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Schöninger Speere – Wikipedia

Schöninger Speere

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Bei den Schöninger Speeren handelt es sich um acht hölzerne Wurfspeere aus der Altsteinzeit, die zusammen mit zehntausenden Tierknochenresten zwischen 1995 und 1998 im Baufeld Süd des Braunkohletagebaus Schöningen im Landkreis Helmstedt (Fundstelle Schöningen 13/II-4) gefunden wurden. Ihr Alter wurde vom Ausgräber mit ca. 400.000 Jahren angegeben. Andere Datierungsansätze gehen hingegen von etwa 270.000 Jahren aus. [1] Dessen ungeachtet können sie nach wie vor als älteste vollständig erhaltene Jagdwaffen der Menschheit gelten.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Fundobjekte

Die Speere wurden seit 1995 im Braunkohlentagebau Schöningen unter schwierigsten Bedingungen von Dr. Hartmut Thieme ausgegraben. Der Fundplatz repräsentiert ein an einem flachen Seeufer gelegenes temporäres Jagdlager. Da am Fundort mehrere zehntausend, zum Teil mit Schnittspuren von Feuersteinartefakten versehene Großsäugerknochen (zu ca. 90 % vom Wildpferd) gefunden wurden, geht der Ausgrabungsleiter von einer spezialisierten Gruppenjagd aus. Dabei wird von ihm in Betracht gezogen, dass die Speere aus religiösen Motiven heraus am Tötungsort hinterlassen wurden. Der Fundplatz soll in den kommenden Jahren vollständig ausgegraben werden.

Die ungewöhnlich gut erhaltenen und sorgfältig bearbeiteten Artefakte, welche in die luftabschließenden Ufersedimente eines ehemaligen Sees eingebettet waren, haben das Bild des frühen europäischen Urmenschen nachhaltig verändert. Gingen selbst international anerkannte Prähistoriker bzw. Paläoanthropologen bis vor einigen Jahren noch davon aus, dass sich Homo erectus bzw. Homo heidelbergensis und selbst noch der frühe Neandertaler von Aas ernährt hätten, lässt der Schöninger Befund kaum Zweifel an deren jägerischen Fähigkeiten. Die hoffentlich in den kommenden Jahren doch noch zu realisierende umfassende Auswertung der Speer-Fundstelle wird dazu beitragen helfen, die kulturelle Evolution der ersten Menschen in Mitteleuropa besser zu verstehen.

Die aufgrund des auflastenden Sedimentdrucks deformierten Speere sind mit einer Ausnahme sämtlich aus schlanken Fichtenstämmchen gearbeitet und besitzen Abmessungen zwischen 1,80 m und 2,50 m. In der Lage ihres Schwerpunktes und somit ihrer Wurfeigenschaften zeigen sie große Ähnlichkeit mit modernen Wettkampfspeeren. Bei Tests konnten Sportler originalgetreue Nachbauten bis zu siebzig Meter weit werfen.[2] Die Auswahl des Holzes ist wohl in erster Linie klimatisch bedingt, da Nadelhölzer angesichts des im Vergleich zu heute wohl um einige Grad Celsius kühleren Klimas reichlich zur Verfügung standen und zudem gut bearbeitet werden konnten. Leider sind die Schöninger Speere bis heute noch nicht abschließend analysiert, konserviert und publiziert, so dass genauere Angaben zu den Fundumständen, dem Erhaltungszustand sowie zur Herstellungs- und Benutzungsweise fehlen.

Die Ausgrabungen der vom weiteren Braunkohlenabbau nicht mehr gefährdeten altsteinzeitlichen Fundstelle von Schöningen dauern indes immer noch an. Sie sind Teil eines archäologischen Langzeit-Forschungsprojektes (ASHB = Archäologische Schwerpunktuntersuchungen im Helmstedter Braunkohlerevier) des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege in Hannover. Die Stadt Schöningen und der Förderverein Schöninger Speere – Erbe der Menschheit e. V. bemühen sich seit Jahren um die touristische Erschließung des weltbedeutenden Fundortes in einem Forschungs- und Erlebniscenter am historischen Ort. Im November 2007 wurden die Speere im Braunschweigischen Landesmuseum erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.[3] Von März bis Juli 2008 werden sie im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover präsentiert.

Den Schöninger Speeren vergleichbare Funde wurden auch am Fundplatz Bilzingsleben gemacht.

[Bearbeiten] Literatur

  • Hartmut Thieme & Reinhard Maier (Hrsg.): Archäologische Ausgrabungen im Braunkohlentagebau Schöningen. Landkreis Helmstedt, Hannover 1995.
  • Die größte archäologische Ausgrabung in Niedersachsen. Bedeutende Entdeckungen zur Urgeschichte im Tagebau Schöningen. In: M. Fansa u. a. (Hrsg.): Archäologie I Land I Niedersachsen. 25 Jahre Denkmalschutzgesetz – 400.000 Jahre Geschichte. Ausstellungskatalog (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 42). Stuttgart 2004, S. 294-299.
  • Hartmut Thieme: Die ältesten Speere der Welt – Fundplätze der frühen Altsteinzeit im Tagebau Schöningen. In: Archäologisches Nachrichtenblatt 10, 2005, S. 409-417.
  • Hartmut Thieme: The Lower Palaeolithic art of hunting. The case of Schöningen 13 II-4, Lower Saxony, Germany. In: C. Gamble & M. Porr (Hrsg.): The hominid individual in context. Archaeological investigations of Lower and Middle Palaeolithic landscapes, locales and artefacts. Oxford 2005, S. 115-132
  • Hartmut Thieme (Hrsg.): Die Schöninger Speere. Mensch und Jagd vor 400000 Jahren. Ausstellungskatalog. Stuttgart 2007, ISBN 978-3-89646-040-0.
  • Michael Baales, Olaf Jöris: Zur Altersstellung der Schöninger Speere. In: J. Burdukiewicz u. a. (Hrsg.): Erkenntnisjäger. Kultur und Umwelt des frühen Menschen. Veröffentlichungen des Landesamtes für Archäologie Sachsen-Anhalt 57, 2003 (Festschrift Dietrich Mania), S. 281-288.
  • Olaf Jöris: Aus einer anderen Welt – Europa zur Zeit des Neandertalers. In: N. J. Conard u. a. (Hrsg.): Vom Neandertaler zum modernen Menschen. Ausstellungskatalog. Blaubeuren 2005, S. 47-70.

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Fußnoten

  1. O. Jöris: Aus einer anderen Welt – Europa zur Zeit des Neandertalers. In: N. J. Conard u. a. (Hrsg.): Vom Neandertaler zum modernen Menschen. Ausstellungskatalog Blaubeuren 2005, S. 47-70.
  2. Reportage in Wissen X-akt, RTL-Regionalmagazin Guten Abend RTL (Video, 5:49 min)
  3. Die Welt: Holzspeere beweisen Intelligenz der Urzeitmenschen, 23. November 2007

Koordinaten: 52° 08′ 14″ N, 10° 59′ 18″ O


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