Strafdivision 999
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Die Strafdivision 999 (offiziell als Bewährungseinheit bezeichnet) war ein im Oktober 1942 geschaffener militärischer Verband der Wehrmacht. Die bisher vom Dienst in der Wehrmacht ausgeschlossenen „bedingt Wehrunwürdigen“ und „Kriegstäter“ sollten zum Dienst herangezogen werden. Wehrunwürdig war jeder, der zu einer Zuchthausstrafe verurteilt und nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte war oder dem durch militärgerichtliches Urteil die Wehrwürdigkeit entzogen war. Mit Verfügung des OKW vom 2. Oktober 1942 wurde die Wehrunwürdigkeit für die Dauer des Krieges aufgehoben. Der betroffene Personenkreis umfasste im Jahr 1942 mehrere zehntausend wehrfähige Männer. Dieses Potenzial sollte über die Strafdivision 999 nutzbar gemacht werden. Insgesamt schätzt man die Zahl der Eingezogenen auf etwa 34.000.
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[Bearbeiten] Geschichte
Aufgrund der Zusammensetzung dieser Truppe wurde kein einheitlicher Kampfverband gebildet. Es wurden einzelne Infanterie-Regimenter, Festungsbataillone, Pioniereinheiten usw aufgestellt. Diese Truppen wurden flankiert von regulären Truppen eingesetzt. Die Hauptgruppen der eingezogenen Wehrunwürdigen waren politisch Vorbestrafte, vor allem Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter, Kriminelle, religiös Verfolgte und Männer, die nach den Nürnberger Rassegesetzen der Rassenschande angeklagt waren. Das Stammpersonal, Offiziere, Unteroffiziere und das sonstige fachliche Personal, bestand aus überzeugten Nationalsozialisten. Der Gesamtanteil der als politisch Verfolgte eingestuften am Personalbestand der 999er betrug ca. dreißig Prozent. Sie waren damit den Stammmannschaften, ca. 35 Prozent der Personalstärke, und den Kriminellen deutlich unterlegen. Diese politisch Verfolgten versuchten, sich in den jeweiligen Verbänden zu organisieren und Einfluss auf die Truppe auszuüben. Das war der Führung durchaus bekannt. Es wurde vor allem mit Hilfe der Kriminellen ein umfangreiches Spitzelsystem aufgebaut. Beim Fronteinsatz zeigte es sich aber, dass auch einige dieser Kriminellen keine allzu große Lust verspürten, den Heldentod zu sterben. Sie machten daher teilweise gemeinsame Sache mit den Politischen.
Die Strafdivision 999 wurde ab Oktober 1942 auf dem Truppenübungsplatz Heuberg auf der Schwäbischen Alb aufgestellt (Afrikabrigade 999) und ausgebildet, ab Dezember 1943 erfolgte die Ausbildung auf dem Truppenübungsplatz Baumholder. Mit Anweisung des Oberkommandos der Wehrmacht vom 13. Januar 1943 wurden in Folge der Niederlage in Stalingrad auch wehrfähige Gefangene unmittelbar aus den Zuchthäusern und Konzentrationslagern in die Strafdivision versetzt.
Der erste Einsatz der Truppe erfolgte als Afrikabrigade 999 mit den Regimentern 961 und 962 sowie Spezial- und Unterstützungseinheiten, mit einer Truppenstärke von 16.000 Soldaten, die jedoch nur zum Teil eingesetzt wurden, an der Afrikafront bei Kairouan in Tunesien im Frühjahr 1943. Kommandeur war Oberst Thomas, zuvor Kommandant des Führerhauptquartiers, ein überzeugter Nationalsozialist. Die 999-Regimenter wurden in die erste Linie gelegt und sollten den ersten Stoß gegen die in der Hauptverteidigungslinie liegenden Divisionen abfangen und deren verlustlosen Abzug decken. Dieses Unterfangen endete für die Wehrmachtsführung desaströs. Die politisch vorbestraften Widerstandskämpfer hatten die Verbände so unterwandert, dass an allen angegriffenen Abschnitten die kampflose Übergabe der Stellungen an die alliierten Truppen beim Angriff im Mai 1943 erzwungen wurde. Die Führung reagierte mit Massenerschießungen von 999-Soldaten. Das gleiche ereignete sich Ende 1943/Anfang 1944 am zweiten Einsatzort, der Ostfront, am Abschnitt der Dnjepr-Front. Hier liefen die Politischen zur Roten Armee über. Die Truppe wurde daraufhin unter Arrest gesetzt und als Militärgefangene nach Baumholder zurücktransportiert.
Danach wurden die 999-Verbände nicht mehr massiv an der Front in der Hauptkampflinie eingesetzt. Jetzt erfolgte der Einsatz vorwiegend als Besatzungs- und Objektsicherungstruppe in Griechenland, auf den ägäischen Inseln und dem Balkan. Bei der Verlegung auf die ägäischen Inseln im Herbst 1943 starben Hunderte, als britische Seestreitkräfte einige Transportschiffe versenkten. Auch auf dem Balkan und in Griechenland wurden Kontakte zur Widerstandsbewegung gesucht. Viele 999-Soldaten liefen zu den albanischen, jugoslawischen und griechischen Partisanen über. Im Oktober 1944 wurde aus den antifaschistischen deutschen Überläufern innerhalb der 11. Division der griechischen ELAS die deutsche Kampfeinheit Saloniki gebildet. In Jugoslawien wurde im August 1943 das deutsche Ernst-Thälmann-Bataillon innerhalb der jugoslawischen Partisanenarmee formiert.
Viele Angehörige der 999-Verbände wurden wegen ihres Widerstandes gegen die Nazis standrechtlich erschossen oder sind im Kampf auf Seiten der Partisanen gefallen.
[Bearbeiten] Persönlichkeiten, die in der Strafdivision 999 dienen mussten
- Wolfgang Abendroth (1943–1944), später Politologe
- Willi Birkelbach (1942–44), später Chef der Staatskanzlei in Hessen
- Franz Ehrlich (1943–45), Architekt
- Egon Franke (1943–45), später Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen
- Ludwig Gehm (1943–44), später stellv. Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten
- Ernst Walsken, (1942−43), Maler und Widerstandskämpfer
- Johannes Zieger (1943-1945), Kommunist, Widerstandskämpfer
[Bearbeiten] Literatur
[Bearbeiten] Sachbücher
- Hans Burckhardt und Günter Erxleben: Strafdivision 999. Deutscher Militärverlag, Berlin 1965.
- Hans Burckhardt, Günter Erxleben, Kurt Nettball: Die mit dem blauen Schein. Über den antifaschistischen Widerstand in den 999er Formationen der faschistischen deutschen Wehrmacht (1942-1945). Deutscher Militärverlag, Berlin 1986.
- Hans-Peter Klausch: Die Geschichte der Bewährungsbataillone 999 unter besonderer Berücksichtigung des antifaschistischen Widerstandes. In: Hochschulschriften 245. Bd. 1/2, Pahl-Rugenstein, Köln 1987.
- Hans-Peter Klausch: Die 999er: von der Brigade "Z" zur Afrika-Division 999; die Bewährungsbataillone und ihr Anteil am antifaschistischen Widerstand. Röderberg-Verlag, Frankfurt am Main 1986.
[Bearbeiten] Belletristik
- Heinz G. Konsalik: Strafbataillon 999. Neuer Kaiser Verlag, 2003, ISBN 3704313769.