Wasserstoffbrückenbindung
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Wasserstoffbrückenbindungen, auch kurz Wasserstoffbrücken oder H-Brücken, sind chemische Bindungen elektrostatischer Natur. Ihre Stärke liegt in der Regel deutlich unter denen der kovalenten Atombindung und der ionischen Bindungen.
Das Konzept der Wasserstoffbrücken wurde erstmals 1920 von Latimer und Rodebush zur Erklärung der hohen Dielektrizitätskonstante von Wasser beschrieben. [1]
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Entstehung der Bindung
Wasserstoffbrücken entstehen, wenn zwei funktionelle Gruppen über Wasserstoffatome in Wechselwirkung treten. Dabei ist es unerheblich, ob die Bindung zwischen zwei Molekülen oder zwei getrennten Abschnitten eines Makromoleküls entsteht. Man unterscheidet bei den funktionellen Gruppen zwischen dem Protonendonator (auch: Donor, Donator) und dem Protonenakzeptor. Der Donator ist ein ein elektronegatives Atom (z. B. Stickstoff, Sauerstoff oder Fluor), an das ein Wasserstoffatom kovalent gebunden ist. Durch den Unterschied in der Elektronegativität bilden sich hier zwei Teilladungen heraus. Eine negative an dem elektronegativen Atom, und eine positive an dem gebundenen Wasserstoffatom. Man spricht hier von einer polaren Bindung. Der Akzeptor ist ein beliebiges anderes elektronegatives Atom mit freien Elektronenpaaren.
Wenn Donator (−X−H) und Akzeptor (|Y−) geometrisch so ausgerichtet sind, dass das freie Elektronenpaar des Akzeptors in die Richtung des Wasserstoffatoms zeigt, bildet sich eine Wasserstoffbrückenbindung.
- R−X−H....|Y−R
Dabei ist zu beachten, dass bestimmte funktionelle Gruppe gleichzeitig als Donator und Akzeptor agieren können. Ein einfaches Beispiel ist eine Hydroxylgruppe oder die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen Wassermolekülen.
[Bearbeiten] Klassifizierung von Wasserstoffbrückenbindungen
Jeffrey[2] hat eine Klassifikation von Wasserstoffbrückenbindungen eingeführt. Unterschieden wird hierbei die Stärke der Bindung.
- Starke Bindungen (15-40 kcal / mol) Beispielsweise in der Flußsäure H−F ...H−F
- Mittlere Bindungen (4-15 kcal / mol) Beispielsweise in Wasser oder in Kohlenhydraten.
- Schwache Bindungen (<4 kcal / mol) C−H ... O Interaktionen, zum Beispiel in Proteinen.[3]
[Bearbeiten] Auswirkungen von Wasserstoffbrückenbindungen
[Bearbeiten] Wasserstoffbrücken in Biomolekülen
Wasserstoffbrücken sind verantwortlich für die speziellen Eigenschaften vieler für Lebewesen wichtiger Moleküle:
- Proteine: Stabilisierung von Sekundärstrukturelementen wie Alpha-Helix [4] und Beta-Faltblatt[5], sowie der Tertiärstruktur und Quartärstruktur (es treten bei Proteinen aber auch andere Bindungstypen auf).
- RNA: komplementäre Basenpaarung innerhalb von ncRNA-Molekülen oder zwischen RNA- und DNA-Molekülen.
- DNA: komplementäre Basenpaarung innerhalb der Doppelhelix; die beiden DNA-Stränge werden von den Wasserstoffbrückenbindungen zusammengehalten. Sie lassen sich jedoch (beim Kopiervorgang durch Helikasen) lösen ("Reißverschluss"-Prinzip).
- Wirkstoffe: Die Bindungsaffinität von Wirkstoffen an ihre Zielstrukturen hängt maßgeblich von den gebildeten Wasserstoffbrücken ab.[6]
[Bearbeiten] Wasserstoffbrücken in Chalkogen-Wasserstoff Verbindungen im Allgemeinen
Wasserstoffverbindungen von Elementen in der 6. Hauptgruppe haben eine tetraedrische Geometrie und jeweils zwei Möglichkeiten als Akzeptor und als Donator zu agieren. Jedes Molekül kann so vier Wasserstoffbrücken ausbilden, wodurch ein besonders dichtes Netzwerk von Wasserstoffbrücken entsteht. Zu diesen Verbindungen gehören unter anderem Wasser H2O, Schwefelwasserstoff H2S und Selenwasserstoff H2Se.
Bei einem Phasenübergang müssen diese Wasserstoffbrückenbindungen gebrochen werden. Daher haben sie im Vergleich zu den Wasserstoffverbindungen der anderen Elemente in ihrer jeweiligen Periode (die nicht so viele Wasserstoffbrücken ausbilden können) erhöhte Schmelz- und Siedetemperaturen.
Innerhalb dieser Hauptgruppe hat Sauerstoff, beziehungsweise Wasser, die höchsten Schmelz- und Siedetemperaturen, weil es die höchste Elektronegativität hat und somit auch die stärksten Wasserstoffbrücken ausbilden kann. Die Wasserstoffverbindungen der Elemente im Verlauf der Gruppe ("weiter unten") sind weniger elektronegativ und bilden schwächere Wasserstoffbrücken aus. Daher ist bei ihnen die molare Masse der entscheidendere Faktor für die Schmelz- und Siedetemperaturen (von H2Se an steigen sie wieder an).
[Bearbeiten] Wasserstoffbrücken von Wasser im Speziellen

Wasserstoffbrücken sind für eine Anzahl wichtiger Eigenschaften des Wassers verantwortlich. Darunter sind der flüssiger Aggregatzustand bei Normalbedingungen, die Kohäsion, der relativ hohe Siedepunkt und die Dichteanomalie des Wassers
Die typische Bindungslänge von Wasserstoffbrückenbindungen in Wasser ist 0,18 nm. Es treten dabei zwei Typen von Bindungen auf. Sogenannte lineare Bindungen mit einem Bindungswinkel von 180° und nichtlineare 180° +/- 20°, wobei die lineare Bindung überwiegt. Wohingegen ein rein tetraedrisches Netzwerk (Bindungswinkel 180°) zu jeweils 4 nächsten Nachbarn führen müsste (Koordinationszahl 4) ist die (durch Röntgenstreuung) gemessene Koordinationszahl unter Normalbedingungen 4,5. Bei abnehmender Dichte erniedrigt sich dieses Ordnungsmaß (im Gegensatz zu einer Erhöhung der Koordinationszahl bei den meisten anderen Flüssigkeiten) auf 4 und damit auf den Wert für eine ideale tetraedrische Struktur.
Im Wasser sind vorwiegend 2, 4 oder 8 Wassermoleküle miteinander verbunden. Beim Verdampfen müssen diese getrennt werden; hierdurch erklärt sich auch der (im Vergleich zu anderen Substanzen) hohe Energieaufwand, um flüssiges Wasser von 100 °Celsius in Dampf von 100 °C zu verwandeln (s. Verdampfungswärme).

(Ausschnitt aus dem Periodensystem der Elemente)
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ WM Latimer and WS Rodebush: Polarity and Ionization from the Standpoint of the Lewis Theory of Valence. In: J. Am. Chem. Soc.. 42, 1920, S. 1419-1433.
- ↑ G. A. Jeffrey, An Introduction to Hydrogen Bonding, Oxford University Press, Oxford, 1997, ISBN 978-0195095494.
- ↑ Lin Jiang and Luhua Lai, CH ... O Hydrogen Bonds at Protein Protein Interfaces, J. Biol. Chem., 277, 37732–37740, 2002
- ↑ Pauling L, Corey RB and Branson HR. (1951) "The Structure of Proteins: Two Hydrogen-Bonded Helical Configurations of the Polypeptide Chain", Proc. Nat. Acad. Sci. USA, 37:205-211. (1951)
- ↑ Pauling, L. and Corey, RB., "Configurations of polypeptide chains with favored orientations of the polypeptide around single bonds: Two pleated sheets". Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 37:729-740 (1951)
- ↑ M. A. Williams and J. E. Ladbury: Hydrogen Bonds in Protein-Ligand Complexes. In: H.-J. Böhm and Dr. G. Schneider (Hrsg.): Protein-Ligand Interactions. Wiley-VCH, Weinheim 2005, ISBN 9783527305216, S. 137-161 (doi:10.1002/3527601813.ch6).
[Bearbeiten] Literatur
- Allgemeine Lehrbücher
- Spezielle Bücher
- G. A. Jeffrey, An Introduction to Hydrogen Bonding, Oxford University Press, Oxford, 1997, ISBN 978-0195095494.
- G. C. Pimentel, A. L. McClellan, The Hydrogen Bond, (Hrsg.: L. Pauling), W. H. Freeman and Company, San Francisco, 1960, ISBN 9780716701132.
- A. J. Stone, The Theory of Intermolecular Forces, Oxford University Press, Oxford, 1997, ISBN 978-0198558835.