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Das Schloß – Wikipedia

Das Schloß

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Das Schloss ist neben Amerika und Der Process einer der drei unvollendeten Romane von Franz Kafka. Das 1922 entstandene Werk wurde 1926 von Max Brod postum veröffentlicht. Es schildert den vergeblichen Kampf des Landvermessers K. um Anerkennung seiner beruflichen und privaten Existenz durch ein geheimnisvolles Schloss und dessen Vertreter.

Original-Broschur des Erstdrucks 1926
Original-Broschur des Erstdrucks 1926

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Zusammenfassung

Zu Beginn des Romanfragments trifft der Protagonist K. in einem Dorf ein, das zu dem Besitz eines Schlosses gehört. Gefragt, ob er eine Erlaubnis zum Aufenthalt habe, erklärt er, der bestellte Landvermesser zu sein. Wie aus einem Gespräch mit dem Dorfvorsteher im weiteren Verlauf hervorgeht, wurde die Bestellung eines Landvermessers zwar diskutiert, es bleibt aber ungeklärt, ob eine Berufung K.s tatsächlich erfolgte. So darf er zwar bleiben, aber nur zeitweise als Schuldiener arbeiten.

Das Schloss mit seiner Verwaltung scheint durch einen gewaltigen, undurchschaubaren bürokratischen Apparat alles zu kontrollieren, über das Dorf zu herrschen und dabei für jeden einzelnen der Bewohner unnahbar und unerreichbar zu bleiben. Einer absoluten Hierarchie ausgesetzt, an deren Spitze sich die Beamten des Schlosses befinden, gestaltet sich das Leben der Dorfbewohner bedrückend. Bei Überschreitungen droht vermeintlich Schlimmes. Vom Schloss werden aber tatsächlich nie erkennbare Sanktionen erhoben. K.s ganzes Streben ist darauf gerichtet, sich dem Schloss zu nähern. Doch sämtliche Anstrengungen scheitern. Die Vorgänge zwischen Dorf und Schloss und das Verhalten der Dorfbewohner bleiben ihm unverständlich.

Eines Nachts wird K. zum Herrenhof gerufen. Durch Zufall erreicht es K., mit einem ihm gewogenen Beamten zu sprechen. Allerdings kann sich K. im Verlauf des Gesprächs nicht gegen seine übergroße Müdigkeit wehren. So wird diese vage Chance auf Zugang zum Schloss vertan. Anfangs voll Ehrgeiz und Zuversicht, fühlt sich K. zunehmend ohnmächtig angesichts der Undurchschaubarkeit des Systems, in dem er sich befindet. Es zeigt sich am Ende eine gewisse leise Annäherung an die Dorfbewohner [1]. Nach einem Gespräch mit zwei Frauen aus dem Dorf bricht der Roman ab.

[Bearbeiten] Entstehung

Nach jahrelangen Schreibschwierigkeiten hat Kafka vermutlich nach einem gesundheitlichen Zusammenbruch [2] im Februar 1922 während eines Erholungsaufenthaltes im Riesengebirge in Spindelmühle mit dem Roman Das Schloss begonnen. Im März stellt er ihn seinem Freund Max Brod [3] vor. Den Sommer verbrachte Kafka zur weiteren Erholung in Westböhmen in Plana, wo er den Roman weiterführte. Am 1.Juli 1922 wird er endgültig pensioniert, da eine Arbeitsfähigkeit nicht mehr zu erwarten ist. Im Herbst muss er zurück nach Prag, die Gesundheitsprobleme nehmen zu und Kafka legt nach dieser Unterbrechung das Romanfragment endgültig beiseite. In den autobiografischen Schriften Kafkas gibt es wenig Hinweise zur Entstehung des Schlossromans. [4]

[Bearbeiten] Inhalt

[Bearbeiten] Ankunft

Im ersten Kapitel erreicht der Protagonist K. an einem Winterabend ein ärmliches Dorf bei einem gräflichen Schloss. Er übernachtet im Wirtshaus, wird aber bald von einem Vertreter des Schlosses geweckt, der erklärt, nur mit Erlaubnis des Schlosses dürfe man sich im Dorf aufhalten. K. stellt sich als Landvermesser vor, den der Graf Westwest habe kommen lassen. Es erfolgen zwei Telefonate mit dem Schloss. Im ersten wird von dort K.s Aussage verneint, im zweiten aber dann anscheinend doch bestätigt, sodass K. bleiben darf. Am Morgen versucht K. zum Schloss zu gehen. Auf unerklärliche Weise kann er sich dem aber nicht räumlich nähern und muss umkehren. Die Dorfbevölkerung begegnet ihm mit Distanz und Misstrauen.

[Bearbeiten] Der Aufenthalt im Dorf

Im weiteren Verlauf werden die Versuche, seine berufliche Legitimation durch Zugang zum Schloss zu erreichen K.s einziger Lebensinhalt. Das Schloss schickt ihm zwei Gehilfen, die wenig nützlich sind. Der Bote Barnabas überreicht ihm zweimal einen Brief mit - einmal weniger, einmal mehr [5] - zweifelhaftem Inhalt von dem hohen Beamten Klamm. Klamm wird zur zentralen Figur in K.s Denken. Er lernt das Schankmädchen Frieda, die Geliebte Klamms, kennen, und augenblicklich entsteht ein sexuelles Verhältnis. Die Beziehung wird sich aber bald wieder auflösen.

Es kommt zu einem Gespräch mit dem Dorfvorsteher, der K. eine Ahnung vermittelt von der von Chaos geprägten riesigen Bürokratie, die Dorf und Schloss beherrscht. Die Abläufe erscheinen sehr gründlich, quälend umständlich und doch irgendwie zufällig. Und sie sind bezüglich ihrer Wirkung auf den Betroffenen erschreckend ignorant. K.s Anwesenheit begründet sich wohl auf einen Verwaltungsirrtum. Da man für ihn als Landvermesser keine Arbeit hat, könne er aber als Schuldiener im Dorf bleiben. K. und Frieda nehmen diese Stellung an. Sie wohnen auch kurzzeitig in der Schule, wo es zu grotesken und entwürdigenden Szenen kommt.

Im Verlauf des Romans entstehen Zweifel an der Glaubwürdigkeit von K., insbesondere an seinem beruflichen Status [6]. So wird z. B. die Existenz der zwei Gehilfen aus seinem früheren Arbeitsleben, auf die er anfangs tatsächlich oder scheinbar gewartet hat und die ihn ja als Landvermesser legitimieren könnten, später nicht mehr erwähnt.

K. ganzes Bestreben ist darauf ausgelegt, einen Zugang zu Klamm zu erreichen. Er lauert ihm u. a. vergeblich nachts auf. Er führt lange Gespräche mit verschiedenen Frauen, die ihm ihre eigene Situation preisgeben, ihm aber auch sagen, wie ahnungslos er über die Verhältnisse im Schloss ist. Die Wirtin gesteht ihm, dass auch sie Klamms Geliebte war und ihm immer noch verfallen ist. Die Schwestern des Boten, Olga und Amalia, bieten einen Einblick in den Mechanismus des Dorflebens. Amalia hatte sich geweigert, auf das obszöne Angebot eines hohen Schlossbeamten einzugehen. Seitdem wird die ganze Familie von den Dorfbewohnern verachtet und isoliert. Vom Schloss aber erfolgte keinerlei Reaktion.

[Bearbeiten] Im Herrenhof

Die Handlung scheint eine Wendung zu nehmen, als K. eines Nachts in den Herrenhof zum Sekretär eines Schlossbeamten, Erlanger, gerufen wird. Er wählt die falsche Tür und trifft so zufällig auf einen anderen Beamten namens Bürgel, der für K.s Anliegen sehr zugänglich ist, ja ihm sogar jeden dienstlichen Wunsch erfüllen würde. Allerdings ist K. nicht in der Lage, diese Chance zu nutzen, da er im Verlauf des Gesprächs von einer bleiernen Müdigkeit übermannt worden ist. Diese Möglichkeit des Zugangs zum Schloss, die ja sehr vage war - der Beamte war doch nicht zuständig für K. - ging somit ins Leere. Auch hier wird wieder das bürokratische Chaos geschildert und die surrealen und skurrilen Züge des in sich verschlungenen riesigen hierarchischen Apparates.

Im Ausschank des Herrenhofes kommt es noch zu einem Gespräch K.s mit einer Pepi, die auch Klamms Geliebte werden möchte, die aber auch K. geneigt ist. Nach einer kurzen Unterhaltung K.s mit der Wirtin über standesgemäße Kleidung bricht das Fragment ab. Es existiert noch eine Passage über die Begegnung mit dem Fuhrman Gerstäcker [7].

Ein von Kafka selbst verfasster Schluss existiert nicht, er wurde aber von Max Brod aus persönlichen Erzählungen des Autors konstruiert. So sollte K. am siebenten Tag an körperlicher und seelischer Erschöpfung sterben, während ihm zu gleicher Zeit die Schlossverwaltung aufgrund seiner eifrigen und stets fehlerfreien Bewerbung der Gnade halber ein Wohnrecht erteilt und K. somit doch einen Teilsieg in seinem Bestreben errungen hätte. [8]

[Bearbeiten] Textanalyse mit Personenbeschreibung

[Bearbeiten] Erzählperspektive und Aufbau

Der Roman in der „Er-Form“ beschreibt, in dem der Erzähler sich weitgehend aus der direkten Sicht der Hauptperson äußert. Dies gilt natürlich nicht für die Bürgel-Szene, in der K. ja schläft. (Auch nicht für das von Max Brod avisierte Ende durch K.s Tod). Andererseits verbirgt K. selbst manches vor dem Leser, erkennbar besonders in den Textstellen, die K.s Zwielichtigkeit andeuten. Es ergibt sich so eine ironisch gebrochene Erzählperspektive [9].

Nur in den ersten drei der 20 Kapitel wird eine Handlung entwickelt. Die weiteren Kapitel sind dagegen zunehmend durch lange in sich kreisende Gespräche geprägt. Der kausale Ablauf verliert sich zunehmend . [10].

Der Roman hat neben bedrückenden auch viele skurrile und komische Passagen, aber gerade diese signalisieren oft die Aussichtslosigkeit besonders intensiv, insofern kann der Roman auch als schwarze Satire gesehen werden. Durch verschwimmende, unlogische Ort- und Zeitbezüge und sich eigenartig verselbstständigende materielle Objekte wird außerdem ein stark surreales Moment dargestellt. [11]

[Bearbeiten] Die Person K.

K. ist eine wenig erläuterte oder charakterisierte Erscheinung [12] Er spricht anfangs davon, in der fernen Heimat Weib und Kind zurückgelassen zu haben. Bei den Eheplänen mit Frieda ist davon nicht mehr die Rede. Ob K. wirklich Landvermesser ist oder nicht, lässt sich nicht eindeutig aus dem Romanfragment ableiten. Max Brod verwendet in seinem Nachwort zum Roman die Formulierung „der angebliche Landvermesser“. K. meint einmal, es wäre besser, er hätte sich als einfacher Wanderbursche eingeschlichen. Diese Aussage drückt die Erfolglosigkeit der Landvermesser-Variante aus aber auch Beliebigkeit und Suche nach einer wie auch immer gearteten Zugangsmöglichkeit.

K. wird ausschließlich charakterisiert durch seinen Kampf, dem Schloss näher zu kommen, und dort eine Legitimation seiner Existenz zu erreichen. Anfangs ist er beherzt und hofft, durch zielgerichtete Aktionen seinen Wunsch zu realisieren. Dann erkennt er die mächtige soghafte Wirkung und gleichzeitige Unzugänglichkeit des Schlosses. Am Schluss ist er nur noch müde und deprimiert wegen der Vergeblichkeit seiner Versuche.

Folgende Äußerungen K.s aus Anfang, Mitte und Ende des Romans veranschaulichen diese Wandlung:

- mein Ehrgeiz geht nicht dahin, große mich betreffende Aktensäulen entstehen und zusammenkrachen zu lassen, sondern als kleiner Landvermesser ....ruhig zu arbeiten.

- dort oben ist die Behörde in ihrer unentwirrbaren Größe – ich glaubte, annähernde Vorstellungen von ihr zu haben, ehe ich hierher kam, wie kindlich war das alles.

-...bin ich fast beschäftigungslos, bin müde, habe Verlangen nach immer vollständigerer Beschäftigungslosigkeit.

K. korrespondiert mit der Figur des Mannes vom Lande aus Kafkas Türhüterlegende, Vor dem Gesetz, der keinen Zutritt zum Gesetz erhält und so sinnlos bis zum Tod wartet [13]

[Bearbeiten] Die Dorfbewohner

Sie erscheinen ärmlich und eingeschränkt. Ihre Aussagen zum Schloss sind geheimnisvoll, verängstigt und resigniert. Alle Vorgänge um das Schloss werden minutiös beobachtet und gedeutet. Reale Auswirkungen des Schlosses auf sie kann man kaum erkennen, außer dass die Schlossbeamten die Frauen des Dorfes zu Liebesdiensten benutzen. Mit Ausnahme Amalias geschieht dies mit Zustimmung (Frieda), ja z. T. mit Herbeisehnen der Frauen (Wirtin, Pepi), ist es doch eine Möglichkeit, sich dem Schloss irgendwie zu nähern. Für K. selbst sind die Frauen wiederum nur interessant als Hoffnung auf Zugang zum Schloss. [14]

Die Frauen werden alle mehr oder weniger wie Dirnen beschrieben. Andererseits erscheinen sie aus einer modernen Sicht. Sie faszinieren ihre Umgebung nicht durch Schönheit, sondern durch mentale Stärke. Sie erscheinen überlegen und reagieren individuell auf die Offerten der Beamten [15]. Das Dorf allerdings ist entsetzt über Amalias Verweigerung. Ohne dass das Schloss irgendwie eingreift, vollzieht die Dorfgemeinschaft im vorauseilenden und stellvertretenden Gehorsam die Strafe der Isolation an Amalia und ihrer Familie [16]. Amalia aber ist ungebrochen in ihrer in sich gekehrten Art.

Die Gehilfen, der Bote Barnabas und der Dorfvorsteher sind Personen aus dem Dorf, die Zugang zum Schloss haben. Die Gehilfen sind unnütze, chaplineske Erscheinungen, die K. irgendwann vertreibt. Der Dorfvorsteher und der Bote schildern die Vorgänge im Schloss aus ihrer Sicht. Die angebotenen Bilder dieser riesenhaften Verwaltung sind beklemmend. Gleichzeitig werden aber Skurrilitäten der Beamten und abstruse nicht logisch erklärbare Vorgänge geschildert, sodass auch ein Bild der Lächerlichkeit entsteht. Die Personen, die zwischen Dorf und Schloss agieren, sind in der Verrichtung ihres Dienstes gekennzeichnet von Bemühen und Unfähigkeit. Aber auch wenn sie befähigter wären, könnten sie wohl kaum etwas gegen die Sogwirkung und die Wirrnis des Schlosses ausrichten und K. irgendwie helfen.

[Bearbeiten] Das Schloss und seine Vertreter

Das Schloss als Bauwerk wird wenig eindrucksvoll, eher schäbig und auch mehrdeutig beschrieben [17]. K. empfindet es auch wie etwas Irrsinniges. Der Turm wirkt auf ihn wie ein aus dem Dach ausbrechender seltsamer Kranker. Die äußere Überschaubarkeit des Schlosses korrespondiert nicht mit den Berichten über seine inneren Ausmaße mit unzähligen Sälen und Kanzleien voll von Dienern, Kastellanen und hohen Beamten.

Das Schloss schwebt mächtig über den Dorfbewohnern, aber es kontrolliert sie nicht tatsächlich. Da ist keine konkrete Weisung, Überwachung oder Bestrafung. Es ergehen widersprüchliche und sich damit aufhebende Äußerungen (im Fall K.). Oder das Schloss ignoriert hartnäckig (Amalias Verstoß, die ungeklärte Bestellung des Boten). Gerade die Unerreichbarkeit durch irgendwelche kausalen Aktionen scheint das Schloss und seine Vertreter zum Objekt des Verlangens machen. Es ist die Faszination des Abhängigen, Unfreien, Ausgelieferten gegenüber der Übermacht, die sich in unnahbarer Distanz hält, auf die Ausübung ihrer Macht und die Vernichtung aber verzichtet [18].

Die bürokratischen Abläufe, die vom Schloss ausgehen, erscheinen wie ein unkontrollierter, in sich geschlossener riesiger Mahlstrom, der die Welt draußen nicht wahrnimmt. Bezeichnend ist die Aussage des Dorfvorstehers:

Ob es Kontrollbehörden gibt? Es gibt nur Kontrollbehörden. Freilich sie sind nicht dazu bestimmt, Fehler im groben Wortsinn herauszufinden, denn Fehler kommen ja nicht vor, und selbst, wenn einmal ein Fehler vorkommt, wer darf denn endgültig sagen, dass es ein Fehler ist.

Auch die unbelebte Materie gebärdet sich im Zusammenhang mit dem Schloss recht ungewöhnlich. K. kann sich dem Schloss räumlich nicht nähern. Der Telefonverkehr ist erschwert durch unerklärliche polyphone Geräuschereignisse am anderen Ende. Die Türen der hohen Beamten im Herrenhof führen ein slapstickartiges Eigenleben [19].

Die Beamten in ihrer vielfachen Müdigkeit, die sie zum Empfang der Klienten im Bett nötigt, sind letztlich lächerliche Erscheinungen. Sie sind einerseits bemüht, fliehen andererseits hartnäckig die reale Arbeit. Sie verstecken sich und scheuen den Kontakt [20] Man könnte sie als geil und faul charakterisieren. Aber sie umgibt die Aura des Schlosses und das hebt sie weit über diese profane Zuordnung hinaus. So erscheinen sie faszinierend und ihre tatsächliche Erscheinungsform ist kaum greifbar.

[Bearbeiten] Deutungsansätze

[Bearbeiten] Biografische Bezüge

Ein reales Beispiel für das Schloss könnte der Hradschin in Prag sein, in dessen unmittelbarer Nähe Kafka selbst einige Zeit lebte. Es könnte auch das Schloss Wallensteins in Friedland sein oder dasjenige im Dorf Wossek, aus dem Kafkas Vater stammte [21].

Wie weit Kafka in den erotisch-sexuellen Schilderungen seine eigenen Bezüge zu Frauen verarbeitet hat, ist in der Literatur nicht eindeutig thematisiert. Es dürfte wohl seinem Verhältnis zu Milena Jesenska widerspiegeln. [22].

Kafka ist beruflich nicht mit K. zu vergleichen, sondern durch seinen sicheren Arbeitsplatz als Jurist in einer gehobenen Stellung bei der Arbeiter-Unfallversicherung eher mit den höheren Beamten des Schlosses. Bezeichnenderweise residierte diese riesige Versicherung auch in einem palastartigen Gebäude in Prag [23]. Dennoch gibt die verunsichernde Situation K.s die Kafka eigene Sichtweise wieder.

[Bearbeiten] Allgemeine Deutung

Dadurch, dass den Leser das System, in das sich K. abrupt von Beginn des Romans an versetzt sieht, ebenso befremdet wie den Protagonisten selber, keimt in ihm schnell eine Sympathie für diesen auf. Der Leser versteht K., in seiner Person wie in seinem Handeln, nicht aber das, was ihn umgibt. So ist K. schnell Bezugspunkt und eine Hilfe beim Verständnis des Textes, welcher den Leser zur ständigen Eigeninterpretation nötigt, sofern dieser Irritation und Orientierungslosigkeit vermeiden möchte.

Dennoch ist K. nicht weniger rätselhaft als die Welt, die ihn umgibt. Der Leser erfährt wenig über ihn, sein Name bleibt stets verkürzt, aus seiner Vergangenheit wird lediglich über eine Szene aus seiner Jugend berichtet, die seine Beharrlichkeit und seinen Ehrgeiz unterstreicht. Auch K.s Ziele bleiben, mehr oder minder, unklar, da man nicht erfährt, weshalb K. so dringend den Kontakt zum Schloss sucht.

Trotz oder gerade wegen aller Unklarheiten bezüglich des Daseins des K. und seiner Welt wird wohl deutlich, in welcher Rolle Kafka den Landvermesser darstellen wollte; den identitätslosen, in einer gefühlskalten, unverständlichen, auf ihre Funktion reduzierten Welt gefangenen Menschen, der an sich selbst zweifelt, weil er nicht in der Lage ist, seine metaphysische Daseinsberechtigung ausfindig zu machen, dessen Lebensinhalt sich danach ausrichtet, die Anerkennung seiner Mitmenschen zu gewinnen, um sich selbst zu bestätigen und das eigene Selbstwertgefühl aufrecht zu erhalten, dem es durch materielle Abhängigkeit aber auch nicht möglich ist, sich aus seiner hoffnungslosen Situation zu befreien und einen eigenen Weg fernab der ihn krank machenden Gesellschaft zu beschreiten. Weshalb K. in der oben bereits erwähnten mysteriösen Form dargestellt wird, kann verschieden interpretiert werden. Eine mögliche Erklärung wäre Kafkas Absicht, damit die Entfremdung der eigenen Person im Zuge der anonymisierten Gesellschaft, in der das Individuum nur noch schemenhaft erkennbar ist, darzustellen.

All dies wird deutlich aus der Orientierungslosigkeit, welcher K. durch die erdrückende Macht der undurchschaubaren Gesellschaft ausgesetzt ist und die Irrationalität seiner Umwelt, die für ihn undurchdringlich scheint, weil sie auf Prinzipien beruht, die für seinen Geist, den Geist des normal denkenden Menschen, nicht fassbar sind. So ist der Tod des Protagonisten nach dieser Beleuchtung der Gesellschaft und all der Hoffnungslosigkeit, die sich mit ihr aufgetan hat, wohl die zwingende Lösung, um ein Ende herbeizuführen. „Ein erstes Zeichen beginnender Erkenntnis ist der Wunsch zu sterben“, sagte Kafka einst, und hat mit diesem Werk und im Besonderen mit der Person des Landvermessers K. diesem Zitat Ausdruck verliehen.

[Bearbeiten] Bestehende bekannte Deutungen

Die Assoziationskraft des „Schlosses“ ist kaum auszuschöpfen. Am bekanntesten sind die Deutungsansätze von Max Brod und Theodor W. Adorno. Ersterer sieht darin ein theologisches Modell, nämlich den Ort göttlicher Gnade, was er als enger Vertrauter von Kafka mit einer gewissen Berechtigung vorbringen kann. Adorno sieht darin die Darstellung der Hierarchie der Macht auch der künftigen totalitären Systeme [24]. Weitere Deutungen sehen eine schwarze Satire auf Macht und Willkür von Staatsapparaten. Das Schloss könnte auch die Welt der Väter darstellen, die zu erobern der Sohn sich vergeblich bemüht.

Letztlich zeigt es jedem Leser den jeweiligen Gegenstand seines Interesses und seiner Suche. [25].

[Bearbeiten] Ausgaben

  • Das Schloss. München: Kurt Wolff, 1926. (Die Erstausgabe wurde postum von Max Brod herausgegeben.)

[Bearbeiten] Interpretationen

  • Maurice Blanchot Wiederholung und Verdoppelung. Notiz über Literatur und Interpretation in: Neue Rundschau, Heft 2 / 1988, S. 121 ff.

[Bearbeiten] Verfilmungen

[Bearbeiten] Andere Bearbeitungen

  • als Drama:
    • Max Brod: Das Schloß. Schauspiel in zwei Akten (9 Bildern) nach Franz Kafkas gleichnamigem Roman in freier Bearbeitung. Uraufführung 12. Mai 1953 im Schloßpark-Theater Berlin
  • als Hörspiel:
    • Franz Kafka: Das Schloß. Sprecher u.a.: Gert Westphal, Friedrich von Bülow. Regie: Karlheinz Schilling. Musik: Bernd Schoz. Produktion: SWF, RB. Entstehung: 1954. Laufzeit: 83 Minuten. Der Audio Verlag, Dav. 2003. ISBN 3898132854.
  • als Oper:
    • Das Schloss. Oper von Aribert Reimann nach dem Roman von Franz Kafka und der Dramatisierung von Max Brod. Textfassung vom Komponisten. Dauer 165 min. Textbuch BN 3685-40. Uraufführung 2. September 1992 an der Deutschen Oper Berlin

[Bearbeiten] Weblinks

Wikisource
 Wikisource: Das Schloß – Quellentexte

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie. München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S. 620
  2. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie. München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S. 588
  3. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S.591
  4. Literaturwissen Franz Kafka Cartsen Schlingmann Reclam S. 52
  5. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S.598
  6. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S.618
  7. Literaturwissen Franz Kafka Cartsen Schlingmann Reclam S. 51
  8. Kafka Klaus Wagenbach rororo S. 130
  9. Literaturwissen Franz Kafka Cartsen Schlingmann Reclam S. 56
  10. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S.596
  11. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S.603
  12. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S.596
  13. Literaturwissen Franz Kafka Reclam Carsten Schlingmann S. 56
  14. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S.613
  15. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S.614
  16. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S.611
  17. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S.592
  18. Wendelin Schmidt-Dengler, Norbert Winkler Die Vielfalt in Kafkas Leben und Werk Vitalis 2005 ISBN 3-89919-066-1 S.235
  19. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S.604
  20. Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. Eine Biographie München: Verlag C.H. Beck, 2005, ISBN 3-406-53441-4. S.607
  21. Literaturwissen Franz Kafka Carsten Schlingmann Reclam S. 59
  22. Literaturwissen Franz Kafka Carsten Schlingmann Reclam S. 56
  23. Literaturwissen Franz Kafka Carsten Schlingmann Reclam S. 61
  24. Analysen und Reflexionen Franz Kafka Ingeborg Scholz S. 53, 54
  25. Literaturwissen Franz Kafka Carsten Schlingmann Reclam S. 60


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