Ungarische Literatur
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Die ungarische Literatur ist im engeren Sinne die in ungarischer Sprache verfasste Literatur. In weiterem Sinne kann man auch jegliche in Ungarn oder von ungarischen Autoren verfasste Literatur dazurechnen.
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[Bearbeiten] Anfangszeit
Aus vorchristlicher Zeit sind lediglich einige Inschriften in ungarischen Runen erhalten. Seit der Christianisierung durch Stefan I. wurde nur mehr das lateinische Alphabet verwendet. Aus der Zeit vor dem 11. Jahrhundert haben sich keine nennenswerten Sprachdenkmäler erhalten. Anders als in der finnischen Literatur mit dem rekonstruierten Nationalepos Kalevala und der estnischen mit Kalevipoeg gibt es im Ungarischen nur Sagenfragmente.
Das Christentum, und hier vor allem die Benediktiner, beförderten die Literatur in Ungarn, die Literatursprache war das Lateinische. Der älteste vollständig erhaltene sakrale Text in ungarischer Sprache ist die „Grabrede“ und ein angefügtes Gebet um 1200.
Im 13. und 14. Jahrhundert dominierte die lateinische Geschichtsschreibung. Hier sind vor allem die „Gesta Hungarorum“ aus dem 13. Jahrhundert zu nennen. Der Autor nannte sich „Anonymus“. Wer er wirklich war, ist bis heute umstritten. Es entstand eine weitere Reihe solcher Werke, in einem von ihnen wurde auch der Mythos geboren, die Ungarn seien mit den Hunnen verwandt und deren Nachfolger.
Nach der Blüte der Geschichtsschreibung gelangte die christliche Hymnendichtung in den Vordergrund. Das erste vollständig erhaltene Gedicht ist die „Altungarische Marieklage“, sie wurde erst 1922 entdeckt.
Die erste größere, aber nicht vollständige Bibelübersetzung stammt von Tamás und Bálint. Ihre Verbreitung als Ganzes war eingeschränkt, weil es eine Hussitenbibel war, sie trug aber in Auszügen dennoch zur Vereinheitlichung der ungarischen Dialekte zu einer Schriftsprache bei.
[Bearbeiten] Renaissance
Mit dem Renaissancekönig Matthias Corvinus (1458-1490) setzte in Ungarn ein kultureller Aufschwung ein und für die Bibliotheca Corviniana entstanden zahlreiche Prachtkodices mit ungarischen Passagen.
Bedeutende lateinisch schreibende Ungarn waren Janus Pannonius (1434-1472) und Bálint Balassi (1554-1594).
[Bearbeiten] Literatur der Barockzeit
Den Jesuiten gelang die Rekatholisierung mehrerer protestantischer Aristokraten. Der wichtigste Vertreter der Gegenreformation war Péter Pázmány (1570-1637). Sein Hauptwerk, der „Führer zur göttlichen Wahrheit“ (1613) war ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung einer ungarischen Philosophiesprache; Gebetbuch 1606. György Káldi (1572-1634) übersetzte die Bibel (1626) auf der Grundlage der lateinischen Vulgata. Die ungarische Barockliteratur war nicht höfisch, sondern in erster Linie anti-türkisch. Miklós Zrínyi (1620-1664) schrieb Lyrik, gesellschaftspolitische und militärische Abhandlungen, sein Hauptwerk ist allerdings „Szigets Not“ (Szigeti veszedelem, 1645/46), das erste Epos überhaupt in ungarischer Sprache. Es handelt vom rund 100 Jahre zurückliegenden Sturm der Türken auf die Burg Sziget und dem anschließenden Massaker an den Verteidigern, die von Zrínyi heroisiert werden. János Apáczai Csere (1625-1659) schrieb eine „Ungarische Enzyklopädie“ (1655), die wichtig für die Wissenschaftssprache wurde. István Gyöngyösi (1629-1704)
[Bearbeiten] Aufklärung und Romantik
Ungewöhnlich viele Schriftsteller waren Leibgardisten der „Kaiserin“ Maria Theresia in Wien. Es handelte sich um junge Adelige, die vom Wiener Geistesleben fasziniert waren und literarische Versuche unternahmen. Neben Sándor Báróczi (1735-1809) und Ábrahám Barcsay (1742-1806) war es vor allem György Bessenyei (ca. 1747-1811). Mit seinen Schriften, die die ungarische Literatur kritisierten und in denen für eine Nachahmung weltliterarischer Muster eintrat, waren einflussreich, wenngleich er selbst kein großer Schriftsteller war.
1794 erschien die Pester Zeitschrift „Uránia“, die ausnahmslos ungarische Literatur und keine Übersetzungen veröffentlichte. Mit ihr wurde Pest zum literarischen Zentrum Ungarns. Der Wiener Hof blieb nicht untätig und baute ein weit verzweigtes Netzwerk von Zensoren auf. Gedeon Ráday (1713-1792) Mihály Csokonai Vitéz (1773-1805) war ein großer Lyriker, der in Ungarn seltene lyrische Formen einsetzte oder gar einführte, etwa das erste jambische Gedicht (!?) und das Sonett (nicht als Erster). Csokonai wird eine geistige Verwandtschaft mit Wolfgang Amadeus Mozart zugeschrieben, zu dessen Zauberflöte er das Libretto übersetzte. Er schrieb das erste ungarische ironische Epos „Dorotha“ (Dorottya, 1795), in dem er die adelige Lebensweise karikiert. Mihály Fazekas (1766-1828) wurde nur für ein einziges Werk bekannt, nämlich seinen „Gänsemathes“ (Ludas Matyi, 1804), der sehr populär und in viele Sprachen übersetzt wurde. Das Märchen vom bösen Adeligen und guten Bauernburschen wurde zu einem Symbol der ungarischen Literatur. Um Ferenc Kazinczy (1754-1831) bildete sich ein Literaturkreis, davon außerhalb stand Dániel Berzsenyi (1776-1836), auch „Einsiedler von Nikla“ genannt.
[Bearbeiten] Reformzeit
Damit wird die Zeit zwischen 1825-1848 bezeichnet. Sie war eine Glanzzeit der ungarischen Literatur mit Mihály Vörösmarty (1800-1855), János Arany (1817-1882) und Sándor Petőfi (1823-1849) an der Spitze.
Vörösmarty ist als Freiheitskämpfer und Lyriker bekannt. Zu seinen wichtigsten Werken zählen das Epos „Zaláns Flucht“ über die ungarische Landnahme (begonnen 1823), „Csongor und Tünde“ (1831), das an Mozarts Zauberflöte erinnert und das Gedicht „Zuspruch“ (Szózat, 1838), das während der Revolution als „Ungarische Marseillaise“ gesungen wurde. Die Nationalhymne der Ungarn (Himnusz) schrieb Ferenc Kölcsey im Jahre 1823.
Mór Jókai (1825-1904) nahm an der Revolution von 1848/49 teil und war auch später politisch aktiv. Als Schriftsteller hinterließ er ein gewaltiges erzählerisches Werk. Seine zu Lebzeiten herausgegebenen „Gesammelten Werke“ umfassen 100 Bände. Von den vielen meist romantisch-idealistischen Novellen, Erzählungen und Romanen ist z.B. „Ein ungarischer Nabob“ (Egy magyar nábob, 1854) zu nennen.
[Bearbeiten] 20. Jahrhundert
Margit Kaffka (1880-1918) schrieb über Frauenschicksale. Von Baudelaire beeinflusst war der Lyriker Endre Ady (1877-1919), der mehrmals in Paris war. Sein wichtiges Werk sind die „Neuen Gedichte“ von 1906. Attila József (* 11. April 1905 in Budapest, † 3. Dezember 1937) gilt neben Ady als der größte Dichter des 20. Jahrhunderts. Mihály Babits (1883-1941) übersetzte Dantes Göttliche Komödie. Er schrieb Romane, Lyrik und Essays. Mit seinem Pazifismus war er im traditionell sehr patriotischen Ungarn nicht immer gern gesehen. Dezső Kosztolányi (1885-1936) war in allen Genres zuhause und übersetzte zeitgenössische Weltliteratur in „Moderne Dichter“ (1913). Árpád Tóth war auch ein wichtiger Dichter und Übersetzer. Zsigmond Móricz (1879-1942) schrieb realistische und sozialkritische Romane.
Ferenc Molnár (1878-1952) ist der bedeutendste ungarische Dramatiker, am bekanntesten ist sein Theaterstück „Liliom“ (1909). 1937 musste er ins Exil in die USA. Sándor Márai (1900-1989) lebte lange Zeit teils (freiwillig) im Ausland, teils im Exil. Auch ein berühmter Prosaist war Albert Wass (1908-1998), wer nach 1945 in der BRD und USA lebte.
Imre Kertész (* 1929), Überlebender des KZ Auschwitz-Birkenau, verarbeitete diese Erfahrung in „Mensch ohne Schicksal“ (Sorstalanság, 1975). Er erhielt 2002 den Nobelpreis für Literatur für, so die Laudatio, „ein schriftstellerisches Werk, das die zerbrechliche Erfahrung des Einzelnen gegenüber der barbarischen Willkür der Geschichte behauptet“. Wie viele andere Schriftsteller dieser Zeit hat Kertész enge Kontakte zur deutschsprachigen Kultur und ist selbst Übersetzer aus dem Deutschen ins Ungarische. Andere Autoren sind Ferenc Juhász und György Konrád, Lyriker sind zum Beispiel László Nagy, Sándor Weöres und János Pilinszky. Als der bekannteste nach dem Krieg geborene Autor gilt Péter Esterházy (* 1950) mit seiner „Harmonia Caelestis“ und der „Verbesserten Ausgabe“ derselben.
Siehe auch: Liste ungarischer Schriftsteller
[Bearbeiten] Literatur
- László Rónay: Abriß der ungarischen Literaturgeschichte. Corvina 1997. ISBN 963-13-3911-4