Benutzer:Reiseline/Glas-Baustelle
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[Bearbeiten] Ein Wort zuvor
Ich stelle fest, dass gelegentlich LAs auf Benutzerunterseiten gestellt werden, an denen länger nichts passiert. Deshalb komme ich mit einer Vorwarnung zuvor: An dieser Glasbaustelle passiert im Sommer nichts! Das heißt aber nicht, dass dieses Projekt tot ist. Die größer anzulegende Recherche ist eher eine Arbeit für lange Winterabende und wird wieder aufgegriffen.
[Bearbeiten] Projekt Europäische Glaskunst
Aufgabe ist ein auch für Laien verständlicher Überblick über die europäische Glaskunst, was gar nicht so einfach ist, ohne sich zu verzetteln
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Glas hat es – wie in Kapitel 7 des Hauptartikels erläutert – in Syrien und Ägypten schon seit Mitte des 2. Jahrtausends gegeben und fand in der römischen Antike zu einer ersten Blütezeit. Ein Großteil der Glasherstellung betraf Gebrauchsglas, jedoch finden sich insbesondere unter den spätrömischen Nuppengläsern in Exponate von hoher künstlerischer Qualität.
Diese erste Blütezeit endet in Mitteleuropa mit dem Untergang des Römischen Reiches in den Zeiten der Völkerwanderung. Europäische Glaskunst im engeren Verständnis beginnt im 11. Jahrhundert bei den Venezianern. Es ist davon auszugehen, dass Techniken und Dekore der Glasherstellung in Venedig nicht völlig neu erfunden wurden, sondern an das Know-how des byzantinischen und syrisch-islamischen Raums, mit dem die Republik Handel trieb, anknüpft. Diese plausiblen Wege sind jedoch quellenkritisch nicht nachvollziehbar und insoweit unscharf. Eine von den antiken Vorläufern unabhängige Betrachtung mitteleuropäischer Glaskunst, dokumentiert an Beispielen ausgewählter Länder, die für eine jeweilige Epoche bzw. Kunstrichtung typisch sind, rechtfertigt sich vor diesem Hintergrund. Ein Anspruch auf Vollständigkeit kann an dieser Stelle nicht erhoben werden.
[Bearbeiten] Stilrichtungen, Epochen, Zentren
[Bearbeiten] Das venezianische Glas des Mittelalters und der Renaissance
Wie in Kapitel 7.2.2 des Glas-Hauptartikels erläutert, hielten die venezianischen phiolari, die wegen der Brandgefahr in der Stadt ihre Produktionsstätten bis 1295 auf die vorgelagerte Insel Murano verlegten, ihre Kunst streng geheim. Wie die ersten Gebrauchsgläser im Mittelalter ausgesehen haben, wissen wir nicht.
Bekannt wurde Venedig ab der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch das farblose, dünnwandige und fein elaborierte cristallo der Renaissance. Aus der Zeit davor ist nichts, aus dem 16. und 17. Jahrhundert nur noch wenig erhalten. Über die Variationsbreite der venezianischen Glaskunst, ihre Formen und Dekore geben vor allem niederländische und flämische Stillleben Auskunft.
Es handelt sich größtenteils um Becher, Schalen, Kannen und Flaschen, die aus hohl geblasenen Balustern zusammengesetzte Schäfte mit flachen Füßen hatten. Diese Schäfte wurden in der Folgezeit immer ausgeklügelter, Flügel wurden in phantasievollen Ornamenten und figürlichen Dekorationen angesetzt, manchmal war auch der Schaft in figürlicher, beispielsweise in Tiergestalt ausgeführt.
Die Wandung war entweder mit Emaillenmalerei (Jagdszenen, Wappen) verziert oder in besonderen Techniken ausgeführt. Dazu gehörten das so genannte Eisglas, hergestellt durch Abschrecken in eiskaltem Wasser oder durch Rollen über kleine Splitter. Noch beliebter war das Netzglas (it. reticella) – auch Fadenglas genannt. Hier wurden Milchglas-Fäden in die klare Glasmasse eingeschmolzen und durch Drehen so verwoben, dass ein netzartiges Muster entstand. Diese Technik war schon in der Antike bekannt – ein direkter Weg von dort zum venezianischen Glasbläser des 16. Jahrhunderts ist, wie oben erläutert, nicht mehr nachvollziehbar.
Vielfältig waren auch die Mosaik-Techniken in phantasievollen Farbgestaltungen. Beim Vetro pezzato wurden bunte Glasplättchen auf die farblose Glaskörper-Grundform aufgewalzt und dann durch ein zweites Erhitzen zusammengeschmolzen. Dieselbe Technik konnte man auch mit längeren farbigen Bändern anwenden, was dann als a fasce bezeichnet wurden. Die Revitalisierung der schon in Byzanz bekannten Millefiori-Technik durch Aufbringung in Scheiben geschnittener und zusammengeschmolzener Mehrfach-Glasstränge aus verschiedenen Farben (so genannten Murrinen) führte zu mannigfaltigen Dekoren mit Sternchen- und Blümchen-Mosaikdekoren.
Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts gelangte das Know-how der venezianischen Glaskunst trotz aller Versuche der Republik, dieses Geheimnis für sich zu behalten, nach Deutschland und Belgien. Es entstanden – gegründet durch emigrierte Venezianer – die ersten Produktionsstätten in Antwerpen, Lüttich, in den Niederlanden und in Kassel.
Hat man heute ein venezianisches Glas aus dem 16. oder 17. Jahrhundert vor sich, ist es häufig kaum zu unterscheiden, ob es in Venedig selbst oder nördlich der Alpen im venezianischen Stil produziert wurde; für die letztere Gruppe hat sich der Begriff à la facon de Venise etabliert.
[Bearbeiten] Das deutsche Waldglas
Lange bevor die Venezianer ihre elaborierte Glaskunst in die Gebiete nördlich der Alpen verbreiteten, nämlich bereits ab der Mitte des 13. Jahrhunderts, finden wir die ersten Nachweise über eine Revitalisierung der Glasproduktion auf vormals fränkischem Boden. Die ersten Glashütten wurden in den Wäldern der deutschen Mittelgebirge, wo die Rohstoffe Holz und Quarzsand in ausreichendem Maße vorhanden waren, angelegt. Einfache, dickwandige Formen des Gebrauchsglases ohne besondere Dekore, wie sie in den römischen Provinzen Germania Superior, Germania Inferior und Belgica bekannt waren, wurden wieder hergestellt.
Wie diese Wiederbelebung der spätantiken Methoden im Einzelnen zustande kam, ist nicht dokumentiert. Zur Merowinger-Zeit muss es – Grabfunden zufolge – noch eine Glasproduktion auf heute belgischem Boden gegeben haben; in der Karolingerzeit, als die Tradition der Grabbeigaben endet, versiegen jedoch die Beweise für eine Kontinuität. Aufzeichnungen in Klöstern und Scherben-Funde lassen es nicht zu, ein exaktes Bild zu rekonstruieren. Man kann jedoch davon ausgehen, dass es irgendein Bindeglied zur Spätantike gegeben haben muss.
Das typische deutsche Waldglas, das allenfalls Nuppen als Dekor aufwies, war durch seinen hohen Eisengehalt in der Regel grün. Den speziellen weißen Sand, den die Venezianer benützten, um ihr cristallo herzustellen, gab es in den deutschen Wäldern nicht, und Entfärbungsmethoden beherrschte man auch nicht. Im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts entstanden Becher, Krüge, Kelche, Pokale, Schalen, Karaffen als Gebrauchsglas in groben, kompakten Formen in großer Zahl vom Alpenrand bis in die Niederlande. Auch Scherzformen- wie der so genannte Schnapshund – waren nicht selten.
Elaborierte Glaskunst entwickelt sich in Deutschland nicht vor dem 18. Jahrhundert. Zugleich gibt es in dieser Zeit ebenso wie im 19. Jahrhundert als Gebrauchsglas immer noch Waldglas, nämlich in der verfeinerten Variante des Römers.
[Bearbeiten] Das Glas im Barock
Barockes Schnittglas vornehmlich aus Böhmen und Schlesien, aber auch Nürnberg, Brandenburg und Sachsen, seltener Thüringen, Hessen, Norddeutschland und den Niederlanden lief ab dem 18. Jahrhundert venezianischem Glas den Rang ab. Die Venezianer beherrschten die Kunst des Glasschnitts und Glasschliffs nicht.
Die Formen mit Fuß, Baluster-Schaft und dünnwandiger Kuppa ähnelten dem farblosen venezianischen Glas, jedoch ohne Flügel. Das Neuartige dieser Kunst waren die fein elaborierten, in die Wandung eingeschnittenen Bildszenen. Die Themen waren vielseitig. Jagdszenen waren häufig, Landschaften, aber auch allegorische Figuren mit Beischriften, Blumen- und Blattornamente.
Erstmals in der Geschichte der europäischen Glaskunst werden im 18. Jahrhundert individuelle Künstler identifizierbar: Christian Gottfried Schneider prägte den Glasschnitt Schlesiens wie Martin Winter denjenigen von Potsdam, Johann Christoph Kießling arbeitete für August den Starken, David Wolff in den Niederlanden.
Gelegentlich weisen die barocken Schnittgläser Vergoldungen an Fuß, Schaft oder am Lippenrand auf. Sind die Bildmotive vergoldet, spricht man von Zwischengoldgläsern. Dabei wurden Blattgoldfolien aufgelegt und die Motive herausradiert.
Von der Porzellanmalerei her kommt die Technik der Schwarzlotmalerei, die in anderem Zusammenhang indes bereits im Mittelalter bekannt war. Johann Schaper und Ignaz Preissler prägten diese Kunst in Nürnberg und Schlesien, Böhmen und Sachsen.
Eine rurale Veredelungstechnik barocken Glases ist die Emailmalerei. Sie findet sich vor allem an Gebrauchsglas in ländlichen Gegenden (z.B. Bierhumpen der Schützenvereine und Schnapsflaschen). Passend zur Provenienz sind die Motive: Bauer mit Vieh und Ackergerät, Wirtshausszenen, Spielkarten, Sinnsprüche. In Böhmen entsteht die Emailmalerei auch auf opakem Milchglas, was diese Technik in die Nähe der Porzellanmalerei rückt.
[Bearbeiten] Biedermeier
Die Biedermeier-Zeit ist eine Epoche der Restauration, angesetzt in etwa vom Wiener Kongress bis zur Deutsche Revolution. Es handelt sich um eine auf den deutsch-österreichischen Kulturkreis beschränkte Entwicklung. Die Grundzüge des bürgerlichen Konservativismus in der Kunst – verkörpert in Genreszenen, Darstellungen von Landschaften, Tieren, Blumen und Sinnsprüchen – schlagen sich auch bei der Glasherstellung nieder.
Als Techniken vertreten sind sowohl transparente Email-Malerei als auch Glasschnitt. Bis ca. 1830 herrscht farbloses Glas vor, danach zunehmend farbiges Glas – beliebt ist Bordeauxrot, Bernsteingelb Kobaltblau oder so genanntes Annagrün -, entweder lasiert oder in Überfang-Technik ausgeführt. Beliebte Formen sind Ranftbecher, Fußbecher, kleine Krüge und Flakons.
Im frühen 19. Jahrhundert haben Hausmaler, die ursprünglich Porzellanmaler waren, ihre Techniken und Motive auf Glas übertragen. Mit Ansichten von Dresden und Umgebung hat die Werkstatt von Vater und Sohn Samuel Mohn insoweit ihren Anfang genommen. Pendant in Wien war Anton Kothgasser, einer der bekanntesten Glasmaler des Biedermeier mit Ansichten seiner Stadt und des Umlandes. Friedrich Egermann hingegen, der in Haida wirkte, malte feingliedrige Blüten, Weinreben, Tiere und Figuren. Aus diesem Stil entsteht in Böhmen um die Mitte des Jahrhunderts eine reiche Produktion von Email-, Gold- und Silbermalerei auf opakem Glas. Gröber fallen die farbigen Blütendekore um 1840 auf sächsischen Humpen aus, gelegentlich mit Sinnsprüchen versehen.
Böhmen war auch ein erstrangiges Zentrum des Glasschnitts in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Böhmen. Franz Anton Riedel und Dominik Biemann führten als Kugelgraveure Schnitt und Schliff eigenhändig aus; typische Motive der Zeit waren Ansichten von Böhmen, Blüten- und Blattwerkdekore, allegorische Darstellungen (wie z.B. die 7 Lebensalter), biblische Themen, Jagdszenen, galoppierende Pferde. Das Ansichtenglas, bei dem die Motive von Städten und Landschaften auf dem Glas nicht mehr gemalt, sondern geschnitten sind – und das bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein an Verbreitung und Beliebtheit zunimmt – ist aus den von der Emailmalerei gesetzten Impulsen heraus zu verstehen.
Das Biedermeier brachte darüber hinaus auch neue Techniken in die Glaskunst ein. Neue Produkte böhmischer und lothringischer Glashütten waren das Hyalith-Glas und das Lithyalin-Glas (auch rotwelsches Glas genannt), vollkommen undurchsichtiges Glas in verschiedenen Farbtönen, das nach dem Erkalten gebeizt wurde. Eine neue Dekor-Technik waren in Böhmen Mosaikarbeiten, aus kleinen Glasperlchen auf farbloses Glas aufgezogene Blütenmotive.
Der Übergang zum Historismus ist um die Mitte des 19. Jahrhunderts fließend.
[Bearbeiten] Historismus
Zeitlich überschneidet sich der Beginn dieser Epoche um ca. eine Dekade noch mit dem Biedermeier; die Intention ist jedoch eine andere. Der Rückgriff auf Stilelemente älterer Epochen, der mit einer entsprechenden mentalen Bewegung einher geht, findet in der europäischen Glaskunst ab ca. 1840 die verschiedensten Ausprägungen.
Ornamente der Gotik sind ein vorherrschendes Stilmittel der böhmischen Glaskunst um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Auf Deckelpokalen erscheinen Dekore wie an gotischen Kirchenfenstern. Email-Überfanggläser weisen Dreipass, Fünfpass oder Elemente im Flamboyant-Stil auf. Zum ornamentalen Werk kommen gelegentlich figürliche Darstellungen von Menschen und Tieren hinzu. Dieser Stil kommt auch im Bayerischen Wald und im Raum München vor, vertreten durch Paul Zach.
Auch das Rokoko des 18. Jahrhunderts wird eine Vorbilds-Epoche im böhmischen Glaskunst-Historismus um 1850. Man nennt diese Richtung auch Zweites Rokoko. Beispiele sind Deckelpokale und Vasen mit aufwändigen Jagdszenen von August Böhm. Karl Günther, der in Steinschönau wirkte, schuf Varianten mit Spruchbändern in altdeutscher Schrift.
Große Glashandelshäuser kamen in dieser Zeit auf, die Wert auf eine möglichst authentische Imitation der historischen Vorbilder gelegt haben. Die Pokale, die Meyr's Neffe aus Winterberg im Stil des Barock-Glasschnitts (Ornamente und figürliche Darstellungen auf farblosem Glas) nach musealen Werken herstellen ließ, sind nur von Experten von echten barocken Stücken zu unterscheiden. Das Wiener Handelshaus J. & L. Lobmeyr ließ nur von böhmischen Künstlern Ware in diesem Stil anfertigen. Auch in der der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Böhmen und Schlesien führend beim barockisierenden Glasschnitt (z.B. Josef Müller/Ullrichsthal, Meisterdorf; Moritz Wentzel, Breslau; Franz Fischer, Schreiberhau).
Zudem revitalisierten insbesondere Meyr's Neffe und J. & L. Lobmeyr in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Schwarzlotmalerei.
Altdeutscher Stil mit Wappen oder Ritterdarstellungen auf Trinkbechern und Humpen, in der Regel auf grünem Grund in Anlehnung ans Waldglas aufgebracht, kam im letzten Drittel des 19. Jahrhundert durch den böhmischen Emailmaler Anton Ambros Egermann aus Haida zu hoher Kunst. Darstellungen mit Reichadler hingegen, die nicht immer, jedoch häufig mit Pseudo-Datierungen oder umlaufenden Inschriften versehen waren, findet man meist auf farblosem Glas; sie sind eine Spezialität der schlesischen Firma Fritz Heckert aus Petersdorf.
Andere Varianten der Emailmalerei sind fein elaborierte ornamentale Darstellungen mit Goldkonturierungen oder orientalisierende Dekore in Gold mit zarten, ineinander greifenden farbigen Arabesken, Blüten oder Blattschmuck. Glaswaren dieser Art waren sowohl in Wien als auch Paris sowie Schlesien im Umlauf (J. & L. Lobmeyr, Philip Brocard/Paris, Fritz Heckert).
Der Historismus revitalisiert auch die venezianische Glaskunst, die im 18. Jahrhundert schon degeneriert war, bevor die französischen Revolutionstruppen die Signoria 1797 eroberten. Die Kunst des Glasschnitts, den die Venezianer nicht beherrschten, hatte der Glasbläserkunst der elaborierten Formen den Rang abgelaufen. Mitte des 19. Jahrhunderts greift ..... Salviati auf die historischen Traditionen Muranos zurück. Neben der Società Salviati & Co. werden weitere Firmen gegründet, die die Renaissance-Formen und Dekore des 16. Jahrhunderts reproduzieren. Auch das Faden- und Netzglas à la facon de Venise kommt ebenfalls neu in den Handel, jedoch keinesfalls nur in Venedig, sondern auch in den Rheinlanden: Eine Glashütte in Köln-Ehrenfeld nimmt Gläser dieser Art um 1880 in Produktion.
[Bearbeiten] Jugendstil
Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Frankreich ausgehende Art Nouveau, die aus der Arts and Crafts-Bewegung in England hervorgegangen war, revolutionierte die Glaskunst. In Abkehr vom Historismus wird nach einer neuen ästhetischen Formensprache mit neuen Gestaltungsdekoren gesucht. Diese orientieren sich an asiatischen Exotik-Sehnsuchtsvorbildern einerseits und Vorbildern der ummittelbar erlebten Natur andererseits. Im Unterschied zu früheren Epochen wird das Dekorative nicht zum Beiwerk, sondern zum Selbstzweck.
Der bedeutendste Erneuerer in diesem Sinne war der Mineraloge und Glasschneider Emile Gallé. Er übernahm 1875 von seinem Vater eine Manufaktur, in der er mit verschiedenen Techniken (Hochschnitt-Überfang, Ätzung, Marqueterie, Pulver-Einschüssen) experimentierte. Typisch für seinen Stil sind einfache, monochrome Gefäße mit aufwändigem, mehrfarbigem Dekor aus prächtigen Pflanzen, Blüten, Zweigen mit Früchten, bunten Blättern und Gräsern in großer Variationsbreite. Nach den Präsentationen seiner Arbeiten in Nancy, Paris und auch Deutschland war die Nachfrage so groß, dass er zu Ende des 19. Jahrhunderts in seiner Manufaktur über 300 Mitarbeiter beschäftigte. Gallé selbst ist 1904 verstorben, doch arbeitete die Manufaktur bis in die 1930er Jahre weiter und verwendete weiterhin die Signatur des Künstlers.
1901 hatte Emile Gallé Schule von Nancy gegründet, die richtungsweisend für die Glaskunst in Frankreich wurde. So produzierten im Stil Gallés um die Jahrhundertwende eine Reihe anderer Manufakturen in Nancy, beispielsweise die Brüder Daum (Daum Frères, die Brüder Muller (Muller Frères), die Verreries Schneider, Paul Nicolas und andere Lothringer Glasfabriken.
Durch die Umstellung der Glasproduktion vom traditionellen Handwerker-Glasofen, der aufgeheizt und abgekühlt werden musste, auf dauerhaften Schmelzbetrieb im Wannenofen wird im 19. Jahrhundert erstmals eine mechanisierte Glasherstellung bei reduziertem Arbeitsaufwand möglich. Betroffen davon ist in erster Linie Gebrauchsglas. Doch auch künstlerisch hochwertiges Glas erhält durch die technische Möglichkeit serieller Produktion einen erhöhten Verbreitungsgrad. So trennen sich häufig die Wege des Glas-Designers und Glasherstellers; der Künstler, der Entwürfe fertigt, führt sie nicht mehr unbedingt in der eigenen Werkstatt aus, sondern liefert sie an eine Glasfabrik. So muss der Glassammler, der ein Stück ab dem 19. Jahrhundert erwirbt, deutlich unterscheiden, ob er ein Unikat des Künstlers selbst oder ein Exemplar einer industriell gefertigten Serie vor sich hat; je nach Qualität und Stückzahl einer solchen Serie bestehen deutliche Unterschiede in Wert und Preis.
An Gallé orientiertes Jugendstilglas gab es auch in Schweden, in der Lausitz und – seltener – in Böhmen.
Unabhängig davon entwickelte der Jugendstil in Böhmen eine unabhängige, eigenständige dekorative Ausprägung, ausgehend von den historistischen Vorbildern. Im Bereich des Gebrauchsglases herrschten zierliche Stengelgläser mit feingliedrigem farbigem Blüten- oder Blatt-Überfang vor. Klassische Hersteller dieser seriellen Produktion waren beispielsweise Meyr's Neffe bei Winterberg und L. Moser & Söhne in Karlsbad; auch die Rheinische Glashütten AG in Köln-Ehrenfeld legte derartige Serien nach böhmischem Vorbild auf.
Für das Kunstglas wurde Böhmen Ende des 19. Jahrhunderts führend durch die Gründung von Glasfachschulen für professionelle Dekore in Steinschönau und Haida. Ziel war äußerst fein elaborierte Ornamentgestaltung in Schwarzlotmalerei und Goldmalerei, aber auch farbige Emailmalerei. Mäander und Zickzackmuster, feine Voluten, Blüten und auch kleine Figuren zeichnen die Arbeiten von Adolf Beckert und Bruno Mauder um 1915 aus; in ihrer Tradition stehen in der Technik der Glasgravur auch die Brüder Eiselt. Ausgeführt wurde das meiste bei Friedrich Pietsch und anderen kleineren lokalen Glashütten.
Die Glashütte Johann Loetz Witwe (Klostermühle) bezog ihre Vorbilder hingegen aus den in New York beheimateten Tiffany-Dekoren.
Italienischer Jugendstil konzentriert sich auf Millefiori-Dekore; führend waren die Fratelli Toso. Ihre Muster werden bis heute hergestellt.
[Bearbeiten] Art déco
Der Schwerpunkt der Art déco-Glaskunst lag in Frankreich. René Lalique war der bekannteste Designer dieser in von 1925 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieg etablierten, dem Jugendstil nachfolgende dekorative Kunstrichtung.
Bei Art déco-Gebrauchsglas handelt es sich in der Regel um seriell hergestelltes farbloses Pressglas mit schlichter Ornamentik in kompakten geometrischen Formen. Charakteristisch für künstlerische Lalique-Dekore sind hingegen voll plastische, reliefartig ineinander verschlungene Motive (z.B. Blüten und Fische) auf farbigen oder mattierten Gefäßen. Andere französische Glashersteller (z.B. Muller-Frères, Lunéville, oder Verreries Schneider, Épinay-sur-Seine), bringen um 1930 stark stilisierte, beinahe abstrakt wirkende Pflanzen- und Tierdekore als Metallfolieneinschlüsse oder Pulvereinschmelzungen auf farbloses oder auch farbiges Glas auf.
Art déco-Kunst in Deutschland wurde in den 1920er Jahren maßgeblich durch die Schulen Wilhelm von Eiffs in Stuttgart und Richard Süßmuths in Immenhausen bei Kassel geprägt. Beide waren Graveure, die häufig mythologische Motive sehr plastisch auf dickwandigem – fast immer farblosem – Glas gestalteten. Ein vergleichbarer Stil entwickelte sich zeitgleich im schwedischen Glasriket unter den Designern Simon Gate und Edward Hald in der Fabrik Orrefors. Über die klassische Mythologie hinaus inspirierten exotische Phantasien die schwedischen Graveure; ein Beispiel ist die Serie der so genannte Negerhütten-Deckelpokale, von denen 1925 auf der Pariser Ausstellung ein Exemplar gezeigt wurde.
Führend für serielles Art-déco-Pressglas in Deutschland war in den 1930er Jahren die Firma WMF mit Sitz in Geislingen an der Steige. Experimentiert wurde mit einer breiten Palette an Farbspielen unter Verwendung von Metallsalzlösungen, Beizen und Überfängen.
[Bearbeiten] Glaskunst nach dem Zweiten Weltkrieg
Venedig, Süd-Skandinavien und Prag sind die bekanntesten Zentren der zeitgenössischen Glaskunst, die wegweisende Impulse auch für die Glasherstellung in anderen Ländern setzten; diese weiteten sich bis nach Übersee aus, so dass sich beispielsweise die heutige Glaskunst in Australien sehr stark an den schwedischen Ideen ausrichtet.
Venezianische Vasen und Flaschen der 50er und 60er Jahre sind von Farbe und Dekor her am Expressionismus orientiert. Knallbunte Streifen- und geometrische Op-Art-Dekore sind typisch für die Entwürfe von Paolo Venini, Fulvio Bianconi und Ercole Barovier. Ercole Baroviers Sohn Angelo bezieht sich bei einigen seiner Entwürfe ausdrücklich auf Vasarely.
Oftmals wird in Venedig auf historische vetro pezzato- und Millefiori-Techniken zurückgegriffen (Fratelli Toso). Doch auch einfarbige Gefäße mit verschiedenen Unterfängen (in vetro sommerso) von Flavio Poli gehören zum Repertoire der Venezianer.
Anknüpfend an die historische Netzglastechnik (reticella) ist die Ausführung in fazzoletto (=„Taschentuch“)-Dekor typisch für Fulvio Bianconi. Die Gefäße werden so geformt, dass sie an ein geknülltes Spitzen-Taschentuch erinnern.
Im Vergleich zu venezianischem ist schwedisches Glas aus dem Glasreich häufig kompakter in seiner Form und weniger scharf kontrastierend in der Farbgebung. Auch werden figürliche Dekore – beispielsweise von Tieren – eingearbeitet. Elis Bergh, Edvin Öhrström, Ingeborg Lundin und Sven Palmquist sind stilweisende Persönlichkeiten der ersten Generation nach dem Zweiten Weltkrieg, die für die führende Glasmanufaktur Orrefors Glasbruk arbeiteten. Feinere Formen und expressivere Dekore lieferte Nils Landberg mit seinen so genannten „Tulpengläsern“, die von der Form her an eine blühende Tulpe erinnern. Sie wurden 1957 auf der Triennale in Mailand prämiert; der Niederländer Floris Meydam lieferte für die Leerdamer Glasmanufaktur ähnliche Entwürfe.
Der für die Glasmanufaktur in Boda arbeitende Erik Höglund greift in den 1950er Jahren auf die barocke Technik des Glasschnitts und Glasschliffs auf farblosem Glas zurück: Sehr stark reduzierte Menschen- und Tierfiguren, die wie prähistorische Felszeichnungen aussehen, prägen seinen Stil. Farbloses Glas, sehr plastisch zu bizarren Formen verarbeitet, ist auch die Grundlage der Finnen Tapio Wirkkala und Timo Sarpaneva, die im gleichen Zeitraum tätig waren.
Mit expressiven Farben und Formen sind auch die Prager Glaskünstler nach 1945 auf den Plan getreten. Eine Kontinuität mit der böhmischen Vorkriegs-Glaskunst, die dem deutschen Kulturraum zugehörig war, wurde dabei nicht gesucht, sondern eine eigenständige Identität tschechischer Glaskunst angestrebt und auch gefunden. Dana Vachtova und Pavel Hlava von der Prager Kunstakademie sind die Künstler der ersten Nachkriegsgeneration; die zweite Generation kennt eine Vielzahl von Namen, die ihre Werke auch in Deutschland präsentierten, beispielsweise in der Düsseldorfer Ausstellung ........................
Für die deutsche Glaskunst nach 1945 stehen Erwin Eisch sowie das Ehepaar Klaus Moje und Isgard Moje im Zuge der aus Amerika kommenden Studioglasbewegung, der auch die Tschechen verpflichtet sind. Im Gegensatz zum Künstler, der lediglich Entwürfe für die großen Manufakturen liefert, arbeitet der Studioglaskünstler an seinem eigenen Brennofen, womit er wieder, wie in vorindustrieller Zeit, Künstler und Handwerker in einer einzigen Person ist.
In den zeitgenössischen Glasherstellungszentren Venedig und Südschweden sind Formen, Farben und Dekore der zahlreichen Künstler in der zweiten Nachkriegsgeneration (1975-2005) so vielschichtig, dass sich erst im Laufe des 21. Jahrhunderts zeigen wird, welche Namen und Stilrichtungen nachhaltigen Einfluss auf die Fortsetzung der europäischen Glasgeschichte haben werden. Immer wieder werden die historischen Vorbilder kopiert und in immer wieder neuen Varianten hergestellt; zugleich wird mit neuen, teilweise skurillen Ausdrucksformen experimentiert. Die großen Glasfabriken bringen eine reiche Serienproduktion heraus, die zu moderaten Preisen touristisch vermarktet wird; das Aufspüren von Unikaten identifizierter Künstler ist jedoch nach wie vor eine Sorgfalt und Kenntnis voraussetzende Angelegenheit des individuellen Glassammlers.
[Bearbeiten] Glassammlungen und Glashandel
Venezianisches Glas und barockes Schnittglas werden so gut wie ausschließlich in Museen aufbewahrt; im freien Kunsthandel sind sie in der Regel nicht mehr erhältlich.
Waldglas ist im Antiquitätenhandel und auf Glasauktionen noch reichlich im Umlauf und unter dem Begriff „Formglas“ meist günstig zu haben. Durch sein Alter und durch seine Charakteristik als genuiner Ursprung der deutschen Glasgeschichte hat es trotz seiner groben Formen und geringer Variabilität der Dekore bei Liebhabern Sammlerwert.
Den höchsten Sammlerwert hat indes historisches Schnittglas des Biedermeiers, des Historismus, des Jugendstils und Art Déco. Je nach Qualität der Ausführung, nach Erhaltungszustand, Einwandfreiheit oder Beschädigungen am Objekt, der Tatsache, ob es sich um ein signiertes oder unsigniertes Exemplar bzw. ein Unikat oder eines aus serieller Produktion handelt, bestehen für den Sammler große Unterschiede im Wert und Preis. Weniger im Antiquitätenfachhandel als auf freien Flohmärkten und Glasauktionen besteht die Gefahr, eine Fälschung zu erwischen. Fälschungen sind in der Regel Imitate historischer Gläser aus späteren Epochen, nicht jedoch die Nachbildungen des Historismus, die beabsichtigt und erklärt sind und damit einen eigenen kunsthistorischen Wert konstituieren. Auch in einer falschen Datierung, einer falschen Signatur oder in einer Stückelung des Objekts (z.B. nachgebildeter Deckel auf Biedermeierpokal) kann die Fälschungs-Falle liegen. Seriöse Glasauktionshäuser sind um Verifikation der Angaben des Einlieferers bemüht, haften aber nicht für die Richtigkeit der Erklärungen im Katalog. Andererseits bestimmt ausschließlich der Markt den Preis. So kann es vorkommen, dass ein erstklassiges, aber nicht im Zeitgeschmack liegendes Exemplar unter Wert erhältlich ist, während ein kunsthistorisch gesehen zweitrangiges, jedoch gefragtes Sammlerstück zu überhöhtem Preis ersteigert wird.
Bei zeitgenössischem Glas, das vom Künstler selbst, in seinen Vertragsgalerien oder an Ort und Stelle seiner Produktion erworben wird, hat der Erwerber mehr Kontrolle zur Vermeidung dieser Gefahren.