Nasreddin
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Nasreddin (persisch ملا نصرالدین, Arabisch: جحا Joĥa ,نصرالدين "Sieg des Glaubens", Türkisch "Nasreddin Hoca", Albanisch "Nostradin Hoxha" meistens nur "Nostradini", Rumänisch "Nastratin Hogea", italienisch "Giufà" oder "Giucà", griechisch "Νaστραντίν Χότζας", bulgarisch "Настрадин Ходжа" oder "Hitar Petar", Bosnisch "Nasrudin hodža", Usbekisch "Nasriddin Afandi" oder nur "Afandi", kasachisch "Khozhanasir", uigurische "Afanti", "Afanti de gu shi") ist zugleich eine Weisen-, Narren-, Meister-, Bettler-, Richter-, Lehrer-, Philosoph- und Arztfigur aus Italien, Balkan, Vorderasien und Zentralasien. Er kommt in vielen Schwänken vor, die sowohl oberflächlich einfach als Witz wahrgenommen werden können, aber auch eine versteckte Aussage haben. Die erste schriftliche Erwähnung einer Lehrgeschichte von Nasreddin findet in der Saltukname, eine Sammlung von Legenden über Sari Saltuk, einem Heiligen des 13. Jahrhunderts statt. Diese wurde 1480 von Ebülhayr Rumi nach siebenjähriger Vorarbeit herausgegeben.
Sein Name wird in jeder Sprache der oben erwähnten Regionen unterschiedlich ausgesprochen, aber der Name Nasr ed-Din bedeutet „Sieg des Glaubens“.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
Es wird behauptet das ein historischer Nasreddin zwischen den 13. und 14. Jahrhunderten in Anatolien oder Persien gelebt haben soll, wo er als geistlicher Lehrer wirkte. In Konya in der Türkei sowie im Iran befinden sich auch seine vermutlichen letzten Ruhestätten. Der Legende nach soll Timur Lenk seinen Ruf als weisen Schalk begründet haben. Aber wie bei anderen Figuren aus der Überlieferung, ist auch der heutige Nasreddin keine authentische historische Person. Ihm wurden allerlei witzige, humorvolle oder schwankhafte Erzählungen nachträglich zugeschrieben (wie beispielsweise die von Dschuha). In vielen Erzählungen spielt er einfach eine Witzfigur wie Fritzchen, in anderen eine Art Till Eulenspiegel, wobei es durchaus Ähnlichkeiten in den Geschichten zu Eulenspiegel gibt (siehe beispielsweise Der Klang des Geldes, die vergleichbar bei Till Eulenspiegel oder in Grimms Märchen vorkommt). Von Italien bis Indien ist er in allen islamisch und christlich geprägten Regionen bekannt, und ihm werden vielerorts lokale Ereignisse zugeschrieben. Nasraddin oder Nostradin wird von den meisten Völker der oben erwähnten Regionen für sich beansprucht, aber seine ethnische Zugehörigkeit bleibt weiterhin unbekannt.
[Bearbeiten] Beispiele
[Bearbeiten] Der Schmuggler
Wieder und wieder überquerte Nasreddin die Grenze zwischen Persien und Griechenland auf Eselsrücken. Jedes Mal hatte er zwei Körbe mit Stroh dabei und kam ohne sie zurück. Jedes Mal untersuchte die Wache ihn wegen Schmuggelware. Niemals fand man etwas. „Was bringst du herüber?“, fragten Sie ihn. „Ich bin ein Schmuggler.“, antwortete er immer. Jahre später, Nasreddin machte einen immer wohlhabenderen Eindruck, zog er nach Ägypten. Dort begegnete er einem der Grenzwächter. „Sag einmal, Nasreddin, jetzt wo du außerhalb der Gerichtsbarkeit von Griechenland und Persien bist und hier in solchem Wohlstand lebst, sage mir doch, was war es eigentlich, was du geschmuggelt hast, als wir dich nie überführen konnten.“ „Esel“.
Hier zeigt Nasreddin, dass dem gewöhnlichen Menschen ein großer Teil der Bedeutung des Lebens entgeht, weil er in Schablonen denkt, und sich nicht auf eine ganz andersartige Sicht der Dinge einstellen kann. Er mag leben, ja sogar Fortschritte machen, aber er versteht nicht alles, was um ihn her vorgeht.
Ins Deutsche übertragen wurden unter anderem die Schwänke nach Orhan Veli.
[Bearbeiten] Der Esel
Ein Mann kam zu Nasreddin, um sich einen Esel von ihm zu borgen. „Sehr gerne“, sagte Nasreddin „aber heute ist mein Esel nicht da!“. In diesem Augenblick schreit der Esel hinter dem Haus: „I-aaah“. „Warum lügst du? Dein Esel ist doch zu Hause!“ „Was ist los? Wem glaubst du mehr, mir oder einem Esel?“, fragte der Mullah.
[Bearbeiten] Der Topf
Einmal ging Nasreddin zu seinem Nachbarn und fragte: „Kannst du mir einen Topf leihen?“ Darauf antwortete der Nachbar: „Selbstverständlich!“ Am nächsten Tag gab Nasreddin seinem Nachbarn den Topf zurück und bedankte sich bei ihm dafür. Er hatte aber zusätzlich in den Topf noch einen kleinen Topf gestellt. An einem anderen Tag sagte der Nachbar: „Nasreddin, du hast einen kleinen Topf in meinem Topf vergessen.“ Mit ernstem Ton sprach Nasreddin: „Der Topf war schwanger und hat bei mir ein Baby bekommen.“ Als sich Nasreddin später wieder einmal einen Topf bei dem Nachbarn leihen wollte, gab dieser ihm den größten, den er im Hause hatte. Mehrere Tage vergingen, aber Nasreddin brachte den Topf nicht zurück. Schließlich fragte der Nachbar: „Wo ist mein Topf?“ Nasreddin sprach ihm sein Beileid aus: „Er ist leider gestorben.“ – „So ein Unsinn“, erwiderte der Nachbar, „Wie kann ein Topf denn sterben?“ – „Wenn Töpfe Junge bekommen können, dann können sie auch sterben“, antwortete Nasreddin.
[Bearbeiten] Die Auberginen
Also ward Nasreddin zum engen Vertrauten und bevorzugten Günstling des Herrschers. Eines Tages nun bereitete der Koch einige Auberginen zu, die dem Herrscher so köstlich schmeckten, dass er dem Koch befahl, dieses Gericht jeden Tag zuzubereiten. Auf den Ausruf des Herrschers: „Ist dies nicht das wohlschmeckendste Gemüse auf der ganzen Welt?“, antwortete Mullah Nasreddin pflichtgemäß: „Ja, Euer Majestät! Das allerbeste!“ Als nun am fünften Tag beim so und so vielten Essen wieder Auberginen aufgetragen wurden, brüllte der Herrscher: „Nehmt sofort dieses Essen hinfort! Es ist schauderhaft!“ „Ja, wirklich, Euer Majestät“, pflichtet Mullah Nasreddin bei, „wahrhaftig es ist das übelste Gemüse der Welt!“ „Aber Nasruddin“, wandte der Herrscher ein, „vor einigen Tagen noch priesest du dieses als allerbestes Gemüse?“ „Ja, schon wahr, Eure Majestät! Aber schließlich diene ich dem Herrscher und nicht dem Gemüse!“
[Bearbeiten] Der Klang des Geldes
Nasreddin ging durch den Basar. Er hörte Geschreie aus einer Garküche. Nasreddin rannte sofort hin, um nachzusehen, was dort geschah. Er sah einen Wirt, der einen Bettler am Kragen schüttelte, nur weil der Bettler nicht zahlte. Nasreddin fragte, was los sei. Der Wirt brüllte: „Dieser Landstreicher holte einen Fladen aus der Tasche und hielt den Fladen solange auf dem Bratspieß, bis er nach Fleisch roch und doppelt so gut schmeckte und jetzt zahlt er nicht.“ Daraufhin sprach Nasreddin zum Bettler: „Es ist nicht gut, fremdes Gut ohne Bezahlung zu benutzen. Hast du Geld?“ Der Bettler holte ein paar Münzen aus der Tasche und der Wirt streckte seine Hand aus, aber Nasreddin sprach plötzlich: „Warte, Meister des Wohlgeschmacks, hör mal genau zu!“ Nasreddin schüttelte eine Weile die Faust, in der sich die Münzen befanden und es klimperte. Er gab dem Bettler das Geld zurück und rief: „Gehe hin, in Frieden!“ Der Wirt sprach erschrocken: „Aber ich hab das Geld doch überhaupt nicht bekommen.“ Nasreddin dagegen: „Er hat den Duft deines Bratens gerochen und du hast den Klang seines Geldes gehört. Jetzt seid Ihr quitt!“
[Bearbeiten] Der Prediger
Nasreddin kam einmal in ein Dorf und trat eine Stelle als Mullah an. Zu seinen Aufgaben gehörte es, jeden Freitag eine Predigt über eine Sure des Koran zu halten. Am ersten Freitag stieg er auf die Kanzel und fragte seine Zuhörer nach Verlesung der Sure: „Versteht ihr, was ich gerade las?“ Seine Hörer sagten natürlich: „Nein.“ Darauf antwortete Nasreddin: „Dann brauche ich auch erst gar nicht anzufangen, weil das für euch ja sowieso zu schwierig ist.“ Sprachs und stieg von der Kanzel. Die Dorfbewohner wunderten sich über ihren neuen Mullah, und machten aus, am nächsten Freitag anders zu antworten. Wieder fragte Nasreddin: „Versteht ihr auch, was ich gerade las?“ Diesmal sagten sie: „Ja.“ Nasreddin antwortete: „Dann brauche ich es euch ja nicht noch einmal zu erklären.“ Und stieg von der Kanzel. Die Dorfbewohner waren nun etwas ungehalten und verabredeten, ihrem Mullah eine Falle zu stellen. Als der dritte Freitag kam, stieg Nasreddin wieder auf die Kanzel, las die Sure und fragte: „Versteht ihr auch, was ich gerade las?“ Diesmal sagten einige „Ja“, und einige „Nein“. Nasreddin blickte sie lächelnd an, und antwortete: „Dann mögen doch bitte die, die es verstehen, denen, die es nicht verstehen, erklären.“ Stieg von der Kanzel und zog weiter.
[Bearbeiten] Der Standpunkt
Nasreddin saß am Flussufer, als jemand vom anderen Ufer aus rief: „Wie komme ich denn hier auf die andere Seite?“ Drauf antwortete Nasreddin: „Du bist auf der anderen Seite!“
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Gerd Frank (Hrsg.): Der Schelm vom Bosporus. Anekdoten um Nasreddin Hodscha. Edition Orient, 1994, ISBN 3-922825-55-9
- Idries Shah: Die fabelhaften Heldentaten des vollendeten Narren und Meisters Mulla Nasruddin
- Idries Shah: Die Sufis. Botschaft der Derwische, Weisheit der Magier. (Kapitel 4: Die listigen Streiche des Mulla Nasrudin), Eugen Diederichs Verlag, 1976, ISBN 3-424-00627-0
- Ines Balcik: Dreißig und ein Tag. Mit Nasreddin Hodscha durch den Ramadan.
- Leonid Wassiljewitsch Solowjow: Die Schelmenstreiche des Hodscha Nasreddin
[Bearbeiten] Weblinks
- Eine beachtliche Sammlung an Nasreddin-Hodscha-Geschichten
- Liste von Nasreddin-Büchern in verschiedenen Sprachen
Personendaten | |
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NAME | Nasreddin |
ALTERNATIVNAMEN | Nasrudin, Nasreddin Hodscha, Nasrettin Hoca, Molla Nasreddin, Mulla Nasruddin |
KURZBESCHREIBUNG | Weisen-, Narren-, Meister-, Bettler-, Richter-, Lehrer- und Arztfigur im Islam |