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Sozialimperialismus – Wikipedia

Sozialimperialismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Begriff Sozialimperialismus beschreibt eine Imperialismustheorie, die der deutsche Historiker Hans-Ulrich Wehler prägte. Neben den Erklärungsversuchen Mommsens und Lenins zählt sie zu den wichtigsten Theorien, die das imperialistische Streben der industriellen Großmächte im 19. Jahrhundert beschreiben und begründen soll.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Definition

Die Sozialimperialismustheorie ist ein außenpolitisches Konzept, in dem durch imperialistische Bestrebungen von den innenpolitischen Problemen eines Staates abgelenkt werden soll. Der Sozialimperialismus steht somit eng im Kontakt mit dem 'Primat der Außenpolitik' und soll durch neue wirtschaftliche Absatzmärkte - und den daraus eventuell resultierenden Folgen - z.B. in Kolonien dazu beitragen, diese innenpolitischen Missstände zu überdecken oder zu beenden.

[Bearbeiten] Sozialimperialismus in bolschewistischer und maoistischer Ideologie

Gerade in den Ideologiekonzepten der Bolschwiki in Russland und der Maoisten in China spielte die Sozialimperialismustheorie eine propagandistisch wichtige Rolle: der Imperialismus wurde als höchste Form des Kapitalismus angesehen, nach der "Die Ablösung der Konkurrenz durch das Monopol" der "ökonomische Grundzug" sei (W.I. Lenin, Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus). Nach weiterer Definition schließt dies auch die Ausprägung des Sozialimperialismus mit ein, da dies ein Charakteristika für "absterbenden Kapitalismus" sei (ebenda).

Die schlechten Beziehungen zwischen der VR China und der UdSSR führten späterhin seitens der Maoisten aus China dahin, dass der Begriff Sozialimperialismus auch für die sozialistische UdSSR verwendet wurde, da die expansiven Bestrebungen der Sowjetunion durchaus den Charakter sozialimperialistischer Pläne hatten.

[Bearbeiten] Historische Theorie

Der deutsche Historiker Hans-Ulrich Wehler entwickelte ab Ende der 1960er Jahre die Theorie des Sozialimperialismus. Diese sei eine "Strategie herrschender Eliten, [...] die Dynamik der Wirtschaft und der sozialen und politischen Emanzipationskämpfe in die äußere Expansion zu leiten, von den inneren Mängeln des sozialökonomischen und politischen Systems abzulenken und durch reale Erfolge seiner Expansion [...] zu kompensieren." (Hans-Ulrich Wehler: Imperialismus, Köln 1970, S. 86)
Die sozialimperialistische Strategie der Reichsregierung hätte, so Wehler, auf der Annahme basiert, dass eine expansive Außenpolitik zu wirtschaftlicher Prosperität führen würde. Dieser Faktor hätte innenpolitisch dazu beitragen sollen, Veränderungen des traditionellen Sozialgefüges zu verhindern. Wehler ging dabei zunächst von der Politik des deutschen Reichskanzlers Bismarcks zwischen 1870/71 bis 1890 aus. Später erweiterte er seine Theorie auch auf die Phase der deutschen "Weltpolitik" von 1897 bis 1914/18, bei der die Ablenkung nach innen allerdings eher durch eine Steigerung des nationalen Prestiges erfolgt sei als durch wirtschaftlichen Erfolg.

Wehler räumte gleichwohl ein, dass die Strategie des Sozialimperialismus letztlich gescheitert sei: Die expansive Außenpolitik Deutschlands sei weder wirtschaftlich noch politisch erfolgreich gewesen und habe deshalb keine dauerhafte Ablenkung von innenpolitischen Problemen schaffen können.

In der wissenschaftlichen Diskussion gilt der Sozialimperialismus heute als kaum tragfähige Gesamtinterpretation der imperialistischen Politik. Kritisiert wird etwa, dass die Zwänge, denen die deutsche Reichsregierung in innen- wie außenpolitischer Hinsicht unterlag, nicht angemessen berücksichtigt werden. So übten die imperialistisch orientierten Agitationsverbände (z.B. Alldeutscher Verband und Flottenverein) starken öffentlichen Druck auf die Regierung aus. Außerdem wird auf die verschwindend geringe wirtschaftliche Bedeutung der Kolonialpolitik hingewiesen.

Kritiker bemängeln ferner, dass Wehlers Theorie die unterschiedlichen Ideologien, die den Imperialismus mitbegründet und angetrieben haben, unbeachtet lässt.

[Bearbeiten] Sozialimperialismus anderer Länder

In anderen Schriften nennt Hans-Ullrich Wehler die USA als sozialimperialistisch agierendes Land und bezieht sich auf die Zeit der "ersten Kubakrise" zwischen 1895 bis 1898. So soll Amerika in dieser Zeit durch eine sozialimperialistisch geprägte Außenpolitik aufgefallen sein. Kuba war damals noch unter der Spanischen Krone geführt- eine konstitutionelle Monarchie- und war der größte Zuckerlieferant der USA. Zur Zeit der kubanischen Revolution im Jahr 1895 war die Insel von Rebellen (Guerilla) immer wieder in Aufruhr versetzt worden, Amerika sah dem Geschehen vor der "Eigenen Haustür" jedoch zunächst gelassen zu. Solange der Zuckerimport noch aufrecht erhalten werden konnte, dachte die amerikanische Regierung nicht daran, sich zwischen die Fronten Spanien- Aufständische zu stellen. Erst als die Aufständischen begannen, Zuckerrohrplantagen und Zuckermühlen zu zerstören, dem zufolge der Export von Zucker zum erliegen kam, dachte Amerika an eine Einmischung. Dieses Beispiel kann deswegen als sozialimperialistisches Handeln erachtet werden, weil zeitgleich in den USA sämtliche Zeitungen der "Yellow Press" jeden noch so kleinen Erfolg der Aufständigen - der Kubaner also - feierte und somit auch das Vorgehen der Regierung lobte, mit dem Einschreiten und Schlichten der Situation auf Kuba noch solange zu warten, bis der eigene Vorteil, der stetige Zuckerimport, nicht mehr gegeben war.

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