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Orientalismus – Wikipedia

Orientalismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Für den Orientalismus in Kunst und Literatur, die Vorliebe für orientalische Motive, Figuren und Schauplätze, die vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert in Frankreich als Form des Exotismus auftritt, siehe Orientalismus (Kunst).
Romantisierende Darstellung eines Farbigen als Beispiel für den Orientalismus. Jean-Léon Gérôme: Der Neger (Meister der Hunde)
Romantisierende Darstellung eines Farbigen als Beispiel für den Orientalismus. Jean-Léon Gérôme: Der Neger (Meister der Hunde)
Populäre Phantasie über Harem und Hamam. Jean-Léon Gérôme: Bad im Harem (1889)
Populäre Phantasie über Harem und Hamam. Jean-Léon Gérôme: Bad im Harem (1889)

Mit dem Begriff Orientalismus bezeichnet Edward Said in seinem 1978 erschienenen Werk den eurozentrischen, westlichen Blick auf die Gesellschaften des Vorderen Orients bzw. die arabische Welt als einen „Stil der Herrschaft, Umstrukturierung und des Autoritätsbesitzes über den Orient“[1] Dieses Denken drücke ein Überlegenheitsgefühl gegenüber dem Orient aus und sei ein Teil der modernen politischen und intellektuellen Kultur unserer Gegenwart. Es stelle sich als ein Diskurs dar, in dem der „aufgeklärte Westen“ und „mysteriösen Orient“ gleichermaßen verhandele wie beherrsche und zeichne sich durch die ungebrochene Tradition einer tief sitzenden Feindseligkeit gegenüber dem Islam aus. In seiner Studie definiert Said diese Einstellung - und nicht etwa die früher so bezeichnete akademische Disziplin der Orientalistik bzw. Islamwissenschaft - als Orientalismus. Seine Thesen, in denen er sich auf das Diskurskonzept von Michel Foucault stützt, haben seither für heftige Kontroversen gesorgt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Saids Kritik am Orientalismus

Mit Hilfe der Ansätze von Michel Foucault analysiert Said Werke britischer und französischer[2] Wissenschaftler und Schriftsteller und arbeitet dabei heraus, dass es hierbei nicht um eine objektive Betrachtung der Situation gehe. Vielmehr drücke sich in den Arbeiten ein kolonialistischer Ansatz aus, der dem Machtverhältnis zwischen Kolonialisten und Kolonialisierten entspräche.

Westliches Denken sei geprägt davon, Definitionen über Gegensätze herzustellen. Während der „Westen“ als die Zivilisation an sich angesehen werde, erscheine der Orient mysteriös und bedrohlich. Durch Herrschaftswissen sähen sich westliche Autoren in der Lage, die Situation und die Menschen des Orients zu definieren und nähmen ihnen damit ihr Selbstbestimmungsrecht. Aus dieser Definitionsmacht resultierten exotistische, kulturalistische und auch offen rassistische Bilder, welche der Legitimierung der Kolonialisierung des Orients dienten.

Diese Arbeit ist eine wichtige Grundlage für die postkoloniale Wissenschaft, die mit Saids Ansatz bisherige wissenschaftliche Erkenntnisse überprüft und an verschiedenen Beispielen aufzeigen kann, wie sehr das Verhältnis zwischen Europa und anderen Regionen, wie dem Balkan, Indien oder China von kolonialistischen Annahmen geprägt wird. Kritiken und Erweiterungen der Said'schen Analysen aus feministischer Sicht finden sich insbesondere bei Reina Lewis, Anne McClintock und Meyda Yegenoglu.

Kritik an orientalistischen Positionen hat es schon lange vor Saids Veröffentlichungen gegeben. So hat Nâzım Hikmet 1925 gegen die romantisierenden und exotistischen Positionen des französischen „Türkeiliebhabers“ Pierre Loti gedichtet:

Doch
es gab
weder gestern
noch gibt es heute
so einen Orient und es wird ihn
auch morgen
nicht geben!

Piyer Loti, 1925

Die Saidsche Analyse birgt trotz ihrer Brillanz sowohl in methodologischer als auch in inhaltlicher Hinsicht einige Schwachstellen, etwa hinsichtlich der mangelnden geographischen Spezifizierung oder auch hinsichtlich der fehlenden zeitlichen Eingrenzung. Inhaltlich ist u.a. die homogene Darstellung des orientalistischen Diskurses problematisch, da dadurch die Unterscheidung zwischen Orient und Okzident, die es aufzuheben gilt, zementiert wird und beständig ein realer Orient impliziert wird.

[Bearbeiten] Übersetzungen

Saids Werk wurde in verschiedene Sprachen übersetzt, darunter neben zahlreichen europäischen Sprachen auch Japanisch, Koreanisch und Hebräisch. Die arabische Übersetzung stammt von Kamal Abu Deeb, einem syrischen Dichter.[3] Die deutsche Fassung ist derzeit vergriffen.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Iman Attia (Hg.): Orient- und IslamBilder - Interdisziplinäre Beiträge zu Orientalismus und antimuslimischem Rassismus. Münster, 2007, ISBN 978-3-89771-466-3
  • Klaus-Michael Bogdal (Hg.): Orientdiskurse in der deutschen Literatur. Bielefeld: Aisthesis Verlag 2007, ISBN 978-3-89528-555-4
  • Ian Buruma, Avishai Margalit: Okzidentalismus. Der Westen in den Augen seiner Feinde Hanser-Verlag 2005, 160 Seiten, Hardcover € 15,90, ISBN 3-446-20614-0
  • Andre Gingrich: Frontier Myths of Orientalism. The Muslim World in Public and Popular Cultures of Central Europe. In: MESS. Piran 1996. Hg. Bojan Baskar & Borut Brumen, Ljubljana, 1998
  • Stefan Hauser: Orientalismus. In: Der Neue Pauly. 15/1/2001, S. 1233–1243 (Ausgezeichnete, knappe Zusammenfassung der Kernthesen sowie der damit verbundenen Probleme.)
  • Sabine Mangold: Eine „weltbürgerliche Wissenschaft“. Die deutsche Orientalistik im 19. Jahrhundert. Stuttgart, 2004, ISBN 3-515-08515-7 (Rezension)
  • Andrea Polaschegg: Der andere Orientalismus. Regeln deutsch-morgenländischer Imagination im 19. Jahrhundert. Berlin, 2004, ISBN 3-11-018495-8 (Rezension)
  • Edward Said: Orientalismus. Fischer-Taschenbuchverlag 1979, ISBN 3-596-12240-6, Ullstein Verlag 1981 (vergriffen); Engl, lieferbar: Orientalism. 1st Vintage Books Ed 1979, ISBN 039474067X
  • Markus Schmitz: Kulturkritik ohne Zentrum. Edward W. Said und die Kontrapunkte kritischer Dekolonisation. Bielefeld: transcript-Verlag 2008, ISBN 978-3-89942-975-6.

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Edward Said: Orientalismus. Ullstein 1981. S. 10.
  2. Die russische Orientwissenschaft wird nicht betrachtet, und der deutschen/ungarischen bescheinigt Said, sie sei "clean" (sauber) Said: Orientalism, 1978. Ch.1 S. 2&4
  3. Edward Said: Orientalism. Penguin Books, London 2003, Nachwort von 1995


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