Kieselalgen
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Kieselalgen | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Systematik | ||||||||||
|
||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||
Bacillariophyta | ||||||||||
Klassen | ||||||||||
|
Die Kieselalgen oder Diatomeen (Bacillariophyta) bilden eine Abteilung von Protisten (Protista) und werden in die Gruppe der Stramenopilen (Stramenopila) eingeordnet. Alternativ werden sie auch als Klasse Bacillariophyceae geführt und in die Abteilung Heterokontophyta gestellt. Man unterscheidet heute rund 6000 Arten.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Eigenschaften, Entwicklung
Kieselalgen sind einzellig und fast stets unbegeißelt. Nur bei einigen Arten besitzen die männlichen Gameten eine Geißel, und zwar eine nach vorn gerichtete Flimmergeißel. Die Chloroplasten sind braun gefärbt, weil das Carotinoid Fucoxanthin die Farbe der Chlorophylle (Chlorophyll a und c) überdeckt. Als Reservestoff verwenden sie Chrysolaminarin. Der Name Kieselalge kommt von ihrer Hülle aus Siliziumdioxid, fälschlich auch als "Kieselsäure" bezeichnet, die die Zelle umgibt. Diese Hülle ist schachtelförmig, sie besteht aus zwei schalenförmigen Teilen, von denen die eine mit ihrer Öffnung über die Öffnung der anderen greift ("Epitheka" bzw. "Hypotheka"); hiervon leitet sich auch die Bezeichnung Diatomee (altgriechisch διατέμνειν (diatemnein) = spalten) ab. Die Schalen sind in charakteristischen Mustern strukturiert. Aufgrund der Schalengeometrie werden zwei Typen von Kieselalgen unterschieden: zentrische Kieselalgen (Centrales) besitzen zumeist runde, bisweilen auch dreieckige Schalen, während pennate Kieselalgen (Pennales) stab- oder schiffchenförmige, mitunter auch bogen- oder S-förmig gekrümmte Gehäuse besitzen. Viele pennate Kieselalgen können auf einer festen Unterlage dank einer Raphe kriechen. Die Geschwindigkeit beträgt bis zu 20 μm/s.
Die Diatomeen sind diploid und vermehren sich durch Zellteilung (Mitose). Jede Tochterzelle erhält einen der Schalenteile und bildet einen dazu passenden neuen Teil. Der neue Schalenteil ist immer der in den vorhandenen Teil passende (die Hypotheka), so dass der größte Teil der Nachkommen immer kleiner wird. Wird eine Minimalgröße unterschritten, stirbt das Individuum. Bevor eine Minimalgröße erreicht wird, können jedoch Sexualvorgänge stattfinden. Aus den Zellen bilden sich unter Einbeziehung einer Meiose haploide Gameten. Bei zentrischen Kieselalgen wurde Oogamie nachgewiesen: Die Gameten werden frei, nach Verschmelzen eines weiblichen mit einem männlichen Gameten bildet sich aus der Zygote unter Größenwachstum eine Dauerform, eine sogenannte Auxospore. Bei pennaten Kieselalgen wurde Konjugation beobachtet: Zwei Partner legen sich aneinander und bilden eine gemeinsame Cytoplasmabrücke ("Konjugationskanal"), in die jeweils ein haploider Kern und ein Chloroplast der beiden Partner einwandern. Aus der so gebildeten Zygote bildet sich eine Auxospore, in der die Kernverschmelzung (Karyogamie) stattfindet. Aus den Auxosporen der zentrischen und pennaten Kieselalgen wird jeweils eine größere neue Kieselalge mit einer neuen zweiteiligen Schale gebildet.
[Bearbeiten] Vorkommen
Kieselalgen kommen hauptsächlich im Meer und in Süßgewässern planktisch oder benthisch vor, oder sie sind auf Steinen oder Wasserpflanzen angesiedelt. Einige Arten sind terrestrisch, besiedeln Böden, in tropischen Gebieten auch Blätter von Bäumen.
[Bearbeiten] Bedeutung
Die Kieselalgen sind Hauptbestandteil des Meeresphytoplanktons und sind die Haupt-Primärproduzenten organischer Stoffe, bilden also einen wesentlichen Teil der Basis der Nahrungspyramide. Als oxygene Phototrophe erzeugen sie auch einen großen Teil des atmosphärischen Sauerstoffs.
Aus der relativen Arten-Zusammensetzung der Kieselalgenpopulation eines Gewässers kann recht exakt dessen Trophiegrad abgeleitet werden (Diatomeenindex), sowie weitere Gewässerparameter wie pH-Wert, Salinität, Saprobie etc. Diese Verfahren können auch auf Sedimente oder auf Öllagerstätten angewandt werden und geben dann Aufschluss über die ehemals herrschenden Lebensbedingungen. Zur Identifizierung der Arten wird eine Aufwuchsprobe mit Kieselalgen mit Schwefelsäure, Wasserstoffperoxid, Kaliumdichromat oder einem anderen Oxidationsmittel behandelt und so werden alle organischen Bestandteile der Probe aufgelöst. Es bleiben nur noch die reinen Siliziumdioxid-Schalen übrig. Diese werden in Naphrax, einem Einschlussmedium mit hoher Brechzahl, eingebettet und lichtmikroskopisch mit dem Phasenkontrast-Verfahren bei ca. 1000-facher Vergrößerung identifiziert.
Sterben die Zellen, sinken sie auf den Grund des Gewässers ab, die organischen Bestandteile werden abgebaut und die Siliziumdioxid-Schalen bilden eine Ablagerung, die sogenannte Kieselgur. Dieser Prozess ist, inbesodere im marinen, erst unterhalb der CCD (Calcit-Kompensationstiefe) wirklich effizient genug um große Vorkommen zu bilden. Die entstehende Kieselgur wird in Technik und Medizin angewendet. Diatomeenschalen finden unter anderem Verwendung als Filter, zur Herstellung von Dynamit, in Zahnpasta als Putzkörper, sowie als reflektierendes Material in der Farbe, die für Fahrbahnmarkierungen im Straßenbau verwendet wird.
[Bearbeiten] Literatur
- Friedrich Hustedt: Bacillariophyta (Diatomeae). 2. Auflage. 466 Seiten. Fischer Jena 1930.
- Friedrich Hustedt: Kieselalgen (Diatomeen). 3. Auflage. Franckh, Stuttgart 1965
- Kurt Krammer: Kieselalgen. 140 Seiten. Franck, Stuttgart 1986.
- Kurt Krammer & Horst Lange-Bertalot: Bacillariophyceae in Süsswasserflora von Mitteleuropa 1986–2000. Fischer Stuttgart und Spektrum, Akademischer Verlag Heidelberg
Band 1. Naviculaceae. 876 Seiten mit 205 Tafeln. 1986. Band 2. Bacillariaceae, Epithemiaceae, Surirellaceae. 596 Seiten mit 182 Tafeln. 1988. Band 3. Centrales, Fragilariaceae, Eunotiaceae. 576 Seiten mit 165 Tafeln. 1991. Band 4. Achnanthaceae. 438 Seiten mit 88 Tafeln. 1991. Band 5. English and French translations and additions. 311 Seiten. 2000.
- Kurt Krammer: The genus Pinnularia. In: Diatoms of Europe. Vol 1. Gantner Rugell. 704 Seiten mit 217 Tafeln. 2000.
- Kurt Krammer: The genus Cymbella. In: Diatoms of Europe. Vol. 3: Gantner Rugell. 584 Seiten mit 194 Tafeln. 2002.
- Kurt Krammer: The genera Cymbopleura, Delicata, Navicymbula, Gomphocymbellopsis and Afrocymbella. In: Diatoms of Europe. Vol. 4: Gantner Rugell. 530 Seiten mit 164 Tafeln. 2003.
- Horst Lange-Bertalot: Navicula sensu stricto. In: Diatoms of Europe. Vol. 2: Gantner Rugell. 526 Seiten mit 140 Tafeln. 2001.
- F.E. Ross, R.M. Crawford & D.G. Mann: The Diatom. Biology and Morphology of The genera. Cambridge Univ. Press. 747 Seiten. 1990.