FOXP2
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Das FOXP2-Gen (engl. Abkürzung für Forkhead-Box P2), beziehungsweise das daraus kodierte FOXP2-Protein, spielen beim Spracherwerb[2], einschließlich der grammatikalischen Fähigkeiten, eine große Rolle. Das FOXP2-Protein ist ein Transkriptionsfaktor und zählt zur Gruppe der Forkhead-Box-Proteine. Entdeckt wurde dieses Gen erstmals 1998 bei Untersuchungen einer Londoner Familie, bei der zahlreiche Angehörige unter schweren Sprachstörungen litten. Der Name Forkhead-Box leitet sich von einer bei Taufliegen (Drosophila) beobachteten Mutation (forkhead) ab, die eine gabelartige Veränderung des Kopfes zur Folge hat. Mittlerweile wurde eine Vielzahl von FOX-Genen identifiziert, die in den unterschiedlichsten Organismen zum Teil völlig verschiedene Funktionen haben.
Für das FOXP2-Gen ist in den Medien die Bezeichnung „Sprachgen“ popularisiert worden. Viele andere Wirbeltiere besitzen dieses Gen ebenfalls, und auch in diesen scheint FOXP2 bei der verbalen Kommunikation eine Rolle zu spielen.[3] Nach Ausschaltung des Gens, beispielsweise bei Mäusen (Knockout-Maus) oder durch Mutation beim Menschen, entfaltet es eine pleiotrope Wirkung. Das heißt, dass sich mehrere phänotypische Merkmale ändern. Sprache beruht auf definierten anatomischen und neurologischen Grundlagen. Die in der Evolutionslinie zum Homo sapiens stattgefundenen Mutationen haben möglicherweise ausgereicht, um die notwendigen Verknüpfungen im Nervensystem herzustellen, damit der Mensch zu einem Sprachwesen werden konnte.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Aufbau
Das FOXP2-Gen kodiert das FOXP2-Protein (siehe: Genetischer Code).
[Bearbeiten] FOXP2-Gen
Es wird geschätzt, dass das FOXP2-Gen mindestens 603 kb (=603.000 Basenpaare) auf Chromosom 7 belegt.[4] Darunter sind sehr viele Introns, das heißt für die Proteinsynthese funktionslose Genbestandteile. 17 Exons, das heißt für das Protein kodierende Bereiche, wurden lokalisiert.[5]
Der Anteil der 2145 (=715×3) kodierenden an den insgesamt etwa 603.000 nicht kodierenden Basenpaaren ist mit 0,3% sehr gering, jedoch nicht außergewöhnlich. Generell schwankt das Verhältnis zwischen Introns und Exons von Gen zu Gen sehr stark. So gibt es einige Gene ohne Introns, während andere zu über 95% aus Introns bestehen.[6] Beim Dystrophin-Gen – mit 2,5 Millionen Basenpaaren das größte menschliche Gen[7] – besteht das daraus kodierte Peptid aus 3685 Aminosäuren[8]. Der Anteil der kodierenden Basenpaare beträgt somit 0,44%.
In der nachfolgenden Tabelle sind einige typische Gene und die daraus kodierten Peptide im Vergleich zum FOXP2-Gen aufgeführt.
Gen | Anzahl Basenpaare |
Anzahl der Aminosäuren im kodierten Peptid |
Anzahl der kodierenden Basenpaare |
Anteil der kodierenden Basenpaare im Gen |
Referenz |
---|---|---|---|---|---|
FOXP2 | 603.000 | 715 | 2145 | 0,36% | [4] |
Dystrophin | 2.500.000 | 3685 | 11.055 | 0,44% | [7][8] |
NF1 | 280.000 | 2818 | 8415 | 3,0% | [9] |
BRCA1 | 100.000 | 1863 | 5589 | 5,6% | [10] |
BRCA2 | 80.000 | 3418 | 10.254 | 12,8% | [10] |
Survivin | 14.700 | 142 | 426 | 2,9% | [11][12] |
[Bearbeiten] FOXP2-Protein
Das über das FOXP2-Gen kodierte FOXP2-Protein besteht aus 715 Aminosäuren. Es untergliedert sich in vier Hauptbereiche:
- eine an Polyglutamin reiche Region, die aus zwei benachbarten Polyglutamin-Gebieten besteht und durch sich wiederholende CAG- und CAA-Sequenzen kodiert ist,[13]
- eine Zinkfingerdomäne,
- eine bZIP-Domäne („Leucin-Zipper“) und
- einer Forkhead-Domäne, die aus den Aminosäuren 508 bis 584 gebildet wird.[14]
Die Forkhead-Domäne bindet an die DNA. Die Zinkfinger- und die bZIP-Domäne sind für Protein–Protein-Interaktionen wichtig und ebenfalls an der DNA-Bindung beteiligt.[15]
[Bearbeiten] Funktion
Als Transkriptionsfaktor reguliert FOXP2-Protein eine bisher unbekannte Anzahl von Genen. Schätzungen gehen von bis zu 1000 unterschiedlichen Genen aus. Auch welche Gene von FOXP2 reguliert werden ist noch weitgehend unbekannt. Über die unmittelbaren Auswirkungen von FOXP2 liegen dagegen fundierte Kenntnisse vor.
Bereits im Embryo ist das FOXP2-Protein zu finden. Es ist vor allem in den Bereichen exprimiert, aus denen sich später das Kleinhirn (Cerebellum), der Thalamus und die Basalganglien entwickeln. Das Kleinhirn und die Basalganglien spielen beim Erlernen komplexer motorischer Fähigkeiten eine wichtige Rolle. Das Sprechen ist eine Fähigkeit, zu der der Mensch eine komplexe Motorik mühsam erlernen muss.[16]
[Bearbeiten] Sprach- und Sprechstörungen
Das FOXP2-Gen hat bei der Entwicklung der Sprach- und Sprechfähigkeit eine zentrale Funktion. Deshalb führen Mutationen dieses Gens zu einer spezifischen Sprach- und Sprechstörung beim Menschen, insbesondere bei der Artikulation und dem Sprachverständnis.[17] Eine Reihe bekannter Sprech- und Sprachstörungen, sowie Autismus, wird daher dem Bereich – beziehungsweise der Umgebung – des FOXP2-Gens auf dem Chromosom 7 zugeordnet.[18][19]
[Bearbeiten] Schizophrenie
Sprachstörungen sind eines der Hauptsymptome einer Schizophrenie. Aus diesem Grund bestand unmittelbar nach der Entdeckung des FOXP2-Gens der Verdacht, dass dieses Gen für die Anfälligkeit zur Ausbildung einer Schizophrenie eine gewisse Rolle spielen könnte. In einer vergleichenden Studie wurden 186 Patienten mit einer Schizophrenie (nach DSM-IV, sie hörten fremde Stimmen) und 160 gesunde Probanden untersucht. Dabei wurden speziell Nukleotidpolymorphismen des FOXP2-Gens analysiert. Es konnten dabei statistisch signifikante Unterschiede bezüglich des Genotypus (P=0,007) und der Allelfrequenzen (P=0,0027) zwischen schizophrenen Patienten mit Gehörhalluzinationen und der Kontrollgruppe, in der einzelnen Nukleotidpolymorphismus rs2396753 gefunden werden. Das Ergebnis lässt den Schluss zu, dass das FOXP2-Gen einen Einfluss auf die Ausbildung einer Schizophrenie haben kann.[20]
[Bearbeiten] Entdeckung
1990 beschrieben britische Genetiker vom Institute of Child Health eine erbliche Sprachstörung, die drei Generationen einer Familie betrifft. Etwa die Hälfte der 30 Familienmitglieder hat erhebliche Probleme mit Grammatik, Satzbau und Wortschatz.[22] In der wissenschaftlichen Literatur wird diese Gruppe als KE family (KE-Familie) bezeichnet. Sie lebt in Süd-London und ist pakistanischer Herkunft. Der britische Genetiker Anthony Monaco von der Universität Oxford entdeckte 1998 mit seiner Arbeitsgruppe bei den von der Sprachstörung betroffenen Familienmitgliedern auf dem Chromosom 7 einen Abschnitt, den er mit den Sprachproblemen der Familie in Verbindung brachte. Durch genetische Untersuchungen der KE-Familie und eines Jungen (Patient CS), der mit der KE-Familie nicht verwandt ist, aber dennoch die gleichen Symptome aufweist, konnte das sogenannte „Sprachgen“ FOXP2 erstmals identifiziert werden.
Die Mutation des FOXP2-Gens trat offensichtlich erstmals bei der Großmutter der Familie auf. Ihre Sprachstörungen sind so erheblich, dass selbst ihr Ehemann ihre Sätze nur mit Mühe enträtseln kann. Zwei ihrer drei Töchter[21] und einer der beiden Söhne haben ebenfalls Sprachschwierigkeiten. Von den 24 Enkelkindern zeigen zehn die gleichen Symptome. Die anderen Mitglieder der Familie aus dem Londoner Süden haben keinerlei Verständigungsprobleme.[23] Die bei den betroffenen Mitgliedern der KE-Familie manifestierte Störung wird als verbale Entwicklungsdyspraxie (engl. Developmental Verbal Dyspraxia oder abgekürzt DVD) bezeichnet und unter dem ICD-10 Code F83 („Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen“) eingeordnet. Eine passende deutscher Umschreibung ist Unfähigkeit zum artikulierten Sprechen.
[Bearbeiten] Symptome bei einer FOXP2-Mutation
[Bearbeiten] Verbale Entwicklungsdyspraxie
Der allgemeine Verhaltensphänotyp, der von der verbalen Entwicklungsdyspraxie betroffenen Personen, zeigt sich in einfachen Wort-Wiederholungstests. Dabei müssen Wörter (beispielsweise: Mörder) und Nichtwörter (beispielsweise: Redröm) nach Vorsagen wiederholt werden. Die von der Mutation betroffen Probanden haben dabei signifikant größere Probleme bei der Artikulation, als die nicht Betroffenen.[24] Die Beeinträchtigung erhöht sich stufenweise mit der Kompliziertheit der zu artikulierenden Wörter.
[Bearbeiten] Orofaziale Dyspraxie
Die betroffenen Personen haben auch Schwierigkeiten in der willkürlichen Steuerung der Gesichtsmuskulatur; ein Symptom das orofaziale Dyspraxie genannt wird. Diese Schwierigkeiten können nicht einer allgemeinen Beeinträchtigung der Motorik zugeschrieben werden, da die motorische Leistung der Extremitäten der Patienten von normalen Einzelpersonen nicht zu unterscheiden ist.[24] Auch das Hörvermögen der Patienten ist normal ausgebildet. Der DVD-Phänotyp ähnelt dem, der bei Patienten mit einer Broca-Aphasie beobachtet wird.[25] Allerdings gibt es zwischen beiden Pathologien wichtige Verhaltensunterschiede. So sind Aphasiker im Wortwiederholungstest deutlich besser als bei der Nichtwort-Wiederholung. Die von der FOXP2-Mutation betroffenen Mitglieder der KE-Familie sind dagegen in beiden Tests gleichmäßig schlecht. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass Aphasiker vor dem Ausbruch ihrer Erkrankung die Assoziation von Lautbildungsmustern zu den entsprechenden Wortbedeutungen erlernt haben. Im Gegensatz dazu hatten die betroffenen Mitglieder der KE-Familie nie die Möglichkeit Wortartikulationsmuster zu erlernen. Deshalb scheitern sie zwangsläufig daran, mit den Wortbedeutungen die Aufgaben des Wort-Wiederholungstest zu lösen.[26]
[Bearbeiten] Weitere Symptome
Zusätzlich zur verbalen und orofazialen Dyspraxie schneiden die von der Mutation betroffenen Mitglieder der KE-Familie bei Tests, die die rezeptive Sprache (das Verständnis von Sprache) und die grammatische Sprache ermitteln, erheblich schlechter als ihre nicht betroffenen Verwandten ab. Das Defizit schließt die Unfähigkeit ein, Wörter richtig zu beugen oder Sätze zu bilden, um einfache Beziehungen von Objekten zu den entsprechenden Abbildungen herzustellen. Zudem zeigen die betroffenen Probanden in nicht-verbalen Intelligenztests eine signifikant niedrigere Intelligenz (IQ-Durchschnittswert: 86, Bereich: 71–111), als die Nicht-Betroffenen (IQ-Durchschnittswert: 104, Bereich: 84–119). Dabei gibt es eine erhebliche Überschneidung zwischen den beiden Gruppen.[24][26][27][28]
[Bearbeiten] Auswirkungen von Veränderungen an FOXP2
Die durch die Mutation bedingten Störungen werden autosomal dominant vererbt. Das FOXP2-Gen befindet sich auf dem langen Arm (q-Arm) von Chromosom 7 auf Position 31 (7q31). Das Gen wurde ursprünglich, als nur die Nummer des betroffenen Chromosoms lokalisiert werden konnte, „SPCH1“ (von Speech 1) genannt.[21]
Bei einem 2006 durchgeführten Screening von 49 Probanden die an einer verbalen Dyspraxie leiden, wurde bei einem Probanden eine mütterlicherseits vererbte nonsense-Mutation und bei zwei Probanden eine vermeintlich missense-Mutation des FOXP2-Gens festgestellt.[14] Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass FOXP2-Mutationen eine relativ seltene Ursache für Sprech- und Sprachstörungen sind.[1]
[Bearbeiten] Exon 14 (KE-Familie)
Die von der Erbkrankheit betroffenen Mitglieder der KE-Familie haben eine missense-Punktmutation in ihrer DNA. Die Nukleinbase Guanin ist bei ihnen durch Adenin auf dem Exon 14 ersetzt. Dadurch wird in Position 553 des FOXP2-Proteins statt der Aminosäure Arginin die Aminosäure Histidin kodiert. Die Mutation trägt daher die Bezeichnung R553H. R ist dabei im Einbuchstabencode die Bezeichnung für Arginin und H die für Histidin. Das gebildete Protein ist in Folge des Austausches der beiden Aminosäuren in seiner Funktion wirkungslos.
Mittels bildgebender Verfahren des Gehirnes von Mitgliedern der KE-Familie wurden Abnormitäten im Nucleus caudatus, einem Bestandteil der Basalganglien, festgestellt. Erste Einblicke in die neuralen Grundlagen konnten mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie des Gehirnes gewonnen werden. Die von der Mutation betroffenen Mitglieder der KE-Familie wiesen bilaterale strukturelle Defizite auf. Diese zeigten sich vor allem in einer reduzierten Dichte der Grauen Substanz („grauen Zellen“) im Bereich des Nucleus caudatus der Basalganglien[24][28], des vorderen Kleinhirns[29] und des Broca-Areals.[26] Dagegen wurde bei diesen Patienten eine abnormal hohe Dichte an Grauer Substanz im Putamen und im Wernicke-Areal gefunden. Interessanterweise korreliert das Volumen des Nucleus caudatus sehr gut mit der im Sprachtest gezeigten Leistung.[24] Dies ist ein Indiz für den Einfluss des Nucleus caudatus auf die Pathologie der DVD.
Die Basalganglien spielen bei der Bewegungsplanung und -sequenzierung eine entscheidende Rolle.[30] Strukturelle Abweichungen in den striatalen Regionen der Basalganglien (Nucleus caudates und Putamen) bedeuten daher im Allgemeinen eine Beeinträchtigung der Kontrolle über die orofaziale Motorik (Mundmotorik). Unklar ist dagegen, weshalb spezifisch die Mundmotorik beeinträchtigt ist, ohne dass andere motorische Funktionen davon betroffen sind.[26]
[Bearbeiten] Exon 7 (nonsense-Mutation)
2005 wurde an Kindern die nicht zur KE-Familie gehören, aber auch an einer verbalen Dyspraxie leiden, eine sogenannte nonsense-Mutation ebenfalls im FOXP2-Gen entdeckt. Eine nonsense-Mutation ist eine sinnentstellende Mutation, bei der ein Stoppcodon entsteht. Ein Stoppcodon ist wiederum ein Basentriplett der RNA, das als Codon auf der mRNA für keine entsprechende Aminosäure kodiert. Ein Stoppcodon bewirkt die Termination der Translation, wodurch die Proteinbiosynthese beendet wird. Auch in diesen Fällen mit nonsense-Mutation lassen sich die Sprach- und Sprechdefizite auf die Mutation zurückführen.[14]
[Bearbeiten] Translokation zwischen Exon 3b und 4
Bei einem Patienten, er wird in der Fachliteratur als Patient CS bezeichnet, unterbricht eine Translokation zwischen Exon 3b und 4 allen bekannten Isoformen von FOXP2.[1] Auch dieser Patient leidet an ähnlichen Symptomen wie die von der Mutation betroffenen Mitglieder der KE-Familie.[31]
[Bearbeiten] Gendeletion
Bei einem kanadischen Mädchen wurde 2006 eine Gendeletion auf dem langen Arm des Chromosoms 7 in den Positionen q31 und q32 festgestellt. Eine Deletion ist eine Variante einer Gen- beziehungsweise Chromosomenmutation, bei der Bereiche von einer Nukleotidsequenz bis hin zum gesamten Chromosom fehlen können. Im fehlenden Bereich 7q31 des Mädchens befindet sich das FOXP2-Gen. Das Kind hat als Folge davon schwerwiegende Kommunikationsstörungen in Form einer orofazialen Dyspraxie, eine deutliche Deformität und einen Rückstand in ihrer allgemeinen Entwicklung. Sie kann weder husten noch niesen oder spontan lachen.[32]
[Bearbeiten] Bei Mäusen
Bei Mäusen wurden im Tierversuch die beiden Exons 12 und 13 von FOXP2 durch eine Neomycin-Kassette ersetzt. Durch diese Maßnahme wird das Gen unterbrochen und in seiner Funktion abgeschaltet („Knockout“). In den Fällen, in denen beide Kopien der FOXP2-Gene unterbrochen wurden, führte dies zu schwerwiegenden Störungen der Motorik, vorzeitigem Tod und einem Ausbleiben der Verständigung mittels Ultraschall. Diese Form der Vokalisierung lässt sich normalerweise dadurch auslösen, dass die Jungtiere von ihrer Mutter entfernt werden. Wurde dagegen ein einzelnes FOXP2-Gen unterbrochen, so bewirkte dies eine geringe Verzögerung in der Entwicklung der Tiere und eine signifikante Veränderung der Kommunikation mittels Ultraschall. An den Tieren wurden abnorme Veränderungen am Kleinhirn, speziell der Purkinje-Zellen – das sind die Ganglienzellen des Stratum gangliosum der Gyri cerebellares –, festgestellt.[33][34]
[Bearbeiten] Bei Zebrafinken
Der Spracherwerb ist nicht auf den Menschen beschränkt. Einige Arten, darunter Wale, Fledermäuse und drei Ordnungen von Vögeln können ihre akustische Kommunikation („Tiersprache“) durch Imitation erlernen.[26] Singvögel kommunizieren über einen Gesang, den sie weitgehend erlernen müssen. Sie erwerben sich dabei ihre Lautfolgen dadurch, dass sie ältere Artgenossen imitieren. Von Artgenossen isoliert aufgezogene Jungtiere bleiben dagegen stumm.[16] Singvögel eignen sich daher als Tiermodell für Untersuchungen des Spracherwerbs und seiner genetischen Prädisposition. Bei vielen anderen Tierarten sind dagegen die Lautäußerungen angeboren. Selbst bei Affen geht man davon aus, dass ihr Repertoire an Lauten angeboren ist.
Der Gesang des Zebrafinken (Taeniopygia guttata) besteht aus unterschiedlichen Silben, die strukturierte Reihenfolgen ergeben. Der beim Menschen für den Spracherwerb wichtige Teil des Gehirns liegt in den Basalganglien. Bei Singvögeln wird dieser Bereich Area X genannt. Die Expression von FOXP2 im Area X ist während der Gesangslernphase beim Zebrafinken am höchsten. Bei Kanarienvögeln ist FOXP2 dagegen saisonal unterschiedlich exprimiert. In Phasen, in denen der Gesang umgestellt wird, ist es besonders stark exprimiert. Bei Vogelarten, die ihren Gesang nicht erlernen, wie beispielsweise Ringeltauben, konnten vergleichbare Veränderungen der FOXP2-Expression nicht festgestellt werden.[35]
Mit Hilfe der RNA-Interferenz schalteten Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik in Berlin-Dahlem das FOXP2-Gen im Area X von Zebrafinken aus. Bei diesem Verfahren werden kurze komplementäre RNA-Abschnitte in die Zellen eingeschleust, wo sie die mRNA abfangen und die Produktion des FOXP2-Proteins unterdrücken. Die Zebrafinken, bei denen FOXP2 abgeschaltet wurde, imitierten die Silben ihrer älteren Artgenossen weniger präzise und ließen beim Gesang ganze Silben aus.
Der genaue Wirkungsmechanismus von FOXP2 ist noch nicht bekannt.[36] Prinzipiell kann der Gendefekt die motorischen Funktionen, beispielsweise des Kehlkopfes, oder das Abspeichern der zu lernenden Gesänge beeinträchtigen.[37][38]
[Bearbeiten] Die molekulare Evolution von FOXP2
[Bearbeiten] FOXP2 bei Säuge- und anderen Wirbeltieren
Das Sequenz FOXP2-Proteins ist evolutionär schon sehr alt. Das FOXP2-Protein gehört zu den bei Säugetieren am besten konservierten Proteinen. In dieser Klasse unterscheidet sich FOXP2 bei den einzelnen Spezies nur sehr geringfügig.[13] Eine Ausnahme davon bilden verschiedene Familien der Fledertiere. Dort wurden erhebliche Unterschiede in der FOXP2-Gensequenz festgestellt.[39] Dagegen lassen sich nahezu gleiche FOXP2-Proteine beispielsweise bei Singvögeln, Fischen und Reptilien finden.[40][41]
Mit Ausnahme des Glutamin-Abschnittes unterscheidet sich das menschliche FOXP2-Protein von dem der Schimpansen nur durch zwei, vom dem von Mäusen durch drei und dem eines Zebrafinken nur durch sieben Aminosäuren.[13][42][43] Einige Forschungsgruppen nehmen daher an, dass der Unterschied in den beiden Aminosäuren zwischen Schimpanse und Mensch zur Sprachentwicklung beim Menschen geführt hat.[44] Diese These ist jedoch umstritten, da andere Arbeitsgruppen keinen Zusammenhang zwischen Spezies mit erlernter Vokalisierung und solchen mit ähnlicher Mutation in FOXP2 feststellen konnten.[40][41]
Die Gabe des Menschen sich über die Sprache artikulieren zu können, beruht auf anatomischen und feinmotorischen Fähigkeiten, welche die anderen Primaten, als nächste Verwandte des Menschen, nicht aufweisen.[45] 2002 wurde von zwei Arbeitsgruppen die Struktur des DNA-Abschnittes von Mensch, Schimpanse, Orang-Utan, Rhesusaffe und Maus sequenziert, welcher das FOXP2-Protein kodiert. Mit der DNA-Sequenzierung wird die DNA-Sequenz, das heißt die Nukleotid-Abfolge der DNA, bestimmt. Bereiche die für Polyglutamin kodieren sind allgemein bekannt dafür, dass sie relativ hohe Mutationsraten aufweisen. Dies ist auch bei den beiden Polyglutamin-Gebieten des FOXP2-Proteins der Fall. So wiesen alle untersuchten Taxa unterschiedliche Längen dieses Polyamids auf. Für die Funktion des Proteins spielt der Polyglutamin-Bereich eine sehr untergeordnete Rolle. Wenn man diese Gebiete außer acht lässt, so unterscheidet sich das menschliche FOXP2-Protein von dem Ortholog der Maus nur in drei Aminosäurepositionen. Schimpanse, Gorilla und Rhesusaffe haben untereinander ein völlig identisches FOXP2-Protein. Es unterscheidet sich von dem der Maus nur durch eine und von dem des Menschen nur durch zwei Aminosäuren. Das FOXP2-Protein des Orang-Utan unterscheidet sich durch zwei Aminosäuren vom murinen und durch drei vom humanen.
Die beiden Unterschiede zu den nächsten Verwandten des Menschen befinden sich auf Exon 7. In Position 303 ist dabei Threonin gegen Asparagin und in Position 325 Asparagin gegen Serin ausgetauscht. Aus den Sequenzierungsdaten wurden die entsprechenden Proteinstrukturen mittels Simulationsrechnungen ermittelt. Speziell die Mutation in Position 325 erzeugt beim humanen FOXP2-Protein eine potenziell reaktive Stelle für die Phosphorylierung durch Proteinkinase C, zusammen mit einer kleinen Veränderung in der Sekundärstruktur des Proteins. Aus verschiedenen Studien ist bekannt, dass die Phosphorylierung von Transkriptionsfaktoren mit Forkhead-Struktur ein wichtiger Mechanismus bei der Genregulation sein kann.[46][47] Zur Klärung, ob die beiden in Exon 7 kodierten Aminosäuren beim Menschen polymorph sind, wurde dieses Exon bei 44 Personen von verschiedenen Kontinenten sequenziert. In keinem Fall wurde eine Form von Aminosäuren-Polymorphismus gefunden.[13]
Die Evolutionslinien, die zu Mensch und Maus führen, teilten sich vor etwa 70 Millionen Jahren.[48][49] In diesem Zeitraum wurde nur eine einzelne Aminosäure des FOXP2-Proteins durch Mutation ausgetauscht. Im Gegensatz dazu wurden seit der Aufteilung der Evolutionslinien in Mensch und Schimpanse vor 4,6 bis 6,2 Millionen Jahren[50] in der Linie des Menschen zwei Aminosäuren ausgetauscht. Beim Schimpansen und allen anderen Primaten – mit Ausnahme eines Aminosäure-Austausches in der Linie des Orang-Utans – dagegen keine.[13]
In der nebenstehenden Abbildung sind die Mutationen in einem Phylogenetischen Baum dargestellt. Die erste Ziffer gibt die Anzahl der mutierten Aminosäuren (missense-Mutationen), die zweite die Anzahl der silent-Mutationen („stille Mutationen“) an. Bei einer stillen Mutation ändert sich zwar der genetische Code auf der DNA, der Informationsgehalt des Gens bleibt aber unverändert, da alle Aminosäuren – mit Ausnahme von Methionin und Tryptophan – redundant über mehrere Basentripletts kodiert werden. Das bedeutet, dass das kodierte Protein unverändert ist. Stille Mutationen unterliegen deshalb einem erheblich geringeren Selektionsdruck als missense-Mutationen. Aus diesem Grund ist stets eine höhere Rate an silent-Mutationen, im Vergleich zu missense-Mutationen, zu beobachten.
[Bearbeiten] Fledertiere
Während bei den meisten Säugetieren durch systematische DNA-Sequenzierungen eine ausgesprochen geringe – nur wenige Aminosäuren betreffende – Mutationsrate auf dem FOXP2-Gen festgestellt werden konnte, sind bei einigen Arten der Fledertiere erhebliche Unterschiede ermittelt worden. Die Fledertiere gehören zu den wenigen Wirbeltieren, die die Fähigkeit besitzen, Laute zu erlernen.[51][52]
Die Ordnung der Fledertiere (Chiroptera) besteht aus zwei Unterordnungen: den Flughunden (Megachiroptera) und den Fledermäusen (Microchiroptera). Fledermäuse nutzen die Echoortung zur Orientierung und zum Beutefang. Bei ihnen sind die sensomotorischen Fähigkeiten besonders hoch entwickelt. Der Empfang der ausgesendeten Ultraschall-Laute erfordert eine ausgeprägte aurale (das Gehör betreffende) und – je nach Fledermausart – orofaziale (Mund) oder nasofaciale (Nase) Abstimmung.[53] Flughunde verfügen dagegen nicht über die Fähigkeit der Echoortung.
Bei der DNA-Sequenzierung wurden die beiden Exons 7 und 17 als die Bereiche identifiziert, in denen – je nach Fledertierart – die größte Variabilität des FOXP2-Gens vorlag. Dabei zeigten sich erhebliche Unterschiede zwischen der FOXP2-Struktur der Fledermäuse und der Flughunde. Die Daten lassen den Schluss zu, dass die Veränderungen des FOXP2-Gens bei Fledermäusen für die Entwicklung der Echoortung eine entscheidende Rolle gespielt haben.[39]
[Bearbeiten] FOXP2 in der Paläogenetik
Mit Hilfe der Paläogenetik wurde zunächst berechnet, dass die heute beim Menschen verbreitete Genvariante von FOXP2 zwischen 100.000 und maximal 200.000 Jahre alt sei. Dieser Zeitraum wurde in einem mathematischen Modell, bei dem speziell die Mutationen an Introns betrachtet wurden, ermittelt. Introns sind für die Proteinsynthese funktionslose Genbestandteile. Da sie keine direkte Bedeutung für die Struktur der Proteine haben, ist bei ihnen eine erheblich höhere Mutationsrate als bei Exons zu beobachten. Aus dieser Mutationsrate lässt sich die Geschichte eines Gens rekonstruieren.[54] Der berechnete Zeitraum würde sich mit dem von Paläoanthropologen datierten „Geburtstag“ der Spezies Mensch gut decken.[55][56] Evolutionsgeschichtlich ist dies deutlich später als der ebenfalls per Paläogenetik ermittelte Zeitpunkt der Aufspaltung des evolutionären Stammbaums zwischen Homo sapiens und Homo neanderthalensis vor etwa 300.000 bis 400.000 Jahren. Aus diesen Daten wurde deshalb zunächst geschlossen, dass der Neandertaler nicht über die menschliche Sprachfähigkeit verfügte.[57]
Einige Anthropologen vertreten die Meinung, dass die schnelle Verbreitung des für den Spracherwerb so elementaren FOXP2-Gens für die These spricht, dass Sprache die treibende Kraft bei der Ausbreitung des Menschen auf der Erde war.[58][59]
Die These über das Alter der heutigen FOXP2-Genvariante des Menschen und daraus abgeleitet, dass der Neandertaler deshalb nicht über die menschliche Sprachfähigkeit verfügte, musste im Oktober 2007 revidiert werden. Aus Neandertaler-Knochen wurde das FOXP2-Gen sequenziert. Dabei wurde kein Unterschied in der Sequenz des Neandertalers im Vergleich zum modernen Menschen gefunden.[60][61]
Die DNA-Sequenzierung prähistorischer Funde ist ein sehr aufwändiges Verfahren. Die Proben enthalten nur sehr geringe Mengen endogener DNA. Zudem ist die Kontaminierung der Proben und Reagenzien[62] mit menschlicher DNA ein erhebliches Problem, vor allem dadurch, dass sich die DNA des Neandertalers nur sehr wenig von der des modernen Menschen unterscheidet.[63] Aus zwei unterschiedlichen Neandertaler-Knochen, die 2006 in der asturischen El Sidrón-Höhle gefunden wurden[64], wurde zunächst die mitochondriale DNA (mtDNA) der ca. 43.000 Jahre alten Proben analysiert. An Hand der mtDNA lässt sich durch einige bekannte Substitutionen feststellen, ob es sich um die DNA eines modernen Menschen oder eines Neandertalers handelt.[65] Nachdem feststand, dass bei den Proben eindeutig die DNA eines Neandertalers vorlag, wurden auf Exon 7 des FOXP2-Gens die beiden Bereiche untersucht, die als Mutationen seit der Aufspaltung in Menschen und Schimpansen bekannt sind. Dabei wurde kein Unterschied in der entsprechenden Sequenz des Neandertalers und der des modernen Menschen festgestellt. Der Neandertaler verfügte somit ebenfalls über die die Sprache ermöglichende Mutation des FOXP2-Gen.[61] Die Möglichkeit, dass sich das Gen durch gemeinsame Kinder von Homo sapiens und Homo neanderthalensis sowohl beim modernen Menschen als auch bei den Neandertalern durchsetzte, wird an Hand von Ergebnissen aus Studien an mitochondrialer DNA ausgeschlossen.[66]
[Bearbeiten] Einzelnachweise
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- ↑ C. Lai u. a.:The SPCH1 region on human 7q31: genomic characterization of the critical interval and localization of translocations associated with speech and language disorder. In: Am J Hum Genet, 67/2000, S.357–68. PMID 10880297
- ↑ P. Schlobinski: Grammatikmodelle: Positionen und Perspektiven,Vandenhoeck & Ruprecht, 2003, S.83–84. ISBN 3-525-26530-1
- ↑ a b A. F. Wright, N. Hastie: Genes and Common Diseases: Genetics in Modern Medicine.,Cambridge University Press, 2007, ISBN 0-521-83339-6
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[Bearbeiten] Weblinks
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- K. Seefeldt: Der kleine Unterschied. Telepolis vom 16. August 2002
- U. Bahnsen: Sprich oder stirb! Sonntagszeitung vom 18. August 2002
- A. MacAndrew: FOXP2 and the Evolution of Language (englisch)