Große Tulpenmanie
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Bei der Großen Tulpenmanie (auch Tulipomanie, Tulpenwahn, Tulpenfieber oder Tulpenhysterie) in Holland im 17. Jahrhundert wurden Tulpenzwiebeln zum Spekulationsobjekt.
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[Bearbeiten] Vorgeschichte
Tulpen stammen ursprünglich aus dem asiatischen Raum, wo sie traditionell als Lieblingsblume der Sultane gelten. Aus dem Osmanischen Reich gelangten sie um 1560 erstmals über Konstantinopel (heute Istanbul) nach Wien. Ihre Einführung leitet in der Geschichte der Gartenkunst die sogenannte orientalische Periode ein, in der neben Tulpen auch Hyazinthen und Narzissen eingeführt wurden. Es waren jedoch besonders die Tulpen, die Garteninteressierte faszinierten.
Der Botaniker Carolus Clusius, Leiter des kaiserlichen Botanischen Gartens in Wien, konnte sich sehr für die exotische Pflanze begeistern und ließ sie in der Folge von Ogier Ghislain de Busbecq, einem bekannten flämischen Edelmann, importieren. Clusius kultivierte die Tulpe auf europäischem Boden erstmals 1573 in großem Stile, indem er 1.500 der importierten Samen im Botanischen Garten Kaiser Maximiliams II. aussäen ließ. Als Clusius 1593 Österreich verließ und eine Stelle als Professor für Botanik in Leiden annahm, führte er die ihn so faszinierenden Tulpen-Pflanzen auch in den Niederlanden ein. Die fremdartige Blume faszinierte viele Bürger und wurde bald zum Statussymbol. Prachtgärten entstanden nach italienischem Vorbild, die weibliche Oberschicht trug die Tulpe zu gesellschaftlichen Anlässen als Schmuck im Haar oder am Busen und viele Künstler zogen in die Niederlande, das damalige wirtschaftliche Zentrum Europas.
[Bearbeiten] Weitere Entwicklung
Schon bald wurden immer neue Tulpensorten gezüchtet. Dabei half den Züchtern unwissentlich ein Mosaikvirus, wie Wissenschaftler 1924 herausfanden. Dieses Virus erzeugte gemusterte Blütenblätter und wurde von Blattläusen übertragen. Als die Nachfrage nach Tulpenzwiebeln das Angebot überstieg, stiegen die Preise kräftig an. Tulpenzwiebeln wurden schon bald auf Auktionen versteigert und zu einem beliebten Diebesgut. Der Handel fand weniger an der Börse statt, sondern mehr in den Kneipen und Wirtshäusern, die zu damaliger Zeit überaus zahlreich waren. Hierbei hatte der Verkäufer die Möglichkeit einer Auktion oder aber beide Seiten schrieben ihren Preiswunsch auf einen Zettel und zwei jeweils gewählte Unterhändler einigten sich dann auf einen Preis. Dies alles geschah in alkoholisierter Kneipenatmosphäre. Zudem kam der Käufer für Speis, Trank und Tabak des Verkäufers auf.
Zunächst wurden die Zwiebeln nur während der Pflanzzeit gehandelt. Da sich die Nachfrage jedoch ganzjährig ausdehnte, wurden später auch solche Zwiebeln verkauft, die noch in der Erde waren. Als Konsequenz wurde der Tulpenhandel zum Spekulationsgeschäft, da niemand wusste, wie die Tulpe wirklich aussehen würde. Zu dem Zweck der Veranschaulichung, wie sie später aussehen sollten, wurden Bilder in Auftrag gegeben. Kostbare Gemälde entstanden während dieser Zeit vor allem in Utrecht, das damals für etwa 400 Maler Europas Anziehungspunkt war.
In den 1630er Jahren überschlug sich die Entwicklung. Es konnten jetzt auch Optionsscheine auf Tulpenzwiebelanteile gekauft werden. Die Preise explodierten und stiegen von 1634 bis 1637 auf das über Fünfzigfache an. In Amsterdam wurde ein komplettes Haus für drei Tulpenzwiebeln verkauft. Viele Zwiebeln kosteten mehrere tausend Gulden, der höchste Preis für die wertvollste Tulpensorte, Semper Augustus, lag Anfang 1637 bei 10.000 Gulden für eine einzige Zwiebel, zu einer Zeit, als ein Zimmermann rund 250 Gulden im Jahr verdiente. Die Spekulation war zur Spekulationsblase gediehen.
Im Januar hatten sich die Preise bereits mehr als verdoppelt. Ihren Höhepunkt erreichte die Tulpenspekulation bei einer Versteigerung am 5. Februar 1637 in Alkmaar. Dort wurden für 99 Posten Tulpenzwiebeln rund 90.000 Gulden erzielt, das entspricht heute ca. 900.000 Euro. Doch bereits zwei Tage zuvor hatte der Crash in Haarlem seinen Anfang genommen, als bei einer der regelmäßigen Wirtshausversteigerungen sich keiner der Händler mehr traute zu kaufen. In den nächsten Tagen brach dann in den gesamten Niederlanden der Tulpenmarkt zusammen. Alle wollten verkaufen, kaum einer kaufen. Allein ganz kostbare Zwiebeln konnten noch gehandelt werden, da es genügend betuchte Liebhaber gab, die sich ihr Hobby weiterhin leisteten. Doch die Masse der zuvor gehandelten Zwiebeln gehörte zu den billigen Sorten, die auf einmal wertlos waren. Am 7. Februar 1637 stoppte der Handel schließlich. Die Preise fielen um über 95 Prozent.
Da in der Hochphase der Spekulation oft Zwiebeln an einem Tag mehrmals den Besitzer gewechselt hatten, gab es eine unermessliche Anzahl an Kaufverträgen, die nur bedient werden konnten, wenn jeder Käufer seiner Verpflichtung nachkäme, was jedoch utopisch war. Die Züchter favorisierten eine Lösung, die allen Kaufverträgen Gültigkeit zusicherte, wobei aber jeder Käufer das Recht hatte, Käufe zu annullieren, die nach dem 30. November 1636 getätigt worden waren. Als Ausgleich müsste jedoch 10 Prozent des Kaufpreises gezahlt werden. Für die meisten Floristen, wie die Händler genannt wurden, hätte das den Ruin bedeutet. Sie favorisierten einen viel niedrigeren Ausgleich. Die beiden Interessengruppen wandten sich an ihre jeweiligen Bürgermeister, damit diese eine Entscheidung träfen. Die Städte fühlten sich überfordert und richteten eine Petition an die Ständevertretung Hollands, um eine landesweite Lösung zu finden. Zweieinhalb Monate nach dem Crash verfügte die holländische Regierung am 27. April 1637, dass die Städte selbst für eine Lösung sorgen sollten. Zuerst hätten sie jedoch genaue Informationen über den Blumenhandel einzuholen und zu klären, was alles geschehen war. Zu der Zeit konnte sich niemand in Holland erklären, warum der Tulpenmarkt so außer Kontrolle geraten war. Etwas Vergleichbares hatte es zuvor noch nicht gegeben. Solange die Städte die nötigen Daten sammelten, befanden sich alle Kaufverträge außer Kraft.
Die meisten Städte setzten die Resolution dahingehend um, dass sie untersagten, Tulpengeschäfte gerichtlich zu klären. Das Verbot zeigte sofort Wirkung. Züchter und Floristen waren gezwungen, sich untereinander zu einigen. Das bot den Floristen die Möglichkeit, sich ganz vor der Zahlung einer Ausgleichssumme zu drücken. Wenn Floristen doch einmal zahlten, dann kaum die von den Züchtern geforderten 10 Prozent. Allein in Amsterdam blieb es gerichtlich erlaubt, Tulpenprozesse zu führen. Doch kam es nur zu wenigen Prozessen, da bei den wenigsten Floristen Geld zu holen war. Die vielen ungeklärten Streitfälle belasteten jedoch die Gesellschaft schwer, da viele Freunde und Kollegen untereinander Geschäfte gemacht hatten und nun zerstritten waren. Ein Jahr nach dem Crash setzten Städte Schlichtungskommissionen ein, die die zahllosen Streitigkeiten gütlich regeln sollten. Doch versuchten sich viele Floristen weiterhin um ihre Verpflichtungen zu drücken. Erst im Mai 1638 erließen zum Beispiel die Regenten von Haarlem, wo der Crash seinen Anfang genommen hatte, eine Richtlinie: Käufer, die vom Kauf zurücktreten wollten, hätten einen Ausgleich von 3 bis 5 Prozent des Kaufpreises zu zahlen; und Entscheidungen der Schlichtungskommission wären fortan in allen Fällen bindend. Damit konnte für den Großteil der Floristen die Tulpenmanie zu einem glimpflichen Ende gebracht werden. Sie standen kaum besser oder schlechter da als vor dem Ausbruch des Tulpenfiebers. Dank dieses Kompromisses wurde die florierende holländische Wirtschaft nicht in eine Rezession gestürzt. Zu den Spekulanten, die zu viel gewagt hatten, gehörte auch der prominente Landschaftsmaler Jan van Goyen, der all seinen Besitz in Tulpenzwiebeln angelegt hatte. Bis zu seinem Tod zwei Jahrzehnte später schaffte er es nicht, seine Schulden abzutragen.
Abschließend ist als Kuriosum festzustellen, dass es die damals wertvollste Tulpe Semper Augustus heute nicht mehr im Handel gibt – mit dem Mosaikvirus befallene Tulpen werden heute von den Züchtern vernichtet, damit sie nicht ihre gesamten Bestände anstecken.
[Bearbeiten] Gemälde
1640 verwendete ein Künstler, vermutlich Hendrik Gerritz Pot, das Bild eines Segelwagens für sein satirisches Bild Floras Narrenwagen (Floras Mallewagen) in Anspielung auf den spekulativen Tulpenhandel. Das Bild hängt heute im Frans Hals-Museum in Haarlem.[1]
[Bearbeiten] Einzelnachweise
[Bearbeiten] Literatur
- Der Spekulationswahnsinn. Eine medizinisch-wirtschaftliche Betrachtung für Kapitalisten, Eltern und Erzieher von Prof. ***. Danzig, A. W. Kafemann in Kommission 1908, 42 S.
- Enie van Aanthuis: Die Tulpenkönigin. Ein historischer Roman. Hamburg, Rowohlt Verlag 2007, ISBN 3-499-24363-6
- Wilfried Blunt: Tulipomania. Harmondsworth, Penguin Books 1950 (King Penguin Book 44)
- Mike Dash: Tulpenwahn - die verrückteste Spekulation der Geschichte, Claasen Verlag, München 1999, ISBN 3-546-00177-X.
- Anne Goldgar, Tulipmania: Money, Honor, and Knowledge in the Dutch Golden Age, University of Chicago Press, Chicago 2007, ISBN 0-226-30125-7.
- Zbigniew Herbert: Der Tulpen bitterer Duft. Mit farbigen Abbildungen. Frankfurt/Main u. Leipzig, Insel Verlag 2001 (Insel-Bücherei 1215), ISBN 3-458-19215-8
- Heinrich Eduard Jacob: Der Tulpenfrevel. Ein Schauspiel in fünf Akten. Berlin: Ernst Rowohlt Verlag, 1920. Uraufführung: 31. Mai 1921 am Nationaltheater Mannheim.
- Anna Pavord: Die Tulpe - Eine Kulturgeschichte, Frankfurt 2003.
- Otto Rombach: Adrian der Tulpendieb, DTV, München 1990, ISBN 3-423-01329-X (Original: Dt. Verl.-Anst., 1948, ISBN B0000BMZJW).
[Bearbeiten] Weblinks
- Virtueller Reichtum - reale Armut - Die Tulpenspekulation und ein Bogen in die Gegenwart
- Tulpenfieber (Tulipmania) - 3sat-Reportage
- Karlsruher Tulpenbuch: Aquarelle historischer Arten, um 1730 (Badische Landesbibliothek)
- Winand von Petersdorff, Eine Blumenzwiebel für 87.000 Euro, FAZ-Online vom 18. März 2008