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Robert Neumann – Wikipedia

Robert Neumann

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Robert Neumann (* 22. Mai 1897 in Wien, † 3. Januar 1975 in München) war ein Schriftsteller und Publizist deutscher und englischer Sprache. Er veröffentlichte weit mehr als hundert Bücher, zahlreiche Theaterstücke und Hörspiele sowie einige Drehbücher.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Robert Neumann wurde als Sohn eines Bankbeamten jüdischer Abstammung und sozialdemokratischer Gesinnung geboren. Er studierte von 1915 bis 1919 Medizin, Chemie und ein Semester Germanistik in Wien. Er arbeite als Effektenkassierer, Schwimmtrainer und Gesellschafter einer Lebensmittel-Importfirma, musste aber 1925 Konkurs anmelden. Danach war er kurze Zeit Matrose und Frachtaufseher auf einem Hochseeschiff.

Nachdem er schon 1919 und 1923 kleine Gedichtbände veröffentlicht hatte, gelang ihm mit der Parodiensammlung Mit fremden Federn 1927 der literarische Durchbruch. In einer Umfrage bezeichnete Thomas Mann das Buch als bestes des Jahres. Neumann war damit als freier Schriftsteller etabliert. In schneller Folge erschienen weitere Romane, Parodien und Theaterstücke. Daneben hielt er Vorträge und arbeitete als Literaturkritiker (Die Literatur, Die Literarische Welt).

Neumanns Werke standen 1933 auf der Liste der von den Nazis verbrannten Bücher. Unmittelbar nach der Errichtung der austrofaschistischen Diktatur im Februar 1934 verließ er Wien und ging ins provisorische Exil nach Großbritannien. 1936 und 1937 verbrachte er einige Monate in Österreich, wo inzwischen die Bibliotheken ebenfalls von seinen Werken „gesäubert“ waren. Bis 1938 konnten seine Romane aber noch in der Schweiz erscheinen.

1939 ersuchte er um die britische Staatsangehörigkeit, die er aber erst 1947 erhielt. Stattdessen internierte man ihn 1940 für einige Monate als „Enemy Alien“. Sein Antrag auf ein Einreisevisum in die USA wurde trotz einer Einladung nach Hollywood abgewiesen. Als einer der wenigen Exilautoren konnte er auch in England veröffentlichen. 1936 schrieb er das Drehbuch für den britischen Film Abdul the Damned mit Fritz Kortner in der Hauptrolle. Ab 1942 erschienen insgesamt sechs Romane in englischer Sprache.

Nach der Besetzung Österreichs 1938 organisierte er in London den „Free Austrian P.E.N.-Club“ und versuchte, von Nazis bedrohten Schriftstellern zur Ausreise zu verhelfen. In den Kriegjahren lieferte er auch sporadisch Beiträge für die BBC. Als Lektor und Teilhaber des Verlags „Hutchinson International Authors“ initiierte er die Publikation englischer Übersetzungen deutschsprachiger Exilautoren wie Arnold Zweig und Heinrich Mann.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs lebte Neumann bis Ende 1958 weiter in England, danach in Locarno im Tessin. 1947 wurde er Ehrenpräsident des wiedererstandenen Österreichischen P.E.N-Clubs. 1955 sprach er sich in seiner Schlussansprache auf dem Kongress des Internationalen P.E.N., in dem er 1950 einer der Vizepräsidenten war, gegen die „Kalter Krieg“-Parolen des P.E.N-Präsident Charles Langbridge Morgan aus und wurde dafür in der Presse als „Kommunist“ attackiert. 1971 forderte Neumann eine antifaschistische Neuorientierung des P.E.N. Er initiierte die Abwahl des damaligen P.E.N-Präsidenten Pierre Emmanuel und schlug die Kandidatur von Heinrich Böll vor, der in einer Kampfabstimmung auch gewählt wurde.

Zwischen 1959 bis 1974 war der Neumann weiter als Romancier, politischer Publizist und beachteter Literaturkritiker mit meist polemisch-satirischer Ausrichtung tätig, u.a. für Konkret, Die Zeit, Pardon, Tribüne, die Deutsche Zeitung - Christ und Welt sowie für alle ARD-Rundfunkanstalten. Gelegentlich veröffentlichte er auch im Spiegel und Stern (Zeitschrift). 1961 beschäftigte der Plagiatsstreit um seinen Roman Olympia Presse und Gerichte.

Neumann heiratete 1919 in Wien Stefanie („Stefie“) Grünwald (1896–1975), mit der er den Sohn Heinrich Herbert („Heini“) hatte (1921–1944). Für ihn schrieb er 1944 den autobiographischen Text Memoirs and Journal of Henry Herbert Neumann, edited by his father. 1941 ließ sich Neumann scheiden und heiratete die deutschen Redakteurin, Lektorin und Übersetzerin Franziska Karola („Rolly“) Stern, geb. Becker (1908–1991), von der er 1952 ebenfalls geschieden wurde. 1953 heiratete er die deutsche Tänzerin Evelyn Milda Wally Hengerer (Pseudonym Mathilde Walewska, 1930–1958) und bekam mit ihr den Sohn Michael Robert Henry (* 1955). 1960 heiratete er in vierter Ehe die Rundfunkredakteurin Helga Heller (1934–1976).

Neumann, der mehrfach in seinem Leben mit schweren Erkrankungen zu kämpfen hatte, wurde nach seinem Tod - laut einer Mitteilung aus dem Familienumkreis durch Freitod - 1975 auf dem Friedhof München-Haidhausen beigesetzt.

Durch seine Parodiensammlungen Mit fremden Federn (1927) und Unter falscher Flagge (1932) – erweiterte Gesamtausgabe in drei Bänden 1969 – gilt er als Begründer der „Parodie als kritischer Gattung in der Literatur der 20er Jahre“. „Der Ruhm von zwei schmalen Bändchen hat ein erzählerisches Werk von 25 Bänden erschlagen“, so Rudolf Walter Leonhardt.

[Bearbeiten] Auszeichnungen und Ehrungen

  • Acting President des Austrian P.E.N. im Londoner Exil (1939-1947)
  • Ehrenpräsident des Österreichischen P.E.N-Clubs (ab 1947)
  • Vizepräsident des International P.E.N. (ab 1950)
  • Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse (1965)
  • Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold (1967)

[Bearbeiten] Werke (in Auswahl)

  • Gedichte, 1919
  • Zwanzig Gedichte, 1923
  • Die Pest von Lianora, 1927
  • Mit fremden Federn, Parodien, 1927
  • Jagd auf Menschen und Gespenster, 1928
  • Die Blinden von Kagoll, 1929
  • Sintflut, 1929
  • Hochstapler-Novelle, 1930
  • Passion: Sechs Dichter-Ehen, 1930
  • Panoptikum: Bericht über fünf Ehen aus der Zeit. Wien: Phaidon 1930, 175 S.
  • Karriere, 1931
  • Das Schiff Espérance, 1931
  • Die Macht. Roman. Berlin, Wien, Leipzig: P. Zsolnay 1932, 586 S.
  • Unter falscher Flagge – Ein Lesebuch der deutschen Sprache für Fortgeschrittene (Neue Parodien), 1932
  • Sir Basil Zaharoff: Der König der Waffen, 1934
  • Die blinden Passagiere, 1935
  • Struensee: Doktor, Diktator, Favorit und armer Sünder (später Der Favorit der Königin), 1935
  • Eine Frau hat geschrien (später:“ Die Freiheit und der General“), 1938
  • Scene in Passing (Roman, dt. Tibbs), 1942
  • The Inquest (Roman, dt. Bibiana Santis, dann Treibgut), 1944
  • An den Wassern von Babylon, 1945 (engl. Ü. 1939)
  • Children of Vienna, 1946 (dt. Die Kinder von Wien“, 1974)
  • Tibbs. Roman. Konstanz: C. Weller 1948
  • Blind Man´s Buff, 1949
  • Insurrection in Poshansk (Roman, dt. Die Puppen von Poshansk), 1952
  • Meine schöne Mama, 1956 (als „Mathilde Walewska“)
  • Mein altes Haus in Kent: Erinnerungen an Menschen und Gespenster (Autobiographie), 1957
  • Die dunkle Seite des Mondes, 1959
  • „Ausflüchte unseres Gewissens. Dokumente zu Hitlers 'Endlösung der Judenfrage' mit Kommentar und Bilanz der politischen Situation“, 1960
  • Hitler: Aufstieg und Untergang des Dritten Reiches: Ein Dokument in Bildern, 1961 (Unter Mitarbeit von Helga Koppel); parallel zum Film „Hitler“, Regie: Paul Rotha
  • Olympia, 1961
  • Festival, 1962
  • Ein leichtes Leben: Bericht über mich selbst und Zeitgenossen (Autobiographie), 1963
  • Der Tatbestand oder Der gute Glaube der Deutschen, 1965
  • Vielleicht das Heitere: Tagebuch aus einem andern Jahr (Autobiographie), 1968
  • „Vorsicht Bücher..“, „Dämon Weib...“,„Nie wieder Politik...“. (Erweiterte Gesamtausgabe der Parodien, 3 Bände), 1969
  • Deutschland deine Österreicher: Österreich deine Deutschen, 1970
  • Oktoberreise mit einer Geliebten (Roman), 1970
  • Ein unmöglicher Sohn (Roman), 1972
  • 2 mal 2 = 5: Eine Anleitung zum Rechtbehalten, 1974

[Bearbeiten] Literatur

  • Hans Peter Althaus: Auf den zweiten Blick. Robert Neumanns Parodien als Spiegel der Literatur. Trier: Ed. Riveris 1994. (= Trierer Schriften; 2)
  • Friedrich-Martin Balzer (Hrsg.):„Operation Mauerdurchlöcherung“. Robert Neumann und der deutsch-deutsche Dialog. Bonn 1994 ISBN 3-89144-189-4
  • Richard Dove: „Fremd ist die Stadt und leer ...“ Fünf deutsche und österreichische Schriftsteller im Londoner Exil 1933-1945 (Max Hermann-Neiße, Alfred Kerr, Robert Neumann, Karl Otten, Stefan Zweig). Berlin: Parthas 2004. ISBN 3-932529-59-6
  • Anne Maximiliane Jäger (Hrsg.): Einmal Emigrant - immer Emigrant? Der Schriftsteller und Publizist Robert Neumann (1897-1975). München: edition text+kritik 2006.ISBN 3-88377-845-1
  • Andrea Kriegner: Das Judentum im Romanwerk Robert Neumanns. Innsbruck: Univ. Dipl.-Arb. 1992.
  • Verena Ofner: Die historischen Romane Robert Neumanns. Eine Analyse. Wien: Univ. Dipl.-Arb. 2004.
  • Georg Peter: Analytische Ästhetik. Eine Untersuchung zu Nelson Goodman und zur literarischen Parodie. Egelsbach u.a.: Hänsel-Hohenhausen 2002. (= Deutsche Bibliothek der Wissenschaften; Philosophische Analyse; 5) ISBN 3-8267-0024-4
  • Ulrich Scheck: Die Prosa Robert Neumanns. Mit einem bibliographischen Anhang. New York u.a.: Lang 1985. (= American university studies; Series 1, Germanic languages and literatures; 43) ISBN 0-8204-0252-4
  • Volker Weidermann: Das Buch der verbrannten Bücher. Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2008; ISBN 978-3-462-03962-7. (Zu Neumann Seite 199-201)

[Bearbeiten] Weblinks

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