Anita Berber
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Anita Berber (* 10. Juni 1899 in Leipzig; † 10. November 1928 in Berlin) war eine deutsche Tänzerin, Schauspielerin und Selbstdarstellerin.
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[Bearbeiten] Leben
[Bearbeiten] Ihr Aufstieg
Anita Berber wurde als Tochter des Violinvirtuosen Professor Felix Berber und der Kabarettistin und Chansonsängerin Lucie Berber (geb. Thiem) geboren. Bereits 1902 ließen sich die Eltern wegen „unüberbrückbarer charakterlicher Gegensätze“ scheiden. 1906 zog Anita zu ihrer Großmutter Luise Thiem nach Dresden, wo sie in gutbürgerlichen Verhältnissen aufwuchs und dort bis 1913 die höhere Töchterschule besuchte. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges (1914) zog Anita mit ihrer Großmutter zu ihrer Mutter nach Berlin-Wilmersdorf, wo sie zusammen mit zwei Tanten in einer Wohngemeinschaft in der Zähringerstraße lebten. Der Mutter war es zuvor gelungen, feste Engagements an Berliner Kabaretts wie dem Chat Noir zu erhalten.[1]
Ab 1915 nahm Anita Berber Schauspielunterricht bei Maria Moissi und schließlich auch Tanzunterricht bei Rita Sacchetto. Ihre ersten Auftritte als Tänzerin mit ihrer Tanzschule lassen sich in das Jahr 1916 datieren. Schon 1917 trennte sich Anita von ihrer Lehrerin Rita Sacchetto, da es zu Differenzen wegen Berbers Tanzstil gekommen war. Selbstständig geworden trat sie nun in Varietés wie dem Apollo Theater, dem Wintergarten und der Weißen Maus auf. Zu ihrem ersten Engagement im Apollo-Theater Berlin zeigte sie u. a. ihren „Koreanischen Tanz“. Noch vor Ende des Ersten Weltkriegs war sie ein Star auf Berlins Bühnen.
Dinah Nelken, mit der sie die Tanzschule besuchte, beschrieb sie folgendermaßen: „Sie war ganz unschuldig und reizend. Sie war von Natur aus ein heiterer Mensch […] spontan und hemmungslos… Bei aller Vorliebe für Flirts hatte sie einen unglaublichen Liebreiz, ohne ordinär zu wirken. Das Modejournal Elegante Welt suchte ihren „eigenartigen Reiz“ mit ihrer „knabenhaften“ Statur und „herben Schlankheit“ zu begründen. Doch nicht nur die Modewelt wurde auf sie aufmerksam, Anita Berber prägte auch die Mode der Zeit. Sie war die erste Frau, die einen Smoking trug: „Eine Zeit lang machten ihr in Berlin die mondänen Weiber alles nach. Bis aufs Monokel. Sie gingen á la Berber.“ berichtet Siegfried Geyer.[2]
Pirelli wurde ihr neuer Ballettmeister, der mit ihr einen neuen Tanzstil erprobte und die Programme für die folgenden Gastspielreisen zusammenstellte. Ebenfalls 1918 unternahm Anita ihre erste Auslandsreise in die Schweiz, nach Ungarn und Österreich. Der österreichische Bildhauer Constantin Holzer-Defanti gestaltete für das Rosenthal-Werk in Selb zwei Anita Berber-Figuren (Koreanischer Tanz und Pierrette). Nach ihrer Rückkehr nach Berlin heiratete sie 1919 Eberhard von Nathusius.
[Bearbeiten] Skandale
Anita Berber galt als verrucht, Vamp und Femme fatale, das Sinnbild des puren Exzesses und der neuen, begehrenden Frau zugleich und als die Verkörperung des weiblichen Bohèmiens. Ihre exzessive Lebensweise sorgte immer wieder für Anstoß und Aufsehen. Sie zog Skandale förmlich an, sie nahm Morphium und Kokain, trank pro Tag eine Flasche Cognac und prügelte sich mit jedem, der ihr quer kam. Ihre Hemmungslosigkeit verkörperte den wilden Drang ihrer Generation zu leben, ohne Gedanken an eine schon verlorene Zukunft. Sie war schon immer so, wie die Deutschen erst durch die Inflation wurden: verschwenderisch. Nicht aber aus Prasserei, sondern weil ihr das Wort Zukunft völlig egal war. Dadurch wurde sie zum Idol der Inflation, zu ihrer Todesgöttin. 1925 stand sie komplett nackt für Otto Dix Modell, der sie so alt malte, wie sie nie wurde: ausgezehrt, eingefallen, faltig, der Mund blutrot, der Teint blass und die Augen todesdunkel. Doch sie verkaufte ihren Körper nicht nur als Modell, sie bot ihn auch physisch feil. Martha Dix: „Jemand sprach sie an, und sie sagte ,200 Mark.’ Ich fand das gar nicht so furchtbar. Irgendwie musste sie ja Geld verdienen“. Ihre oft nackt dargebotenen Tänze mit Titeln wie „Kokain“ oder „Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase“ führten immer wieder zu tumultartigen Szenen während der Auftritte. Bald war sie bekannt und ebenso skandalumwittert und berüchtigt. 1920 trat Anita Berber im Kabarett „Schall und Rauch“ auf. In den weiteren Jahren erhielt sie mehrere internationale Engagements und auch Filmangebote. U. a. drehte sie mit Richard Oswald Unheimliche Geschichten. Anita Berber machte Schluss mit jeder preußischen Disziplin und war berüchtigt für ihre Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit. So manches Mal fiel ein Auftritt aus, weil sie betrunken war oder von Morphium und Kokain benebelt.
Im Jahre 1922 verließ Anita ihren Ehemann und zog zu ihrer Freundin Susi Wanowsky, zu der sie eine homosexuelle Beziehung hatte. Mit ihrem Tanzpartner und zweiten Ehemann Sebastian Droste gab sie ein Gastspiel in Wien. Ihrer beider Tanzproduktion „Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase“ wird von Skandalen überlagert. Berber und Droste veröffentlichten 1923 unter diesem Titel im Wiener Gloriette Verlag ein bibliophiles Buch, in dem Gedichte, Texte, Zeichnungen und Fotografien zu ihren Choreographien präsentiert werden.
Beide waren drogenabhängig; Anita stand offen zu ihrem Kokainkonsum. In Budapest traf sie Droste, der sie allerdings schon bald – unter Mitnahme ihres Schmucks – sitzen ließ. Droste wurde in Österreich wegen versuchten Betrugs verhaftet. Beide wurden 1923 aus Österreich ausgewiesen. Droste ging nach New York und arbeitete als Amerika-Korrespondent für die BZ am Mittag. Aus den USA zurückgekehrt starb er am 27. Juni 1927 in Hamburg.
Im Film trat Anita in der Zeit von 1918 bis 1925 als Darstellerin in Erscheinung. Für den Film entdeckt wurde sie durch Richard Oswald. Sie arbeitete u. a. mit Conrad Veidt, Paul Wegener, Reinhold Schünzel, Hans Albers, Emil Jannings, Alexander Granach, Albert Bassermann und Wilhelm Dieterle zusammen. Die bekanntesten Filme sind: „Das Tagebuch einer Verlorenen“ 1918, „Anders als die Andern“ 1919, „Unheimliche Geschichten“ 1919, „Lucrezia Borgia“ 1922 - alle unter der Leitung von Richard Oswald entstanden. Einen Kurzauftritt hatte sie in „Dr. Mabuse, der Spieler“ von Fritz Lang. Hier doubelte sie Aud Egede Nissen als Tänzerin Cara Carozza.
[Bearbeiten] Das Ende
1924 lernte Anita Berber den amerikanischen Tänzer Henri Châtin Hofmann kennen, den sie noch im gleichen Jahr, am 10. September, heiratete. Beide traten zusammen in den Produktionen „Die Rakete“, „Weiße Maus“ und „Die Rampe“ auf. Es folgten 1925 Tourneen in Europa und Deutschland, die immer wieder von Skandalen überschattet wurden. 1926 wurde Anita Berber im Sect-Pavillon in Prag verhaftet. Mit einem neuen Programm trat sie in Hamburg im „Alkazar“ auf.
1927 kam es zwischen Anita und ihrem Vater zu einem Bruch. Sie kehrte Deutschland den Rücken und begab sich mit Henri auf eine ausgedehnte Tournee durch den Nahen Osten. Am 13. Juni 1928 brach sie in Damaskus auf der Bühne zusammen. Geschwächt durch langjährigen Drogenmissbrauch erkrankte sie unheilbar an Tuberkulose. Die Erkrankung führte sie zurück nach Europa. In Prag ging dem Paar das Geld für die Weiterreise aus. Nur mit Hilfe von Spenden aus Berliner Künstlerkreisen kamen beide zurück nach Berlin.
Anita Berber starb im Alter von 29 Jahren am 10. November 1928 im Berliner Bethanien-Krankenhaus. Ihre letzte Ruhestätte fand sie auf dem Friedhof der St. Thomas-Gemeinde, Berlin, Hermannstrasse 179-185. („Wahlstelle 2/21, kein Denkmal, Name steht a. d. Rückseite der Bank“ (Willi Wohlberedt), nicht mehr erhalten). Der Friedhof ist stillgelegt. Das Grab ist aufgelöst.
[Bearbeiten] Das Bildnis der Tänzerin Anita Berber von Otto Dix
Anita Berber stand 1925 komplett nackt für Otto Dix Modell, der sie so alt malte, wie sie nie wurde: ausgezehrt, eingefallen, faltig, der Mund blutrot, der Teint blass und die Augen todesdunkel.
Das Bild wurde im Dürerjahr 1928 von der Stadt Nürnberg für die Städtische Kunstsammlung angekauft. Nach 1933 wurde es als entartet entfernt. Heute ist es im Kunstmuseum Stuttgart zu sehen.
[Bearbeiten] Filmografie (Auswahl)
- 1918: Das Dreimäderlhaus
- 1918: Dida Ibsens Geschichte
- 1919: Prostitution, 1. Teil - Das gelbe Haus
- 1919: Die Reise um die Erde in 80 Tagen
- 1919: Peer Gynt 2 Teile
- 1919: Anders als die Andern
- 1919: Unheimliche Geschichten
- 1920: Nachtgestalten
- 1920: Yoshiwara, die Liebesstadt der Japaner
- 1920: Der Schädel der Pharaonentochter
- 1920: Der Falschspieler
- 1921: Lucifer
- 1921: Verfehltes Leben
- 1921: Der Graf von Cagliostro
- 1921: Die Nacht der Mary Murton
- 1921: Die Goldene Pest
- 1922: Schminke
- 1922: Die vom Zirkus
- 1922: Dr. Mabuse, der Spieler 1. Teil - Ein Bild der Zeit
- 1923: Wien, du Stadt der Lieder
- 1923: Irrlichter der Tiefe
- 1923: Die Drei Marien und der Herr von Marana
- 1925: Ein Walzer von Strauß (nur Tanz Astarte aus Irrlichter)
[Bearbeiten] Literatur
- Charlotte Berend-Corinth: Anita Berber. 8 Original-Lithographien, Gurlitt, Berlin 1919
- Ralf Georg Czapla: Getanzte Dichtung - gedichteter Tanz. Anita Berbers und Sebastian Drostes "Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase" zwischen poetischer Reflexion und tänzerischer Improvisation. In: Tanz im Kopf - Dance and Cognition. Jahrbuch Tanzforschung 15. Hg. im Auftrag der Gesellschaft für Tanzforschung von Johannes Birringer und Josephine Fenger, Lit, Münster, Hamburg, London 2005, S. 63-79
- Mel Gordon: The Seven Addictions and Five Professions of Anita Berber: Weimar Berlin's Priestess of Decadence, Feral House, Los Angeles 2006, ISBN 1-932595-12-0
- Leo Lania: Der Tanz ins Dunkel. Anita Berber, ein biographischer Roman, Schultz, Berlin 1929
- Lothar Fischer: Anita Berber. Göttin der Nacht, Edition Ebersbach, Berlin 2006, ISBN 3-938740-23-X
- Lothar Fischer: Anita Berber. Tanz zwischen Rausch und Tod, Haude & Spener, Berlin 1996, ISBN 3-7759-0410-7
- Willi Wohlberedt: Verzeichnis der Grabstätten bekannter und berühmter Persönlichkeiten. In Groß-Berlin und Potsdam mit Umgebung, Selbstverlag, Berlin 1952
- Johannes Strempel: Morgen früh ist Weltuntergang in GEO-Epoche Nr. 27, Hamburg 2007
[Bearbeiten] Film
- Rosa von Praunheim (Regie): Anita, Tänze des Lasters, Absolut Medien, Berlin 1987 (VHS, 85 Min.; Darsteller: Lotti Huber, Ina Blum u.a.)
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Anita Berber im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Anita Berber in der Internet Movie Database (englisch)
- Biographie bei film-zeit.de
- Die private Anita-Berber-Sammlung ihres Biographen Lothar Fischer
- Fotos von Anita Berber
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ siehe Joachim Kronsbein in Der Spiegel, 2 / 2007, Seite 212
- ↑ Ricarda D. Herbrand (rdh, 2003): Göttin und Idol. Anita Berber und Marlene Dietrich http://germanistory.de/wiss/drogen.htm
Personendaten | |
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NAME | Berber, Anita |
KURZBESCHREIBUNG | Tänzerin und Darstellerin |
GEBURTSDATUM | 10. Juni 1899 |
GEBURTSORT | Leipzig |
STERBEDATUM | 10. November 1928 |
STERBEORT | Berlin |