Hilfe zum Lebensunterhalt
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Die Hilfe zum Lebensunterhalt (HzLu; auch HzL oder HLU abgekürzt) ist eine in Deutschland bestehende bedarfsorientierte soziale Leistung zur Sicherstellung des soziokulturellen Existenzminimums. Sie bildet seit dem 1. Januar 2005 neben dem Arbeitslosengeld II (SGB II) und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung die unterste Ebene im Netz der sozialen Sicherung. Gesetzlich geregelt ist die HzLu im gleichnamigen dritten Kapitel des SGB XII – Sozialhilfe in den §§ 27 - 40 SGB XII [1]. Während im Jahr 2004 vor dem Inkrafttreten des SGB II noch 9,981 Mrd. Euro für die Hilfe zum Lebensunterhalt ausgegeben wurde, reduzierten sich 2006 die Ausgaben auf 1,065 Mrd. Euro. Dies entspricht einem Rückgang von knapp 38% auf 5,2% der Sozialhilfeausgaben[1].
Wegen des Nebeneinanders dreier Sozialleistungen zur Existenzsicherung kommt der Abgrenzung zwischen dem SGB II und dem SGB XII besondere Bedeutung zu. Da für bedürftige erwerbsfähige Personen im Alter zwischen 15 und 65 Jahren nunmehr das SGB II maßgeblich ist, bleibt nur ein kleiner Personenkreis, der Anspruch auf HzLu haben kann.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Personenkreis
Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt haben im Bedarfsfall
- Personen, die eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen. Diese Personen haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II, weil sie dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, andererseits keinen Anspruch auf Grundsicherung, weil das Merkmal der Dauerhaftigkeit nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII [2] nicht erfüllt ist,
- Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld II endet, weil sie sich voraussichtlich länger als 6 Monate in einer stationären Einrichtung aufhalten (§ 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II),
- Kinder unter 15 Jahren, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit Beziehern von Grundsicherung leben (z. B. bei den Großeltern) und ihren Lebensunterhalt vor allem aus Unterhaltsansprüchen nicht sicherstellen können,
- Ausländer, die wegen § 2 Abs. 1 AsylbLG [3] einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt haben, nach 48-monatigem Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG.
- Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG [4] erteilt wurde, dies sind z. B. Ausländer, bei denen ein Abschiebehindernis festgestellt wurde, weil ihnen im Herkunftsstaat Folter droht oder aus anderen Gründen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
- Personen, deren Antrag auf Grundsicherung abgelehnt wird, weil die Sozialhilfebedürftigkeit in den letzten zehn Jahren vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde (§ 41 Abs. 4 SGB XII). Der Träger der Sozialhilfe kann die Leistung in diesem Fall auf das "zum Lebensunterhalt Unerlässliche" kürzen (§ 26 SGB XII) – in der Praxis wird eine Kürzung des Regelsatzes um 20-30 % vorgenommen.
- Bewohner von vollstationären Einrichtungen der Pflege, der Altenhilfe oder der Eingliederungshilfe für Behinderte (in Alten-, Pflege- oder Behindertenwohnheimen), deren eigenes Einkommen und Vermögen nicht ausreicht, die Kosten der Unterkunft zu zahlen (Lebensunterhalt in Einrichtungen, § 35 SGB XII)
[Bearbeiten] Leistungen
Der Bedarf bei der Hilfe zum Lebensunterhalt setzt sich zusammen aus:
- dem Regelsatz. Der Regelsatz beträgt seit dem 1. Juli 2007 347 Euro. Nach der ab dem 1. Januar 2007 geltenden Neufassung des § 28 Abs. 2 Satz 3 SGB XII (BGBl I, S. 2670) entfällt die bisherige Differenzierung der Regelsätze zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Die Länder können abweichende Regelsätze bestimmen[5]. Der Regelsatz für den Haushaltsvorstand beträgt 100 % des Eckregelsatzes, für Kinder unter 14 Jahren 60 % und für die übrigen Haushaltsangehörigen 80 % des Eckregelsatzes. Leben Ehegatten oder Lebenspartner zusammen, beträgt der Regelsatz jeweils 90 vom Hundert des Eckregelsatzes (Neuregelung ab dem 1. Januar 2007[6]). Die bisherigen einmaligen Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (z. B. für Bekleidung, Einschulung usw) sind seit dem 01. Januar 2005 bis auf wenige Ausnahmen als Pauschale in den Regelsatz einbezogen.
- den Unterkunftskosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen. Werden diese als "unangemessen hoch" betrachtet, sind sie so lange zu übernehmen, bis ein Wechsel in eine günstigere Wohnung möglich oder zumutbar ist.
- den Heizkosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit sie angemessen sind. Unter bestimmten Voraussetzungen können die Sozialhilfeträger die Unterkunfts- und Heizkosten auch pauschaliert erbringen.
- Bestimmten Personengruppen wird ein Mehrbedarf zugestanden [7]; diese Personengruppen werden im Wesentlichen wie im BSHG definiert, die Leistungen für allein Erziehende wurden erweitert. Der Mehrbedarf wird als prozentualer Zuschlag zum Regelsatz geleistet.
- Einmalige Leistungen werden für eine Erstausstattung des Haushalts, für Bekleidung (einschließlich Sonderbedarf bei Schwangerschaft und Geburt) sowie für mehrtägige Klassenfahrten erbracht. Ein Sonderbedarf, der eigentlich vom Regelsatz umfasst ist, jedoch im Einzelfall unabweisbar geboten ist, soll nur noch als Darlehen gewährt werden, das auch während des Sozialhilfebezugs zurück zu zahlen ist[8] .
- Weiterhin können Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung sowie für die Altersvorsorge übernommen werden.
- Zur Vorbeugung von Wohnungsnotfällen sollen darüber hinaus Mietschulden übernommen werden[9].
[Bearbeiten] Einkommens- und Vermögensanrechnung
Anspruch auf HzLu haben die berechtigten Personen nur, soweit der Lebensunterhalt nicht aus dem Einkommen und/oder dem Vermögen sichergestellt werden kann. Der Einkommenseinsatz richtet sich nach § 82 SGB XII [10] und der dazu ergangenen Durchführungsverordnung [11]. Demnach sind im wesentlichen alle im Bedarfszeitraum monatlich zufließenden Einkünfte auf die HzLu anzurechnen. Vom Einkommen sind bestimmte Beträge abzusetzen, vor allem Steuern und Sozialversicherungsbeiträge und weitere mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Ausgaben (sog. "bereinigtes" Einkommen). Ferner ist ein Anteil von 30 % des bereinigten Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit abzusetzen. Der Absetzungsbetrag darf die Hälfte des Eckregelsatzes, also 347 Euro /2 = 173,50 Euro nicht übersteigen (Neuregelung ab dem 01. Januar 2007).
Für Beschäftigte einer Werkstatt für Behinderte gilt eine Sonderregelung zur Berechnung des Absetzungsbetrags. Der Gesetzgeber beabsichtigte, mit der Absetzungsmöglichkeit einen Anreiz für Erwerbstätigkeit und Werkstattbeschäftigung zu schaffen.
Nicht auf die HzLu angerechnet werden unter anderem:
- alle Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII, z. B. Blindengeld,
- die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz,
- Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz,
- Einkünfte, die aufgrund ausdrücklicher Vorschriften in anderen Gesetzen nicht auf die HzLu angerechnet werden, z. B. Erziehungsgeld und vergleichbare Leistungen, Leistungen der Pflegeversicherung,
- öffentlich-rechtliche Leistungen, die zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, der nicht der Sicherung des Lebensunterhalts (§ 83 Abs. 1 SGB XII dient[12]),
- bürgerlich-rechtliches Schmerzensgeld (§ 253 BGB) und
- Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege.
Anders als Erziehungsgeld, wird seit dem 1. Januar 2007 Elterngeld als Einkommen angerechnet, jedoch nur der Teil, der oberhalb von 300 Euro monatlich liegt.
Die Vermögensanrechnung der Hilfeempfänger richtet sich nach § 90 SGB XII und der dazu ergangenen Durchführungsverordnung [13]. Im Grundsatz muss das gesamte verwertbare Vermögen eingesetzt werden, wobei zahlreiche Ausnahmen vom Gesetz definiert werden, die die Vermögensanrechnung in der Praxis sehr schwierig machen können. Kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte werden bis zu einem Betrag von 1.600 € nicht angerechnet, bei Personen ab 60 Jahren sowie bei voll erwerbsgeminderten Personen 2.600 Euro, für den Ehe- oder Lebenspartner bleiben zusätzlich 614 € anrechnungsfrei.
[Bearbeiten] Verfahren und Rechtsmittel
Hilfe zum Lebensunterhalt setzt ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen (§ 18 Abs. 1 SGB XII [14]). Dieses "Bekanntwerden" kann z. B. durch einen Telefonanruf durch den Betroffenen oder durch dritte Personen, z. B. Nachbarn, beim Sozialamt geschehen. Diese Regelung ist eine Besonderheit der Sozialhilfe und ermöglicht den Bürgern einen niederschwelligen Zugang zu Sozialhilfeleistungen. Der Sozialhilfeträger hat nach dem Bekanntwerden gemäß § 20 SGB X von Amts wegen den Sachverhalt zu ermitteln (Amtsermittlungsgrundsatz), wenn Anhaltspunkte für einen Bedarf an Hilfe zum Lebensunterhalt vorliegen. Aus Beweisgründen empfiehlt es sich, einen förmlichen (schriftlichen) Antrag zu stellen.
Wer glaubt, in seinen Rechten verletzt worden zu sein, kann gegen die Entscheidungen der Behörde Widerspruch einlegen (§ 78 ff. Sozialgerichtsgesetz). Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift innerhalb eines Monats einzulegen. Nach Erlass des Widerspruchsbescheids kann Klage erhoben werden, sofern dem Widerspruch nicht abgeholfen wurde. Zuständig für Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe - sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (§ 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG).
Widerspruch und Klage haben in der Sozialhilfe generell keine aufschiebende Wirkung (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur früheren Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz: Sozialhilfe ist keine rentengleiche Dauerleistung und gleichsam täglich neu regelungsbedürftig)
[Bearbeiten] Siehe auch
Sozialhilfe, Asylbewerberleistungsgesetz, Asylbewerber, Hartz-Konzept
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ § 27 SGB XII
- ↑ § 41 SGB XII
- ↑ § 2 AsylbLG
- ↑ § 25 AufenthG
- ↑ § 28 SGB XII
- ↑ § 3 Abs. 3 Regelsatzverordnung
- ↑ § 30 SGB XII
- ↑ § 37 SGB XII
- ↑ § 34 SGB XII
- ↑ § 82 SGB XII
- ↑ Durchführungsverordnung zu § 82 SGB XII
- ↑ § 83 SGB XII
- ↑ Durchführungsverordnung zu § 90 SGB XII
- ↑ § 18 SGB XII
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