Grafschaft Hanau
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Die Grafschaft Hanau ist ein Territorium des alten Deutschen Reiches. Sie ging aus der Herrschaft Hanau hervor und war lange Zeit in die Grafschaften Hanau-Münzenberg und Hanau-Lichtenberg geteilt. Nach dem Aussterben der Grafen von Hanau fiel der Hanau-Münzenberger Landesteil an Hessen-Kassel, der Hanau-Lichtenberger an Hessen-Darmstadt.
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[Bearbeiten] Erhebung zur Grafschaft
Als Kaiser Sigismund 1429 den Herren Reinhard II. von Hanau durch eine in Pressburg ausgestellte Urkunde in den Reichsgrafenstand erhob, wurde aus der Herrschaft Hanau die Grafschaft Hanau. Ab diesem Zeitpunkt kann man tatsächlich von einer „Grafschaft Hanau“ sprechen, auch wenn der Begriff in der Literatur manchmal unscharf auch auf die Zeit angewandt wird, als das Territorium noch Herrschaft war. Der Grafentitel war ein äußeres Zeichen für einen Aufschwung, den die Grafschaft in der Regierungszeit Reinhards II. insgesamt nahm.
[Bearbeiten] Teilung der Grafschaft
Mit dem Tod des Grafen Reinhard II. 1451 ergaben sich schnell dynastische Probleme. Bereits 1452 starb nach nur einjähriger Regierungszeit Reinhard III. von Hanau. Erbe war sein erst vier Jahre alter Sohn Philipp I., der Jüngere. Aus Angst um den Fortbestand der Familie einigten sich die Verwandten und andere wichtige Entscheidungsträger der Grafschaft, das Primogeniturstatut der Familie von 1375, eines der ältesten in Deutschland, nicht anzuwenden und dem Onkel des Erben und Bruder des verstorbenen Reinhard III., Philipp I., dem Älteren, das Amt Babenhausen, aus dem Bestand der Grafschaft als eigene Grafschaft zukommen zu lassen. Diese Ausstattung ermöglichte ihm eine standesgemäße Heirat und das Zeugen erbberechtigter Nachkommen und erhöhte so die Sicherheit für den weiteren Bestand des Grafenhauses. Philipp d.Ä. heiratete 1458 Anna von Lichtenberg, Erbtochter Ludwigs V. von Lichtenberg. Nach dessen Tod 1473 erbten Anna und Philipp d.Ä. die Herrschaft Lichtenberg im unteren Elsaß mit der Hauptstadt Buchsweiler. Hieraus entstand die Linie und Grafschaft Hanau-Lichtenberg.
Philipp I. (der Jüngere) von Hanau und seine Nachkommen nannten sich in Unterscheidung dazu künftig „von Hanau-Münzenberg“.
[Bearbeiten] Wiedervereinigung
Erst im 17. Jahrhundert wurden die beiden Territorien wieder zu einer Grafschaft Hanau vereint. 1642 starb mit Graf Johann Ernst von Hanau-Münzenberg der letzte Graf aus dem Haus Hanau-Münzenberg. Er stammte bereits aus der Seitenlinie Hanau-Münzenberg-Schwarzenfels. Damit war das Haus Hanau-Münzenberg erloschen. Gemäß einem Erbvertrag von 1610 zwischen Graf Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg und Graf Johann Reinhard I. von Hanau-Lichtenberg trat Hanau-Lichtenberg in die Erbfolge ein. Dort regierte zu dieser Zeit der erst neunzehnjährige Graf Friedrich Casimir von Hanau-Lichtenberg. Noch herrschte der Dreißigjährige Krieg; die Verwandtschaftsbeziehung zu dem verstorbenen letzten Hanau-Münzenberger Grafen war sehr weitläufig, und der Herrschaftsantritt war keineswegs gesichert. Auf Schleichwegen und inkognito wurde Graf Friedrich Casimir von seinem Vormund, Freiherr Georg II. von Fleckenstein-Dagstuhl, nach Hanau gebracht. Dort musste er sich zunächst gegenüber dem Patriziat der Neustadt Hanau verpflichten und diesem eine Reihe von Rechten zugestehen. Dazu zählte vor allem die Religionsfreiheit für die reformierte Konfession, die „Staatsreligion“ in Hanau-Münzenberg, denn die Hanau-Lichtenberg war lutherisch geblieben und Graf Friedrich Casimir war Lutheraner. Friedrich Casimir ließ für sich und seinen Hofstaat zunächst in der Schlosskapelle lutherische Gottesdienste abhalten. 1658-1662 wurde in Hanau eine eigene Kirche für die lutherische Gemeinde errichtet (heute: Alte Johanneskirche), die auch Begräbnisstätte des Grafenhauses wurde. Im Laufe der Zeit nahm die Zahl der Lutheraner zu und die Grafschaft wurde bikonfessionell. Lange Zeit standen sich die beiden konfessionallen Lager aber oft feindselig gegenüber und versuchten z.B. interkonfessionelle Ehen zu verhindern.
1643 gelang es dann mit der Hilfe der Landgräfin Amalie Elisabeth von Hessen-Kassel, einer geborenen Gräfin von Hanau-Münzenberg, die Ansprüche des Grafen Friedrich Casimir auch gegenüber dem Erzbischof von Mainz durchzusetzen. Im Gegenzug schloss Friedrich Casimir mit der Landgräfin einen Erbvertrag, demnach Hessen-Kassel bei einem Aussterben des Hauses Hanau die Grafschaft Hanau-Münzenberg erben sollte. 1647 heiratete Friedrich Casimir die zwanzig Jahre ältere Witwe von Graf Philipp Moritz, Sibylle Christine von Anhalt-Dessau. Der Schritt war wohl der prekären Finanzlage der Grafschaft zuzuschreiben: So sparte man sich die Dotation für die Gräfin-Witwe. Allerdings blieb die Ehe auch kinderlos.
[Bearbeiten] Wirtschaftliche Situation
Den Versuchen des Grafen in Sachen Frühmerkantilismus war nur gemischter Erfolg beschieden. 1661 wurde die erste deutsche Fayence-Manufaktur in Hanau gegründet, die erfolgreich produzierte. Andererseits beauftragte er den damals bekannten Ökonomen Johann Joachim Becher, Kontakt mit der Niederländischen Westindischen Kompanie aufzunehmen, mit dem Ziel, einen Landstrich in Niederländisch-Guayana (zwischen Orinoco und Amazonas) zu erwerben. 1669 schloss Graf Friedrich Casimir einen entsprechenden Vertrag, nach dem ein Königreich Hanauisch-Indien als hanauische Kolonie zwischen Orinoco und Amazonas in Niederländisch-Guayana gegründet werden sollte. Der Vertrag beinhaltete den Kauf eines Gebietes von über 3000 Quadratmeilen – die Grafschaft Hanau umfasste damals 44 Quadratmeilen. Das Unternehmen "Hanauisch-Indien" scheiterte sofort an den zunächst erforderlichen Anfangsinvestitionen, die die Grafschaft nicht aufbringen konnte, und dem Niederländisch-Französischen Krieg. Es hat in der Geschichte sonst keine Spuren hinterlassen.
Die Grafschaft Hanau war in der Folge finanziell so angeschlagen, dass Verwandte des Grafen beim Hofrat in Wien beantragten, Graf und Grafschaft unter Kuratel, eine Form der Zwangsverwaltung, zu stellen. Kaiser Leopold I. gab dem statt und ordnete die erbetene Kuratel an. 1670 unterwarf sich Friedrich Casimir diesem Spruch und regierte fortan wesentlich sparsamer. Er starb 1685.
[Bearbeiten] Die letzten Grafen von Hanau
Das Erbe des kinderlos Verstorbenen traten die beiden Söhne seines Bruders Johann Reinhard II. von Hanau-Lichtenberg, die Grafen Philipp Reinhard von Hanau in Hanau-Münzenberg und Johann Reinhard III. von Hanau in Hanau-Lichtenberg an. Die Grafschaft Hanau war damit wieder geteilt. Allerdings verstarb Philipp Reinhard bereits 1712, so dass Johann Reinhard III. dann auch den Hanau-Münzenberger Landesteil erbte und die Grafschaft wieder vereinigte.
In dieser Zeit nahm die Grafschaft wirtschaftlich Aufschwung. Die Residenzstadt Hanau wurde barock ausgebaut, das Stadtschloss erweitert, ein Sommerschloss, Schloss Philippsruhe, errichtet, ebenso der Marstall, das Neustädter Rathaus und das Frankfurter Tor. Auch auf dem Land machte sich der Aufschwung bemerkbar: In vielen Dörfern der Grafschaft wurden nun – bedingt durch die konfessionelle Spaltung zwischen Lutheranern und Reformierten – zwei Kirchen, zwei Schulen, zwei Friedhöfe etc. unterhalten. Dieses bikonfessionelle System musste erst Anfang des 19. Jahrhunderts mit der „Hanauer Union“ aufgegeben werden, als in den napoleonischen Kriegen nicht mehr genug Geld da war, es zu unterhalten.
[Bearbeiten] Das Erbe
1736 starb mit Johann Reinhard III. siebzigjährig der letzte männliche Vertreter des Grafenhauses. Aufgrund des Erbvertrags von 1643 fiel der Hanau-Münzenberger Landesteil an Hessen-Kassel, aufgrund der Ehe der einzigen Tochter des letzten Hanauer Grafen, Charlotte, mit dem Erbprinzen Ludwig (VIII.) von Hessen-Darmstadt der Hanau-Lichtenberger Anteil nach dort. Jahrzehnte lang umstritten blieb zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt die Zugehörigkeit des Amtes Babenhausen zum Münzenberger oder Lichtenberger Erbteil. Dieser Streit wurde erst nach 40 Jahren durch eine Realteilung beigelegt.
1754, als sein Sohn Friedrich II. zum katholischen Glauben konvertierte und sich seine Frau Maria daraufhin mit ihren gemeinsamen Kindern von ihm trennte, übertrug Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel die Grafschaft an seine Schwiegertochter, eine Tochter des englischen Königs Georg II.. Friedrich II., der 1760 seinen Vater als Landgraf von Hessen-Kassel beerbte, unternahm in der Folge mehrere Versuche, die Grafschaft Hanau wieder mit Hessen-Kassel zu vereinigen, die aber am Widerstand Großbritanniens und der evangelischen Stände scheiterten.
[Bearbeiten] Literatur
- Reinhard Dietrich, "Die Landesverfassung in dem Hanauischen" = Hanauer Geschichtsblätter 34, Hanau 1996. ISBN 3-9801933-6-5
- Ernst J. Zimmermann, Hanau Stadt und Land, 3. Auflage, Hanau 1919, ND 1978.