Präsident der Europäischen Kommission
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Der Präsident der Europäischen Kommission ist der Vorsitzende der Europäischen Kommission. Er wird von den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten benannt und anschließend vom Europäischen Parlament bestätigt. Er ernennt die weiteren Mitglieder der Kommission, die durch das Europäische Parlament bestätigt wird. Durch den Vertrag von Nizza ist es dem Kommissionspräsidenten auch möglich, die Zuständigkeitsbereiche der Kommissionsmitglieder in der laufenden Amtszeit neu zu verteilen und sie zum Rücktritt aufzufordern.
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[Bearbeiten] Aufgaben
Die Aufgaben und Zuständigkeiten des Kommissionspräsidenten liegen darin, die politische Leitlinie für das Vorgehen der Kommission zu bestimmen. Darüber hinaus organisiert er die Arbeit der Kommission und beruft die Sitzungen des Kollegiums ein, die er leitet.
Ferner vertritt der Präsident die Kommission bei den Tagungen des Europäischen Rates, der Gruppe der acht führenden Industrienationen (G8) sowie bei den Sitzungen des Europäischen Parlaments.
[Bearbeiten] Geschichte
Das heutige Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission geht letztlich auf das Amt des Präsidenten der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) zurück, das es seit 1951 gibt. Von Anfang an wurde die Hohe Behörde auch schon als „Kommission“ bezeichnet. 1958 entstand neben der EGKS und der Europäischen Atomgemeinschaft die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die aber in gewissem Sinne eine Weiterentwicklung und sehr große Vertiefung der EGKS darstellte. Bis 1967 bestand die EGKS noch selbständig weiter, bis die drei Gemeinschaften schließlich fusionierten. Dabei war die EWG schon zur ganz entscheidenden der drei Gemeinschaften geworden. Eine wirkliche Kontinuität des Amtes besteht deshalb eigentlich erst seit 1958.
[Bearbeiten] Nominierungsprozess
Fast jeder Wahl eines Kommissionspräsidenten geht ein langes Tauziehen zwischen den Regierungschefs und dem Parlament sowie den großen regionalen und politischen Blöcken (Sozialdemokraten, Konservative) voraus. Der Rat der Staats- und Regierungschefs bevorzugt eine Person aus seiner Mitte, doch im Gegensatz zum Europaparlament nicht unbedingt eine "starke" Persönlichkeit.
1994 Als Nachfolger von Jacques Delors war (mit britischer Unterstützung) zunächst der niederländische Premier Ruud Lubbers im Gespräch (auf einen sozialistischen Politiker aus einem großen Mitgliedstaat sollte nun wieder ein Vertreter der christlich-demokratischen Parteienfamilie, zudem aus einem kleineren Mitgliedstaat folgen). Lubbers wurde jedoch bei den entsprechenden Personalberatungen im Europäischen Rat von deutscher Seite abgelehnt. Der Alternativvorschlag von Bundeskanzler Kohl, der belgische Ministerpräsident Wilfried Martens scheiterte daraufhin u.a. am britischen Veto. Die im Europäischen Rat vertretenen Staats- und Regierungschefs einigten sich schließlich auf den Kompromisskandidaten Jacques Santer, Ministerpräsident des Großherzogtums Luxemburg.
1999 wurde nach der eher glanzlosen Amtszeit Jacques Santers, die letztlich am Korruptionsskandal um die französische Kommissarin Édith Cresson gescheitert war, der ehemalige italienische Ministerpräsident Romano Prodi zum Präsidenten der Kommission gewählt.
2004 war der Vorgang zur Bestellung des Nachfolgers von Romano Prodi besonders interessant, weil wichtige sozialdemokratisch geführte Regierungen (z. B. Gerhard Schröder) einer deutlichen EVP-Parlamentsmehrheit gegenüberstanden.
Der belgische Premierminister Guy Verhofstadt sowie der EU-Außenbeauftragte Javier Solana hatten insofern schon aus parteipolitischen Gesichtspunkten keine realistischen Chancen.
Nachdem verschiedene chancenreiche, der EVP nahestehende Kandidaten (u.a. Jan Peter Balkenende (Niederlande), Jean-Claude Juncker (Luxemburg), Wolfgang Schüssel (Österreich) sowie der konservative britische EU-Außenkommissar Chris Patten) im "Kandidatenpoker" zurückgezogen hatten, wurde nach dem für die EVP wiederum positiven Ausgang der Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2004 durch die in der EVP einflussreiche CDU-Vorsitzende Angela Merkel der portugiesische Ministerpräsident José Manuel Durão Barroso als Kandidat ins Spiel gebracht, der dann schließlich die größte Zustimmung fand (siehe auch Kommission Barroso#Personalfrage, Ernennung und Wahl der Kommission).
[Bearbeiten] Kommissionspräsidenten
Präsidenten der Hohen Behörde, seit Anbeginn auch schon als „Kommission“ der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl bezeichnet:
Nr. | Name | Heimatstaat | Beginn der Amtszeit | Ende der Amtszeit |
1 | Jean Monnet | Frankreich | 10. August 1952 | 3. Juni 1955 |
2 | René Mayer | Frankreich | 3. Juni 1955 | 13. Januar 1958 |
3 | Paul Finet | Belgien | 13. Januar 1958 | 15. September 1959 |
4 | Piero Malvestiti | Italien | 15. September 1959 | 22. Oktober 1963 |
5 | Rinaldo Del Bo | Italien | 22. Oktober 1963 | 28. Februar 1967 |
6 | Albert Coppé | Belgien | 1. März 1967 | 30. Juni 1967 |
Präsidenten der Kommission der Europäischen Atomgemeinschaft:
Nr. | Name | Heimatstaat | Beginn der Amtszeit | Ende der Amtszeit |
1 | Louis Armand | Frankreich | 7. Januar 1958 | 2. Februar 1959 |
2 | Étienne Hirsch | Frankreich | 2. Februar 1959 | 10. Januar 1962 |
3 | Pierre Chatenet | Frankreich | 10. Januar 1962 | 30. Juni 1967 |
Präsidenten der Kommission der EWG (1958–1967), EG (1967–1993) und EU (seit 1993):
Nummer | Name | Beginn der Amtszeit | Ende der Amtszeit | Heimatstaat | Partei |
1 | Walter Hallstein | 10. Januar 1958 | 30. Juni 1967 | Deutschland | CDU |
2 | Jean Rey | 6. Juli 1967 | 30. Juni 1970 | Belgien | PRL |
3 | Franco Maria Malfatti | 1. Juli 1970 | 21. März 1972 | Italien | DC |
4 | Sicco Leendert Mansholt | 22. März 1972 | 5. Januar 1973 | Niederlande | PvdA |
5 | François-Xavier Ortoli | 6. Januar 1973 | 5. Januar 1977 | Frankreich | UDR |
6 | Roy Jenkins | 6. Januar 1977 | 5. Januar 1981 | Vereinigtes Königreich | Labour |
7 | Gaston Thorn | 6. Januar 1981 | 5. Januar 1985 | Luxemburg | Demokratesch Partei |
8 | Jacques Delors | 6. Januar 1985 | 22. Januar 1995 | Frankreich | Parti socialiste |
9 | Jacques Santer | 23. Januar 1995 | 15. März 1999 | Luxemburg | CSV |
10 | Manuel Marin | 16. März 1999 | 15. September 1999 | Spanien | PSOE |
11 | Romano Prodi | 16. September 1999 | 21. November 2004 | Italien | La Margherita |
12 | José Manuel Durão Barroso | 22. November 2004 | amtierend | Portugal | PSD |
Die Farben geben die ungefähre politische Orientierung der Amtsinhaber wieder :
links / sozialistisch |
rechts / konservativ |
liberal |
[Bearbeiten] Literatur
- Simone Staeglich: Der Kommissionspräsident als Oberhaupt der Europäischen Union: Vom primus inter pares zur europäischen Leitfigur. Schriften zum Europäischen Recht Band 126. Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-12373-5.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
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