Entfernungspauschale
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Mit der Entfernungspauschale, im Volksmund Pendlerpauschale, werden im deutschen Einkommensteuerrecht die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte pauschaliert. Die Pendlerpauschale mindert das zu versteuernde Einkommen. Die Pauschale kann von allen Pendlern in Anspruch genommen werden, unabhängig von der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen und gleichgültig, ob sie zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Motorrad, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Kraftwagen zur Arbeitsstelle gelangen. Selbständige, die ein zum Betriebsvermögen gehörendes Fahrzeug für die Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb benutzen, können für diese Fahrten ebenfalls nur die Entfernungspauschale als Betriebsausgabe geltend machen.
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[Bearbeiten] Entwicklung der Pauschale
Kaum eine Steuervorschrift unterlag so grundlegenden Änderungen wie die Regelungen zu den Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit. In den ersten Einkommensteuergesetzen wurden die Fahrten als Privatangelegenheit betrachtet und erst mit dem EStG 1920 wurden die „notwendigen Kosten“ zum Abzug zugelassen. Als notwendig wurden bei einem normalen Arbeitnehmer in der Regel nur die Kosten für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel erachtet. Erst 1955 erkannte der Bundesfinanzhof wegen der zunehmenden Motorisierung auch PKW-Kosten als notwendig an, und bei Benutzung des eigenen Kraftfahrzeug wurde ein Pauschalbetrag für höchstens 40 Entfernungskilometer zum Abzug zugelassen.
Seit 1971 waren dann die Aufwendungen bei Benutzung eines eigenen Kraftwagens zunächst mit 0,36 DM, seit 1990 mit 0,50 DM und bis 2001 mit 0,70 DM je Entfernungskilometer abziehbar, und die Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel konnten in tatsächlicher Höhe steuermindernd geltend gemacht werden. Ab 2001 hat der Gesetzgeber mit dem § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die verkehrsmittelunabhängige Pauschale eingeführt und bis in das Jahr 2006 waren die Kosten für Fahrten zur Arbeitsstelle ausdrücklich zum Abzug als steuermindernde Werbungskosten zugelassen. Der mit Beginn des Jahres 2007 eingeführte § 9 Abs. 2 EStG ändert (bei Streichung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) diese Qualifizierung und spricht den Fahrten unter Bezugnahme auf das Werkstorprinzip die Eigenschaft als Werbungskosten ab. Demnach wird grundsätzlich nur noch die Arbeitsstätte selbst der Berufssphäre zugeordnet, während das Wohnen und die Wege von und zur Arbeit dem steuerlich unbeachtlichen Privatbereich zugerechnet werden. Für Härtefälle, also Pendler mit einem besonders weiten arbeitstäglichen Weg sollen die Kosten für Entfernungen, die über 20 km hinausgehen, „wie Werbungskosten“ abgezogen werden können.
[Bearbeiten] Ermittlung der Pauschale
Die Entfernungspauschale ist nur für die Tage anzusetzen, an denen der Arbeitnehmer den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte tatsächlich zurückgelegt hat. Sie gilt nicht für fiktive Fahrten. Berücksichtigt werden zudem nur die vollen Kilometer der einfachen Entfernung. Es gilt eine Höchstgrenze von 4.500 Euro im Kalenderjahr. Ein höherer Betrag kann geltend gemacht werden, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt hat.
[Bearbeiten] Höhe der Pauschale
- in den Kalenderjahren 2002 bis 2003
- 0,36 € für jeweils die ersten 10 Entfernungskilometer und
- 0,40 € für jeden weiteren Entfernungskilometer
- in den Kalenderjahren 2004 bis 2006
- 0,30 € für jeden Entfernungskilometer
- im Kalenderjahr 2007
- 0,00 € von 0 bis 20 Entfernungskilometer
- 0,30 € für jeden vollen Entfernungskilometer über 20 km
[Bearbeiten] Maßgebliche Wohnung
Zwar steht es dem Arbeitnehmer grundsätzlich frei, wo er seine Wohnung nimmt und ob er von einem Haupt- oder Zweitwohnsitz zur Arbeit fährt, die Fahrten von einer weiter entfernt liegenden Wohnung werden aber steuerlich nur berücksichtigt, wenn diese den örtlichen Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers darstellt und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 6 EStG).
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist dabei nicht notwendigerweise der Hauptwohnsitz, und obwohl die melderechtlichen Verhältnisse ein Indiz sind, ist die Finanzverwaltung an diese Feststellung nicht gebunden. Bei verheirateten Arbeitnehmern befindet sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Regel am Wohnort der Familie. Bei Alleinstehenden besteht die Vermutung, dass sie den örtlichen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen am Ort der Wohnung haben, von der aus sie sich überwiegend zur Arbeitsstätte begeben. Wo ein Alleinstehender den Lebensmittelpunkt tatsächlich besitzt, wird bestimmt durch die persönlichen Beziehungen zu diesem Ort und die Art und Weise, wie diese Beziehungen aufrechterhalten werden (z. B. durch besondere persönliche Bindungen an Personen, Vereine und andere Aktivitäten). Der Lebensmittelpunkt setzt jedoch stets voraus, dass der Arbeitnehmer sich dort nachhaltig aufhält.
Die Entfernung zwischen Wohnung und Betrieb, sowie die Gründe für die Wohnsitznahme am entfernteren Ort spielen keine Rolle. Allerdings darf die entfernter liegende Wohnung keine Zweitwohnung sein, die lediglich an Wochenenden und in den Ferien genutzt wird.
[Bearbeiten] Verkehrsmittel
Im Gegensatz zur früher geltenden Kilometerpauschale kann die Entfernungspauschale unabhängig vom benutzten Verkehrsmittel geltend gemacht werden. Das heißt, sie gilt nicht nur für Auto- und Motorradfahrer, sondern auch für Nutzer der Eisenbahn, der Straßenbahn, des Omnibusses, eines Bootes, des Fahrrades und für Fußgänger. Eine Ausnahme besteht für die Nutzung eines Flugzeugs oder Taxis.
[Bearbeiten] Fahrtstrecke
Das Gesetz stellt zur Berechnung grundsätzlich auf die Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ab. Eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrundegelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig benutzt wird. Eine Verbindung ist verkehrsgünstiger, wenn durch sie die Arbeitsstätte - trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen - in der Regel schneller und pünktlicher erreicht wird.
[Bearbeiten] Kritik und Verfassungsmäßigkeit
[Bearbeiten] Kritik zur bestehenden Pauschale
Die Entfernungspauschale wird insbesondere unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten kritisiert. So wird vom Umweltbundesamt deren komplette Streichung gefordert. Umweltorganisationen weisen darauf hin, dass die Entfernungspauschale das Auseinanderfallen von Wohn- und Arbeitsstätte fördere, da es sich viel eher lohne, in der Stadt zu arbeiten, aber viele trotzdem im Grünen wohnen wollen, wo in der Regel auch das Wohnen günstiger ist. In diesem Zusammenhang wird die Entfernungspauschale gelegentlich als „Zersiedelungsprämie“ bezeichnet. Auch vor dem Hintergrund der Forderung nach Subventionsabbau wird eine Reduzierung oder eine Abschaffung nicht nur der Pauschale verlangt, sondern die steuerliche Absetzbarkeit der Arbeitnehmerfahrtkosten insgesamt abgelehnt. Zudem wird vorgebracht, dass die staatliche Förderung des Pendelverkehrs zur Problemen der Suburbanisierung führe, insbesondere zu einer Verschärfung der Verkehrsprobleme in Ballungsräumen, zur Verödung der Innenstädte und suburbanen Ghettoisierung.
Einige Steuerexperten teilen diesen Standpunkt nicht. Im Rahmen der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen sehen sie die (absetzbaren) Transportkosten der Produkte eines Betriebes zu dessen Kunden als wesensgleich mit den Transportkosten der Ware Arbeit zu seinem Kunden Arbeitgeber. Die Anwendung einer Pauschale erscheint dabei aus Vereinfachungsgründen als geboten. Auch handele es sich nicht um eine Subvention, sondern um Werbungskosten. Eine Abschaffung oder drastische Kürzung verstoße gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, da ein verheirateter Arbeitnehmer, dessen Ehepartner an einem anderen Ort arbeitet, die Fahrtkosten zur Arbeitsstätte nicht vermeiden könne, ohne das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Einige Kommunen fürchten einen Anstieg der Soziallasten bzw. Steuerausfälle, wenn durch den Wegfall der Anrechenbarkeit der Fahrtkosten Arbeitnehmer wegen fehlender Wirtschaftlichkeit des Pendelns die kommunalen Sozialkassen belasten. Zudem ist eine Umverteilung von Steuereinnahmen von Kommunen im sogenannten „Speckgürtel“ zu urbanen Kommunen zu erwarten, wenn wegen des Wegfalls der Pauschale Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplatz ziehen.
Arbeitgeber, die in der Vergangenheit stark auf Zentralisierung gesetzt haben, befürchten einen Arbeitskräftemangel bzw. eine Verteuerung des Faktors Arbeit. Volkswirte sehen bei solchen Betrieben die konkrete Gefahr der Verlagerung in ausländische Regionen mit einem ausreichenden Arbeitskräftepotential.
Die Neuregelung führt dazu, dass die Mehrheit der Pendler ihre Fahrt zum Betrieb zu keinem Teil mehr absetzen können. In einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2004 wurden 31 der mehr als 35 Millionen Erwerbstätigen zu ihrem Pendlerverhalten befragt. Demnach fahren nur ca. 5 Millionen Erwerbstätige mehr als 25 Kilometer bis zum Arbeitgeber.
[Bearbeiten] Verfassungsmäßigkeit der Kürzung
Die Kürzung der Entfernungspauschale ab 2007 ist verfassungrechtlich umstritten. Zur Frage, ob eine Fahrt zur Arbeit beruflich veranlasst ist, gibt es zwei Auffassungen:
- Die Fahrt zum und vom Arbeitsort ist beruflich veranlasst, da sie entfallen würde, wenn die Arbeit aufgegeben würde.
- Zwar ist die Fahrt zur Arbeit beruflich veranlasst, doch nicht die Rückfahrt, da sie der Privatsphäre zuzurechnen ist. Folglich handelt es sich um Mischkosten. Mischkosten sind i.S.d. § 12 Abs. II EStG generell nicht abzugsfähig, was jedoch lt. BFH - Urteil dazu führen könnte, dass die Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer auf seinem Arbeitsweg entstehen, an objektiven Kriterien aufzuschlüsseln sind (hier 50%/50%) und der beruflich bedingte Teil vom steuerbaren Einkommen als Webungskosten i.S.d. § 9 EStG abgezogen werden kann.
Das Hauptargument der Finanzgerichte lautet, dass die Fahrtkosten notwendig sind, um überhaupt Einkünfte erzielen zu können. Der Arbeitnehmer könne sich diesen Aufwendungen nicht entziehen. Die Kürzung der Pendlerpauschale widerspräche damit dem Prinzip der „Besteuerung nach Leistungsfähigkeit“.
Fahrten zum Arbeitsplatz werden tatsächlich, mit wechselnden Regelungen, seit mehr als 80 Jahren als notwendige Ausgaben steuerlich anerkannt. So sprach auch das Bundesverfassungsgericht bereits 2002 von einer Grundentscheidung des deutschen Einkommensteuerrechtes, die steuerrechtlich erhebliche Berufssphäre nicht erst „am Werkstor“ beginnen zu lassen.
- Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern – 1 K 497/06 – (unterstützt vom Bund der Steuerzahler)
- Finanzgericht Niedersachsen – 2 K 448/06 – (steuerliche Betreuung durch Lohnsteuerhilfe Bayern e.V – Lohnsteuerhilfeverein)
- Finanzgericht Baden-Württemberg – 13 K 284/06, 14 K 237/06, 14 K 239/06 –
- Finanzgericht Saarland – 2 K 2442/06 –
- Finanzgericht Köln – 10 K 274/07 –
Bisher hielten sowohl das Finanzgericht Niedersachsen am 27. Februar 2007 (8 K 549/06) als auch das Finanzgericht Saarland am 22. März 2007 die Neuregelung zur Entfernungspauschale für unvereinbar mit dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) und dem Gleichheitsgebot (Art. 3 GG) und damit für verfassungswidrig. Die Fälle wurden dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Wege der konkreten Normenkontrolle (Art. 100 GG) zur Prüfung vorgelegt.
Das FG Baden-Württemberg hält dagegen die Änderung für verfassungsgemäß und hat eine entsprechende Klage abgewiesen (Urteil vom 7. März 2007 – 13 K 283/06). Auch das FG Köln hält die Neuregelung zur Entfernungspauschale für verfassungsgemäß (Urteil vom 29. März 2007 – 10 K 274/07), hat das Verfahren aber vor dem Hintergrund des Vorlagebeschlusses des FG Niedersachsen bis zu einer abschließenden Entscheidung des BVerfG über die streitige Regelung ausgesetzt.
Der Bundesfinanzhof hat in seinem Beschluss [1] vom 23. August 2007 festgestellt, dass „ernstlich zweifelhaft [ist], ob das ab 2007 geltende Abzugsverbot des § 9 Abs. 2 EStG betreffend Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verfassungsgemäß ist.“
Die Finanzverwaltung hat auf das Urteil mit einem Erlass vom 4. Oktober 2007 reagiert.[2] Betroffenen Steuerpflichtigen ist auf Antrag Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.
Der Bundesfinanzhof hat die zur Entfernungspauschale anhängigen Verfahren VI R 17/07 und VI R 27/07 am 23. Januar 2008 zur Prüfung an das Bundesverfassungsgericht weitergeleitet. Er hält die Neuregelung mit dem Grundgesetz insoweit für unvereinbar, als danach Aufwendungen des Arbeitnehmers für seine Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte keine Werbungskosten sind, welche das zu versteuernde Einkommen mindern [3].
[Bearbeiten] Andere Länder
Nur in vier der 27 EU-Staaten existiert eine solche Pauschale.[4] In Österreich etwa können die Autofahrer die sogenannte Pendlerpauschale geltend machen.
[Bearbeiten] Literatur
- Rainer Wernsmann: Die Neuregelung der Entfernungspauschale ist verfassungsgemäß, DStR 2007, 1149ff.
- Daniel Schnabl: Das Schicksal der Pendlerpauschale - Wie wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden?, unter http://www.jurawelt.de/sunrise/media/mediafiles/14358/pendlerpauschale2007.pdf
[Bearbeiten] Hinweise
- ↑ [1]; www.bundesfinanzhof.de - Entscheidungen
- ↑ Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 4. Oktober 2007 - IV A 4 - S 0623/07/0002, im Internet abrufbar unter Link BMF
- ↑ [2] Presseerklärung des Bundesfinanzhofs vom 23. August 2007
- ↑ F.A.S. vom 15. Juni 2007
[Bearbeiten] Weblinks
- Gesetzestext § 9 EStG
- Rechtsgutachten für die Hans-Böckler-Stiftung von Prof. Dr. Joachim Wieland .pdf
- Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 23. August 2007, VI B 42/07 - ein Kommentar aus arbeitsrechtlicher Sicht
- Aus der Reihe „Aktueller Begriff“ des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages
- Artikel zur Verfassungswidrigkeit der Entfernungs- bzw. Pendlerpauschale
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