Haggai
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Prophetenbücher im Tanach (Hebräische Bibel) |
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Das Buch Haggai ist ein Prophetenbuch der Bibel und gehört zu den kleinen Propheten des Tanach.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Der Prophet Haggai
Haggai (hebräisch חגי Mein Fest - gemeint ist der Tag der Geburt) wird im Buch Esra (5,1 und 6,14) erwähnt. Er wirkte zur Zeit der Wiederaufbauarbeiten am Jerusalemer Tempel (29. September bis 13. Dezember 520 v. Chr.), der 587/6 von den Babyloniern zerstört worden war. Sonst ist nichts über ihn bekannt. Vermutlich gehörte er zu den Rückwanderern aus Babylon. In der griechischen und lateinischen Bibel heißt er ᾿Aγγαίος bzw. Haggäus.
[Bearbeiten] Inhalt
Hauptthema des Buches ist der Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem nach dem Babylonischen Exil. Seine Prophezeiungen sind auf das Jahr 520 v. Chr. datiert, mit genauen Datumsangaben.
Das Buch Haggai enthält vier Reden.
- 1. Rede (1,1-15), Aufruf Gottes, die Arbeit am Tempel wieder aufzunehmen
- 2. Rede (2,1-9), Weissagung von der Herrlichkeit des künftigen Tempels
- 3. Rede (2,10-19), Verheißung von Gottes Segen nach der langen Gerichtszeit, wenn das Volk wieder in Heiligkeit lebt
- 4. Rede (2,20-23), Prophetie vom kommenden Gericht für die übrige Welt und von der Ehrung Serubbabels.
[Bearbeiten] Datierung
Die vier Reden des Buches Haggai sind bis auf den Tag genau datiert (1,1, 2,1, 2,10, 2,20) und fanden in der zweiten Hälfte des Jahres 520 v. Chr. in Jerusalem statt. Das Datierungssystem dürfte jedoch sekundär in die prophetische Programmschrift Haggais eingebracht worden sein.
[Bearbeiten] Historische Situation und politische Rahmenbedingungen
[Bearbeiten] Der Aufstieg der Perser
Die frühpersische Zeit von Kyros bis Dareios I. wird häufig als Restauration Israels bezeichnet. Dieser Begriff ist insofern irreführend, als dass es zu keiner Wiederherstellung des monarchischen Staates kam!
Kyros II. (558-530 v. Chr.) übernahm nach kurzen heftigen Kämpfen das neubabylonische Reich. Bei seinem Einzug in Babylon 539 v. Chr. ließ er sich als großer Befreier feiern. Seine dortigen Verbündeten – die bis dahin von Nabonid vernachlässigte Mardukpriesterschaft – werteten die Einnahme Babylons als Eingreifen Marduks, durch die auch vorhergehende kultische Verirrungen rückgängig gemacht werden sollten. Dabei setzte Kyros auf bestehende Strukturen und übernahm alte Eliten. Die Satrapie „Babylon und Jenseits des Stromes“ entsprach dem alten neubabylonischen Reich.
Wegen dieser Kontinuität ist es fraglich, ob es wirklich zu einer Neuordnung und einem politischen wie religiösen Aufschwung kam. Die vielzitierte „Religionstoleranz“ ist wohl grob vereinfacht und entspricht wohl eher neuzeitlichen Vorstellungen von Toleranz. Sie hat jedoch einen gewissen Anhalt an Erwartungen der Exilierten, zumal Kyros von Deuterojesaja etwas unkritisch als Gesalbter bezeichnet wird (Jes 45,1).
Zwar gab es Rückführungen Götterstatuen an ihre alten Standorte, aber hieraus ist keine „Toleranz“ im heutigen Sinne oder begeisterte Kultförderung zu schließen. Vielmehr lernte er aus der Politik der Babylonier und unterließ Nabonids kultische Rückbesinnung auf alte Traditionen. Einerseits suchte Kyros, sich dadurch der Loyalität der Unterworfenen gegenüber der persischen Krone zu versichern. Andererseits aber zögerte er nicht, massiv in die lokalen Kulte einzugreifen, wenn sie zu Zentren antipersischer Aufstände wurden.
Kambyses II. (530-522 v. Chr.) eroberte 525 v. Chr. noch Ägypten. Während er in Ägypten weilte, brach im Stammland der Persis 522 v. Chr. der Gaumāta-Aufstand aus. Gaumata gab sich als Bardiya (Smerdes), Kambyses’ getöteten Bruder, aus und gewann gerade anfänglich unter dem Adel viele Anhänger, dann auch in der Provinz. Kambyses starb 522 in Syrien, gerade auf dem Weg, dem Aufstand ein Ende zu bereiten. Gaumata wurde schließlich 522 v. Chr. von einem Trupp von Adligen umgebracht.
Zu diesem gehörte auch Dareios I., der sich erst einmal in den nächsten zwei Jahren durchsetzen musste, bis er 520 v. Chr. den persischen Thron besteigen konnte. Auch Babylon fiel 522 und 521 v. Chr. zweimal ab und musste wieder unter Kontrolle gebracht werden.
Die endgültige Befriedung des Reiches bis zur sogenannten Pax Persica zog sich bis ins zweite und dritte Jahr Dareios I. (520/519 v. Chr.) hin. Danach machte sich Darius an eine Verwaltungs- und Steuerreform. Er teilte das Reich in 20 Satrapien ein und schuf eine klar gegliederte Verwaltungsstruktur. Nach der Verwaltungsreform gewann die Unter-Satrapie Syrien/Palästina unter dem Namen Jenseits des Stromes (aramäisch עבר נהרא) größere Selbständigkeit und wurde zur fünften Satrapie. (Unter-)Satrap war zwischen 520 und 502 v. Chr. Tattanu – der Tattenai aus Esra 5 und 6. Er unterstand dem Satrapen von Babylon und Jenseits des Stromes – 516 v. Chr. war dies ein gewisser Uštannu. Ein wichtiges Prinzip für die Stabilität des Großreiches war seine Polyzentralität: ab Darius stützte man sich auf lokale Herrschaften und förderte gerade Regionen, die für den Zusammenhalt des Reiches wichtig waren, mit staatlichen Mitteln. Hin zukam auch. dass sich das Persische Reich auf vier Residenzen – Persepolis, Susa, Babylon und Ekbatana – stützte.
Die persischen Achämeniden waren, anders als die Assyrer, nicht mehr auf Zerschlagung, sondern auf Achtung kultureller und religiöser Identität aus. Sie verzichteten auf Deportationen und sorgten sogar für die Restitution lokaler Kulte.
Die Entscheidungsfrage zur Rückkehr aus dem babylonischen Exil stellte sich ab 538 v. Chr. für die Exulanten. Politische (Dauerhafte loyale Bindung an die persischen Oberherrscher) und ökonomische Hemmnisse (sichere, wirtschaftliche Lage in Babylon gegen ärmliche Zukunft in Palästina) machten die Entscheidung zur Rückkehr schwer. Auch die Daheimgebliebenen, sahen einer Rückkehrwelle, die Anspruch auf ihren alten Besitz erheben würde, wohl eher skeptisch entgegen. 520 v. Chr. kam es zu einer ersten Rückwanderungswelle. Das hatte einerseits wohl mit Revolten im babylonischen Reich und der darauf folgenden straffem Reichsorganisation des Dareios I. (521-486 v. Chr.) zu tun. Auch beauftragte der persische König Serubbabel, den Enkel des letzten judäischen Königs Jojachin, einen Davididen mit der Befriedung der Westflanke seines Reiches und des Weges nach Ägypten. Das gab den national gesinnten Gruppen Aufschwung, die mit der Möglichkeit einer Wiedererrichtung der Davidischen Monarchie rechneten.
Es gelang nicht, die durch den staatlichen Zusammenbruch ausgelöste territoriale Zersplitterung Israels zu überwinden. Die Rückwanderer waren in der Minderheit, ein Großteil der Eliten blieb in der Babylonien, die ägyptische Gola stand ganz abseits. Das neu zu schaffende Gemeinwesen in Jehuda konnte von seinen Startbedingungen her bestenfalls Mittelpunkt verschiedener Zentren, nie ein Ganzes sein.
Schon am Tempelbau offenbarte sich die Labilität des mit den Persern geschlossenen Kompromisses: Er löste Erwartungen an einen weltpolitischen Umbruch und eine nationale Restauration aus, diese Erwartungen machten sich an Serubbabel fest. Die Perser griffen hierauf ein - durch den Satrapen Tatnai (vgl. hierzu Esra 5,3-17) -, verboten zwar nicht den Weiterbau des Tempels (6,1-15) aber sorgten für die Abberufung Serubbabels aus Juda. Die Verdrängung der (eschatologischen) Prophetie ins gesellschaftliche Abseits geht unter anderem auf dieses Beinahefiasko zurück.
Daneben gab es auch solche Gruppen, die loyal gegenüber den Persern den Wiederaufbau des Gemeinwesens vollzogen: die Priesterschaft, die den selbstverwalteten Kult wollte (Ezechiel 40) und Teile der Laienführer, die ohne Königtum die Chance zur Realisierung einer „demokratischen“ Selbstverwaltung erblickten (vgl. beispielsweise Gedalja vor dem Exil). Diese Koalition hielt zwar bis zum Ende der persischen Zeit das Heft in der Hand, musste aber immer wieder gegen nationale Abfallbestrebungen kämpfen. Teilweise drohten die nationalistischen Kräfte wohl sogar die Oberhand zu gewinnen, die die opportunistische Schaukelpolitik der vorexilischen Herrschaften weiterführen wollten.
In diesem Zusammenhang der Aufstandsbewegungen sind auch die späteren Missionen Nehemias (444-432 v. Chr.) und Esras (398 v. Chr.) zu sehen. Diese sind als geschickter Schachzug der persischen Regierung zu sehen: so versuchte diese, mit Hilfe kollaborierender hoher jüdischer Beamter aus der Exilsjudenschaft, die geschwächte pro-persische Koalition zu stärken und durch Zugeständnisse an die Autonomie die Loyalität zum Perserreich neu zu sichern. Der persische Statthalter Nehemia erhob Juda durch den Mauerbau zur selbständigen persischen Provinz. Als persischer „Sekretär für jüdische Religionsangelegenheiten“ erhielt Esra die volle Autorisation der persischen Krone, den Gesetzen des Pentateuch unter den in der Satrapie Transeuphratene lebenden Judäern Gültigkeit zu verschaffen.
[Bearbeiten] Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation Judas um 519 v. Chr.
Vermutlich gab es eine Koalition, die an Wiedererrichtung des Tempels interessiert war (Spätsommer 520 v. Chr.): zum Einen die Priesterschaft, die durch den Tempelbau wieder Arbeit bekommen konnten und zum Anderen Realpolitiker um den Statthalter Serubbabel, die die Chance, die die persische Regierung bot, für ihre Restaurationsbestrebungen nutzen wollten. Es gab aber auch gewichtige Gründe, die gegen eine Wiedererrichtung sprachen.
Die Wirtschaftliche Lage in Juda war wegen einer längeren Dürreperiode katastrophal, auch die Wiedereingliederung der Rückwanderer machte Probleme; Eigentumsansprüche der Rückkehrer mussten teilweise gerichtlich ausgefochten werden, daher kam es zu erheblichen sozialen Spannungen. Die Bevölkerung war vielmehr mit der Sicherung des eigenen Lebensstandards beschäftigt. (Hag 1, 6.9.10f.; 2,16; Sach 8, 10)
Es gab auch theologische Einwände gegen den Tempelbau: in der desolaten Lage sah man nicht das Zeichen JHWHs zur Wiedererrichtung (Hag 1,2), schon Jeremia hatte nach Sicht seiner deuteronomistischen Interpreten davor gewarnt, falsches Vertrauen in den Tempel zu setzen und stattdessen die Verbesserung der sozialen Lage gefordert (Jer 7: die Tempelrede Jeremias). Vor allem die prophetisch-deuteronomistischen Gruppen der Daheimgebliebenen wollten sich wohl zuerst sozialen Problemen widmen.
[Bearbeiten] Die theologische Initiative Haggais
Zu einem Umschlag der öffentlichen Meinung kam es mit Haggai und Sacharja. Mit realpolitischen Interessen verband sich utopisches Potential, das die beiden Propheten in Anknüpfung an die exilische Heilsprophetie einbrachten. Beide leisteten eine enorme Motivationsarbeit gegenüber den politischen und priesterlichen Führern und der Bevölkerung (Hag 1, 2-11) und trotz mancher Enttäuschung den Tempelbau durchzuhalten (Hag 2, 3-9; die Nennung Jehoschuas in 2,4 geht auf den Haggai-Chronisten zurück, der auch die Datierung vornahm. Vgl. dazu den Abschnitt über die theologische Verarbeitung der gescheiterten Restauration).
Haggai trat in den ersten 3 Monaten des Tempelbaus auf (29.9.-13.12.520) und entstammte wohl den Kreisen der ehemaligen Hofprophetie und bewegt sich in konservativ-nationalen Vorstellungen: der Tempel war für ihn Garant des Segens, die wirtschaftliche Lage hat ihren Grund im Nichtvorhandensein des Tempels (Hag 1,2-9). Verantwortlich für den Tempelbau war für ihn außer der Priesterschaft vor allem der Davidide Serubbabel, dem JHWH unbedingten Beistand zusagte. Haggai verband mit der Vollendung des Tempelbaus eine Restitution des davidischen Königtums, welterschütterndes Eingreifen JHWHs. Gleichzeitig sollte auch die Verwerfung Jojachins paradigmatisch an ihm zurückgenommen werden - (Hag 2, 23 vgl. Jer 22, 24).
Sie erweckten mit dem konkreten Akt des Tempelbaus aber sehr viel weitergehende Restaurationshoffnungen, die sich schnell als gefährliche Illusion erwiesen.
[Bearbeiten] Nachwirkungen
[Bearbeiten] Die Tempelrestauration als phrophetisches Projekt
Esra 1-7 stellt es so dar, als wäre der entscheidende Impuls dazu bereits um 538 v. Chr. von Kyros II. ausgegangen. Zwischenzeitlich wurde durch die Historiker der Beweis erbracht, dass die Darstellung in Anbindung an Deuterojesaja eine theologische Erzählung des Chronisten darstellt, der in ausschmückenden Worten Kyros II. überschwenglich sogar als „Gesalbten des Herrn“ (Jes 45, 1ff) betitelte.
Der Wiederaufbau wurde unter Dareios I. und Serubbabel sowie Jeschua in Angriff genommen. Die Iniative ging bei diesem Projekt von den jüdischen Heimkehrern aus, die eine schriftliche Anfrage an den Satrapen Tatnai richteten.
[Bearbeiten] Der König als Tempelbauer in der Umwelt Israels
Zum Einen ist Tempelbau in der altorientalischen Umwelt immer in erster Linie eine Initiative der Götter. So stellt es z. B. das Epos Enûma-Elîš dar. Zum Anderen aber fällt diese Aufgabe auch in die Verantwortung der Könige. Dazu R. LUX: „Der Konnex von Herrschaft und Heiligkeit, stellt kein Arkanum dar, sondern ist wesentlich auf Öffentlichkeit und Visualisierung hin angelegt. Dass der jeweilige Herrscher in einer besonderen Beziehung zur Gottheit stand, das sollte vor aller Welt sichtbar werden.“ Nach Christoph UELINGER bezeichnet man dies als „figurative policy“.
Die Altorientalische Umwelt hat somit den König als Tempelbauer fest in ihrer Ikonografie und Epigrafie verankert. So gehört die Darstellung des Königs als Tempelbauer – mit Tragkorb – zum Standardrepertoire vom 3. Jahrtausend v. Chr. bis zum Neubabylonischen Reich.
Dabei wird das Motiv des Tempelbaues des Öfteren mit anderen Motiven der Königstheologie kombiniert. So kann der Auftrag zum Bau bzw. Wiederaufbau eines Tempels durch die Gottheit im Traum erfolgen. Auch sind es oft diejenigen Könige, die sich als Kriegsherren siegreich erwiesen haben; die Arbeit am Heiligtum ist mehr als nur eine Dankesgeste! Vor diesem Hintergrund ist auch zu verstehen, warum das Zutagefördern des Grundsteins durch Serubbabel eine königliche Geste gewesen sein muss (Sach 4, 6-10*).
Und immer wieder ist in der Umwelt schließlich mit dem Tempelbau die Bitte der Festigung der Dynastie verbunden. Am Ende einer Bauinschrift Nabopolassars heißt es daher: „Herr Marduk, schaue meine Taten freudig an, und auf dein erhabenes Wort hin, das unveränderlich ist, möge dieses Werk, meiner Hände Arbeit, alt werden bis in Ewigkeit! Wie die Ziegel von Etemenaki fest sind auf ewig, gründe das Fundament meines Thrones fest bis in ferne Tage!“ (TUAT II, 493)
Hier liegt auch der auffälligste Berührungspunkt zwischen der Umwelt Israels und dem, was beispielsweise das Deuteronomistische Geschichtswerk (2. Samuel 7!!!) als Tempeltheologie im Zusammenhang mit der Dynastie der Davididen erarbeitet. Dass dies nicht ganz unumstritten war, zeigt z. B. Jeremia in der Tempelrede Jer 7.
Beim Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels treffen verschiedene Meinungen aufeinander; während Tritojesaja sich als Gegner des Tempelbaus zu erkennen gibt (Jes 66,1f. im Zusammenhang mit der tempelkritischen Nathanweissagung) und Gottes von allem menschlichen Handeln und Planen unabhängige Souveränität betont, gibt es andere Stimmen, die nicht nur den Tempelbau befürworten, sondern vielmehr noch davon die Wiederbelebung davidischen Dynastie erhofften.
Solche Hoffnungen muss es in der Provinz Juda gegeben haben. Denn nur so lässt es sich verstehen, weshalb Haggai und Sacharja derart elektrisiert davon waren, dass gerade Serubbabel, der Enkel Jojachins die für den Tempelbau zuständige Person war. Wenn innerhalb der Haggai Grundschicht, die in allen Stücken für den Tempelbau wirbt, Serubbabel die erneute Erwählung und Rücknahme der Verwerfung seines Großvaters zugesagt wird (Hag 2,23 unter motivlicher Bezugnahme auf Jer 22,24f.), dann muss auch er sich in der gemeinorientalischen Vorstellung bewegt haben, nach welcher der oben genannte Konnex zwischen König und Tempel gehört. Für Haggai 2, 23 und Sacharja 4, 6-10* ist es der Davidide Serubbabel, der den Grundstein des Alten Tempels wieder hervorholt!
[Bearbeiten] Tempelbau als Initiative der Götter
Die altorientalische Theologie parallelisierte die Erschaffung des Kosmos mit dem Tempelbau; so war Esagila beispielsweise eine Art „Nabel der Welt“, wie es das Enuma Eliš festhält. Der in der Mythologie verankerte Zusammenhang von Schöpfung und Heiligtum legt es nahe, das letzteres keinesfalls im Belieben des Menschen stehen kann. Tempelbau ist Schöpfungswerk, Nachahmung der Götter (imitatio deorum). Also musste jeweils ein Votum der Götter vorliegen. Die Tempelbauer trugen schließlich mit ihrem Werk zur Stabilisierung und Verankerung der irdischen und kosmischen Ordnung bei. Daher ergeht der Befehl zum Tempelbau auch oft durch die Götter selbst.
Auch in Haggai und Sacharja liegt ein Prophetischer Aufruf zum Tempelbau, der das Chaos bändigen soll, vor. Bei Haggai tritt an die Stelle der Initiativkette „Gottheit – König – Tempelbau durch das Volk“ die Abfolge „Gott – Prophet – Repräsentanten des Volkes (Serubbabel [+Jehoschua] – Tempelbau durch das Volk“. Diese Differenz fällt weniger ins Gewicht, wenn man bedenkt, dass auch die anderen Könige sich diverser prophetischer bzw. mantischer (Orakel-) Techniken bedienten! Doch nicht die Repräsentanten des Volkes bedienen sich des Propheten, sondern Jhwh bedient sich durch den Propheten des Volksrepräsentanten und somit des Volks.
[Bearbeiten] Die Kontinuität des Ortes
Wie auch in Genesis 28, 10 ff. wird in der altorintalischen Umwelt oft die Auffindung des Tempelortes mit Traumgesichten oder speziellen Offenbarungen gebracht (so auch 2. Sam 24) Das heißt, die Lage eines Tempels liegt auch nicht im Belieben des Tempelbauers, sprich: des Königs. Die Kontinuität des Ortes ist ja nach Haggai und Sacharja 4, 6-10* auch gegeben!
[Bearbeiten] Versuch einer historischen Wertung
Nach R.LUX bleibt der Bau des Zweiten Tempels ein prophetisches Projekt – ansonsten hätte Haggai Serubbabel (und Jehoschua?) sowie den Rest des Volkes (שארית־העם) nicht derart ermutigen und bestärken müssen. Das Siegelwort passt auch gut zu dieser Annahme. Evtentuell war Serubbabel ja tatsächlich nur mit der Befriedung der Westflanke nach Ägypten hin betraut, sollte also lediglich das judäische Gemeinwesen stabilisieren. Dass Haggai mit diesem Davididen einen potentiellen Tempelbauer hatte, ist erst von daher möglich, muss ab er nicht von vornherein erklärtes Ziel der persischen Mission gewesen sein.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- R. Albertz: Die Exilszeit. 6. Jahrhundert v. Chr., Stuttgart 2001, S. 97-112. (BE, 7)
- R. Albertz: Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit. Teil 2: Vom Exil bis zu den Makkabäern, S. 468-497. (Grundrisse zum Alten Testament VIII/2)
- R. Lux: Der König als Tempelbauer. Anmerkungen zur sakralen Legitimation von Herrschaft im Alten Testament, in: F.-R.Erkens (Hg.), Herrschaftslegitimierung im Wechsel der Zeiten und Räume, Berlin 2002, S. 99-122.
- R. Lux: Der Zweite Tempel von Jerusalem – ein persisches oder prophetisches Projekt?, in: U. Becker/J. van Oorschot (Hg.), Das Alte Testament – ein Geschichtsbuch?! Geschichtsschreibung und Geschichtsüberlieferung im antiken Israel, ABG 17, Leipzig 2005, 145-172.
- Hans Walter Wolff: Haggai/Haggaibuch. In: Theologische Realenzyklopädie 14 (1985), S. 355-360 (enzyklopädische Einführung mit Forschungsliteratur
- J. Wöhrle: Die frühen Sammlungen des Zwölfprophetenbuches. Entstehung und Komposition, BZAW 360, Berlin 2006, S. 285-385.
- E. Zenger (Hg.): Einleitung in das Alte Testament. 6., durchges. Aufl., Stuttgart/Berlin/Köln 2006.