Die verlorene Ehre der Katharina Blum
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Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann ist eine 1974 erschienene Erzählung von Heinrich Böll. Die Erzählung wurde auch für Theater und Oper bearbeitet und mehrfach verfilmt, zuerst 1975 unter der Regie von Volker Schlöndorff (Die verlorene Ehre der Katharina Blum).
Die Erzählung beschreibt, wie eine bisher unbescholtene Frau wegen ihrer Freundschaft zu einem Straftäter Gegenstand der Boulevardpresse wird und schließlich einen Reporter tötet, der ihr das Leben zur Hölle machte.
In einer Vorbemerkung erläutert Böll:
„Personen und Handlung dieser Erzählung sind frei erfunden. Sollten sich bei der Schilderung gewisser journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken der Bild-Zeitung ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.“
In diesem Sinne betrachtet Heinrich Böll seine Erzählung tatsächlich als ein Pamphlet, wie er in seinem Nachwort erläutert.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Inhalt
1974 lernt die 27 Jahre alte Haushälterin Katharina Blum auf einem Fest Ludwig Götten kennen und verliebt sich in ihn. Sie verbringen gemeinsam die Nacht in Katharinas Wohnung. Götten wird verdächtigt, einen Bankraub und Mord verübt zu haben und wird von der Polizei beschattet, die seine Kontaktpersonen ermitteln will. Am Morgen stürmt die Polizei Katharina Blums Wohnung. Da Katharina Götten in der Nacht zur Flucht verholfen hat, wird sie vorläufig festgenommen und vernommen.
Die ZEITUNG stellt den Verdacht gegen Götten als Tatsache hin. Tatsächlich ist der Verdacht falsch; Götten hat vielmehr einen Einbruchsdiebstahl begangen.
Die ZEITUNG stellt Katharina als Göttens Mittäterin und „Flittchen“ hin. Sie behauptet, Katharina habe Götten schon seit Jahren gekannt, da andere Hausbewohner gegenüber der Polizei angegeben haben, Katharina habe „Herrenbesuche“ empfangen. Tatsächlich ist dieser „Herrenbesuch“ ein bekannter Industrieller, den Katharina bei ihrem Arbeitgeber kennengelernt hatte, der sich Katharina aufdrängte, den sie aber stets abwies.
Die ZEITUNG fälscht Aussagen von Personen, die Katharina kennen, so wird etwa aus der Beschreibung „Katharina ist eine sehr kluge und kühle Person“ in der ZEITUNG: „eiskalt und berechnend“.
Der ZEITUNGsreporter Werner Tötges behauptet, Katharinas sterbende Mutter im Krankenhaus aufgesucht zu haben, wo er sie mit den Vorwürfen gegen ihre Tochter konfrontiert habe. Am darauf folgenden Tag stirbt Katharinas Mutter.
Infolge der Berichterstattung der ZEITUNG wird Katharina mit beleidigenden, hasserfüllten und obszönen Anrufen und Zuschriften bombardiert. Die zu Beginn gesellschaftlich voll integrierte junge Frau wird zu einer verachteten Außenseiterin. Auf den tröstenden Hinweis, dass es auch andere Zeitungen gebe, die korrekt berichteten, erwidert sie: „Alle Leute, die ich kenne, lesen die ZEITUNG!“
Nachdem Götten verhaftet ist, verabredet sich Katharina mit Werner Tötges unter dem Vorwand, ihm ein Interview geben zu wollen und erschießt ihn. Danach streift sie durch die Stadt, „um Reue zu finden, habe aber keine Reue gefunden“ und stellt sich der Polizei.
In einer Entwurfsniederschrift der Erzählung hatte Böll einen Schluss mit einem Selbstmordversuch Katharinas konzipiert (siehe dazu den Aufsatz von Werner Bellmann, in: Wirkendes Wort, 2004, S. 165-170).
Heinrich Böll reagiert mit seiner Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ auf die Berichterstattung der Bild-Zeitung und auf die Gewaltdebatte der 1970er Jahre. Er prangert den Sensationsjournalismus an und veranschaulicht die möglichen Folgen.
Im Oktober 1974 erklärte Böll in einem Interview:
„Die Gewalt von Worten kann manchmal schlimmer sein als die von Ohrfeigen und Pistolen.“
[Bearbeiten] Handlungstabelle des Romans
Abkürzung | Bedeutung | 1. Auftreten (Kapitel) |
---|---|---|
Bei | Konrad Beiters, 56 Jahre, Textilkaufmann | 31 |
Bl | (Dr. Hubert) Blorna oder Ehepaar Blorna | 1 |
T Bl | Trude Blorna | 8 |
Bm | Kommissar Erwin Beizmenne | 3 |
Br | Wilhelm Brettloh | 15 |
Fe | Wirtschaftsprüfer Dr. Fehnern | 15 |
FLB | Maler Fredrick Le Boche | 56 |
G | Ludwig Götten | 3 |
H | Staatsanwalt Peter Hach | 1 |
Hei | Arzt Dr. Heinen | 42 |
Hi | Ehepaar Hiepertz (Dr. Berthold & Erna Hiepertz) | 8 |
K | Katharina Blum | 3 |
K.s B. | Katharina Blums Bruder | 7 |
K.s V. | Katharina Blums Vater | 15 |
K.s M. | Katharina Blums Mutter | 15 |
K.s Fam. | Katharina Blums Familie | 7&15 |
Kloft | Traiteur Kloft | 15 |
Kloog | Besitzer von Cafe Kloog | 44 |
Klor | Koch Werner Klormer | 15 |
Klu | Arzt Dr. Kluthen | 15 |
Ko | Staatsanwalt Dr. Korten | 15 |
Lo | Protokollführerin Anna Lockster | 18 |
Lü | Lüding | 22 |
M | Walter Moeding | 3 |
PG | Pfarrer von Gemmelsbroich | 50 |
Pl | Frau Pletzer | 13 |
Plo | Ehepaar Plotten (Georg & Hedwig Plotten) | 31 |
pPP | portugiesische Putzfrau Puelco | 43 |
Ruh | Herr Ruhwiedel, pensionierter Beamter | 19 |
Sch | Fotograf Adolf Schönner (ZEITUNG) | 4 |
Scheu | Hertha Scheumel | 28 |
Schm | Frau Schmill, Inhaberin eines Frisiersalons | 19 |
S Ed | Schwester Edelgard | 43 |
sKH | spanische Krankenschwester Huelva | 43 |
Ste | Claudia Sterm | 28 |
Str | Alois Sträubleder (Herrenbesuch) oder Ehepaar Sträubleder | 22 (19) |
M Str | Maud Sträubleder | 56 |
T | Reporter Werner Tötges (ZEITUNG) | 3 |
VEK | Verdeckter Ermittler Karl | 28 |
W | Else Woltersheim | 8 |
Z-Rep | ZEITUNG - Reporter (Ausland) | 21 |
[Bearbeiten] Adaptionen
[Bearbeiten] Verfilmungen
- Die Erzählung wurde 1975 von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta unter gleichem Titel verfilmt. Darsteller: Angela Winkler, Mario Adorf, Jürgen Prochnow, Rolf Becker. Der Film feierte am 10. Oktober 1975 in neun Kinos der Bundesrepublik Premiere. Siehe Die verlorene Ehre der Katharina Blum (Film)
- The Lost Honor of Kathryn Beck – USA, Verfilmung fürs Fernsehen, ausgestrahlt am 24. Januar 1984 von dem US-amerikanischen Sender CBS. – Darsteller sind u.a. der Country-Sänger und Filmschauspieler Kris Kristofferson (in der Rolle des flüchtigen Terroristen Ben Cole) sowie Marlo Thomas (in der Rolle der Kathryn Beck).
[Bearbeiten] Bühnenbearbeitung und Oper
- Margarethe von Trotta führte im Mai 1976 das Stück „nach der Erzählung von Heinrich Böll“ an der Werkstattbühne des Bonner Stadttheaters auf. Im Gegensatz zu Schlöndorffs Verfilmung bekam diese Bühnenbearbeitung jedoch wesentlich mehr negative Kritiken.
- Am 20. April 1991 wurde am Stadttheater Bielefeld Tilo Medeks Katharina Blum. Oper in fünf Tagen und einem Nachspiel uraufgeführt. Das Libretto stammt von Dorothea Medek, der Ehefrau des Komponisten. Das Echo der Kritik war überwiegend negativ. Vgl. z.B. die Besprechungen von Frieder Reininghaus: Gequirlter Quark (die tageszeitung, Nr. 3388, 23. April 1991, S. 16) und Eckhard Roelcke: Mief und Moral (Die Zeit, Nr. 18, 26. April 1991, S. 16).
[Bearbeiten] Hörspielfassung
- Die Erzählung wurde 1997 von Hermann Naber (Hörspielbearbeitung und Regie) im SWF unter gleichem Titel produziert. Darsteller: Katharina Zapatka, Krista Posch, Hannelore Hoger, Friedhelm Ptok, Walter Renneisen, Uwe Friedrichsen u.a. Die Komposition stammt von Mauricio Kagel.
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Ausgaben
- Der Text der Erzählung liegt als dtv-Taschenbuch vor. Diese 1976 erstmals veröffentlichte Ausgabe bietet eine Fassung, die Böll – gegenüber dem Erstdruck im Nachrichtenmagazin Der Spiegel und gegenüber der ersten Buchausgabe von 1974 (Kiepenheuer & Witsch) – an einigen Stellen korrigiert hat.
- Wichtige Selbstaussagen Bölls zu dieser Erzählung enthält das Nachwort, das er 1984 für eine KiWi-Taschenbuchausgabe geschrieben hat („Zehn Jahre später“).
[Bearbeiten] Forschungsliteratur
- Werner Bellmann: Heinrich Böll. Die verlorene Ehre der Katharina Blum. In: Erzählungen des 20. Jahrhunderts. Interpretationen. Bd. 2. Reclam, Stuttgart 1996. S. 183-204, ISBN 3-15-009463-1
- Werner Bellmann / Christine Hummel: Heinrich Böll, „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Erläuterungen und Dokumente. Reclam, Stuttgart 1999. [Der Band enthält auch Informationen und Dokumente zu Schlöndorffs Film und zu Medeks Oper, ferner detaillierte Literaturangaben.] ISBN 3-15-016011-1
- Werner Bellmann: Notizen zu Heinrich Bölls Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. In: Wirkendes Wort 54 (2004) Heft 2. S. 165-170, WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier, ISBN 3-88-476696-1
- Hanno Beth: Rufmord und Mord: die publizistische Dimension der Gewalt. Zu Heinrich Bölls Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. In: Hanno Beth (Hrsg.): Heinrich Böll. Eine Einführung in das Gesamtwerk in Einzelinterpretationen., Cornelsen Vlg Scriptor, 2., überarb. Aufl. Königstein (Ts.) 1980. S. 69-95, ISBN 3-58-920740-X
- Gruhn-Hülsmann, Annette: Heinrich Böll: Die verlorene Ehre der Katharina Blum. Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 308). Hollfeld: Bange Verlag 2002, ISBN 978-3-8044-1732-8
- Klaus Jeziorkowski: „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. In: Heinrich Böll. Romane und Erzählungen. Interpretationen. Hrsg. von Werner Bellmann. Reclam, Stuttgart 2000. S. 249-267, ISBN 3-15-017514-3
- Juliane Köster: Katharina Blum – die fremde Freundin. Über Identifikation als Erkenntnismittel. In: Diskussion Deutsch 19 (1988) Heft 103. S. 606-621.
- Sonja Krebs: Rechtsstaat und Pressefreiheit in Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Ein Beitrag zur Verfassungstheorie und Verfassungswirklichkeit im Spiegel der Literatur. Diss. Mainz. 1990.
- Nigel Harris: „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“: the problem of violence. In: Michael Butler (Hrsg.): The Narrative Fiction of Heinrich Böll. Social conscience and literary achievement. Cambridge University Press, 1994. S. 198-218, ISBN 0521465389
- Eberhard Scheiffele: Kritische Sprachanalyse in Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. In: Basis. Jahrbuch für deutsche Gegenwartsliteratur 9 (1979) S. 169-187 und 268f, Suhrkamp Verlag KG, 1992, ISBN 3-51-837053-7
[Bearbeiten] Rezensionen
- Helmut M. Braem: Im Zorn erzählt – und wie mit der Faust geschrieben. Heinrich Bölls neue Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. In: Stuttgarter Zeitung. Nr. 189. 17. August 1974. S. 50.
- Rolf Michaelis: Der gute Mensch von Gemmelsbroich. Nachdenken über die Krankheit unserer Zeit: Gewalt. Heinrich Bölls Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. In: Die Zeit. Nr. 32. 2. August 1974. S. 18.
- Andreas Oplatka: Große Erzählkunst auf knappem Raum. Heinrich Böll: „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. In: Neue Zürcher Zeitung. Nr. 373. 14. August 1974 (Morgenausgabe). S. 23.
- Marcel Reich-Ranicki: Der deutschen Gegenwart mitten ins Herz. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 195. 24. August 1974. Literaturbeilage.
- Wolfram Schütte: Notwehr, Widerstand und Selbstrettung. Heinrich Bölls Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. In: Frankfurter Rundschau. Nr. 183. 10. August 1974. Beilage „Zeit und Bild“. S. IV.
- Dorothee Sölle: Heinrich Böll und die Eskalation der Gewalt. In: Merkur 28 (1974) Heft 9. S. 885-887.
[Bearbeiten] Weblinks
- Bibliographie der Forschungsliteratur
- Literatur über Die verlorene Ehre der Katharina Blum in Bibliothekskatalogen: DNB, GBV
Romane
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