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Hans F. K. Günther – Wikipedia

Hans F. K. Günther

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Hans F. K. Günther (Hans Friedrich Karl Günther; * 16. Februar 1891 in Freiburg im Breisgau; † 25. September 1968 ebenda) war ein deutscher Eugeniker, der in der Weimarer Republik und im Dritten Reich als „Rasseforscher“ tätig war und als so genannter „Rassengünther“ oder „Rassepapst“ bekannt wurde. Vielen gilt er als Urheber des nationalsozialistischen Rassegedankens.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Hans Friedrich Karl Günther wurde als Sohn eines Kammermusikers geboren. Zunächst studierte er vergleichende Sprachwissenschaft und Germanistik an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, besuchte jedoch auch naturwissenschaftliche Vorlesungen über Zoologie und Geographie. Auch hörte er den damals führenden Anthropologen Eugen Fischer in Freiburg und erwarb bei ihm die Grundlagen für seine späteren Rassetheorien. Das Sommersemester 1911 verbrachte er an der Sorbonne in Paris. Im Jahr 1914 promovierte er kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs in Freiburg zum Dr. phil. Er meldete sich als Kriegsfreiwilliger, erkrankte jedoch schon während der Ausbildung beim Freiburger Infanterie-Regiment 113 an Gelenkrheumatismus und verbrachte deshalb mehrere Monate im Krankenhaus. Manche meinen, diesen Makel als Heeresuntauglicher habe er nie richtig verkraftet. Sein heldisches Männlichkeitsideal habe der Kompensation gedient. Während des Krieges war er beim Roten Kreuz tätig.

1919 legte er die Kriegsteilnehmerprüfung für das höhere Lehramt an Schulen ab und war im Probedienst tätig. Günther verstand sich jedoch als Schriftsteller. Sein Erstlingswerk war die „Bekenntnisschrift“ mit dem Titel Ritter, Tod und Teufel. Der heldische Gedanke, in dem sich der heidnisch-romantische Nationalismus des „deutschen Spiels“ zum biologischen Nationalismus wandelte. Heinrich Himmler war 1924 von diesem Buch sehr beeindruckt.

In der kurzen Zeit von 1920 bis 1922 erstellte der im Grunde fachfremde Autor im Auftrag seines Verlegers Julius Friedrich Lehmann sein bereits damals relativ weit verbreitetes und populäres Hauptwerk Rassenkunde des deutschen Volkes.

1922 studierte Günther am Anthropologischen Institut der Universität Wien und arbeitete im Museum für Tier- und Völkerkunde in Dresden bei Bernhard Struck. Ein weiteres Studium folgte 1922 bei Theodor Mollison in Breslau. Seit 1923 lebte er zusammen mit seiner zweiten Frau, einer Norwegerin, in Skandinavien. Er erhielt gelegentlich von verschiedenen Universitäten wissenschaftliche Aufträge, unter anderem von der Universität Uppsala und vom Schwedischen Staatsinstitut für Rassenbiologie des Herman Lundborg. In Norwegen lernte Günther Vidkun Quisling kennen und schätzen. Bereits damals verkehrte Günther in deutschen nationalsozialistischen Kreisen. Der völkische Architekt und Schriftsteller Paul Schultze-Naumburg vermittelte ihm Kontakte zu Richard Walther Darré und Baldur von Schirach.

Finanzielle Engpässe zwangen ihn 1929 zur Rückkehr nach Deutschland. In Dresden musste er von einer halben Lehrerstelle existieren, bis Wilhelm Frick, der erste nationalsozialistische Minister in einem deutschen Land, ihm 1930 gegen den Willen der Universität Jena zu einem für ihn eigens eingerichteten Lehrstuhl für Sozialanthropologie verhalf. Günther hatte in akademischer Hinsicht außer seiner Promotion hierfür keinerlei Voraussetzungen, was zu scharfen Protesten von Ordinarien aus ganz Deutschland führte. Seine – im übrigen nicht weiter bemerkenswerte – Antrittsvorlesung erhielt durch die Anwesenheit von Adolf Hitler und Hermann Göring eine symbolhafte Bedeutung. 1931 unternahm aus nicht mehr völlig aufklärbaren Motiven ein 18-jähriger Arbeitsloser aus Wien auf ihn einen Anschlag, was von den Nationalsozialisten politisch ausgenutzt wurde. 1932 wurde Günther Mitglied der NSDAP.

1935 wurde er ordentlicher Professor für Rassenkunde, Völkerbiologie und Ländliche Soziologie an der Universität Berlin, von 1940 bis 1945 war er o. Professor und Institutsdirektor an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg im Breisgau. Günther erhielt im Dritten Reich zahlreiche Ehrungen. So war er 1935 der erste Preisträger des Preises der NSDAP für Wissenschaften, 1937 erhielt er die Rudolf-Virchow-Plakette der Deutschen Philosophischen Gesellschaft. 1941 erhielt er von Hitler die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft.

Vortrag über „Vererbung oder Erziehung“
Vortrag über „Vererbung oder Erziehung“

März 1941 nahm er als Ehrengast an der Eröffnungstagung von Alfred Rosenbergs Institut zur Erforschung der Judenfrage teil. In den Vorträgen wurde der „Volkstod“ der Juden als Ziel formuliert. Er sollte durch „Verelendung der europäischen Juden bei Zwangsarbeit in riesigen Lagern in Polen“ erreicht werden. Klaus Schickert formuliert in seinem Beitrags über die Judengesetze in Südosteuropa: „Die Dinge treiben mit einer zunehmenden Geschwindigkeit ihrer Endlösung entgegen.“ [1] Günthers Kommentar war, die Veranstaltung sei langweilig gewesen.

Nach Kriegsende verbrachte Günther drei Jahre in Internierungslagern. Sein Entnazifizierungsverfahren endete damit, dass er als „Mitläufer“ eingestuft wurde. Die Universität Freiburg hatte in diesem Verfahren vorgetragen, Günther habe sich in seiner Rassenkunde in Grenzen gehalten, die auch von Gelehrten dieses Zweiges moderner Wissenschaft in anderen Staaten eingehalten würden.

Auch nach Untergang des Dritten Reiches zog Günther seine Theorien nicht zurück. In dem unter seinem eigenen Namen Ende 1951 veröffentlichten Buch Gattenwahl unterbreitete er – nach Auffassung heutiger Literatur – auch in den fünfziger Jahren noch allgemein konsensfähige Warnungen wie beispielsweise vor der Heirat mit „Zuckerkranken, Frauenrechtlerinnen und Gewohnheitstrinkern“. In dem Schlusskapitel dieses Buches verharmloste er die Zwangssterilisationen der NS-Zeit und stellte die gesetzlich vorgeschriebenen NS-Ehegesundheitszeugnisse als richtungsweisend dar.

Günther, der in seinen letzten Lebensjahren in Emmendingen lebte, publizierte auch nach 1945, unter anderem auch unter den Pseudonymen Ludwig Winter und Heinrich Ackermann. In seinem 1959 im Verlag des rechtsextremen Bund für Deutsche Gotterkenntnis erschienenen Der Begabungsschwund in Europa warnte er vor einer zunehmenden „Verdummung der Bevölkerung“, weil sich die sittlich Haltlosen unkontrolliert und die Begabten viel zu selten fortpflanzten. Der „Untergang des Abendlandes könne nur durch eine überlegte Familienpolitik aufgehalten werden, die von den Tatsachen der Vererbung, ,Siebung, Auslese und Ausmerze‘ ausgingen“.

Die nationalsozialistischen Verbrechen verharmloste Günther bis an sein Lebensende. „Wieviele Gräuel würden über das Konzentrationslager Buchenwald zusammengelogen“, schrieb er in dem Buch Mein Eindruck von Adolf Hitler.

Ein Teil des Nachlasses Günthers wurde vom Anthropologischen Institut der Universität Mainz übernommen.

[Bearbeiten] Ideologie

Ausgehend von seinem Werk Ritter, Tod und Teufel wurde Günther zum Begründer des sogenannten „nordischen Gedankens“, mit dem die vermeintliche Gefährdung der „nordischen Rasse“ propagiert und Wege aufgezeigt wurden, diese durch „Aufnordung“ biologisch aufzuwerten. Dadurch sollte dem Bauerntum zu neuer Größe verholfen und die notwendige „Entstädterung“ eingeleitet werden.

Jedem von ihm entwickelten Menschentyp schrieb er bestimmte seelische Eigenschaften zu, die gemeinsam mit den äußerlichen Rassemerkmalen vererbt würden.

Günther entwickelte eine „Wertigkeitsskala“,

  • in der die „nordische Rasse“ sich besonders durch Merkmale wie „Urteilsfähigkeit“, „Wahrhaftigkeit und Tatkraft“ auszeichnen sollte. Weiter seien dabei der „Gerechtigkeitssinn“, das „Einzeltum“ und die „Leidenschaftslosigkeit“, „Zurückhaltung bei der Geschlechtlichkeit“ besonders kennzeichnend für diese Rasse.
  • Dagegen zeichne sich die „westische (mediterrane) Rasse“ durch „Leidenschaftlichkeit“ und „geistige Beweglichkeit“ sowie „Heiterkeit“ und „Geselligkeit“ aus.
  • Der „ostischen Rasse“ – gemeint sind dabei entgegen der verwirrenden Begrifflichkeit Personen, die überwiegend im Südwesten des deutschen Sprachraums leben – schreibt er „Verschlossenheit“, „Geduld“, und „Fleiß“ zu, wobei diese „empfänglich für Leitung und Führung“ sowie „bequem“ und damit „fügsam als Untertan“ sei und eine besondere „Anhänglichkeit an Familie und Örtlichkeit“ habe.
  • Als weiteren Typ beschreibt Günther die „dinarische Rasse“ (nach dem Dinarischen Gebirge), die sich durch ihren „besonderen Sinn für Ehre“ auszeichne und „überall eine stark vaterländische, besser: heimatliche Gesinnung“ habe. Besonders bemerkenswert an dieser Rasse sei „Verlässlichkeit“, „Tapferkeit“ und „Stolz“. Sie habe eine „gewisse händlerische und kaufmännische Begabung“ und neige „zu leichter Erregbarkeit“ sowie „zu schnellem Aufbrausen, ja zum Jähzorn und zu besonderer Rauflust“. Die dinarische Rasse sei darüber hinaus „gutmütig“, „derb“, „roh“ und „sentimental“.

Die „Vergleiche“, die Günther anstellte, liefen darauf hinaus, dass die „nordische Rasse“ die höchst entwickelte, aber auch die in ihrem Bestand gefährdetste sei. Seine Theorien wurden zeitweise zur maßgeblichen ideologischen Grundlage der nationalsozialistischen Rassenpolitik, die nicht nur zum Holocaust an den Juden und Zigeunern, sondern auch zur Ermordung zahlloser Angehöriger der als minderwertig diskriminierten slawischen Völker führte. Allerdings hielt Günther selbst das Thema Judentum für untergeordnet und meinte bereits in den zwanziger Jahren, der Begriff des Ariers sei veraltet. Das hinderte ihn allerdings nicht, sich in seiner Rassenkunde ausgiebig antisemitischer Klischees zu bedienen. Sein Wunsch war, dass die Juden nach „Palästina oder ein anderes, ihren Erbanlagen angemessenes Gebiet“ auswandern.

Das deutsche Volk sollte „aufgenordet“ werden. Das Wort „Aufnordung“ hatte er von Ludwig Ferdinand Clauß übernommen, der damit allerdings keine Züchtungsgedanken, sondern eine gesellschaftliche Förderung bestimmter, von ihm als „nordisch“ (nord-west-europäisch) aufgefasster Kulturelemente verband. Bei Günther wurde dieser ursprünglich rein kulturell gedachte Prozess biologisch umgedeutet und in diesem Zusammenhang so prominent, dass die ursprüngliche Bedeutung nahezu in Vergessenheit geriet. Die Leitsätze der Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene stellten dabei für Günther in seinem Buch Der nordische Gedanke unter den Deutschen, 2. Auflage 1927, nur die Mindestforderung dar. Dort war langfristig die Zwangssterilisation „minderwertiger“ Menschen sowie deren schnellstmögliche Isolation in Arbeitslagern vorgesehen. Günther befürwortete nicht nur in weitem Umfang Zwangssterilisationen von Menschen mit „minderwertigen Erbanlagen“, sondern auch Zwangsabtreibungen oder die zwangsweise Expatriierung beispielsweise der damals so genannten „Rheinlandbastarde“, Kindern von farbigen französischen Besatzungssoldaten und deutscher Mütter. Er war somit einer der Vordenker der nationalsozialistischen Rassenhygiene.

[Bearbeiten] Wirkung

Günther war zwischen den beiden Weltkriegen einer der meistgelesenen und umstrittensten deutschen Publizisten, dessen Schriften (wenn auch nur in kleiner Auflage) noch bis die 60er Jahre herausgegeben wurden und ein Publikum fanden.

Vor allem in den Vereinigten Staaten, wo in einigen Staaten noch bis um 1970 die Politik der Rassentrennung teilweise gesetzlich verankert war, wurden Günthers Rassetypologien und Anschauungen auch nach 1945 noch geschätzt, was unter anderem dazu führte, dass ihn die American Society of Human Genetics 1953 zum korrespondierenden Mitglied wählte.

Die NPD verwendet in dem politischen Lexikon auf ihrer Webseite Hans F. K. Günther als Quelle zur Erklärung des Begriffs „Rasse“:

„,Rasse ist eine Menschengruppe, welche bei allen ihren Vertretern ein in der Hauptsache gleiches leiblich-seelisches Bild zeigt.‘ (Hans F. K. Günther, bedeutender Anthropologe)“

[Bearbeiten] Schriften

  • 1920: Ritter, Tod und Teufel
  • 1922: Rassenkunde des deutschen Volkes, 16. Aufl. 1933
  • 1924: Rassenkunde Europas, 3. Aufl. 1927
  • 1925: Kleine Rassenkunde Europas, 3. Aufl. 1929
  • 1925: Der Nordische Gedanke unter den Deutschen, 2. Aufl. 1927
  • 1926: Adel und Rasse, 2. Aufl. 1927
  • 1926: Rasse und Stil
  • 1929: Rassengeschichte des hellenischen und des römischen Volkes
  • 1930: Rassenkunde des jüdischen Volkes
  • 1933: Volk und Staat in ihrer Stellung zu Vererbung und Auslese
  • 1934: Die nordische Rasse bei den Indogermanen Asiens
  • 1934: Die Verstädterung, 3. Aufl. 1938
  • 1934: Frömmigkeit nordischer Artung
  • 1935: Herkunft und Rassengeschichte der Germanen
  • 1940: Formen und Urgeschichte der Ehe
  • 1941: Gattenwahl zu ehelichem Glück und erblicher Ertüchtigung
  • 1941: Das Bauerntum als Lebens- und Gemeinschaftsform
  • 1942: Bauernglaube. Zeugnisse über Glauben und Frömmigkeit der deutschen Bauern
  • 1951: Formen und Urgeschichte der Ehe; Die Formen der Ehe, Familie und Verwandtschaft und die Fragen einer Urgeschichte der Ehe, Gattenwahl
  • 1956: Lebensgeschichte des hellenischen Volkes, 2. Aufl. 1965
  • 1957: Lebensgeschichte des römischen Volkes, 2. Aufl. 1966
  • 1959: Der Begabungsschwund in Europa (unter dem Pseudonym Ludwig Winter)
  • 1961: Entstellung und Klärung der Botschaft Jesu (unter dem Pseudonym Heinrich Ackermann)
  • 1966: Platon als Hüter des Lebens
  • 1967: Vererbung und Umwelt
  • 1969: Mein Eindruck von Adolf Hitler

[Bearbeiten] Quellen

  1. Weltkampf. Die Judenfrage in Geschichte und Gegenwart, 1/2, April-September 1941, S. 42.

[Bearbeiten] Literatur

  • Peter Emil Becker, Wege ins Dritte Reich (Teil II). Sozialdarwinismus, Rassismus, Antisemitismus und Völkischer Gedanke. Thieme, Stuttgart/New York 1990, ISBN 3-13-736901-0
  • Erich Freisleben, Grundelemente der Rassenkunde und Rassenhygiene der Weimarer Zeit. Eine Untersuchung zu zwei Standardwerken. Dissertation, Freie Universität Berlin 2003
  • Hans-Jürgen Lutzhöft: Der Nordische Gedanke in Deutschland 1920-1940. Klett, Stuttgart 1972, ISBN 3-12-905470-7
  • Armin Mohler, Karlheinz Weissmann: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918 – 1932. Ein Handbuch. 6. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stocker, Graz 2005, ISBN 3-7020-1069-6
  • Karl Saller: Die Rassenlehre des Nationalsozialismus in Wissenschaft und Propaganda. Progress-Verlag, Darmstadt 1961
  • Elvira Weisenburger: Hans Friedrich Karl Günther, Professor für Rassekunde in: Michael Kißener, Joachim Scholtyseck (Hrsg.): Die Führer der Provinz. NS-Biographien aus Baden und Württemberg, UVK, Konstanz 1997, ISBN 3-87940-566-2

[Bearbeiten] Weblinks


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