Nichts
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Der Begriff Nichts findet sich sowohl in der Alltagssprache, als auch als abstraktes Konzept in der Philosophie.
Gleich zu Beginn ist zur Vermeidung von Missverständnissen auf einige grundlegende linguistische Unterschiede hinzuweisen, deren Nichtbeachtung schon zu allerlei philosophischem Unsinn geführt hat:
(1) Das Substantiv „Nichts“ („ein Nichts“, „Nichtse“) kann bezogen werden auf:
- etwas nicht Vorhandenes, nicht Daseiendes, ein Unding und allgemeiner etwas Wesenloses, Nichtiges, etwas nicht Greifbares oder ein Etwas, dem doch der eigentliche Inhalt, das innere Sein und Leben fehlt, der bloße Schein
- eine unwerte, unbedeutende, gehaltlose und nichtige Person oder Sache
(2) Die Nominalphrase „das Nichts“ bezieht sich auf:
- Das Gegenteil des Seins, die Verneinung des Seins, das Sein von nichts, das Nichtsein, das Nichtsein von allem, die Abwesenheit von allem, die Anwesenheit von nichts, die Nichtigkeit schlechthin, (die Leere schlechthin)
(3) Das Indefinitpronomen „nichts“ bedeutet:
- nicht irgend(etwas), kein Ding, keine Sache, nicht das Mindeste
- In der formalen Logik tritt „nichts“ ausschließlich in Gestalt des sog. negierten Existenzquantors () auf.
- Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass „nichts“ im Gegensatz zu „das Nichts“ kein Name, kein „singulärer Terminus“, wie der Logiker sagt, ist.
- Dieser relevante linguistisch-logische Unterschied hat zur Folge, dass z. B. „Nichts existiert“ (d. i. „Es ist nicht der Fall, dass etwas existiert“) und „Das Nichts existiert“ keineswegs synonym oder äquivalent sind.
(4) Die Negationspartikel „nicht“
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Das Nichts in der Philosophie
- Hauptartikel: Nichts (Philosophie).
Der Frage, ob sich „Nichts“ denken lässt oder nicht – und wenn ja, wie – ist in der Philosophiegeschichte auf sehr verschiedene Arten nachgegangen worden. Der Umgang mit dieser Frage kann philosophischer Disziplinen geschehen; „Nichts“ kann als Thema der Metaphysik und Ontologie behandelt werden (z. B. bei Platon oder Hegel), „Nichts“ kann aber auch als existentielle Erfahrung philosophisch beschrieben werden (z. B. bei Martin Heidegger oder Jean-Paul Sartre), oder die Spuren von „Nichts“ können als sprachphilosophische und logische Phänomene wie Verneinung oder Falschheit analysiert werden.
Die Behandlung des „Nichts“ in der angelsächsischen Philosophie des 20. Jahrhunderts
In der Interpretation der angelsächsischen Philosophie verwenden Martin Heidegger und Jean-Paul Sartre in ihren Schriften regelmäßig den Begriff „Das Nichts“ in der Weise, als stünde er für eine bestimmte Entität. Hierzu hat insbesondere Rudolf Carnap sich kritisch geäußert. Der Vorreiter des Wiener Kreises zeigt in seinem Aufsatz „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“, dass die Annahme, der Begriff „Das Nichts“ habe einen Inhalt, auf einer Verwechslung von logischer und grammatischer Struktur von Begriffen und Sätzen beruht. Während im Englischen der Terminus „nothing“ in „(the) nothingness“ umgeformt werden muss, um ihn zu substantivieren, wird im Deutschen einfach „Das Nichts“ aus „Nichts“.
Die moderne Logik versucht zu zeigen, dass „Nichts“ einfach nur als „Nicht etwas“ verstanden werden kann und muss, so dass keine derartige Umformung möglich ist.
Noch größere Probleme ergeben sich bei der Umformung in das Verb „nichten“. Selbst wenn die Logik keinen Anspruch auf einen Primat erheben könnte, bliebe für die angelsächsische Philosophie der Satz „Das Nichts nichtet“ sinnlos, da im alltäglichen Sprachgebrauch die Präsuppositionen, die zur Äußerung nötig wären, nicht vorliegen. Der Satz ist also sowohl unter idealsprachlichen als auch unter normalsprachlichen Kriterien auf begriffliche oder kognitive Fehler zurückzuführen.
Heidegger muss sich von diesen Angriffen nicht treffen lassen. Aus seiner Sicht ist es paradigmatisch Logik und Sprachanalyse als einzige philosophische Methoden zuzulassen. Er versuchte statt dessen in seiner Existenzialontologie um 1927 die Rolle von Logik und Sprache innerhalb des gesamten menschlichen Dasein zu verorten. Da die modernen Wissenschaften jedoch alle auf logischen Prinzipien beruhen und zugleich das Nichts nicht thematisieren, wies Heidegger ihnen konsequenter Weise 1929 in dem Vortrag Was ist Metaphysik? einen begrenzten Erkenntnisbereich zu. Für diesen treffen sie zwar richtige Aussagen entsprechend ihrer methodischen Welterschließung, da sie sich aber nur mit Seiendem beschäftigen, können sie zum Problem des Nichts grundsätzlich keine Stellung beziehen. Wissenschaften können das Nichts nur vom Seienden her vorstellen, d.h. nur als Negation eines Seienden. Dies entspricht aber nach Heidegger nicht dem phänomenologischen Charakter des Nichts als Nichts, sondern stellt lediglich eine verstandesmäßige Umkehrung dar.
Folgt man Richard Rorty, so könnte man zu dem Punkt kommen, an dem keine Entscheidung zwischen den beiden Ansichten über „Das Nichts“ mehr möglich ist, da unterschiedliche Vokabulare und Grundanschauungen vorliegen, da trotz Carnaps exzellenter Dekonstruktion des Begriffs noch immer die Position vertreten wird, man könnte mit dem Begriff „Das Nichts“ etwas bezeichnen.
Seltenst wird sogar die Meinung vertreten, dem „Nichts“ kämen Eigenschaften zu. Diese Position lehnen jedoch selbst Sartre und Heidegger ab, so dass sie als mehr oder weniger irrelevantes Kuriosum betrachtet werden kann.
Das Nichts und die Naturwissenschaften
Während in der Zeit von Otto von Guericke und seinem Versuch mit den Magdeburger Halbkugeln vielen bereits die Abwesenheit von Luft als Nichts galt, würde heute niemand mehr das Vakuum – im Sinne eines materiefreien Raumes – als Nichts betrachten. Selbst wenn es gelänge, ein 100 %-iges Vakuum zu schaffen, in dem weder materielose Wellen oder wechselwirkende Felder vorkämen, so wäre dieser Raum dennoch nicht frei von Ereignissen bzw. Materie, da sich permanent Teilchen und Antiteilchen bilden und sofort wieder vernichten. Dieses als Vakuumfluktuation bezeichnete Phänomen wurde in seiner Ausprägung als Casimir-Effekt 1958 experimentell bestätigt.
Seit dem 20. Jahrhundert wird mit dem Begriff Nichts eher die dem menschlichen Verstand nicht zugängliche Abwesenheit jeglichen Seins, also auch von Raum und Zeit verstanden.
Das heutige sogenannte Standardmodell der Kosmologie legt die Entstehung von Raum und Zeit in den Urknall. Deren im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie postulierten Eigenschaften verlieren jedoch bei der zeitlichen Annäherung an den Urknall, an der Schwelle zur Planck-Zeit ihre Gültigkeit. Der Begriff des Nichts im Sinne eines „vor dem Urknall“ wird aus diesen Gründen von der heutigen Naturwissenschaft nicht verwendet, sondern als physikalisch sinnlos betrachtet. Astronomen und Physiker sprechen im Zusammenhang mit dem Urknall von einer Singularität.
Nichts, Null und die leere Menge
Es gibt keinen mathematischen Begriff „nichts“. Die Null ist eine Zahl: Zwar sind null Äpfel nichts, aber die Zahl Null ist nicht nichts, genauso wenig wie die Zahl Eins ein Apfel ist. Die leere Menge ist eine Art Behältnis, das nichts enthält, insbesondere lassen sich aus der leeren Menge andere Mengen aufbauen. So ist z.B. in John von Neumanns mengentheoretischen Modell der natürlichen Zahlen die Null durch die leere Menge gegeben, die Eins durch die Menge, die nur die leere Menge als Element enthält, usw..
Im Kontext von Datenbanken bezeichnet man den Wert einer Zelle, die nichts, also auch nicht den Zahlenwert Null enthält, als Nullwert.
In diversen Programmiersprachen wird ebenfalls der Wert 'null' (teilweise auch 'NULL' geschrieben) verwendet, um auszudrücken, dass eine Pointer- bzw. Referenzvariable auf nichts auf ein Objekt mit dem Anfangswert null zeigt.
Siehe auch
Literatur
- Henning Genz, Die Entdeckung des Nichts, Rowohlt, 1999, ISBN 3-499-60729-8
- bild der wissenschaft 10/2006, „Nichts“ (S. 40-59)
Weblinks
- „Nichts“ im Meyers Lexikon
- Eintrag in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (englisch, inkl. Literaturangaben)