendig kennen gelernt werden. So erörterte Dewey die Möglichkeiten, demokratische Methoden im Unterricht einzuführen und Demokratie in der sozialen Organisation von Schule und Unterricht zu verankern. Die traditionelle Schule seiner Zeit unterwarf er dabei einer fundamentalen Kritik. Sie sei nicht nur überliefert aus vordemokratischen Zeiten, sondern sie habe diese Überlieferung auch in ihrer Arbeitsweise beibehalten. Um seine Theorie der demokratischen Erziehung mit einer überzeugenden Praxis zu untermauern, entwickelte Dewey am Chicago Institute, in der Chicago Manual Training School und der University Elementary School experimentelle Modelle für die praktische Verwirklichung seiner Vorstellung.

1896 eröffnete er mit finanzieller Unterstützung einer Gruppe von Eltern eine Versuchsschule in Chicago, die laboratory school, eine Laborschule, die der Universität angeschlossen war. Diese wirkte als Vorbild auf die Bielefelder Laborschule Hartmut von Hentigs. Nach Streitigkeiten über die Verwaltung der Schule verließen John und Alice Dewey, die beide Gründungsmitglieder waren, Chicago und zogen nach New York. 1904 wurde John Dewey in New York Professor für Philosophie an der Columbia University und lehrte am Teachers College in New York Pädagogik.

Das Lernen muss seiner Meinung nach ganz und gar auf Erfahrung aufgebaut sein. Daher berufen sich auch heute noch viele Reformpädagogen auf ihn. Kinder lernen hier experimentierend in einer Lernumwelt aus Materialien, Werkstätten, Bibliothek und Schulgarten die Realität, sich selbst entdecken und Kooperation kennen. Den Lehrer kam dabei nicht die Rolle der Wissenden und Bevormundenden zu, sondern die des Mitarbeiters.

In seiner an Adolf Reichwein und Maria Montessori, mit der er in Verbindung stand, erinnernden Reformpädagogik hat er vor allem durch den bekannten pädagogischen Ansatz Learning by doing Popularität erlangt. Manchmal scherzhaft in pädagogischen Kreisen auch als "learning bei dewey-ing" bezeichnet.

[Bearbeiten] Siehe auch

Demokratische Erziehung, Learning by doing, Reformpädagogik, Lernen durch Lehren, Projektunterricht

[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. Dewey: Die Öffentlichkeit und ihre Probleme. S. 129.
  2. Dewey: Demokratie und Erziehung. S. 113.

[Bearbeiten] Werke

Als seine wichtigsten Bücher gelten:

  • My Pedagogic Creed (1897)
  • The School and Society (1900)
  • Child and the Curriculum (1902)
  • Democracy and Education: An Introduction to the Philosophy of Education (1916) Gutenberg-eText, kapitelweise als HTML
  • Human Nature and Conduct (1922), deutsch: Die menschliche Natur. Ihr Wesen und ihr Verhalten (1931)
  • The Public and its Problems (1927)
  • The Quest for Certainty (1929)
  • How We Think: A Restatement of the Relation of Reflective Thinking to the Educative Process (1933)
  • Art as Experience (1934)
  • Experience and Education (1938)
  • Problems of Men (1946)
  • Demokratie und Erziehung. Eine Einleitung in die philosophische Pädagogik Hrsg. v. Jürgen Oelkers, Weinheim und Basel 1993
  • Die Öffentlichkeit und ihre Probleme Hrsg. v.: Hans-Peter Krüger, Bodenheim 1996
  • Philosophie und Zivilisation. Hrsg. und übersetzt von Martin Suhr. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004
  • Erfahrung, Erkenntnis und Wert. Hrsg. und übersetzt von Martin Suhr. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004

[Bearbeiten] Literatur

  • Louis Menand: The Metaphysical Club. Farrar, Strauss and Giroux, New York 2001. ISBN 0-374-52849-7
  • Monographien
    • Stefan Bittner: Learning by Dewey? John Dewey und die deutsche Pädagogik 1900-2000. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2001, ISBN 3-7815-1118-9.
    • Fritz Bohnsack: John Dewey. Ein pädagogisches Portrait (UTB; 2596). Beltz, Weinheim 2005, ISBN 3-8252-2596-8.
    • George Dykhuizen: The life and mind of John Dewey. Southern Illinois University Press, Carbondale, Ill. 1974, ISBN 0-8093-0616-6.
    • Hans Joas (Hrsg.): "Philosophie der Demokratie. Beiträge zum Werk von John Dewey". Suhrkamp, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-518-29085-1
    • Martin Suhr: John Dewey zur Einführung Junius Verlag, Hamburg 2005, ISBN 3-88506-396-4.
    • Robert B. Westbrook: John Dewey and American Democracy. Cornell University Press, Ithaca, N.Y. 1992, ISBN 0-8014-2560-3.
  • Aufsätze
    • Karl-Hermann Schäfer, Dewey: Kommunikationstheorie als pädagogische Theorie forschenden Lernens,. In: Karl-Hermann Schäfer, Kommunikation und Interaktion, Grundbegriffe einer Pädagogik des Pragmatismus, Lehrbuch, Wiesbaden 2005, S. 117 - 172, ISBN 3-531-14529-0.
    • Gerhard Himmelmann: John Dewey (1859-1952), Begründer der amerikanischen Reformpädagogik. In: Astrid Kaiser, Detlef Pech (Hrsg.): Geschichte und historische Konzeptionen des Sachunterrichts (Basiswissen Sachunterricht; 1). Schneider-Verlag, Baltmannsweiler 2004, ISBN 3-89676-861-1, S. 98-101.
    • Michael Knoll: John Dewey und die Projektmethode. Zur Aufklärung eines Missverständnisses. In: Bildung und Erziehung Bd. 45 (1992), S. 89-108.
    • Michael Knoll: Dewey vs. Kerschensteiner. Der Streit um die Fortbildungsschule in den USA, 1910-1917. In: Pädagogische Rundschau Bd. 47 (1993), S. 131-145.
    • Michael Knoll: John Dewey über Maria Montessori. Ein unbekannter Brief. In: Pädagogische Rundschau Bd. 50 (1996), S. 209-219.

[Bearbeiten] Weblinks