E-, U- und F-Musik
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Die Begriffe E-, U- und F-Musik versuchen, musikalische Phänomene in ernste (E-), unterhaltende (U-) und funktionale (F-) zu unterteilen. Zentral war der Gegensatz zwischen E- und U-Musik. Er stammt von der Verteilungspraxis der Verwertungsgesellschaften seit Beginn des 20. Jahrhunderts her: Sie versuchte, die seltener gespielte Musik gegenüber der häufiger gespielten in Schutz zu nehmen. – Die Bezeichnung F-Musik wurde erst später in Analogie dazu gebildet.
Historischer Hintergrund ist der zunehmende Wegfall der höfischen Subventionen für Musik im Lauf des 19. Jahrhunderts, die einst eine Alternative zum wirtschaftlichen Erfolg bei der breiten Masse des Volks waren. Sie wurden seit dem Ende des Ersten Weltkriegs durch kommunale und staatliche Zuschüsse ersetzt, die öffentlich gerechtfertigt werden mussten.
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[Bearbeiten] E-Musik
E-Musik ist eine Abkürzung für die sogenannte „ernste“ oder „ernst zu nehmende“ Kunstmusik. Fälschlicherweise wird E-Musik häufig mit klassischer Musik oder mit Absoluter Musik als deren „reinster“ Form gleichgesetzt. Ihrer Definition nach gehört sie zu den „kulturell bedeutenden Werken und Leistungen“, die nach § 7 im deutschen Urheberrechtswahrnehmungsgesetz durch die Verteilungspraxis der Verwertungsgesellschaften zu fördern sind.
Der Tendenz nach wird dies so ausgelegt, dass es sich um Musik handelt, die sich wirtschaftlich nicht selbst trägt, aber im Urteil vieler Hörer interessant und erhaltenswert ist. So rechnet man heute auch Anspruchsvolles aus den Bereichen Pop, Chanson, Elektronische Musik, Jazz, Welt- und Filmmusik dazu. Man kann sogar einige Rapper sowie Gruppen aus dem Bereich Progressive Rock und Metal diesem Genre zuordnen. Der Mut zum Experiment, das „Schwimmen gegen den Strom“ ohne den Seitenblick auf die wirtschaftliche Machbarkeit werden oft mit dem Begriff der E-Musik in Zusammenhang gebracht.
Historisch gesehen ist vor allem die Vorstellung des „Geistesadels“ mit dem Begriff der E-Musik verbunden, die im Kern darin besteht, dass sich bessere Leistung gegen bessere Abstammung behaupten soll: Ein Mensch könne und solle durch seine Bildung und seine besonderen Fähigkeiten Zugang zum aristokratischen Hof erhalten, was ihm durch seine Geburt verwehrt wäre (Hoffähigkeit). Musiker gehörten zu den ersten in der europäischen Geschichte, denen dies möglich war, indem ihnen der Aufstieg vom Diener zum geachteten Künstler gelang, vgl. Hoftheater, Kammerkonzert. Dieses Streben nach Prestige hat sich im übertragenen Sinn bis heute erhalten.
[Bearbeiten] U-Musik
U-Musik für „Unterhaltungsmusik“ fasst populäre und kommerzielle Musikrichtungen (populäre Musik) zusammen, z. B. Pop- und Rockmusik, Schlager und Volkstümlicher Schlager, teilweise auch Jazz, Volksmusik u. a. Diese Musikrichtungen hatten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts nicht den Anspruch, „Kunst“ im Sinne der klassischen Musik zu sein. Zu bedenken ist allerdings, dass diese Unterteilung zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch nicht existierte und erst mit der breiten Vermarktung von Musik im Lauf des Jahrhunderts einsetzte (vgl. Salonmusik).
Albrecht Riethmüller, Musikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, hält die Aufteilung zwischen E- und U-Musik für obsolet, da sowohl die eine Gattung unterhaltend sein kann als auch die andere ernstzunehmend. Er plädiert für die von Kurt Weill vorgeschlagene Einteilung zwischen guter und schlechter Musik.
[Bearbeiten] F-Musik
F-Musik ist eine Abkürzung für Musik, die nicht um ihrer selbst willen gehört wird, sondern einen außermusikalischen Zweck erfüllt wie zum Beispiel Militärmusik, Kirchenmusik, Bühnenmusik und Filmmusik. Sie wird auch Gebrauchsmusik oder „funktionale“ bzw. „funktionelle“ Musik genannt.
Bis zum 18. Jahrhundert ist auch die europäische Musik ausschließlich funktional, das heißt den gesellschaftlichen Ereignissen in Kirche, Theater, Tanzboden, aristokratischer oder bürgerlicher „Kammer“ untergeordnet. In Zusammenhängen, wo während der Musik nicht geredet, gebetet oder getanzt wurde, entwickelte sich eine weniger „dienende“, selbstbewusste Musik, die auch sorgfältiger ausgestaltet war – hauptsächlich die als Untermalung des aristokratischen Kartenspiels gespielte Musik (die sogenannte Kammermusik). Aus der Musik Joseph Haydns kann man zum Beispiel recht genau schließen, mit welchem Grad der Aufmerksamkeit seiner Hörer er jeweils rechnete. Diese Tendenz zur höheren Aufmerksamkeit führte in der Frühzeit des bürgerlichen Konzerts seit etwa 1800 zu einer Musik, auf die idealerweise die volle Konzentration stummer und unbeweglicher Zuhörer gerichtet ist.
Aber auch diese Musik konnte gesellschaftliche Funktionen haben, etwa als Vorwand zur Zusammenkunft oder als Demonstration erworbener Bildung. Der Ausdruck „funktionelle Musik“ versucht ähnlich wie „unterhaltende Musik“ ein Ideal, das es in der angestrebten Autonomie möglicherweise nie gegeben hat, als gegeben hinzustellen, um von ihm alle übrige Musik abzugrenzen. Carl Dahlhaus hat den Begriff daher als „Phantom“ bezeichnet.[1]
Zu den eindeutigsten Fällen von F-Musik gehört Musik in Kaufhäusern, Hotelhallen oder Aufzügen (Muzak), die daraufhin eingerichtet ist, dass sie nur nebenbei wahrgenommen wird. F-Musik wird gelegentlich als Teil der U-Musik oder der E-Musik (so Erik Saties musique d'ameublement) begriffen. Theodor W. Adorno bezeichnete Kurt Weills Musik zu Bertolt Brechts Die Dreigroschenoper als „Gebrauchsmusik, die man wirklich gebrauchen kann“.
- ↑ Carl Dahlhaus: „Über die "mittlere Musik" des 19. Jahrhunderts“, in: Das Triviale in Literatur, Musik und bildender Kunst, hrsg. Helga de la Motte-Haber, Frankfurt am Main 1972
[Bearbeiten] Klassifikationsprobleme
Die Gliederung ist umstritten, da sie
- hauptsächlich im deutschsprachigen Raum üblich ist (aber in den meisten Sprachen ist die Unterscheidung zwischen U- und E-Musik durchaus in Gebrauch wie z.B. auf englisch durch die Begriffe popular music und serious music, bzw. dem Synonym art music),
- eine wertende Konnotation einbringt („E-Musik ist kulturell wertvoll, U-Musik dagegen nicht.“)
- und sich für die systematische Klassifikation von Musik als wenig praxistauglich erwiesen hat.
Die Grenzen zwischen E- und U-Musik sind fließend und zudem nur im zeitlichen Kontext vertretbar; während beispielsweise Operetten oder auch die Musikrevuen der Gershwin-Brüder zu Beginn des 20. Jahrhunderts typische Vertreter der U-Musik waren, werden sie heute eher der E-Musik zugerechnet – besonders, wenn sie von „E-Musikern“ nach den ästhetischen Normen der E-Musik aufgeführt werden. Ob eine Unterscheidung von U-Musik und E-Musik wirklich möglich ist und ob damit Werturteile verbunden sind, ist Thema der Musikästhetik und wird in den Interessenverbänden kontrovers diskutiert – auch deshalb, weil diese Einteilungen mit ökonomischen Interessen verbunden sind.
Eine wirtschaftliche Bedeutung hatte die Unterscheidung zwischen E-Musik und U-Musik seit Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund der grundsätzlich höheren Vergütung von E-Musik im Verteilungsplan der Verwertungsgesellschaften.
Diese Praxis sollte vom Aufsichtsrat der deutschen GEMA im Jahr 2003 aufgegeben werden, nachdem alle sechs Sitze durch Wahl an U-Musiker gegangen waren. Dies wurde jedoch nicht umgesetzt.
Die schweizerische SUISA hat die Unterscheidung zwischen U- und E-Musik bereits 1983 aufgegeben und dafür eine Bevorzugung der längeren Musikwerke eingeführt.
[Bearbeiten] Musikphilosophie und Ästhetik
Die vorstehende Diskussion bezieht sich weitestgehend auf Klassifizierungen durch Verwertungsgesellschaften, also auf rein wirtschaftliche Aspekte, die selten künstlerische Gesichtspunkte enthalten. Beispielsweise hat die GEMA Formulare, nach denen die Musikbeispiele, die in einem Vortrag benutzt werden, unter „Unterhaltung“ abgerechnet werden, egal welcher Musikrichtung sie entnommen wurden.
Der künstlerische Gehalt wird in der Kunst- oder Musikphilosophie oder der Ästhetik untersucht. Theodor W. Adorno hat hierzu wichtige Beiträge verfasst. In seinen Schriften tauchen die Begriffe U-, E- und F-Musik nicht auf, obwohl er eine „hohe“ Musik deutlich von einer „niederen“ unterscheidet. – Musik gehörte in der mittelalterlichen Philosophie und in der höheren Schulbildung zum Quadrivium. Es umfasste jedoch nur die hoch geschätzte theoretische Beschäftigung mit Musik, während die Praxis eher gering geschätzt wurde. Dies änderte sich seit dem 16./17. Jahrhundert. Diese Aufwertung der Praxis schlug sich in der Philosophie seit dem 18. Jahrhundert nieder. Die Enzyklopädisten maßen auch der Musikausübung einige Bedeutung zu. In Jean-Jacques Rousseaus Philosophie sind Musikgenres eng mit Wertvorstellungen verbunden. Zentral war die praktische Musik für einige Philosophen des 19. und 20. Jahrhunderts, etwa Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche und Sören Kierkegaard. Auch für sie stellte sich die Frage, wie die respektable von der weniger respektablen Musik zu unterscheiden sei. Sie wurde immer sehr unterschiedlich beantwortet.