Waldsterben
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Waldsterben bezeichnet im deutschsprachigen Raum das Auftreten von großflächigen Schädigungen des Waldbaumbestands, die vermutlich durch die Umweltverschmutzung des Menschen in den 1970er und 80er Jahren verursacht wurden (sauren Regen, Ozon, Schwermetalle). Heute wird diese Art der Waldkrankheit als „Neuartige Waldschäden“ im Gegensatz zu den bis dato bekannten Waldschäden natürlichen Ursprungs bezeichnet. Schäden an Bäumen, die durch die Eintragung von Giftstoffen in Wälder in Erscheinung traten, waren bis dahin nur in unmittelbarere Nähe von Emittenten beobachtet worden.[1] Neuartig war „...ihre Ausdehnung in den einzelnen Regionen und die Erkrankung mehrerer Baumarten innerhalb weniger Jahre. Besonders deutlich ist die Neuartigkeit z. B. bei der Nadelvergilbung der Fichte (Picea abies) in höheren Lagen der Mittelgebirge und der typischen Kombination von Symptom, Standort und Belastungssituation sowie dem Auftreten in allen Altersklassen.“[2] Das „Waldsterben“ erweckte große Besorgnis bezüglich des zukünftigen Vorhandenseins von Wäldern in Mitteleuropa.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Entwicklung des Phänomens in Mitteleuropa
Das in den 1980er Jahren befürchtete, sich durch die damalige Entwicklung abzeichnende großflächige Absterben von Wäldern ist – insbesondere in den damaligen Hauptschadensgebieten – nach Investitionen von über 196 Millionen Euro in die Waldsanierung ausgeblieben. In Deutschland befand man 1984 gut ein Drittel des Waldes für krank. Diese Zahl beinhaltet alle denkbaren Waldschäden. Im Jahre 2000 sind nach dem offiziellen Waldschadensbericht noch rund 35 % aller Waldbäume ohne erkennbare Schäden, im Jahre 2004 sind es nur noch 28 %, während 65 % in die Warnstufe fielen und knapp ein Drittel deutliche Schäden hatten {Quelle: dpa}. Die Emissionen an Schwefeldioxid und Stickoxiden wurden in der „alten“ Bundesrepublik bereits mit Beginn des 1. Umweltprogramms der Bundesregierung 1971 durch umfangreiche Maßnahmen wie das Bundesimmissionsschutzgesetz zur Luftreinhaltung erheblich vermindert (s. externen Graphen). Auch der Zusammenbruch einiger osteuropäischer Zentralverwaltungswirtschaften um 1990 hat zu einer deutlichen Verminderung der Schadstoffeinträge beigetragen.
[Bearbeiten] Symptome für Waldsterben
Typische Symptome an betroffenen Bäumen sind sogenannte Angsttriebe, bei Nadelbäumen auch das Vergilben der Nadeln durch Chlorose und das Lamettasyndrom. Bei zu starkem Vitalitätsverlust kommt es zum Absterben des Baumes.
[Bearbeiten] Mögliche Ursachen
Der ehemaligen Landesforstverwaltung Baden-Württembergs zufolge gilt nach wie vor die Theorie eines Ursachenkomplexes, bestehend aus verschiedenen abiotischen und biotischen Faktoren mit zeitlicher und räumlicher Variation. Es sei daher nicht möglich, einen einzelnen Faktor als letztendliche Ursache der neuartigen Waldschäden verantwortlich zu machen. Unbestritten sei jedoch, dass der Schadstoffeintrag aus der Luft bei den Nadelbäumen eine besonders wichtige Rolle in diesem Ursachenkomplex spiele[3].
[Bearbeiten] Trockenheit
Der Rekordsommer 2003 (heißester Sommer seit 600 Jahren) hat erneut sehr starke Schäden am europäischen Waldbestand hervorgerufen. Auch die Landwirtschaft vermeldete erhebliche Ernteeinbußen. Die öffentliche Diskussion über die Ursachen des Waldsterbens wurde dadurch in eine neue Richtung gelenkt. Die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast hatte zuvor das Waldsterben für beendet erklärt. Auch Schweizer, Franzosen und fast alle europäischen Nachbarn hatten sich davon verabschiedet. Gegen Ende des Jahres 2003 wurden allerdings neue Zahlen vorgestellt. Der deutsche Wald sei in einem „alarmierenden Zustand“, hieß es nun aus dem gleichen Ministerium. Die lang anhaltende Dürreperiode des Sommers 2003 hatte offenbar dazu geführt, dass nunmehr drei Viertel aller Bäume Schäden aufwies. Die Trockenheit hatte sich dabei als Hauptursache herausgestellt. So liegt die Vermutung nahe, dass bereits die viel debattierten Waldschäden der achtziger Jahre offenbar mehr durch zeitweiligen Trockenheitsstress als durch Schadstoffbelastung hervorgerufen wurden - zumal der deutsche Wald an regnerisches Klima angepasst ist und auf trockene Sommer sensibler reagiert als die Wälder europäischer Nachbarländer, in denen kein nennenswertes Waldsterben festgestellt wurde. In der extrem langen Trockenperiode des Sommers 2003 hätte durch einen früher einsetzenden Regen ein großer Teil der verdörrten Pflanzen gerettet werden können. Selbst „saurer Regen“, mit sämtlichen diskutierten Schadstoffen hätte der vertrocknenden Flora in jenen Tagen der Dürre wahrscheinlich mehr genützt als geschadet. Die Beeinträchtigung des Bodens durch permanente, immissionsbedingte Belastung sollte dabei jedoch nicht verharmlost werden.
Durch die anthropogen bedingte Versauerung der Böden in Gestalt des sog. „sauren Regens“ kommt es zu Schädigungen an den Feinwurzeln der Bäume sowie auch der Mykorrhiza. Diese Symbiose zwischen bestimmten Pilzen und den Baumwurzeln ist entscheidend für die Aufnahme von Mineralstoffen. Die Versorgung des Baumes mit Wasser und Mineralstoffen wird beeinträchtigt.
Hauptursache der Versauerung der Waldböden ist mittlerweile der Eintrag von Ammonium-Stickstoff. Es ist zwar richtig, dass Ammoniak in Verbindung mit Wasser alkalisch reagiert, jedoch entsteht das Problem bei der Aufnahme des Stickstoffs durch die Pflanzen. Wird Stickstoff aufgenommen in Form von Nitrat, so gibt die Pflanze dafür je Ion ein (OH-)-Ion in den Boden ab. Der Säureeintrag in Form von Salpetersäure wird also neutralisiert. Hingegen gibt die Pflanze je 2 Protonen in den Boden ab für jedes Ammonium-Ion welches verstoffwechselt wird.(s. Holzer 1993 [4] ) Die Hauptquelle (1999 ca. 95% laut ->Bay. Landesamt für Umweltschutz [5]) von Ammoniak-Emissionen ist die (Massen-)Tierhaltung.
Ein Folgeproblem der Versauerung ist die Freisetzung von Ionen aus Schwermetallen und Aluminium, da sie stark toxisch wirken. Schließlich tritt zur verminderten Aufnahmemöglichkeit benötigter Mineralstoffen wie Calcium, Kalium und Magnesium auch noch deren verminderte Verfügbarkeit infolge verstärkter Auswaschung hinzu.
Schädigungen der Stomata der Blätter durch Säure und Ozon nehmen den Bäumen die Möglichkeit, ihre Verdunstung zu regulieren. Störungen bei der Aufnahme von Wasser werden also verstärkt durch Störungen bei der Abgabe von Wasserdampf.
Infolge der Beeinträchtigung durch Schadstoffe kann es dann zu einem verstärkten Befall durch natürliche Schädlinge kommen, z.B. Pilze, die Raupen des Schwammspinners und vor allem durch den Borkenkäfer. Bei diesen Organismen kommt es – bedingt durch für sie günstige Witterungsbedingungen wie etwa besonders heiße und trockene Sommer – zu bestimmten Zeiten zu Massenvermehrungen, die derart gravierend sein können, dass von den Schädlingen heimgesuchte Waldgebiete stark geschädigt werden. Besonders Fichten-Monokulturen sind davon stark betroffen, so dass man z.B. am Westhang des Lusen im Nationalpark Bayerischer Wald dazu übergegangen ist, bestehende Monokulturen behutsam in Richtung Bergmischwald zu erneuern.
Normal ist, dass Bundesländer mit durchweg jüngerem Baumbestand (wie z.B. Niedersachsen) durch die Trockenheit 2003 deutlich weniger gelitten haben als solche mit älterem Baumbestand (z.B. Bayern oder Baden-Württemberg). Leider teilt der Waldzustandsbericht nur sehr grob in zwei Altersklassen ein: bis 60 Jahre und über 60 Jahre.
Beim sog. Holzvorrat, also der Menge an stehendem Holz über der Kluppschwelle, steht Deutschland in Europa deutlich an der Spitze; der Holzvorrat steigt beständig an, wobei der Vorrat eines Bestandes, wenn die Wuchsbedingungen im Laufe des Bestandeslebens gleich bleiben, im Alter wieder zurückgeht. Unsere Wälder werden im Schnitt immer älter, dadurch immer anfälliger und folglich tendenziell immer kränker, was allerdings nicht am Waldsterben liegt: kein Lebewesen ist im Alter so gesund wie in der Jugend. Gut zu beobachten ist der Einfluss dieses Alterungseffektes, wenn man den zeitlichen Verlauf der Schäden junger Bestände mit dem Verlauf aller Bestände vergleicht: Obwohl die jüngeren Bestände (je nach Baumart) innerhalb der letzten 10–15 Jahre durchschnittlich gesünder geworden sind, folgen die Gesamtschäden diesem positiven Trend nicht und nehmen sogar eher zu.
Weitere Effekte können indirekt mit der Überalterung zusammenwirken: So hat beispielsweise die Forstwirtschaft lange Zeit auf profitable, schnellwachsende Hölzer gesetzt. Ob der Standort für die jeweilige Baumart auch langfristig immer optimal gewählt war, darf bezweifelt werden – es spielte ja auch keine Rolle, da die Bäume meist jung und (noch) gesund eingeschlagen wurden. Jetzt, mit alternden Beständen könnten sich solche Standortnachteile verstärkt bemerkbar machen.
Nicht zuletzt steigt in einer überalterten Baumgemeinschaft auch für die jüngeren und gesünderen Bäume das Risiko von Infektion oder Schädlingsbefall (Diese Bäume werden aber bei der Aufnahme für den Waldzustandsbericht vor Ort nicht begutachtet). Mit Sicherheit hätte eine unter diesem Gesichtspunkt rechtzeitige Verjüngung des Waldes zu einer deutlich geringeren Schadenshäufigkeit – auch unter den jüngeren Bäumen – beitragen können.
[Bearbeiten] Trockenheit als Ursache für Baumsterben
Für Pflanzen ist Wasser lebensnotwendig. Die wichtigste Grundbedingung für ein Gedeihen des Ökosystems Wald ist daher eine ausreichende Feuchtigkeit, zumal mit dem Wasser auch Nährstoffe transportiert werden. Der Wasserhaushalt eines Waldes ist dabei von mehreren Faktoren abhängig: Neben dem Klima und der aktuellen Wetterlage spielen Regendurchlass, Verdunstung, Durchwurzelung und vor allem die Speicherfähigkeit des Bodens eine wichtige Rolle. Die Versorgung eines Waldes mit Wasser kann dadurch erheblich schwanken. Die Jahresringe der geschlagenen Bäume geben Auskunft über zurückliegende Feuchtigkeits- oder Trockenheitsphasen. Lang anhaltende Trockenheit erhöht nicht zuletzt auch die Gefahr von Waldbränden, die eine völlige Vernichtung des Baumbestandes zur Folge haben können.
1976 war ein extrem trockener Sommer, in dem es nach Juni nicht mehr geregnet hat. Im Hochtaunus wurden kranke Zweige 1979 gesichtet.
Der Rekordsommer 2003 (heißester Sommer seit 600 Jahren) hat erneut sehr starke Schäden am europäischen Waldbestand hervorgerufen. Auch die Forstwirtschaft vermeldete erhebliche Ernteeinbußen. Die öffentliche Diskussion über die Ursachen des Waldsterbens wurde dadurch in eine neue Richtung gelenkt. Renate Künast, die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin, hatte zuvor das Waldsterben für beendet erklärt. Nicht zuletzt hat man sich vom ehemaligen Horrorszenario auch in der Schweiz, Frankreich und fast allen europäischen Nachbarstaaten verabschiedet. Gegen Ende des Jahres 2003 wurden allerdings neue Zahlen vorgestellt: Der deutsche Wald sei in „alarmierenden Zustand“ hieß es nun aus dem gleichen Ministerium. Die lang anhaltende Dürreperiode des Sommers 2003 hatte offenbar dazu geführt, dass nunmehr drei Viertel aller Bäume Schäden aufwiesen. Die Trockenheit hatte sich dabei als Hauptursache herausgestellt. So liegt die Vermutung nahe, dass bereits die viel debattierten Waldschäden der achtziger Jahre offenbar mehr durch zeitweiligen Trockenheitsstress als durch Schadstoffbelastung hervorgerufen worden waren – zumal der deutsche Wald insgesamt eher an ein regnerisches Klima angepasst ist und daher auf trockene Sommer sensibler reagiert als die Wälder europäischer Nachbarländer, in denen kein nennenswertes Waldsterben festgestellt wurde. In der extrem langen Trockenperiode des Sommers 2003 hätte durch einen früher einsetzenden Regen ein großer Teil der verdörrten Pflanzen überleben können. Selbst ein „saurer Regen“ (inkl. sämtlicher der als Schadstoffe verdächtigten Substanzen) hätten der vertrocknenden Flora in jenen Tagen der Dürre wohl mehr genützt als geschadet. D.h. aber nicht, dass die Belastung von Böden durch permanente Schadstoffimmission verharmlost werden dürfte.
[Bearbeiten] Grundwasserabsenkung
Durch menschliche Eingriffe kommt es zu Grundwasserabsenkungen. Die großflächige Bodenversiegelung in den Städten führt dazu, dass Niederschläge direkt in Oberflächengewässer abgeleitet werden. Die Grundwasserneubildung ist erheblich reduziert und der Grundwasserspiegel sinkt weiträumig ab. Auch die Trinkwassergewinnung aus dem Grundwasser führt zur Ausbildung von Absenkungstrichtern. Großflächig kann der Grundwasserspiegel um viele Meter abgesenkt werden, ohne dass dieser Raubbau an der Erdoberfläche wahrgenommen wird. Der besonders für alte Laubwaldbestände wichtige Kapillarsaum über dem Grundwasser verlagert sich in größere Tiefen und die Feinwurzeln der Bäume können das Wasser nicht mehr erreichen. Die Bäume werden abhängig von regelmäßigen Niederschlägen und leiden bei Trockenheit schnell unter Wassermangel. Die Folgen sind vorzeitiger Laubfall, erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten und geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber Schadinsekten.
[Bearbeiten] Interpretationen von großflächigem Baumsterben in Nationalparks
In Nationalparks mit viel Wald oder vergleichbar großen Schutzgebieten mit hohem Fichtenanteil kommt es oft zu einem großflächigen Absterben von Baumbestand. Beispiel dafür ist der Quitschenberg im Nationalpark Harz. Als Ursache hierfür wird die Schwächung der Vitalität der Bäume durch die bekannten Faktoren des Waldsterbens gesehen (s.o.). Diese Schwäche eines Baumbestandes hat regelmäßig eine massenhafte Vermehrung von sog. phytophagen Insekten (also Pflanzen fressenden Insekten) zur Folge, die aus forstlicher Sicht als „Schadinsekten“ bezeichnet werden; dazu zählen namentlich auch die berühmt-berüchtigte, an Fichte vorkommenden Borkenkäfer Buchdrucker und Kupferstecher. Sie können Fichtenwälder vernichten. Das dann entstehende (Wald-)Bild mit seinen kahlen „Baumleichen“ weckt bei jedem Betrachter negative Assoziationen. Die Wertung dieses Erscheinungsbildes ist aber je nach Kenntnis der biologischen Zusammenhänge – aber auch evtl. nach der Interessenlage eines Betrachters – sehr unterschiedlich.
Auch der natürliche Vorgang des Baumsterbens wird vielfach negativ bewertet, da ein ganzer lokaler Bestand „ausfällt“ und somit ein bestimmtes Wald-Ökosystem faktisch nicht mehr existiert. Insbesondere können Konflikte mit den Waldbesitzern der benachbarten Forste entstehen, die ein Übergreifen der Borkenkäferpopulationen auf ihre eigenen Bestände in den Jahren der Gradation befürchten müssen. Daraus entsteht die Forderung, die Borkenkäfergradation zu kontrollieren und entstandene Schäden am Waldbestand durch Aufforstung zu kompensieren.
Von Seiten der Nationalparks und deren Unterstützer, wie z.B. Natur- und Umweltschutzverbänden, wird ein lokales Baum- oder auch Waldsterben oft anders bewertet als in der Forstwirtschaft. Da in Nationalparks der Prozessschutz ein Leitmotiv ist, wird ein Eingreifen nicht erwogen; vielmehr wird darin die Chance gesehen, in der nächsten Waldgeneration, welche sich durch Naturverjüngung selbst generiert, einen naturnäheren und besser angepassten Bestand zu erhalten. Neben der naturwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Interpretation und Prognose ist in diesem Zusammenhang auch die psychologische Komponente interessant: Denn bei dieser Form des Waldsterbens geht es um einen vom Menschen weitestgehend und absichtlich nicht kontrollierten Prozess, um ein „geschehen lassen“; dies aber bedeutet ein Akzeptierenmüssen von sichtbarem Sterben und Tod. Mit dem bewussten Zulassen bzw. dem absichtlichen Herbeiführen einer „Wildnis“ ergibt sich folglich für die Öffentlichkeitsarbeit der Nationalparks eine Herausforderung, denn der überwiegend ja fachfremde Besucher geht derartige biologische Vorgänge zum großen Teil auf emotionalem Wege an.
[Bearbeiten] Waldsterben als Medienphänomen
Es wird verschiedentlich die Vermutung geäußert, es handele sich beim „Waldsterben“ um ein typisch deutsches Phänomen. Ausländische Medien haben den Begriff immer für übertrieben gehalten. Wenn die Franzosen von „le waldsterben“ sprechen, spielen sie damit auf die nationalistisch gefärbte, romantische Waldverliebtheit der Deutschen und ihre Neigung zu dramatischen Übertreibungen an.
Tatsache ist, dass die beschriebenen Schäden vermehrt in solchen Gegenden zu beobachten sind, in denen die Schadstoffbelastung, z.B. durch überhohe Schwefeldioxid-Immissionen, extrem hoch ist, so dass die Blätter und Nadeln der Bäume direkt geschädigt werden. Solche Belastungen, schon vor der Industrialisierung als Rauchschäden bekannt, sind aber selten, wie auch die Fernsehbilder stark zerstörter Waldgebiete der 80er Jahre ausnahmslos von einigen wenigen Flecken im Harz oder Erzgebirge stammten.
Verwunderlich ist, dass es in Frankreich sowie in Großbritannien kein Waldsterben zu geben scheint – nicht einmal beim Baumbestand des Central Park von New York, der jahrelang in stärkster Weise den Abgasen aus Fahrzeugen, Kraftwerken und Industrieanlagen ausgesetzt war. Hingegen traten die in Deutschland beobachteten Schäden vielfach in sog. Reinluftgebieten auf, die überhaupt nicht umweltbelastet waren.
Zu bedenken ist auch, dass es offenbar schon lange vor der Industrialisierung und dem damit verbundenen vermehrten Schadstoffausstoß vergleichbare Waldschäden gegeben hat; diese waren allerdings lokal begrenzt und eindeutig einem Verursacher zuzuordnen. Ihnen wurde in späteren Jahrhunderten durch die Entwicklung hoher Schornsteine begegnet. Dies wird etwa durch einen Blick auf gemalte Landschaftsbilder aus früheren Jahrhunderten deutlich, auf denen dieselben Schäden an Baumwipfeln zu sehen sind, für die man heute den sauren Regen, das Ozon oder Schwermetalle verantwortlich macht. Nur teilweise lässt sich dafür die bereits im Mittelalter begonnene Verhüttung sulfidreicher Erze verantwortlich machen.
Für viele Fälle des Waldsterbens wurden im Nachhinein einfache Ursachen gefunden. Der harte Winter 1978/79, bei dem die Temperaturen in Teilen des Landes in kurzer Zeit um 30 Grad absackten, sorgte für große Frostschäden und gilt inzwischen als Auslöser der medialen Begleitung des Waldsterbens. Auch nach dem trockenen Sommer 2003 weist der Schadensbericht wieder Spitzenwerte aus: in der Stufe „deutliche Schäden“ stieg der Anteil von 23 % 2003 auf 31 % 2004. In den Jahren nach 1978/79 erholte sich der Wald deutlich und dies wurde auch für die Folgen der Trockenheit 2003 erwartet und bestätigte sich.
Interessant ist auch, dass die Belastung mit Schwefeldioxid, ursächlich für den Sauren Regen, bereits im Jahr 1973 ihren Höhepunkt erreicht hatte und dank konsequenter Umweltpolitik in Folge der Stockholmer UN-Umweltkonferenz 1972 besonders seit 1979 drastisch abnahm. Zur Vorstellung des ersten Waldschadensberichts 1984 hatte der deutsche Wald den Sauren Regen also bereits zum größten Teil hinter sich.
Viele andere Schädigungen erwiesen sich bei genauerer Untersuchung als altbekannt. Diagnosen wie massenhafte Vermehrung von Borkenkäfern (wiederum witterungsbedingt) oder Magnesiummangel werden im Waldschadensbericht als Schadursache genannt und nicht dem Waldsterben zugerechnet.
Harsche Kritik wurde in einem Artikel laut, der im November 1988 in der renommierten Zeitschrift „Nature“ erschien: Demnach heile der Großteil der im Waldzustandsbericht als geschädigt gewerteten Bäume von selbst, der Bericht sei deshalb irreführend und es gäbe keinen Grund von einem „Waldsterben“ zu sprechen. Diese Beobachtung machten mittlerweile auch die deutschen Wissenschaftler, die anfangs den Begriff Waldsterben maßgebend mitprägten.
Nicht nur der Journalist Rudi Holzberger kommt daher in seiner Dissertation Das sogenannte Waldsterben (Konstanz, 1995) zu dem Schluss, dass es sich bei dem Phänomen im Wesentlichen um ein Medien-Klischee handele, das stereotyp verbreitet würde und ein Walduntergangsszenario heraufbeschwöre. Die Kritik entzündet sich hierbei vor allem am Erhebungsverfahren des Waldzustandsberichtes, dem eine quantitative Erfassung von Laub- oder Nadelverlust zugrunde liegt. Dieses ursprünglich nur als Provisorium eingeführte Verfahren war von Anfang an umstritten, da es vielen Wissenschaftlern als zu oberflächlich erschien und somit keinerlei Rückschlüsse zuließ auf eigentliche Ursachen (wie z.B. Saurer Regen, Borkenkäfer oder Frostschaden). Spätere Versuche, das Verfahren zu ersetzen, scheiterten jedoch an Einsprüchen der Umweltschutzverbände, die befürchteten, das Waldsterben solle „gesundgelogen“ oder per Dekret „verboten“ werden. Auch der Trendforscher Matthias Horx nennt das „Waldsterben“ als Beispiel für einen typischen Alarmismus.
[Bearbeiten] Positive Wirkungen von „Schadstoffen“ auf Bäume
Im Gegensatz zum Klischee haben gründlichere und sorgfältigere wissenschaftliche Untersuchungen in jüngerer Zeit gezeigt, dass unter bestimmten Bedingungen für die angeblich nur schädigenden Luftinhaltsstoffe durchaus auch Nutzwirkungen erkennbar sind: Dies gilt insbesondere für die mineralischen Kohlenaschen und deren chemische Bestandteile. Ob Schwefel- oder Stickstoffverbindungen schaden oder nutzen, hängt also von den jeweiligen Umständen ab. Ob Nähr- und Spurenelemente (wie Calcium, Magnesium, Selen, Molybdän, Zink, Fluor oder Iod) im Überschuss und reichlich vorhanden sind oder fehlen, ist ganz entscheidend dafür, ob ein Wald gedeiht oder nicht.
[Bearbeiten] Literatur
- Wolfram Elling, Ulrich Heber, Andrea Polle und Friedrich Beese: Schädigung von Waldökosystemen - Auswirkungen anthropogener Umweltveränderungen und Schutzmaßnahmen. Spektrum Akademischer Verlag 2007. ISBN 978-3-8274-1765-7
- Franz Bauer (Hg.): Die Sache mit dem Wald. BLV, München/Wien/Zürich 1985. ISSN 0002-5860
- Rudi Holzberger: Das sogenannte Waldsterben. Zur Karriere eines Klischees. Das Thema Wald im journalistischen Diskurs. Eppe, Bergatreute 1995. ISBN 3-89089-750-9
- Stefan Kunze: Praxis Waldschutz. Strategien gegen das Waldsterben. Hannover 1995.
- Horst Stern (Hg.): Rettet den Wald. 2. Auflage, Kindler, München 1989, ISBN 3-463-40107-X
- Claudia Kurz: Kausalanalyse und Bioindikation der neuartigen Waldschäden anhand des Polyamin- sowie Phenolstatus am Beispiel von Picea abies (Fichte), Abies alba (Weißtanne) und Quercus Petraea (Eiche): okulare Bonitur versus Bioindikation? Dissertation, Mainz 1999.
- Günter Hartmann, Franz Nienhaus und Heinz Butin: Farbatlas Waldschäden. Diagnose von Baumkrankheiten. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 1995, ISBN 3-8001-3351-2
- Hartmut K. Lichtenthaler: Das Waldsterben aus botanischer Sicht. Karlsruhe 1984.
- Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Abschlußdokumentation zum Forschungsschwerpunkt „Luftverunreinigungen und Waldschäden“ des Landes Nordrhein-Westfalen. Ziele, Ergebnisse, Schlußfolgerungen [eine Bilanz neunjähriger Waldschadensforschung im Land Nordrhein-Westfalen]. Düsseldorf 1993.
- Peter Schütt et al.: Der Wald stirbt an Streß. Vollständig überarbeitete und aktualisierte Ausgabe. Ullstein, Frankfurt am Main und Berlin 1988, ISBN 3-548-34471-2
- Erwin Nießlein (Hg.): Was wir über das Waldsterben wissen. Köln 1985.
- Zeno Nöthig: Das Waldsterben. Literaturauswertung zum Stand der Kenntnisse und zu den Erklärungshypothesen. Aachen 1986.
- Peter Schütt et al.: So stirbt der Wald. Schadbilder und Krankheitsverlauf. 5., durchges. Auflage, München 1986.
- Karl F. Wentzel: Was bleibt vom Waldsterben? Bilanz und Denkanstöße zur Neubewertung der derzeitigen Reaktion der Wälder auf Luftschadstoffe. Hamburg 2001.
- Ernst-Detlef Schulze und Otto Ludwig Lange: Die Wirkungen von Luftverunreinigungen auf Waldökosysteme. In: Chemie in unserer Zeit. Band 24, Heft 3, 1990, S. 117–130. Vorlage:ISSN 009-2851
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Karl Gayer: Der gemischte Wald. Berlin, 1866: „Mit den fortdauerenden Gefahren, welche den reinen Nadelwäldern durch Insekten und Krankheiten, durch Schnee- und Sturmbruch drohen, ist die Büchse der Pandora noch nicht völlig geleert; ich erinnere an die wieder vorzüglich die Nadelhölzer bedrohenenden Beschädigungen durch Rauch und schwefelige Säure, durch Feuersgefahr u.a.“
- ↑ 3. Bericht des FORSCHUNGSBEIRATES WALDSCHÄDEN/ LUFTVERUNREINIGUNGEN 1989
- ↑ Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum in Baden-Württemberg, abgerufen am 23. Januar 2008
- ↑ http://www.buttner.name/stickstoff.pdf
- ↑ Bayerisches Landesamt für Umweltschutz http://www.bayern.de/lfu/umwberat/data/chem/stoff/ammoniak_2004.pdf
[Bearbeiten] Siehe auch
Waldzustandsbericht, Umweltkatastrophe, Baum des Jahres, Pufferbereich (Bodenkunde), Riesengebirge, Bodenversauerung, Saurer Regen
- Organisationen
[Bearbeiten] Weblinks
- Übersicht Waldzustandsberichte vom Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
- Bayerischer Waldzustandsbericht
- „Chronik einer Panik“ (Die Zeit, 2004/51)
- Informationskatalog Waldsterben (PDF)
- Holzer 1993 (PDF)
- Bay. Landesamt für Umweltschutz (PDF)
- DFG-Forschungsprojekt Und ewig sterben die Wälder an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau