Weberaufstand
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Der Begriff Weberaufstand wird oftmals mit dem „schlesischen Weberaufstand“ von 1844 gleichgesetzt. Weberaufstände gab es im 18. und 19. Jahrhundert jedoch vielerorts. Kleinstunternehmer und Handwerker, die angesichts der beginnenden Industrialisierung im freien Wettbewerb nicht mehr bestehen konnten, versuchten die neue Konkurrenz gewaltsam zu unterdrücken. Dabei kam es sowohl zu direkten Angriffen auf Produktivkapital und Arbeiter, als auch zu Lobbying und Revolten, um mittels der Staatsgewalt ausländische Anbieter zu diskriminieren. Teilweise waren die Aufständischen so verarmt, dass es sich um Hungerrevolten handelte, später gab es Berührungspunkte zur Deutschen Revolution 1848/49.
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[Bearbeiten] Hintergrund der Weberaufstände
- Siehe auch Verlagssystem
Bereits im ausgehenden Mittelalter war das Verlagssystem als Handelsorganisation verbreitet, ein Begriff, der heute nur noch im Buch- und Zeitschriftenwesen gebräuchlich ist. Der Verleger übernahm hierbei dank seiner Kapitalkraft, Marktübersicht und Organisationsfähigkeit die Beschaffung der Rohstoffe, die Lagerung und den Verkauf der Endprodukte. Der Handwerker wurde dadurch zum reinen Produzenten und die Grenzen zur reinen Lohnarbeit wurden fließend.
Das Bevölkerungswachstum des 16. und 18. Jahrhunderts führte zudem zu einer breiten Schicht von landloser bzw. landarmer Landbevölkerung, die das karge Einkommen durch eine nichtlandwirtschaftliche Tätigkeit aufstocken musste. Hierzu gehörten auch die Webtätigkeiten als Auftragsprodukte für die Verleger. Der Kapitalgeber hatte es im Gegensatz zum zünftischen Handwerk mit einer relativ schutzlosen Landbevölkerung zu tun.
Der Verlust ausländischer Absatzmärkte im Zusammenhang mit der Kontinentalsperre und der englischen Seeblockade, der Einbruch englischer Fabrikware nach dem Ende der Kontinentalsperre, der Ausfall binnenländischer Nachfrage im Gefolge von Agrarkrisen, die fortschreitende Industrialisierung mit ihren Billigprodukten verschärfen die Situation. Die an die Weber gezahlten Löhne sanken kontinuierlich. Es kam zum Interessenkonflikt der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital. Die Verleger trachteten nach einer Profitmaximierung bzw. Erhaltung, die letztlich durch niedrige Produktionskosten erreicht werden sollte.
Die wirtschaftliche Situation der verlegten Weber war zum Ende des 18. Jahrhunderts sehr schlecht, vor allem weil sie nur teilweise in bar entlohnt wurden. Mindestens die Hälfte des Warenwertes wurde mit Rohstofflieferungen aufgerechnet. Eine massenhaften Verarmung (Pauperismus) führte vielerorts zu Unruhen, Revolten und Maschinenstürmen.
[Bearbeiten] Augsburger Weberaufstand 1784/85 und 1794/95
Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Augsburger Weberhandwerk zunehmend durch die Konkurrenz von in- und ausländischen Billiganbietern bedroht. Die ortsansässige Kaufmannschaft und Kattunfabrikanten (u.a. Schüle, Gignoux, Schöppler) kauften insbesondere ostindische Ware. Die einheimische Ware wurde zunehmend verdrängt und großteils nur im Warenwert gegen teure Wolle eingekauft.
Diese Situation führte zu erheblichen Einkommensverlusten, die 1784/85 zu ersten Unruhen führten. Die Gesellen, die wegen ihrer weithin ungesicherten Existenz besonders betroffen waren, verweigerten die Beitragszahlungen in die Gesellenlage und zettelten einen Tumult an. Der Gesellenstreik wurde zwar am 21. August 1784 friedlich beigelegt, entbrannte aber durch zwei Todesfälle neu. Es kam zu einem Demonstrationszug von 300 Gesellen, der durch die Polizei niedergeschlagen wurde. Die Rädelsführer wurden verhaftet. Viele Gesellen verließen die Stadt.
Während sich die Handwerksmeister an diesen Unruhen nicht beteiligten, änderte sich dieses mit der zunehmend rapiden Verschlechterung des Lebensunterhaltes und der Wohnsituation. Der Rat der Stadt blieb weitgehend untätig, so griffen die Weber zu Selbsthilfemaßnahmen und beschlagnahmten Warensendungen an die Kaufleute.
Am 11. Oktober 1785 kam es zu einem Kompromiss zwischen den Kontrahenten, der jedoch nur vorübergehend für Ruhe sorgte, da sich die Fabrikanten über die Abmachungen hinwegsetzten. Die städtische Obrigkeit, die sich vordem um eine neutrale Haltung bemüht hatte, schlug sich immer mehr auf die Seite des Fortschritts. Im Bewusstsein von besseren Anbietern vom Markt gedrängt zuwerden, stürmten am 29. Januar 1794 dreihundert Webermeister das Rathaus um die Konkurrenz gewaltsam auszuschliessen. Bereits am 25. Februar 1794 wiederholte sich die Situation, da das Einfuhrverbot bereits wieder gelockert wurde. Dieses Mal wurde der Amtsbürgermeister der Stadt als Geisel genommen. Zur Beruhigung der Massen erließ der Rat ein Dekret, das u. a. den Einfuhrstopp erneut bestätigte. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass sich die Obrigkeit an die unter Zwang entstandenen Vereinbarungen nicht gebunden fühlte. Am 26. August 1794 kam es zu einer neuen Vereinbarung zwischen den Kaufleuten, Fabrikanten und Webern, die auf dem Kompromiss von 1785 basierte und zum Gesetz erhoben wurde. Am 18. November 1794 wurde dieses aufgehoben und vom Rat eine militärische Lösung des Konflikts angestrebt.
Am 24. Dezember 1794 wurde der Aufstand durch den Einsatz von württembergischen Soldaten endgültig niedergeschlagen. Diese bezogen für 1 1/2 Jahre Quartier, die Weber mussten die Kosten tragen.
[Bearbeiten] Schlesischer Weberaufstand 1844
Der schlesische Weberaufstand von 1844 war weder der erste Weberaufstand in der Region des Eulengebirges, noch der heftigste. Bereits 1785/1786, 1793 und 1798 hatte es teils größere Aufstände gegeben. Die Besonderheit des Aufstandes von 1844 lag in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, die er erzielte. Zeitgenössische Publikationen und Literatur verarbeiteten und diskutierten das Thema ausgiebig. In diesem Sinne kann der schlesische Weberaufstand vom 4. Juni bis 6. Juni 1844 in einen Zusammenhang mit der 1848 einsetzenden Revolution gebracht werden, da er wesentlich zur Herausbildung von politischen Meinungsbildern beitrug.
[Bearbeiten] Hintergrund des Aufstandes
Die Provinz Schlesien war 1740 vom preußischen König Friedrich II. annektiert worden. Infolgedessen blieben die neuen Untertanen länger als woanders an die adligen Grundherren gebundene Häusler. Die Bauernbefreiung 1807 wurde nur unvollständig umgesetzt. Zwei Drittel der schlesischen Bevölkerung waren noch einem Gutsherren unterworfen und mussten Feudalabgaben wie Grundzins, Webzins, Schulgeld etc. entrichten. Die schlesischen Weber versuchten den Preisverfall ihrer Waren durch Quantität wettzumachen, doch selbst Kinderarbeit und die Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit schafften keinen Ausgleich, insbesondere da die Qualität der Produkte weiter sank. Technische Neuerungen und modernere Webstühle konnten keine Abhilfe schaffen, da diese von den Heimwebern nicht finanziert werden konnten. Zudem war das Eulengebirge einer der dichtbevölkertsten Bezirke Schlesiens, Peterswaldau hatte um die 5.725 Einwohner, Langenbielau 12.043 Einwohner. Folglich herrschte ein Überschuss an Arbeitskräften. Trotzdem ging es den in Peterswaldau und Langenbielau angesiedelten Baumwollwebern noch weit besser als den schlesischen Leinenwebern, die bereits vollkommen verarmt waren und hungerten. Im Juni 1844 kam es zur Revolte.
[Bearbeiten] Der Aufstand
Am 3. Juni zogen die Weber von Peterswaldau und umliegenden Ortschaften, das „Spottlied Blutgericht“ singend, vor die Firma der Gebrüder Zwanziger, die als Verleger tätig waren. Die Fabrikanten Ernst Friedrich und August Zwanziger ließen den Weber Wilhelm Mädler verhaften und glaubten somit wieder Ruhe geschaffen zu haben.
Mit dem Ziel, die Freilassung Wilhelm Mädlers und eine Preiserhöhung zu erreichen, bildete sich am 4. Juni 1844 ein Protestzug. Die Ablehnung jedlicher Verhandlungen brachte die angestaute Wut zum Ausbruch. Die Menge stürmte das Haus der Zwanziger und zerstörte die gesamte Einrichtung. Ebenso wurde im Verwaltungs-, im Lagerhaus und in der Fabrik gewütet. Die Familie Zwanziger floh nach Breslau. Der Fabrikant Wagenknecht blieb hingegen unbelästigt und wurde wegen des „gerechten“ Lohnes sogar gelobt.
Am 5. Juni 1844 konnten sich die Fabrikanten Fellmann und Hoferichter durch Geldzahlungen und Schnaps „freikaufen“. Die Schar zog weiter nach Langenbielau zu den Fabrikanten Andretzky und Hilbert. Diese waren verhasst, das Anwesen wurde verwüstet. Bei Dierig, der wegen der dort beschäftigten „ausländischen“ Arbeiter ins Visier der Aufrührer geraten war, stellten sich die Arbeiter gegen die anrückenden Weber. Zudem versuchten die Gebrüder Dierig durch Geldausteilungen die Menge zu beruhigen.
Zwischenzeitlich hatten die Behörden das Eingreifen des preußischen Militärs veranlasst und die Situation geriet außer Kontrolle. Es wurden elf Menschen (darunter eine Frau) erschossen, weitere 24 schwer verletzt. Die Einheit wich zunächst der mit Knüppeln und Steinen bewehrten Menge, nach dem Eintreffen der Verstärkung wurde der Aufstand am 6. Juni 1844 niedergeschlagen.
Zahlreiche Weber wurden verhaftet und zu Zuchthaus, Festungshaft bzw. Peitschenhieben verurteilt.
[Bearbeiten] Interpretation des Weberaufstandes
Es handelte sich um eine typische frühindustrielle Arbeiterunruhe, für die weder eine Interpretation als klassische Hungerrevolte, noch als Maschinensturm oder Klassenkampf angebracht scheint.[1] Bei den in die Revolte verwickelten Webern handelte es sich um Baumwollweber. Während die schlesischen Leinenweber in dieser Zeit bereits völlig verarmt waren und hungerten, ging es den Baumwollwebern noch weit besser.
Maschinenstürmer: Die Wut der Weber richtete sich nicht gegen die noch spärlichen „Maschinen“, sondern gegen die als ungerecht empfundenen Verleger.
Klassenkampf: Die Zerstörungen waren sehr gezielt gegen bestimmte Verleger gerichtet, während andere ganz verschont blieben, oder sich „freikaufen“ konnten. Weder der örtliche Feudalherr, noch die Obrigkeit im Allgemeinen, waren Ziel des Aufstandes.
[Bearbeiten] Künstlerische Aufarbeitung
- Gedicht Die schlesischen Weber von Heinrich Heine 1844
- Vertonung des Gedichtes durch Jörg Ermisch
- Gedicht "Lied einer schlesischen Weberin" von Louise Aston 1846
- Gedicht "Das Hungerlied" von Georg Weerth 1844
- Drama Die Weber (öffentliche Uraufführung 1894 in Berlin) von Gerhart Hauptmann
- Lithographien „Der Weberaufstand“ von Käthe Kollwitz 1894-1898
- Ölgemälde „Der Aufstand der schlesischen Weber“ von Carl Wilhelm Hübner 1844
[Bearbeiten] Weitere Weberaufstände
- 1783 in Elberfeld[2]
- 1828 in Krefeld
- 1831 in Lyon (Aufstand der Seidenweber in Lyon)
- 1841 in Ronneburg (Thüringen)
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Christina von Hodenberg: Aufstand der Weber, Dietz, Bonn 1997. ISBN 3-8012-3073-2
- ↑ Chronik Johann Gottfried Brügelmanns
[Bearbeiten] Literatur
- Christina von Hodenberg: Aufstand der Weber, Dietz, Bonn 1997. ISBN 3-8012-3073-2
- Hans E. Bremes: 140 Jahre Weberaufstand in Schlesien, Verl. Westfäl. Dampfboot, Münster 1985
- Käthe Kollwitz: Ein Weberaufstand, Bauernkrieg, Krieg, Furche-Kunst-Verl., Berlin 1930
- Lutz Kroneberg/Rolf Schloesser: Weber-Revolte 1844. Der schlesische Weberaufstand im Spiegel der zeitgenössischen Publizistik und Literatur, Informationspresse C.W.Leske, Verlag Gmbh, Köln 1979. ISBN 3-7632-2360-6
[Bearbeiten] Tonquelle
Tonquelle: Das Elend und der Aufruhr in Schlesien (1845)
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