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Politische Religion – Wikipedia

Politische Religion

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Begriff Politische Religion ist ein Analyseinstrument der Politikwissenschaft, mit dem insbesondere das Funktionieren totalitärer Herrschaftssysteme erklärt werden soll.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Ursprung

Der Terminus „Politische Religion“ wurde, ähnlich wie der des Totalitarismus, in den Dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts geprägt. Die neuartigen, totalitären Regime in Europa konnten mit althergebrachten Begriffen wie "Diktatur" oder "Tyrannis" nur unzureichend beschrieben werden. So wurden neue Konzepte zur Erklärung des Funktionierens dieser Systeme entwickelt; eines davon war das der Politischen Religion.

Der Begriff wurde durch Eric Voegelins Abhandlung Die Politischen Religionen von 1938 bekannt. Auch christliche Theologen wie Paul Tillich verwendeten dieses Konzept. Nach dem zweiten Weltkrieg tauchte der Begriff in wissenschaftlichen Diskussionen nur noch selten auf, bis er - insbesondere durch Emilio Gentile - 1990 wieder aufgegriffen wurde. Inzwischen ist das Konzept als ein Erklärungsversuch insbesondere totalitärer Systeme anerkannt.

Das soziologische Phänomen selbst wurde aber nicht erst von Voegelin im Blick auf den Totalitarismus entdeckt. So schreibt bereits Max Weber 1895: „Die alten Götter, entzaubert und daher in Gestalt unpersönlicher Mächte, entsteigen ihren Gräbern, streben nach Gewalt über unser Leben und beginnen untereinander wieder ihren ewigen Kampf.“[1] Weitere Autoren, die die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts als Politische Religionen bezeichnet haben, sind Carl Friedrich, Raymond Aron und Hans Maier.

[Bearbeiten] Prämissen

Voraussetzung für die Rede von Politischer Religion ist ein weit gefasster, funktionalistischer Religionsbegriff: „Um die politischen Religionen angemessen zu erfassen, müssen wir daher den Begriff des Religiösen so erweitern, daß nicht nur die Erlösungsreligionen, sondern auch jene anderen Erscheinungen darunter fallen, die wir nicht in der Staatsentwicklung als religiöse zu erkennen glauben; und wir müssen den Begriff des Staates daraufhin prüfen, ob er wirklich nichts anderes betrifft als weltlich-menschliche Organisationsverhältnisse ohne Beziehung zum Bereich des Religiösen.“[2]

[Bearbeiten] Abgrenzung zum Konzept der Zivilreligion und der Theokratie

Der Begriff ist zu unterscheiden von den Ausdrücken „säkulare Religion“ und „Zivilreligion“, auch wenn die Konzepte einige Gemeinsamkeiten aufweisen. Die These der Politischen Religion bezieht sich insbesondere auf totalitäre Regime und Bewegungen, wie den Nationalsozialismus und den Stalinismus. Dagegen meint zivile Religion eine Form der Sakralisierung (d. h. religionsartig in Erscheinung tretende zusätzliche Stützung der Gemeinschaft, vgl. Jacques Rousseau Zivilreligion) der Politik und ihrer Symbole in Demokratien, wie sie etwa in den Vereinigten Staaten zu beobachten sei. Autoren, die Zivilreligionen auch im europäischen Raum ausmachen, z. B. Hermann Lübbe, lehnen die Bezeichnung Politische Religion zumeist ab, weil beide Begriffe oft undifferenziert ineinandergeworfen würden. So plädiert Lübbe dafür, nicht von „Politischen Religionen“, sondern von "Antireligionen" zu sprechen, da totalitäre Regime Religionen immer explizit abgelehnt hätten.

Nicht zu verwechseln ist der Ansatz der Politischen Religion mit der Theokratie. In der Theokratie beruft sich die politische Führung auf eine göttliche Legitimation. Forscher, die von der Annahme Politischer Religionen ausgehen, wollen damit lediglich das Funktionieren extremer Unterdrückungssysteme durch das Herauskristallisieren religionsähnlicher Elemente erklären.

[Bearbeiten] Grundzüge des Konzepts der politischen Religion

Die Grundthese des Konzepts der Politischen Religion ist, dass totalitäre Systeme in ihrer Funktionsweise strukturelle Ähnlichkeiten mit Religion aufwiesen und die Gefolgschaft der Masse in solchen Systemen zumindest teilweise mit Hilfe religiöser Kategorien und Begriffe zu erklären sei.

Vertreter dieser Position nennen vor allem die folgenden Argumente, um ihre Aussagen zu stützen:

[Bearbeiten] Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus als Produkte von Säkularisierungsvorgängen

Da der alte Zusammenhalt durch Religion verloren gegangen sei, werde in totalitären Systemen neuer Zusammenhalt durch „massenwirksame Ideologien der Klasse oder Rasse, der Ökonomie oder des Blutes“ [3] gestiftet. Die nach draußen gedrängte Religion, das nach draußen gedrängte religiöse Bedürfnis des Menschen, treten quasi durch die Hintertür wieder zurück in die Gesellschaft.

[Bearbeiten] Das Versprechen von Heil und Erlösung

Anstelle des Glaubens an eine jenseitige Erlösung trete der "Mythos der Erlösung" (Hans Maier) im Diesseits. Fixpunkt ist nicht mehr die Beziehung zu einem außerweltlichen Gott, sondern die Erlösung wird in Teilinhalten der Welt z. B. der Klasse oder der Rasse gesucht. Die von den politischen Religionen verkündete Heilsversprechung und Erlösung habe als unmittelbare Konsequenz in der Herrschaftsausübung die absolute Gewalt und deren absolute Rechtfertigung durch eine unanfechtbare, und damit quasi religiöse Ideologie (vgl. zum Beispiel Alfred Rosenbergs „Mythus des 20. Jahrhunderts“ als politische Religion).

[Bearbeiten] Der Führer als Messias

Es wird ferner darauf hingewiesen, dass durch extremen Führerkult der oder die Führer in Extremsituationen (insbesondere Kriegen) an die Stelle des übernatürlichen Heilsbringers, des Messias träten. So sei Adolf Hitler sowohl als Prophet, als auch als quasi übernatürlicher Erretter des deutschen Volkes gesehen worden. Entscheidend ist hierbei nicht die Selbstdarstellung der Führer, sondern der tatsächliche Glaube der „Geführten“ an übernatürliche Fähigkeiten oder den „schicksalhaften“ Sendungsauftrag des Führers. In vielen deutschen Haushalten seien Jesus-Bilder durch Hitler-Bilder ersetzt worden. Unter dem Vichy-Regime wurde das Vater Unser auf den Führer Philippe Pétain umgedichtet. Frankreich hätte sich nach der unerwarteten und vollständigen Niederlage im Blitzkrieg in einer derart verzweifelten Lage befunden, dass es sich nach einem Erlöser aus der Not gesehnt habe. Diese Sehnsucht sei schließlich auf Pétain projiziert worden.

[Bearbeiten] Das utopische Element

Eine weitere Verbindung in der Funktionsweise von Totalitarismus und Religion wird darin gesehen, dass der Totalitarismus auf die Fiktion angewiesen sei. Als Beispiel wird unter anderem die von den Nationalsozialisten propagierte Fiktion der „jüdischen Weltverschwörung“ gegen das deutsche Volk angeführt.

[Bearbeiten] Die Rolle von Ritualen und Festen

Ferner wird darauf hingewiesen, dass sowohl der Totalitarismus, als auch die Religion auf kultische Rituale und die Feste bauten. So hätten beispielsweise Militär-Umzüge, die Inszenierung der Nürnberger Parteitage der NSDAP, oder die Jugendweihe in der DDR zur Sakralisierung von Politik beigetragen.

[Bearbeiten] Totalitäre Bewegungen als esoterische Bewegungen

Hannah Arendt sah in totalitären Systemen dezidiert esoterische Bewegungen. So sah sie beispielsweise im Ahnenpass ein Mittel, um einen Kreis der in die Gemeinschaft (hier: in die Gemeinschaft der arischen Rasse) „Eingeschlossenen“ zu konstruieren, die sich von den „Ausgeschlossenen“ unterscheidet.

[Bearbeiten] Der Totalitarismus als „Überwinder“ der Säkularisierung

Nach einer anderen Begründung sei der Totalitarismus religiös, weil er die Aufhebung der Trennung von Kirche und Staat anstrebe, und somit eine Sakralisierung des politischen Lebens, wie sie aus der Antike bekannt ist (Raymond Aron).

[Bearbeiten] Grenzen des Konzepts

Der Forschungsansatz „Politische Religion“ beschränkt sich vornehmlich auf mentale und psychische Aspekte der Umsetzung des Führerprinzips und Personenkults. Nach Hans Maier ist daher eine Kombination mit der eher formal auf die Herrschaftsweise abzielenden Totalitarismustheorie sinnvoll.

[Bearbeiten] Fußnoten

  1. Max Weber, Der Beruf zur Wissenschaft, in: Soziologie, Universalgeschichtliche Analysen, Politik, Stuttgart 1979, S. 330
  2. Eric Voegelin, Politische Religionen, München 1993, S. 12
  3. Maier 1995: 29

[Bearbeiten] Literatur

  • Eric Voegelin: Die politischen Religionen. 1938, Neuauflage 1993
  • Emilio Gentile: Il culto del littorio. La sacralizzazione della politica nell' Italia fascista. Rom/Bari 1993
  • Hans Maier (Hrsg.): "Totalitarismus" und "Politische Religionen." Paderborn, München u. a. 1996 (Band 1)
  • Claus-Ekkehard Bärsch: Die politische Religion des Nationalsozialismus. München 1997
  • Michael Hesemann: Hitlers Religion. München 2004
  • Michael Ley: Der Nationalsozialismus als politische Religion. Bodenheim 1997, ISBN 978-3-82570-032-4
  • Michael Ley, Gilbert Weiss: Voegelin in Wien. Frühe Schriften 1920-1938, Wien 2007, ISBN 978-3-85165-751-7
  • Richard Faber (Hrsg.): Politische Religion - religiöse Politik. Würzburg 1997
  • Hans Maier, Michael Schäfer (Hrsg.): "Totalitarismus" und "Politische Religionen" Paderborn, München u. a. 1997 (Band 2)
  • Markus Huttner: Totalitarismus und säkulare Religionen. Zur Frühgeschichte totalitarismuskritischer Begriffs- und Theoriebildung in Großbritannien. Bonn 1999
  • Hans Maier (Hrsg.): Wege in die Gewalt. Die modernen politischen Religionen. Frankfurt/Main 2000
  • Emilio Gentile: Le religioni della politica. Fra democrazie e totalitarismi. Rom 2001
  • Hans Maier (Hrsg.): "Totalitarismus" und "Politische Religionen". Paderborn, München u. a. 2003 (Band 3)
  • Klaus Hildebrand (Hrsg.): Zwischen Politik und Religion. Studien zur Entstehung, Existenz und Wirkung des Totalitarismus. 2003
  • Franz Wegener: Buchreihe zur Politischen Religion des Nationalsozialismus mit den Einzeltiteln: Das atlantidische Weltbild, Alfred Schuler, Kelten, Hexen, Holocaust - Menschenopfer in Deutschland, Heinrich Himmler - Deutscher Spirtismus, französischer Okkultismus und der Reichsführer SS, Weishaar und der Geheimbund der Guoten, Der Alchemist Franz Tausend, Gladbeck 2001-2006
  • Hans Otto Seitschek: Politischer Messianismus. Totalitarismuskritik und philosophische Geschichtsschreibung im Werk Jacob Leib Talmons. Paderborn, München u. a. 2005

[Bearbeiten] Weblinks

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