Rhetorik der Antike
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Während heutzutage unter Rhetorik vor allem Sprecherziehung und Vortragskunst verstanden wird, beschäftigte die Rhetorik der Antike sich mit dem gesamten Prozess der Wissensermittlung, Wissensverarbeitung und Wissensweitergabe. Sie erinnert also an das, was heutzutage unter geisteswissenschaftlicher Methodik verstanden wird. Für die jungen Griechen und Römer war die Rhetorik eine Art allgemeiner Wissenschaftspropädeutik, die sie unter anderem auf eine Tätigkeit als Rechtsanwalt oder Politiker vorbereitete.
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[Bearbeiten] Rhetorik bei Homer
Ihre Anfänge hat die Rhetorik in der Antike, zum ersten Mal machten sich Menschen Gedanken über die Beredsamkeit, wie man sie erlernen und einsetzen kann. Als Schöpfer der Rhetorik gilt Homer, der griechische Dichter, da er bereits im 8. Jahrhundert v. Chr. in seinen Werken, wie der „Ilias“ und „Odyssee“, erste Rhetorikbeispiele in Form von Reden verarbeitete. Die Rhetorik kommt dabei auf verschiedene Weise zum Einsatz, sei es in Beratungen von führenden Männern, Gerichtsverhandlungen oder bei Heeres- und Volksversammlungen. Die Bedeutung von Homer für die Rhetorik wird daran deutlich, dass in Bezug auf seine Werke erste Lehrsätze und Regeln der Rhetorik entstanden sind.
[Bearbeiten] Die Anfänge der Rhetorik in Sizilien
Man kann in Sizilien die nachgewiesene Geburtstätte der Rhetorik sehen, denn erst die politischen Veränderungen machten es der Rhetorik möglich, sich frei zu entfalten. Syrakus ermöglichte die Abschaffung der Tyrannei um 467 vor Christus in Sizilien und gibt der Rhetorik die Chance, sich im öffentlichen Leben zu etablieren. Das somit entstandene politische Machtvakuum hat zur Folge, dass die politische Diskussion in der Öffentlichkeit zur Notwendigkeit wird. Nun wurden Interessensgegensätze in der öffentlichen Rede ausgetragen. Man machte sich konkret und in theoretisch reflektierter Form Gedanken darüber, wie man vor einem Auditorium möglichst überzeugend eine Rede hält. Korax kann als einer der Ersten diese neue Kunst für sich nutzen und gilt als erster Rhetor und Lehrer der Rhetorik in der Zeit nach der Tyrannis. Auch sein Schüler Teisias sollte erwähnt werden, da er Verfasser des ersten rhetorischen Lehrbuches ist, welches verschiedene Musterreden beinhaltet. Somit gelten Korax und Teisias als die Begründer der Rhetorik.
[Bearbeiten] Rhetorik bei den Sophisten
Nachdem auch in Athen ein Umbruch im Staatssystem stattfand - das Adelsregiment wurde abgeschafft und es entwickelte sich eine erste Frühform von Demokratie - wurde die Rhetorik zur politischen Willensbildung eingesetzt, in Form der politischen Rede. Die aufkommende Demokratie hatte zur Folge, dass es Volksversammlungen gab, in der öffentliche Angelegenheiten besprochen wurden. Der Sprecher oder Antragssteller in der Volksversammlung wurde auch als Rhetor bezeichnet. Um vor einem derartigen Auditorium überzeugend zu wirken, musste man natürlich die Kunst der Rede beherrschen. Im Zuge dieser Veränderungen waren nun auch viele nichtaristokratische Bürger an Bildung interessiert, um sich aktiv im öffentlichen Leben und in der Politik zu beteiligen. Das demokratischere Staatssystem ist daher einer der Faktoren, welcher für die Blütezeit der Rhetorik verantwortlich ist.
Auf Grund dieser Entwicklungen tritt eine geistige Strömung besonders in den Vordergrund, die Sophistik. Die Sophisten, auch Weisheitslehrer genannt, wollten mittels ihrer Tätigkeit als Lehrer ihren Schülern politisches und gesellschaftliches Wissen beibringen und ihnen solche Fähigkeiten vermitteln, die ihnen Erfolg in der privaten Lebensführung und im politischen Leben ermöglichte. Die gewählten Methoden um die angestrebten Ziele zu erreichen, waren die techné rhetoriké, die Kunst der überzeugenden Rede und die Dialektik, d.h. einen bestimmten Sachverhalt immer von verschiedenen Sichtweisen zu betrachten.
In Erscheinung traten die Sophisten zuerst als Wanderlehrer und später im 4. Jh. v. Chr. gründeten sie vermehrt Schulen an bestimmten Stätten, wie Athen. Die Sophistik bezeichnet man zudem als die große Aufklärungsbewegung des 4. und 5. Jahrhunderts vor Christus. Die vorherrschende mystische Weltordnung wurde also durch die reine Vernunft ersetzt und gleichzeitig wurde der Mensch, statt der Natur in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Es wurden althergebrachte Traditionen hinterfragt und nicht mehr als fraglos hingenommen.
Diese neuen Ansichten hatten zur Folge, dass daraus entweder ein absoluter Relativismus entsteht, da es im Sinne der Sophisten nur Wahrscheinliches gab und alle Sichtweisen gleichberechtigt waren und somit „relativ“, oder ein tiefer Skeptizismus erwächst, der aus der Erkenntnis kommt, nichts sicher zu wissen und zu erkennen.
Zuerst ist Gorgias von Leontinoi (480 - 380 v. Chr.) zu nennen, welcher 427 v. Chr. nach Athen kommt und ein Schüler des Theisias ist. Er gilt somit als Bindeglied zwischen den Anfängen der Rhetorik in Sizilien und Athen. Von ihm wurde die Meinung vertreten, dass mit Hilfe der Rhetorik alles durchgesetzt werden konnte, er war sozusagen von der Allmacht der Rhetorik überzeugt. Nach Winfried Böhm vertrat er eine formal – rhetorische Erziehung, welche versuchte den Schüler zu einem fähigen Redner zu machen. Weiter ist ihm die Schaffung der Kunstprosa zuzuschreiben.
Von Protagoras von Abdera (481 - 411 v. Chr.) stammt folgender berühmte Satz: "Der Mensch ist das Maß aller Dinge, derer die sind, dass sie sind, und derer die nicht sind, dass sie nicht sind.“, welcher auch als Homo-Mensura Satz bekannt ist. Damit vertat er die Ansicht, dass man immer vom Mensch ausgehen müsse und daher gebe es keine absolute Wahrheit, sondern nur eine relative, keine objektive, sondern nur eine subjektive, eben für den Menschen. Und zwar so, dass nicht "Der Mensch" das Maß sei, das wäre ja immer noch eine Art allgemeiner Maßstab, sondern der jeweilige einzelne Mensch. Es gibt’s also nach Protagoras so viele Ansichten über ein Problem wie es Menschen gibt. Er wird somit auch als Begründer der Dialektik gesehen.
Einer der bedeutendsten Rhetorikschulgründer war Isokrates (436 – 338 v. Chr.), der ein Schüler von Gorgias ist und sich in seiner Rede „Gegen die Sophisten“ klar von seinen Kollegen abgesetzt. Er sieht „die Rhetorik weniger als ein Handwerk denn als eine der Philosophie verpflichtete Bildungslehre…“ . Isokrates wollte nicht mittels der Rhetorik seine Zuhörer zu bestimmten Handeln überzeugen sondern sie „vielmehr wachrufen, mahnen, warnen und beraten“ . Er hatte also durchaus schon eine moralische und ethische Vorstellung in seinen Lehren und unterscheidet sich somit von anderen Sophisten, bei denen die Überzeugungskraft der Rede im Vordergrund steht. Als einer der ersten machte er im Hinblick auf die zwei, wie schon angesprochen, auftretenden Problemen der Sophistik den Relativismus und den daraus resultierenden Skeptizismus, das Gespräch zur Grundlage der Erkenntnis, in dem das „Wahrscheinlichere“ zu finden, die Aufgabe der beteiligten Personen ist.
[Bearbeiten] Die Kritische Beurteilung der Philosophen
„Von Gorgias bis Anaximenes, von Sokrates bis Aristoteles: der Antagonismus von sophistischer Herausforderung und philosophischer Reaktion ist ungefähr ein Jahrhundert lang, in der Zeit von 430 bis 330 v. Chr., die bewegende Kraft der griechischen Bildungsgeschichte gewesen,…“ . Unter diesem Aspekt wie es Fuhrmann beschrieben hat, muss man die Auseinandersetzug zwischen den Philosophen und den Sophisten verstehen, nämlich als eine für die Wissenschaften fruchtbare. Denn der Austausch von Ideen oder auch der wissenschaftliche Disput ist von enormer Bedeutung für den Fortschritt innerhalb der Lehren, denn vor allem dadurch kann es zu neuen Denkansätzen kommen.
Beginnend mit Sokrates (470 – 399 v. Chr.) wird die Rhetorik der Sophisten sehr kritisch gesehen. Es entstand sozusagen eine andere Sicht der Rhetorik, die vor allem von Sokrates und seinem Schüler Platon (427 – 347 v. Chr.) vertreten wurde. Im Gegensatz zur Bildungsvermittlung der Sophisten steht der von Sokrates entwickelte Dialog, welcher auch durchaus als ein erzieherischer Ansatz verstanden werden kann.
Die sokratische Methode war darauf ausgelegt, dass der Schüler im Zwiegespräch eigenständig zur Wahrheit gelangen soll. Dies gelingt Sokrates mittels der Ironie, indem er zuerst dem Schüler sein Nichtwissen vor Augen führt und dann den Sachverhalt im Dialog dialektisch erörtert, um ihn dann durch geschicktes Fragen den Schüler zum eigenständigem Denken und zur Erkenntnis führen soll, dieses Vorgehen wird als Mäeutik bezeichnet, das eine Art geistige Geburtshilfe darstellt. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Sokrates nicht, wie die Sophisten von verschiedenen Ansichten und Meinungen ausgeht, sondern von dem einzig Wahren, wie auch sein Schüler Platon, welcher einer der heftigsten Kritiker der Sophisten war.
In seinem Werk Gorgias wird der Standpunkt des Platons klar. Er wendet sich nicht nur ab, sondern verdammt die sophistische Rhetorik, welche ein einziges Blenderwerk sei. Auf ihn geht auch die heutige negative, zuweilen auch als Beschimpfung missbrauchte Bedeutung des Begriffs der Sophistik zurückgeht. Was man heutzutage allgemein unter Sophistik versteht sind Umschreibungen, wie Spitzfindigkeit oder Scheinwissen, die mit den Vorstellungen der Sophisten der Antike wenig zutun haben.
Platon spricht der Rhetorik ihren Wissenschaftsstatus ab und sah sie nur als Methode zur Dialektik, wie er es in seinem Werk Phaidros niederschreibt. Zudem werden bei Platon moralische und ethische Grundsätze essentiell für die Rhetorik. Er warf den Sophisten vor das Wirkungsinteresse dem Wahrheitsinteresse vorangestellt zu haben , d.h. die bloße Überredung wäre das Ziel der sophistischen Rhetorik und nicht die von ihm und seinem Lehrer Sokrates als oberste Maxime festgesetzte Wahrheitsfindung. In der Rhetorik des Platons ist kein Raum für Emotionen, die bewusst von den Sophisten eingesetzt wurden, denn er war der Auffassung, dass einzig allein die Wahrheit überzeugen kann.
Platon erkannte somit die Doppelnatur der Rhetorik, welche besagt, dass man mit einer Rede aus edlen Beweggründen Gutes bewirken kann, aber wenn die Motivation eine niedere ist, ebenso Schlechtes hervorgerufen werden kann. Doch die moralischen Einwände von Platon waren nicht der einzige Grund für die Hetzte gegen die Sophisten. Auch ein finanzielles Interesse war von großer Bedeutung. Aufgrund der großen Konkurrenz unter den verschiedenen Schulen versprach sich Platon wegen seiner Negativwerbung eine größere Schülerzahl.
Sein Schüler Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) hatte jedoch nicht die gleiche radikale Sicht auf die Sophistik. In seinem Buch téchne rhetoriké versucht er Logik mit praktischer Psychologie zu verbinden, d.h. ein guter Redner muss das Gemüt seiner Zuhörer erkennen, um sich darauf einstellen zu können, aber er kann nur dann überzeugen wenn er auch über die ausreichende Kenntnis in einem Bereich verfügt. Aristoteles Rhetorik ist daher eher argumentationstechnisch ausgerichtet , also wie der Redner seine Argumente überzeugend anbringen kann.
Man kann also sagen, dass Aristoteles den kritischen Standpunkt von seinem Lehrer relativiert und die Philosophie der Sophistik annähert. Im Gegensatz zu Platon spricht er der Rhetorik den Rang als eigenständige wissenschaftliche Disziplin zu uns sieht sie als Gegenstück zur Dialektik.
Der grundsätzliche Unterschied zu Platon liegt dabei in dem unterschiedlichen Verständnis des Wahrheitsbegriffs. Aristoteles Rhetorik ist eine Theorie des Meinungswissen, der wahrscheinlichen Schlüsse und einer glaubhaften Argumentation , daher geht er im Gegensatz zu Platons absolutem Wahrheitsbegriff von unveränderlichen und veränderlichen Wahrheiten aus. Letzteres bezeichnete er als das Wahrscheinliche, welches aus der Erkenntnis von theoretischem Wissen gewonnen wird. Ersteres basiert dagegen auf der Erkenntnis aus praktischem Wissen. Auch in den Kriterien für eine gute Rede wird dieser Unterschied deutlich. Während bei Aristoteles Überzeugungskraft und Glaubhaftigkeit ausschlaggebend für die Wirksamkeit einer Rede sind, steht bei Platon einzig die Vermittlung der Wahrheit und deren Durchsetzung beim Publikum im Vordergrund.
Nach Aristoteles ist die Aufgabe der Beredsamkeit „…zu erkennen was, wie in allen übrigen Wissenschaften, jeder Sache an Überzeugendem zugrunde liegt“ , also das Wahrscheinliche zu sehen.
[Bearbeiten] Rhetorik bei den Römern
Wie die Rhetorik ins römische Reich Einzug hält, ist verbunden mit dem Aufstieg Roms zur Weltmacht während des 2. Jh. v. Chr.. Das römische Reich wird immer größer und in Folge der punischen Kriege dringt es auch in das hellenistische Staatssystem ein.
Die griechische Kultur hatte großen Einfluss auf die Römer, wie man in Schrift und Sprache, sowie dem Handwerk und den Künsten der Römer erkennen kann, nicht zuletzt wurde auch das Schulsystem der Griechen übernommen. Auch Rhetorik wird zunehmend bei den Römern praktiziert, zu ihrer Verbreitung trugen die zahlreichen Sophisten und Philosophen bei, welche als Rhetoriklehrer tätig waren.
Auch wenn die römische Kultur vor allem durch Aneignung und Nachahmung der griechischen Kultur entstand und sich weniger aus sich selbst heraus entfaltete, bestand dennoch ein Unterschied. Die Römer hatten bei Vielem was sie taten vor allem den praktischen Nutzen im Sinn und verzichteten gern auf den Aspekt der Ästhetik, der bei der griechischen Rhetorik durchaus eine gewisse Rolle spielte.
In der Rhetorik wurde von den Römern vor allem das Praktische gesehen. Man erkannte den politischen Nutzen der Rhetorik und gebrauchte sie, um politische Führungskräfte auszubilden. Darüber hinaus bestand ein breites Anwendungsgebiet. Der Senat, welcher die Entscheidungsgewalt hatte, diskutierte seine Entscheidungen in der öffentlichen Debatte und teilte diese wiederum dem Volke durch das gesprochene Wort mit. Ebenso wurden juristische Prozesse auf dem Forum ausgetragen. Bedingt durch diese politische Ordnung wurde die Rhetorik ein wichtiger Bestandteil im Leben der Römer.
Der Höhepunkt der römischen Rhetorik zeichnet sich in ihrem herausragenden Redner Cicero (106 – 43 v. Chr.) ab. Er war ein Mann mit größter Allgemeinbildung, er studierte Recht, Rhetorik, Literatur und Philosophie in Rom. Aufgrund seiner Erfahrungen als Redner auf der politischen und gerichtlichen Ebene sah er sein Bildungsideal in dem perfekten Redner verkörpert. Sein Bestreben lag daher darin, Rhetorik mit Philosophie zu verbinden. Dieser Bruch zwischen den beiden Wissenschaften bestand nicht immer. „Früher gab es eine ganzheitliche Bildung in der auch Philosophie und Rhetorik verbunden war, bis Sokrates diese Trennung bewirkte und die Redner und die Philosophen nichts miteinander zu tun haben wollten. Die einstige Einheit ist also eine rhetorische Einheit gewesen und wer sie wiederherstellt, der genügt dem rednerischen Ideal“ . Somit forderte Cicero eine ganzheitliche Bildung für seinen orator perfectus, den perfekten Redner, welcher durch drei Kriterien beschrieben wird:
- natura: die natürlichen Anlagen des Menschen wie Intelligenz, Beweglichkeit und körperliche Vorzüge
- ars: die Kenntnis der theoretischen Grundlagen der Rhetorik
- exercitio: die nötigen Übungen um die geistigen und
körperlichen Fähigkeiten zu trainieren, welche für die Rede von Bedeutung sind.
Zudem muss der perfekte Redner über jedes Thema reden können, also ebenso in der Philosophie gebildet, um den Redner als Gestalter der Wahrheit zu rechtfertigen. Jedoch müssen seine Reden ausschließlich im Dienste des Guten gebraucht und verantwortet werden. Womit klar wird, dass die Ethik einen hohen Stellenwert bei Cicero hatte. Wie schon erwähnt, wollte er die Einheit zwischen den Wissenschaften wiederherstellen. Diese Verbindung wird in seiner Schrift De Oratore deutlich, die wie bei Platon in Dialogform geschrieben ist und das Verhältnis zwischen Philosophie und Rhetorik beleuchtet
Er nimmt sich den Theorien des Aristoteles und des Isokrates an, den einerseits philosophisch - reflektierenden Ansatz und andererseits den technisch-praktischen Zugang zur Rhetorik und versucht beide in seiner Rhetorik zu vereinen.
Ab dem Zeitpunkt der Diktatur Caesars 46 v. Chr. geschah dasselbe wie zuvor in Griechenland. Durch derartige politische Umwälzungen wurde der Rhetorik ihr politischer Stellenwert genommen. Die politische Diskussion, wie sie in der Volksversammlung gepflegt wurde, war nicht mehr möglich. Dennoch überlebte die Rhetorik diese Zeit, sie wurde in der gehobenen Allgemeinbildung der Mittel- und Oberschicht weiter als Kunst der Beredsamkeit gelehrt.
Als zweiter großer Rhetoriker des römischen Reichs muss Quintilian (35 – 96 n. Chr.) angeführt werden. Er gilt als letzter großer Rhetoriker der Antike. In seinen Werken findet eine Rückbesinnung auf Cicero statt und zum ersten Mal fließen pädagogische Elemente mit in die Rhetorik ein.
Er war der erste staatlich besoldete Lehrer der Rhetorik in Rom. Diese Lehrtätigkeit führte er 20 Jahre aus und schrieb diese Erfahrungen in seinem wichtigsten Werk Institutio oratoria, der Unterweisung in der Redekunst nieder. Wie bei Cicero wird bei ihm der perfekten Redner durch den eloquenten, weisen Mann und zugleich auch den tugendhafter Mann verkörpert. Deshalb steht bei Quintilian die Charakterbildung im Vordergrund, weshalb die Ausbildung zum Redner sehr hohen ethischen und moralischen Maßstäben unterliegen müsse. In dieser Hinsicht war er noch stärker bestrebt der Beredsamkeit ein sittliches Fundament zu geben als sein Vorbild Cicero.
Einen bis daher neuen Aspekt schafft er, indem er in seinen Schriften zugleich den didaktischen Weg vorgibt, mittels eines Systems der Erziehung vom Kind bis zum erwachsenen Redner. Dabei steht vor allem der Unterricht des Kindes im Vordergrund der nach folgenden Kriterien gestaltet sein sollte: das Interesse des Kindes soll geweckt, die Individualität des Kindes gefördert werden unter Berücksichtigung des Entwicklungsstandes, im Unterricht soll die Abwechslung und der Zusammenhang des Lernstoffes gefördert werden und es soll zur Selbständigkeit erzogen werden . Quintilian ist somit der erste Autor, der eine enge Beziehung zwischen Erziehung und Pädagogik herstellt. Langer hat jedoch nachgewiesen, dass die Ausbildung als Redner mit Hilfe der Deklamation nicht nur rhetorischen Aspekten folgte, sondern zugleich die tatsächliche Rechtslage dargestellt wurde.
[Bearbeiten] Literaturangaben
- Böhm, Winfried: Geschichte der Pädagogik, C.H.Beck, 1. Aufl., München 2004
- Fuhrmann, Manfred: Die Antike Rhetorik, Artemis-Verlag, 10. Aufl., München 1984
- Genzmer, Herbert: Rhetorik, Die Kunst der Rede, Dumont Verlag, 1. Aufl., Köln 2003
- März, Fritz: Personengeschichte der Pädagogik, Klinkhardt, 2. Aufl, Bad Heilbrunn 2000
- Perelman, Chaim: Reich der Rhetorik,
- Reble, Albert: Geschichte der Pädagogik, Klett-Cota, 19. Aufl., Stuttgart 1951
- Ueding, Gert/ Steinbrink, Bernd, Grundriss der Rhetorik, 4. Aufl. Stuttgart/Weimar 2005
- Langer, Vera Isabella, "Declamatio Romanorum : Dokument juristischer Argumentationstechnik, Fenster in die Gesellschaft ihrer Zeit und Quelle des Rechts?", Frankfurt am MAin 2007