Friedrich Torberg
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Friedrich Torberg (* 16. September 1908 in Wien; † 10. November 1979 ebenda; eigentlich Friedrich Kantor) war ein österreichisch-tschechoslowakischer Schriftsteller und Journalist. Berühmt sind vor allem sein Roman Der Schüler Gerber und die Anekdotensammlung Die Tante Jolesch sowie seine Übersetzungen der Bücher von Ephraim Kishon.
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[Bearbeiten] Leben
[Bearbeiten] Kindheit und Jugend
Friedrich Torberg entstammte einer deutsch-jüdischen Prager Familie. Sein Vater Alfred Kantor ging als leitender Angestellter einer Prager Schnapsfabrik nach Wien, wo Friedrich zur Welt kam. Seine Mutter, Theresia Berg, war vor allem musisch begabt. Aus der letzten Silbe seines Vaternamens Kantor und dem Mutternamen Berg bildet er später sein Pseudonym Torberg. In Wien trat Torberg dem jüdischen Sportverein SC Hakoah Wien bei, um Wasserball zu spielen.
Als 1921 der Vater zum Prokuristen seiner Firma befördert worden war, kehrte die Familie nach Prag zurück. Torberg litt sehr unter dem dortigen Schulsystem, das noch aus der untergegangenen Monarchie stammte. In Wien hatte Torberg Schulen besucht, an denen die Schulreform des Reichsratsabgeordneten Otto Glöckel bereits durchgeführt worden war. Da Torberg in dieser Zeit auch in verschiedenen Varietés auftrat und Gedichte verfasste, nahm es nicht wunder, dass er 1927 die Reifeprüfung nicht bestand. Erst ein Jahr später kam er durch.
[Bearbeiten] Journalismus und Studium
Torberg machte seine schlechten Erfahrungen in der Schule später zum Thema seines erfolgreichsten Romans Der Schüler Gerber hat absolviert (Titel der Erstausgabe, später nur noch Der Schüler Gerber). Er schildert darin den Abiturienten Kurt Gerber, einen Einzelgänger und Schwärmer, der unter dem Schulsystem, vor allem wegen eines ungerechten und scheinbar allmächtigen Mathematiklehrers (Gott Kupfer), leidet. Mit diesem Roman konnte Torberg 1930 mit Hilfe seines Prager Mentors Max Brod debutieren. Dieser sandte das Manuskript an den Verlag Paul v. Zsolnay mit der Maßgabe, bei Annahme Torberg direkt zu verständigen, bei einer Ablehnung jedoch ihn, Brod.
Seit 1927 arbeitete Torberg beim Prager Tagblatt u.a. als Sportreporter und Theaterkritiker. Er befreundete sich mit Egon Erwin Kisch, Alfred Polgar und Joseph Roth. Auch André Malraux, Bertrand Russell und Ernst Toller lernte er in dieser Zeit kennen. In Wien war er Stammgast im Café Herrenhof, in dem auch die Schriftsteller Hermann Broch, Robert Musil und Franz Werfel verkehrten. Ebenso war er im Café Rebhuhn und im Café de l’Europe, einem Treffpunkt der Halbwelt, anzutreffen.
1928 begann Torberg an der Universität Prag Rechtswissenschaften zu studieren. Als nach drei Semestern eine erste Prüfung anstand, brach er kurz entschlossen dieses Studium wieder ab. Im selben Jahr wurde er als Mitglied der Mannschaft Hagibor Prag tschechoslowakischer Meister im Wasserball. Auch im Schüler Gerber hatte Torberg seine Begeisterung für den Sport durch die Schilderung von Ski-Reisen thematisiert. 1935 erschien Die Mannschaft, Roman eines Sportlebens, der von den Erlebnissen des jungen Harry und seiner Wasserballmannschaft handelt. Als regelmäßiger und begeisterter Besucher von Fußballspielen des SC Hakoah Wien schrieb er 1959 im Essay Warum ich darauf stolz bin anekdotenreich seine Erinnerungen an diese Mannschaft und ihre Spiele nieder.
1929 absolvierte Torberg beim Leipziger Tagblatt ein einjähriges Volontariat. In diesem Jahr war er ständig zwischen Wien, Leipzig und Prag unterwegs. U.a. schrieb er in Prag für die Wochenzeitschrift Selbstwehr und kam so mit radikalen Zionisten in Kontakt.
[Bearbeiten] Emigration in die Schweiz und nach Frankreich
1933 wurden Torbergs Bücher in Deutschland von den Nationalsozialisten verboten. Im März 1938, zur Zeit des Anschlusses, hielt sich Torberg gerade in Prag auf. Am 20. Juni desselben Jahres emigrierte er nach Zürich. Anfangs schien er in Sicherheit zu sein, und so wurde Torberg bald Stammgast im Café Odeon. Im Frühjahr 1939 wurde seine Aufenthaltsgenehmigung von den Schweizer Behörden nicht mehr verlängert. Torberg kam seiner Ausweisung zuvor und ging nach Paris. Den Sommer 1939 verbrachte er noch in Frieden an der Côte d'Azur, als tschechoslowakischer Staatsbürger wurde er bei Kriegsausbruch auch nicht interniert. Im Oktober schloss er sich der tschechischen Exilarmee an, die sich gerade formierte.
Bereits die Grundausbildung überforderte Torberg wegen eines Herzfehlers. Anfangs noch zu Büroarbeiten benötigt, wurde er nach sieben Monaten als untauglich wieder entlassen. Die tschechische Exilarmee in Frankreich hatte während des gesamten Krieges keinen Einsatz. Torberg kam aber wieder zu gültigen Ausweisdokumenten. Am 12. Juni 1940, zwei Tage vor der Besetzung der Stadt durch deutsche Truppen, konnte Torberg mit Oskar Karlweis Paris verlassen und gelangte über Bordeaux und Bayonne an die spanische Grenze. 20 Stunden vor Schließung durch deutsche Truppen entkam Torberg nach Spanien. In überfüllten Zügen kam Torberg bis Porto und schlug sich mehrfach illegal nach Lissabon durch. Nur in der Hauptstadt gab es Visa für die USA, doch Ausländern war der Aufenthalt in der überfüllten Stadt untersagt.
Nur durch Vermittlung von Freunden wurde Torberg offiziell als Outstanding German Anti-Nazi-Writer erfasst und erhielt am 11. September 1940 sein Einreisevisum für die Vereinigten Staaten. Mit diesem konnte er am 9. Oktober 1940 endlich Portugal verlassen.
Die Briefe Torbergs aus dieser Zeit an seinen Freund Willi Schlamm wurden von David Axmann herausgegeben.
[Bearbeiten] Emigration nach Übersee
Nach seiner Ankunft in New York zog Torberg bald nach Hollywood, wo er ein Jahr lang als Vertragsautor für Warner Bros. unterkam, aber keinen Erfolg erzielen konnte. Er verkehrte in den Emigrantenkreisen von Hollywood, wo auch Lion Feuchtwanger, Heinrich und Thomas Mann, Bertolt Brecht und andere Zuflucht gefunden hatten. Besonders freundschaftliche Beziehungen unterhielt er mit Franz Werfel und Alma Mahler-Werfel (der Briefwechsel mit letzterer liegt in Buchform vor). 1944 zog Friedrich Torberg nach New York, um zusammen mit seinem Freund William S. Schlamm am Projekt Umlaut, einer deutschen Ausgabe des Time Magazine zu arbeiten. Mit diesem Projekt für Emigranten scheiterte er bereits im Dezember 1944 und so verdiente er seinen Lebensunterhalt als Übersetzer, freier Journalist und Theaterkritiker. Im November 1945 heiratete er Marietta Bellak.
[Bearbeiten] Rückkehr nach Wien
1951 kehrte Torberg nach Wien zurück, behielt aber die US-Staatsbürgerschaft. Er schrieb für die Wiener Zeitung Kurier und für den Radiosender Rot-Weiß-Rot. In München schrieb Torberg für die Süddeutsche Zeitung, und 1954 gründete er, mit der Unterstützung des Kongresses für kulturelle Freiheit, einer CIA-Vorfeldorganisation, eine eigene Kulturzeitschrift mit dem Titel FORVM (er wurde durchgängig in dieser lateinisch-typographischen Urfassung verwendet). Mitherausgeber waren Friedrich Hansen-Loeve, Felix Hubalek und Alexander Lernet-Holenia. Später kamen dann Günther Nenning und Franz Willnauer als Redakteure hinzu.
In diesen Jahren edierte er das Werk von Fritz von Herzmanovsky-Orlando, übersetzte Ephraim Kishon und versuchte sich an einer eigenen Werkausgabe. Torberg engagierte sich massiv gegen den Kommunismus und dessen Anhänger und Sympathisanten.[1] Im Wien der Nachkriegsjahre und des Kalten Kriegs gelang es ihm, zusammen mit Hans Weigel einen Boykott der Aufführung der Werke von Bertolt Brecht an den österreichischen Bühnen durchzusetzen, der bis 1962 anhielt. In diesem Jahr wurde seine Ehe mit Marietta geschieden, und es folgte eine kurze Liaison mit Johanna von Koczian. Nach mehreren kurzen Affairen lebte Torberg am Ende wieder mit seiner Ex-Ehefrau zusammen.
Immer wieder wurde er auch von Rundfunk und Fernsehen zu Diskussionen eingeladen, und zwar als „Jud vom Dienst“, wie er einmal selbstironisch bemerkte. Legendär wurde Torberg insbesondere durch seine wüsten Polemiken und persönliche Vernichtungsfeldzüge gegen Menschen, die er kommunistischer Sympathien bezichtigte und Fellow Travellers nannte, oder gegen persönliche Feindbilder, wie Salcia Landmann oder Hilde Spiel. Ebenso umtriebig kämpfte er für Rezensionen seiner eigenen Werke und um bestimmte Auszeichnungen und Ehrentitel. Er zählt zu den höchstdekorierten Schriftstellern des Nachkriegs-Wien.
1966 gab er die Leitung des FORVM an Günther Nenning ab, der es als NEUES FORVM weiterführte. Torberg zog sich in sein Haus in Breitenfurt bei Wien zurück. Hier entstand auch die Werkausgabe von Peter Hammerschlag.

1975 veröffentlichte er die Sammlung Die Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlandes in Anekdoten, in der er mit selbst erlebten und von anderen erzählten Geschichten aus seiner Jugendzeit dem jüdischen Leben im Wien und Prag der Zwischenkriegszeit ein Denkmal setzte.
Im Alter von 71 Jahren starb Friedrich Torberg am 10. November 1979 in Wien. Er liegt in einem ehrenhalber gewidmeten Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof, Tor 1, auf eigenen Wunsch im jüdischen Trakt neben Arthur Schnitzler begraben.
Postum erschien 1984 mit Auch das war Wien, einer in der Emigration verfassten Auseinandersetzung mit Wien zur Zeit des Anschlusses an das nationalsozialistische Deutschland, das letzte Werk Torbergs. Wie schon wenige Jahre zuvor Der Schüler Gerber (1981) wurde auch dieses Werk wenig später unter dem Titel 38 – Auch das war Wien (1987) vom Regisseur Wolfgang Glück erfolgreich verfilmt. Der Film erhielt eine Nominierung für den Oscar als bester fremdsprachiger Film.
[Bearbeiten] Auszeichnungen und Ehrungen
- 1958 Berufstitel Professor, verliehen vom österreichischen Bundespräsidenten
- 1966 Preis der Stadt Wien für Publizistik
- 1968 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
- 1968 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, 1. Klasse
- 1974 Goldene Ehrenmedaille der Stadt Wien
- 1976 Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst
- 1979 Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur
[Bearbeiten] Werke
- Der ewige Refrain (1929) – Gedichtband
- Der Schüler Gerber hat absolviert (Titel der Erstausgabe 1930, später nur noch Der Schüler Gerber)
- … und glauben, es wäre die Liebe (1932)
- Die Mannschaft (1935)
- Abschied (1937)
- Vom Tode eines Fussballers. Gedicht (1939, gewidmet dem Fussballer Matthias Sindelar)
- Mein ist die Rache (1943)
- Hier bin ich, mein Vater (1948)
- Die zweite Begegnung (1950)
- Nichts leichter als das (1956)
- Lebenslied (1958)
- Pamphlete, Parodien, Postscripta (1964)
- Das fünfte Rad am Thespiskarren (1966)
- Golems Wiederkeher (1968)
- Der Beifall war endenwollend Theaterkritiken und Glossen (1970), hrg. von Eberhard Gaupp
- Süßkind von Trimberg (1972)
- Die Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlands in Anekdoten (1975)
- Die Erben der Tante Jolesch (1978)
- In diesem Sinne… Briefe an Freunde und Zeitgenossen. (1981)
- Kaffeehaus war überall (1982) postum erschienen
- Liebste Freundin und Alma. Briefwechsel mit Alma Mahler-Werfel (postum)
- Eine tolle, tolle Zeit. Briefe und Dokumente aus den Jahren der Flucht 1938 bis 1941 (1989)
- Auch das war Wien – posthum erschienen 1984, verfasst während der Emigration
[Bearbeiten] Verfilmungen
- Der Schüler Gerber, Ö 1981, Regie: Wolfgang Glück
- 38 – Auch das war Wien, Ö 1987, Regie: Wolfgang Glück
[Bearbeiten] Tonträger
- Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlands in Anekdoten, Preiser SPR 3257
[Bearbeiten] Literatur
- Anne-Marie Corbin-Schuffels: L'image de l'Europe à l'ombre de la guerre froide. La revue forum de Friedrich Torberg à Vienne, 1954–1961. Paris u.a.: L'Harmattan. 2001, ISBN 2-7475-1674-1.
- Franz Heinrich Hackel: Zur Sprachkunst Friedrich Torbergs. Parodie, Witz, Anekdote. Mit einem Anhang unbekannter Arbeiten aus der Frühzeit Torbergs. Frankfurt am Main u. a.: Lang. 1984. (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 1; 769) ISBN 3-8204-7170-7.
- Klaus Maiwald: Literatur lesen lernen. Begründung und Dokumentation eines literaturdidaktischen Experiments. Baltmannsweiler: Schneider-Verl. Hohengehren. 2001. (= Deutschdidaktik aktuell; 10) ISBN 3-89676-361-X.
- Michael Howard Rice: Nazis and Jews. A thematic approach to three exile works by Friedrich Torberg. Cincinnati, Ohio: Univ. Diss. 2001.
- Frank Tichy: Friedrich Torberg. Ein Leben in Widersprüchen. Salzburg u.a.: Otto Müller. 1995, ISBN 3-7013-0915-9.
- David Axmann (Hrsg.): Und Lächeln ist das Erbteil meines Stammes. Erinnerung an Friedrich Torberg, mit Beiträgen von Klaus Maria Brandauer u. a., Wiener Journal, Wien 1988, ISBN 3-900379-23-8.
- David Axmann: Friedrich Torberg, eine Biografie, Langen Müller, München 2008, ISBN 978-3-7844-3138-3.
[Bearbeiten] Einzelnachweis
- ↑ Frank Tichy: Friedrich Torberg. Ein Leben in Widersprüchen. Salzburg 1995, 202–250
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Friedrich Torberg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Friedrich Torberg über seine Sportleidenschaft
Personendaten | |
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NAME | Torberg, Friedrich |
ALTERNATIVNAMEN | Kantor-Berg, Friedrich Ephraim (wirklicher Name) |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Schriftsteller und Journalist |
GEBURTSDATUM | 16. September 1908 |
GEBURTSORT | Wien, Österreich |
STERBEDATUM | 10. November 1979 |
STERBEORT | Wien, Österreich |