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Sachsenküste – Wikipedia

Sachsenküste

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Als Sachsenküste (lateinisch: litus Saxonicum) bezeichneten die Römer eine Kette von stark befestigten Militärlagern entlang der Süd- und Südostküste von Britannien, dem heutigen England und an der Kanalküste Galliens (Frankreich). Heute werden die römischen Kastelle der Sachsenküste, von denen eindrucksvolle Ruinen erhalten geblieben sind, in England als Saxon Shore Forts bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Name

Die Herkunft des Namens für die Region ist nicht eindeutig bestimmbar, man kann ihn sowohl als von „Sachsen besiedelte Küste“ interpretieren (White 1961) oder als denjenigen Teil der britischen Küste, der immer wieder von sächsischen Piraten angegriffen wurde (Stephen Johnson 1979).

Die Einwanderung germanischer Stämme nach Britannien hat man sich bisher meist so vorgestellt, dass wenigstens ein Teil dieser Stämme schon vorher an den Rheinmündungen und um Boulogne gesiedelt habe, also auch dort, wo das Litus Saxonicum als eine von den Sachsen bewohnte Küste beschrieben wurde. Die dort weit verbreiteten Ortsnamen, die auf -ingthun enden, wurden dafür als Beweis herangezogen, da sie sonst nur noch auf der anderen Seite des Kanals, in England, vorkommen. Durch Sprachvergleich gelangte man zu der Überzeugung, dass sie nicht rein sächsischen, sondern angelsächsischen Ursprunges sind und aus der Zeit des 6. bis 8. Jahrhunderts stammen, wobei die ing-Ortsnamen in Britannien noch weitaus älter sein dürften.

Aussagekräftige archäologische Funde sind hier zwar kärglich, widersprechen dieser Theorie aber nicht, da sächsische Funde aus der Zeit vor dem 6. Jahrhundert am französischen Abschnitt des Litus gänzlich fehlen. So ist es sehr wahrscheinlich, dass Litus Saxonicum „die gegen die Einfälle der Sachsen geschützte Küste“ bedeutet und dass die Siedlungen um Boulogne angelsächsische, wahrscheinlich kentische Gründungen frühestens aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts sind. Die angelsächsische Migration in Britannien dürfte dann in stärkerem Maße, als bisher gedacht wurde, durch direkte Fahrt über die Nordsee geschehen sein.

[Bearbeiten] Historischer Hintergrund

Am Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. war es im Zuge der bevorstehenden Völkerwanderung zu vermehrten Versuchen von Sachsenstämmen gekommen, nach Britannien überzusetzen. Auch Raubzüge von Piraten waren zu verzeichnen, diese behinderten im zunehmendem Maße den Seeverkehr und vor allem die Überführung von Waren und Edelmetallen nach Gallien und Rom. Die Römer statteten exponierte Küstenbereiche und Flussmündungen daher mit einen speziellen Verteidigungssystem aus, das dem vermehrten Schutz ihrer Provinzen in Britannien dienen sollte. Die Kastelle standen über den Kanal in enger Verbindung mit römischen Militärlagern auf dem gallischen Festland im heutigen Frankreich.

[Bearbeiten] Die Kastelle

Die römische Flotte, Classis Britannica, war schon seit dem 2. Jahrhundert n. Chr. in Britannien stationiert. Vegetius, ein Militärschriftsteller, der seine Werke am Ende des 4. Jahrhunderts verfasste, erwähnt, dass zu dieser Zeit die Flotte der Provinz noch existierte.[1] Er beschreibt darin u. a. ihre getarnten Ruderboote, die zur Aufklärung eingesetzt wurden und so Invasion und Infiltration verhindern sollten. Somit waren die militärischen Einrichtungen der Sachsenküste auf das Engste mit den Einsätzen der römischen Flotte im Kanal verknüpft. Das heißt aber nicht, dass dieses System einem einzigen ausgeklügelten Masterplan entsprang, wie es in der Zusammenstellung der Notitia Dignitatum den Anschein hat. Das genaue Datum der Entstehung des Verteidigungssystems der Sachsenküste liegt weitgehend im Dunkeln. Sicher ist nur, dass der Ausbau dieses im Gebiet zwischen dem Wash und Solent liegenden Limes fast ein ganzes Jahrhundert in Anspruch nahm.

Die Kastelle der Sachsenküste hatten meist starke, hohe Mauern und flankierende Türme. Die Tore sind in der Regel sehr eng. Die meisten Kastelle hatten einen annähernd rechteckigen Grundriss nach römischen Standard, die Mauern waren durchwegs 4,5 m dick und 8 m hoch, mit Hufeisentürmen, die in Intervallen an die Mauer und ihren Ecken angebaut waren. In diesen Festungen fanden sich selten Anzeichen fester Innenbauten, so dass davon ausgegangen wird, dass es sie vor allem Häfen beschützen sollten oder Militärbasen waren. Vergleichbare Anlagen fanden sich auch an der Westküste der Insel, in Wales. Man nimmt weiter an, dass die Kastelle der Sachsenküste in erster Linie als geschützte Häfen und Nachrichtenstationen für den an diesem Abschnitt eingesetzten römischen Flottenverband diente. Die Mauern der neuen Kastelle waren beträchtlich höher und mächtiger als ihre Vorgänger, mit vorspringenden Türmen versehen sowie und mit Torsionsgeschützen und noch anderen Abwehrwaffen, um den Sturm auf die Mauern für Belagerer zu einem unkalkulierbaren Risiko werden zu lassen. In der Spätantike standen sie noch direkt an der Küstenlinie, heute hat die See bei einigen von ihnen schon große Teile weggespült (z. B. Walton) oder die ehemaligen Strände sind verlandet, sodass sie weit im Landesinneren liegen wie Richborough, das heute ca 3,5 km von der heutigen Küste entfernt liegt.

Die Taktik der präventiven Vorwärtsverteidigung der Prinzipatszeit (Eindringen ins Feindesland und Ausschalten der feindlichen Kräfte, noch bevor sie auf das Reichsgebiet vordringen konnten) wurde nun durch eine rein defensive Kriegsführung, Bau stärkerer Festungen und deren entschlossene Verteidigung, ersetzt. Auch die meisten großen Häfen an den Meeresarmen der britischen Süd- und Ostküste wurden entsprechend umgebaut. An der gegenüberliegenden, der gallischen, Küste existierten gleichartige Festungssysteme die bis in die heutige Bretagne zu finden waren. Die Kastelle der Sachsenküste sind bis heute eindrucksvolle Zeugen der römischen Herrschaft über die britische Insel.

Die Wissenschaftler sind sich allerdings nicht einig, ob sie ausschließlich als reine Garnisonsfestungen anzusehen sind; ihr Blickwinkel hat sich längst auch auf sozio-ökonomische Aspekte erweitert, besonders im Hinblick auf die ständige Herabwürdigung der Sachsen als reine Piraten und Plünderer und die Klagen um die ständige Gefahr die angeblich von ihnen drohte. Heutzutage sieht man in den Kastellen mehr als nur befestigte Häfen, sie waren u. a. wohl auch lebenswichtige Verbindungsglieder im Logistiksystem der Provinztruppen, um die Erzeugnisse Britanniens bestmöglich verteilen zu können.

Nach dem Abzug der Römer im Jahre 410 n. Chr. wurden einige aufgegeben, von den Sachsen zerstört oder der angelsächsischen Kirche zur weiteren Nutzung übergeben; später errichteten die Normannen teilweise ihre Burgen auf ihren Grundmauern. Der Besucher der Südostküste von Großbritannien kann die teilweise noch gut erhaltenen Ruinen dieser Uferkastelle bei Richborough, Lympne, Portchester und Pevensey sehen. Letzteres war auch der Schauplatz der Landung der Armee Wilhelms des Eroberers im Jahr 1066. Es wurde von ihm wieder befestigt und umgebaut; erhebliche Teile der römischen Grundmauern sind dadurch erhalten geblieben.

[Bearbeiten] Spätantiker Festungsbau

Während des 3. Jahrhunderts n. Chr. durchlief der römische Festungsbau einen grundlegenden Wandel. Neue Verteidigungskonzepte wurden nötig, sowohl für militärische Zwecke als auch für zivile Städte, die Verteidigungsanlagen erhielten einen wesentlich massiveren Charakter. Die Ringwälle wurden immer höher und dicker und diese Bauart wurde nun allgemein im Reich üblich. Gleichzeitig mit der zunehmenender Größe der Bauwerke wurden auch architektonische Innovationen eingeführt. Solide, aus der Mauerflucht hervorragende Türme mit Plattformen für Torsionsartillerie und Bogenschützen wurden in regelmäßigen Abständen an die Festungswälle angebaut. Die Tore, von jeher Schwachstellen, wurden nun durch ein oder zwei massive Flankentürme neben nur mehr einem schmaleren Eingang erheblich verstärkt. All diese Neuerungen waren exemplarisch für eine neue Art der Kriegsführung, die vorkragenden Rundtürme waren dafür von elementarer Wichtigkeit und unterstreichen zusätzlich noch deren brutalen Funktionalismus.

Die Kastelle alten Stils der Prinzipatszeit waren noch ganz an die Strategie der Bewegung und Vorwärtstrategie angepasst, meist an geographisch günstig gelegenen Örtlichkeiten platziert, um feindliche Invasoren noch im Vorfeld abfangen zu können, ihre Türme dienten daher in erster Linie zur Beobachtung und nicht dazu, den Feind mit einem vernichtenden Abwehrfeuer einzudecken. Die Armee des Prinzipats war darauf trainiert, den Feind schon im Vorfeld zu bekämpfen; im spätantiken Reich war dies nur mehr den Eliteverbänden der Comitatenses vorbehalten, von denen die meisten allerdings in Städten weit im Inneren der Provinzen kaserniert waren. Die Belagerungen durch Barbaren wurden nun aber immer häufiger und die römische Armee war immer seltener in der Lage oder willens, ihnen im offenen Feld zu begegnen. Natürlich gab es auch regionale Unterschiede im Festungsbau, es gab halbrunde, polygonale oder rechteckige Türme, jedoch immer aus der Ringmauer hervortretend. Sie waren der örtlichen Topographie angepasst, um den Angreifer so weit und so lange wie es nur ging von den eigentlichen Wehrmauern fernzuhalten. Neue Kastelle wurden, wenn möglich, auf erhöhten Grund errichtet; bevorzugt waren Plateaus, von denen man eine gute Rundumsicht hatte. Die Spitzgräben der frühen Kaiserzeit wurden durch breitere, flachbödige Gräben ersetzt, die bei Bedarf auch geflutet werden konnten. Diese Gräben wurden jetzt weiter entfernt von den Mauern angelegt um dazwischen eine Art Todeszone zu schaffen. Diese neuen Wälle erforderten jedoch massivere innere Abstützungskonstruktionen. Es waren nicht mehr die einfachen steinverkleideten Holz-Erde-Wälle wie in der frühen Kaiserzeit, nun wurden dicke mit Bruchstein gefüllte Gußmauerwerke hochgezogen, die mit Quadersteinen verblendet waren. Die Wiederverwendung von Altmaterial wurde allgemein üblich, immer wieder finden die Archäologen Teile von Statuen, Altäre und Grabsteine in Festungsbauwerken dieser Zeit. Als günstigere Alternative wurden aber auch oft alte Kastelle wieder instand gesetzt und durch Neubauten zusätzlich verstärkt und modernisiert.

Der früheren Auffassung, dass der Limes zwischen Wash und Solent gleichzeitig als einheitliche Festungslinie errichtet wurde (was auch beim Hadrianswall nicht der Fall war) widersprechen auch die Auswertungen und Forschungen in den letzten Jahrzehnten. Münzfunde und die Typologie der Kastelle zeigen dies ganz klar. In den Kastellen der Sachsenküste vermischen sich zahlreiche alte und neue Stilelemente, sie können daher mehrheitlich als Bauwerke des Übergangs angesehen werden. Die letzten Kastelle an der Sachsenküste – angefangen mit Burgh Castle-Gariannonum und endend mit Pevensy-Anderitum – wurden in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten errichtet.

Die Kastelle von Branchester-Branodunum, Caister-on-Sea sowie Reculver-Regulbium wurden nachweislich schon vor dem späten 3. Jahrhundert errichtet. Diese drei Kastelle weisen noch die typische Festungsarchitektur (Spielkartenform) des 2. Jahrhunderts auf. Ihre Mauern sind schmal, ohne eingearbeitete Steinbänder und an der Innenseite noch durch abgeschrägte, bis zum Wehrgang hinaufreichende Erdwälle verstärkt, die Türme stehen an der Innenseite und nur an den Ecken, Tore befinden sich nur an zwei Seiten, relativ simpel gebaut und leicht befestigt. Sie sind somit direkte Nachfolger der Holz-Erde-Kastelle und der ersten steinernen Exemplare des 1. Jahrhunderts n. Chr.

Kastelle wie Burgh Castle-Gariannonum können schon als Festungsbauten des Übergangs angesehen werden. Ihre Fächertürme sind nur an der unteren Basis mit der Hauptmauer verbunden, vermutlich erst nachträglich neu hinzugefügt, da die klassischen Ecktürme, auch wegen der noch abgerundeten Ecken dieses Kastells, den neuen strategischen Herausforderungen nicht mehr gerecht werden konnten; Fächertürme hingegen ermöglichten eine wesentlich breitere Streuung des Abwehrfeuers auf das Vorfeld.

Auch Dover-Portus Dubris ist auf die selbe Weise noch "unvollkommen" und kann daher in die Jahre 275–80 n. Chr. datiert werden,[2] desgleichen Lympne-Portus Lemanis[3]. Bradwell-Othona kann nicht zweifelsfrei bestimmt werden, nach Interpretation der örtlichen Münzfunde dürfte es aber ebenfalls in der fraglichen Zeitperiode errichtet worden sein. Die letzte Ausbauphase von Richborough-Rutupiae könnte in den frühen 270-er Jahren abgeschlossen worden sein. Zahlreiche Münzen des Carausius, die man in den unteren Ausgrabungsschichten gefunden hat, lassen darauf schließen, dass hier der Endausbau zu Beginn seiner Herrschaft, 285 n. Chr., oder schon bald danach in Angriff genommen wurde. Diese Kastelle sind zwar noch als typische Vertreter der Festungsbauschule des 2. Jahrhunderts n. Chr. anzusehen, sind aber schon wesentlich „nachgerüstet“ worden.

Der Entstehungszeitraum von Portchester-Portus Adurni kann nach den dortigen Münzfunden ebenfalls für die Zeit der Ursurpation des Carausius, also um die Mitte der 280-er Jahre, angenommen werden. Es scheint daher gut möglich, dass er persönlich den Bau dieses wichtigen Flottenstützpunktes und -hauptquartiers initiiert hat.[4] Pevensey-Anderitum wurde schließlich als letztes Kastell der Sachsenküste während der Herrschaft des Carausiusnachfolgers Allectus, 293 n. Chr., oder kurze Zeit später vollendet.[5]

[Bearbeiten] Tore und Türme

Aufgrund der viel massiveren Bauart spätantiker Türme und Festungstore waren diese nun auch stabil genug, um mit leichter Torsionsartillerie bestückt zu werden. Die vor der Mauer stehenden Türme ermöglichten einen viel besseren Überblick auf das Vorfeld des Kastells und erlaubten es, die Belagerer in ein vernichtendes Kreuzfeuer zu nehmen, noch bevor sie überhaupt die Mauer erreicht hatten. Die Türme besaßen hierfür meist zwei übereinander liegende Plattformen und waren mit halbrunden großen Fenstern versehen. Diese Fenster waren für die Artillerie (ballistae) notwendig, da sie ein breiteres Schussfeld ermöglichten.

Die Ballista war eine leichte Schleuderwaffe, die Bolzen verschießen konnten (iacula), jeder Turm konnte mit einem Exemplar bestückt werden.[6] Diese doppelarmige Torsionsmaschine hatte eine Reichweite von fast 400 m, richtig und effektiv eingesetzt konnte sie trotz doch relativ langsamer Schussfolge Belagerer von den Mauern weitestgehend fernhalten. Nach Ammianus Marcellinus[7] war die Balliste eine hochwirksame Antipersonen-Waffe.

Um das Gewicht dieser Maschinen und Ihrer Bedienungsmannschaft tragen zu können, waren diese Türme besonders fest gebaut. Ihre Dächer waren für gewöhnlich flach und mit Zinnen versehen oder zeltförmige bzw. halbrunde Ziegeldächer, die die darunterliegende Plattform auch noch zusätzlich vor feindlichen Beschuss schützten. Die Wehrgänge der Tore waren meist gemauert und wurden durch die beiden Tortürme unterbrochen, die die Zugänge zum Haupttor und die benachbarte Mauer flankierten. Das Haupttor selbst stand immer hinter der Mauerflucht, dies erlaubte den Verteidigern, den gegen das Tor anstürmenden Feind von drei Seiten aus, wie in einer Art Zwinger, mit ihrem Abwehrfeuer einzudecken. Die Torflügel bestanden aus Holz, beschlagen mit Eisenplatten, um sie besser vor Feuer zu schützen. Die Torbauten waren meist zweistöckig und nur noch von einer Durchfahrt durchbrochen.

[Bearbeiten] Innenbauten

Während des frühen Prinzipats waren die Innenbauten eines Kastells immer entlang der beiden Lagerhauptstraßen angelegt (via praetoria, via principalis), die sich im Zentrum des Kastells kreuzten; dies war auch immer die Stelle, an der das Lagerhauptquartier zu finden war (principia). Dieser Standard wurde mehr oder weniger bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. beibehalten.

Die Kastelle, die ab diesen Zeitpunkt errichtet wurden, unterschieden sich nun auch in Bezug auf ihre Innenbauten wesentlich vor ihren Vorgängern. Der umstrittenste Aspekt war hierbei die geringe Raumausnutzung innerhalb der Verteidigungsmauern. Viele Gebäude wurden nun gezielt entlang der inneren Umfahrungsstraße (via sagularis) gebaut. Ab dem 4.Jahrhundert wurden die Kasernenblöcke direkt an den Wällen angelegt, vielleicht um diese während einer Belagerung besser vor Brandgeschossen zu schützen. Badehäuser, früher ausnahmslos im Außenbereich der Kastelle, wurden nun ebenfalls ins Innere der Festungen verlegt, trotz der großen Feuergefahr, die von ihnen ausging. Die Lage der Gebäude am Rande ließ nun im Zentrum des Kastells eine große Fläche frei; principia waren oft überhaupt nicht mehr vorhanden, wenn dann genügte dafür ein einfaches, ebenerdiges Gebäude, sie waren offensichtlich nicht mehr alleiniger Mittelpunkt des Garnisonslebens.

Auch diese Veränderungen im Gegensatz zu den Zeiten des Prinzipates hatte wohl ihre Ursache in den großen Umbrüchen, die auch die Organisation der römischen Armee durchmachte. Während des späten Reiches wurde Administration und Logistik mehr und mehr zentralisiert. Die Ausrüstung wurde meist in zentralen, staatlich geführten Manufakturen (fabricae) hergestellt und dort auch repariert, auch die Nahrungsversorgung wurde straffer kontrolliert. Folglich reduzierte sich auch die Anzahl der Kornspeicher und Werkstätten in den Kastellen, da sie nicht mehr in so großer Anzahl wie früher benötigt wurden. Die früher aufwendige Lagerverwaltung wurde erheblich reduziert, ein eigenes Verwaltungsgebäude für jedes Kastell war daher unnötig.[8]

Der Unterschied zwischen dem Innenbereich frühkaiserzeitlicher und spätrömischer Kastelle ist besonders gut an den Exemplaren der britischen Sachsenküste zu sehen. Wir dürfen annehmen, dass hierbei Reculver-Regulbium ein Musterbeispiel für die Kastelle des frühen 3. Jahrhunderts ist. Bei Stichgrabungen entlang der geschotterten Überreste der via principalis, via praetoria und via sagularis machte man diesbezüglich dort zahlreiche Entdeckungen. Die in Steinbauweise errichtete principia war unterkellert, wohl ein sacellum (Fahnenheiligtum), das Gebäude lag nach klassischer Manier genau in der Mitte des Kastells, die umliegenden Gebäude dienten als Kasernen, Werkstätten und für andere untergeordnete Funktionen (Philip 1996).

Schwerer zu interpretieren sind später entstandene Kastelle. Viele der Gebäude, die innerhalb ihrer Mauern ausgegraben und untersucht wurden präsentierten sich als einzelstehende Holzbauten. In Dover-Dubris z. B. fand man davon alleine elf Stück, mit runden, rechteckigen und ovalen Grundrissen.[9] Man entdeckte gleichzeitig u. a. auch geschotterte Straßen mit hölzernen Gehsteigen und Schmelzöfen samt deren Aschengruben. Das Kastellbad (thermae) aus dem 2. Jahrhundert lag ursprünglich außerhalb des frühkaiserzeitlichen Kastells, wurde aber später in den Innenbereich des nun zwischen Zivilbevölkerung und Militär aufgeteilten spätrömischen Kastells einbezogen und weiterverwendet, wenn auch in einer leicht modifizierten Form. Solche Badehäuser wurden auch in Richborough-Rutupiae und Lympne-Lemanis ausgegraben. Spuren von Zementböden lassen auch hier auf hölzerne Gebäude schließen, wahrscheinlich gewöhnliche Mannschaftsunterkünfte, in Portchester-Portus Adurni fand man ebenfalls Zementböden, Abwasserkanäle und Ausführung der Anlagen deuten insgesamt vier kleinere Holzgebäude an.

[Bearbeiten] Lage und Konstruktionsmethoden

Generell wurden die Kastelle an strategisch günstigen Plätzen auf vor den Gezeiten sicheren Boden und nahe aber nicht direkt an der offenen See errichtet. Den Naturgewalten direkt ausgesetzte Häfen waren bei römischen Architekten nie beliebt und in den meisten Fällen waren sie bemüht durch natürliche Barrieren vor der See geschützte Plätze zu nutzen wie z.B. in Brancaster, Reculver, Richborough, Portchester und Lymphne.

Das Prozedere bei der Errichtung eines Kastells am Wash-Solent-Limes war im Grunde immer gleich. Der Bau begann mit dem Aushub eines rechteckigen und flachbödigen, 0,7 x 1,5 m messenden Graben, dann legte man normalerweise zuerst große Steinblöcke auf, auf denen man dann die Mauer aufsetzte. So ein Fundament war hauptsächlich Trockenmauerwerk, bestehend aus Flint, Kreide oder anderem unmittelbar vor Ort verfügbaren Steinmaterial, gelegentlich vermischt mit Lehm. Manchmal fand sich auch ein dünner Betonanstrich (Pevensy, Brancaster). War der Untergrund sumpfig und instabil, oder sollten die Mauern eine beträchtliche Höhe erreichen wurde auf Holzpfählen (Piloten) gebaut (Richborough, Lympne, Pevensy).

Die Außenseite der Mauer verlief gerade, die Innenseite hingegen oft treppenförmig, nach oben hin immer schmaler werdend (Burgh Castle) oder auch abgeknickt, das garantierte eine zusätzliche Stabilität. Sorgfältig gesetzte Reihen kleiner rechteckiger Flinsteine bildeten die Außenseiten der Wehrmauer, der Zwischenraum wurde mit einem gestampften Mix aus Bruchstein und Mörtel (Sand, Kies, Kalk) gefüllt, dann eine weitere Reihe von Decksteinen aufgemauert, der Zwischenraum wiederum mit Gußmauerwerk aufgefüllt usw. Hatte die Mauer eine Höhe von 1,5 m oder höher erreicht musste f.d. Weiterbau ein Arbeitsgerüst aufgestellt werden, dieses bestand aus Holzbalken die horizontal und vertikal an der Außenseite der Mauer entlangliefen oder direkt in dafür vorbereiteten Aussparungen der Mauer verkeilt wurden.

Diese Art von Mauerkonstruktion hatte allerdings bei der Verbindung der äußeren Deckschicht mit der Innenfüllung der Mauer eine empfindliche Schwachstelle. Deswegen fügten die Baumeister oft immer wieder längere, flachere Steine in die Verblendung ein, die sich besser mit den Gussmörtel verbinden ließen; als zusätzliche Verankerung wurden regelmäßig horizontale Bänder, bestehend aus Ziegeln, flachen Steinen oder wiederverwendeten Altmaterial, in die Konstruktion einbezogen, da diese meist viel weiter in die Gussmörtelfüllung hineinreichten als die äußeren Decksteine. Solche Ziegel/Steinbänder sind daher ein signifikantes Merkmal spätantiker Architektur.

Die tatsächliche Höhe der Kastellmauern ist heute nicht mehr exakt feststellbar. Einen Anhaltspunkt hierfür liefert Vitruv, Militäringenieur und Zeitgenosse des Augustus, der schreibt, dass eine klassische Erdrampenmauer von der Breite her so beschaffen sein müsse, dass sich voll bewaffnete Männer bequem an der Mauerkrone aufstellen und ohne sich gegenseitig zu behindern aneinander noch vorbeilaufen können müssen (1.5.1).

Die Breite der noch am höchsten erhaltenen Kastellmauer an der Sachsenküste, die von Burgh Castle (4,5 m), lassen annehmen, dass hier die Verteidigungsanlage noch in ihrer ursprünglichen Höhe aufrecht steht; addiert man noch eine Brustwehr hinzu (im Durchschnitt 1,6 m) kommt man auf eine Höhe von rund 6 m. Andere Kastelle hatten jedoch noch schmalere Wälle (Richborough, Portchester, Pevensy).

[Bearbeiten] Baumaterialien

Das Baumaterial für die Errichtung der Kastelle der Sachsenküste wurde aus nah und fern herbeitransportiert. In den meisten Fällen dominierte aber naturgemäß jenes, das in unmittelbarer Nähe der Baustelle gewonnen werden konnte.

Lymphne verdient in dieser Hinsicht besondere Beachtung. Hier nutzten die Römer ausschließlich Materialien die in der näheren Umgebung zu finden waren, Kalkstein der nur wenige 100 m entfernt gebrochen und für die Innenfüllung und die Decksteine verwendet und auch zu Mörtelkalk gebrannt werden konnte, Kies und Sand wurden vom nahen Strand herbeigeschafft, Bauholz in den umliegenden Wäldern gefällt. Für die charakteristischen Ziegelbänder wurde meist das Material aus abgerissenen Gebäuden verwendet.

Reculver hingegen ist ein Beispiel für eine andere Vorgehensweise in der Materialbeschaffung. Zu fast 90 % wurde hier Material verwendet, das mindestens 20 km entfernt gewonnen wurde. Es wurde sogar „Kentish ragstone“ verbaut, der aus Medway quarries, immerhin 70 km entfernt, herbeigeschafft wurde (Pearson 2002:79).

Die Verwendung von Altmaterial ist besonders gut in Richborough und Lympne zu beobachten wo eine große Menge an tegulae, Dachziegel, in die Ziegelbänder eingebaut wurde. Man muss zwar schon genau hinsehen, aber solche „Second-hand-Steine“ sind hier überall zu entdecken, für das Fundament wurden z.B. an beiden Plätzen wohl Blöcke von nutzlos gewordenen Monumentalbauten wiederverwendet. Besonders bei Richborough vermutet man, dass bis zu 70 % des Baumaterials von einem Triumphbogen des 1. Jhdt. stammt der alleine vermutlich annähernd 16.000 m³ des benötigten Steinmaterials lieferte (Pearson 2002:80). In den meisten Fällen wurde es aber von der nahen Küste herangeschafft, lockeres Gestein (z.B. Flintstein) kam hier in Massen vor und konnte leicht abtransportiert werden. Sand und Kies für den Mörtel war ebenfalls reichlich vorhanden.

[Bearbeiten] Arbeitskräfte

Bauprojekte in dieser Region erforderten wohl keine speziell ausgebildeten Handwerker, die meiste Arbeit fiel ohnedies bei der Steingewinnung an, nur ein kleiner Teil musste von Fachkräften wie z. B. Maurer und Zimmerleute, erledigt werden. Die Armee dürfte aber auch hier eine tragende Rolle innegehabt haben, da in ihren Reihen traditionell eine große Anzahl an Spezialisten diente die rasch an den div. Baustellen eingesetzt werden konnten obgleich auch sicher viele Arbeitskräfte von der örtlichen Zivilbevölkerung gestellt werden mussten, hier insbesondere von den Angehörigen der Handwerkszünfte.

Ein Jurist des 2. Jahrhunderts, Tarrutienus Paternus, Prätorianerpräfekt unter Kaiser Commodus und anerkannter Militärspezialist, bestätigt dies. Seine Beschreibungen von Soldaten berichten u.a. von den sog. "immunes" (vom schweren Dienst befreit), sie setzten sich u.a aus Architekten, Schiffbauer, Stellmacher, Steinmetzen, Kalkbrenner, Holzfäller und Köhlern zusammen (Digesta 50.6.7). Man findet hier also schon eine vollständige Liste aller derjeniger Facharbeiter, die für den Bau eines Kastells benötigt wurden.

Von den Vorgängerbauten in Reculver-Regulbium und Branchaster-Branoduno sind u.a. gestempelte Dachziegel erhalten geblieben die von zwei Einheiten, der cohors I Baetasiorum und der cohors I Aquitanorum, gebrannt wurden, sie belegen die Beteiligung ihrer Soldaten am Bau der Kastelle. Bevor sie in den Süden abgezogen wurde war die cohors I Aquitanorum z.B. in Brough-on-Noe stationiert wo sie ebenfalls bei Bauarbeiten eingesetzt wurde (RIB 28.3).

Bei später entstandenen Kastellen der Sachsenküste ist hingegen weniger klar, wer bei ihren Bau direkt beteiligt war. Ab dem 3. Jahrhundert wurde die Präsenz der römischen Armee in Britannien immer weiter reduziert sodass Ende des Jhdt. von den ursprünglich geschätzten 55.000 Mann (um 210 n Chr.) wahrscheinlich nur mehr die Hälfte übrig war (Breeze 1984: 267). Entscheidend hierfür ist auch, dass sich die Zusammensetzung der Truppen in dieser Zeit verändert hat, d.h., dass sich ab Mitte des 3. Jhdt. auch die Anzahl der verfügbaren Handwerker reduziert haben muss.

Trotz solcher Aderlässe war die römische Armee in Britannien zu diesem Zeitpunkt dennoch nicht überstrapaziert, seine Provinzen waren größtenteils von den teils heftigen Auseinandersetzungen die im übrigen Imperium wüteten unbehelligt geblieben. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die Armee beim Bau der letzten Kastelle an der SK noch federführend war und die vor Ort eingesetzten britischen Einheiten während der Sezession des britischen Sonderreiches unter Carausius und Allectus auch noch zusätzlich durch Soldaten aus Gallien unterstützt wurden.

[Bearbeiten] Römische Küstenverteidigung in Britannien (250 bis 500 n. Chr.)

Nach zeitgenössischen Quellen fielen die Sachsen in den Jahren 285/86 n. Chr. erstmals massiv von See her in die römischen Provinzen von Gallien und Britannien ein. Sie folgten dabei einer langen kriegerischen Tradition, aufgrund derer sie immer wieder die Küsten Nordgalliens und Südbritanniens unsicher gemacht hatten. Als Gegenmaßnahme richtete die römische Verwaltung zu beiden Seiten des Ärmelkanals einen eigenständigen Militärbezirk ein, das sogenannte Litus Saxonicum. Als der römisch-vandalische Feldherr Stilicho in Britannien militärisch aktiv wurde fand diese Bezeichnung möglicherweise erstmals Eingang in den römischen Amtskalender, die Notitia Dignitatum (ND). Sie zählte für das südöstliche Britannien eine Reihe von Militärbasen auf, die als limes bezeichnet wurden.

[Bearbeiten] Organisation und Verteidigungsstrategien

Für die Sachsenküste war nach der Notitia Dignitatum der Comes litoris Saxonici per Britanniam („Graf der Sachenküste“) als ranghöchster Offizier zuständig. Ein großes Problem liegt in der Tatsache, dass der betreffende Teil der ND (Occ. XXVIII) nur neun Seiten umfasst, obwohl nachweislich elf Kastelle am Wash-Solent Limes standen. Genannt werden nur die Kastelle:

Othona (Bradwell), Dubris (Dover), Lemannis (Lympne), Branoduno (Brancaster), Garianno (Burgh Castle), Regulbi (Reculver), Rutupis (Richborough), Anderidos (Pevensey) und Portum Adurni (Portchester).

In den meisten Fällen konnten diese Kastelle zweifelsfrei zugeordnet werden. Gariannum z. B. konnte mit dem Fluss Yare (Gariennus) in Verbindung gebracht werden, da dieser Flussname schon von Ptolemaios (Geographia 2.3.4) erwähnt wird.

Wahrscheinlich wurden schon unter Severus Alexander (222–235 n. Chr.) die ersten Soldaten von der Nordfront abgezogen und in den Kastellen der Sachsenküste stationiert. Die cohors I Aquitanorum beispielsweise stand in Brancaster-Branoduno (RIB 2466), während die cohors I Baetasiorum nun in Reculver-Regulbium (RIB 2468) lag. Ob diese Truppenverschiebungen das direkte Resultat der wachsenden Gefährdung durch Piraten von der Nordsee war, ist heute schwer zu sagen, aber sehr wahrscheinlich.

Neben dem in der Notitia Dignitatum erwähnten britischen comes litoris Saxonici gab es noch zwei weitere Kommandeure mit den gleichen Aufgaben an der Küste Galliens. Sie standen jeweils unter dem Kommando des dux tractus Armoricani et Nervicani und dem dux Belgicae secundae und befehligten die Garnisonen der Nordwestküste Galliens im Abschnitt des dortigen litus Saxonicum. Ihre Kohorten lagen in den Festungen von Grannona bzw. Marcis (ND Ocr. XXXVII 14, XXXVIII 6).

Stephen Johnson, der glaubte, dass mit der Sachsenküste die von „Sachsen attackierte Küste“ gemeint sei, folgerte daraus, dass diese ihr Gegenstück sinngemäß im römischen Küstenschutz auf der gallischen Seite des Kanals haben müsse, dies auch deswegen, da die dazugehörigen Kastelle in den meisten Fällen geographisch ziemlich genau gegenüber denen an der britischen Küste lagen. Er nahm daher weiter an, dass die drei vom dux Belgicae secundae kommandierten Einheiten Teil des Verteidigungssystems der Sachsenküste waren. Weiters glaubte er, dass Grannona, dass unter dem Kommando des dux tractus Armoricani et Nervicani stand, ein wichtiger Eckpfeiler des ursprünglichen Verteidigungskonzeptes der Sachsenküste an der gallischen Küste gewesen sei. Er schlug auch vor, diesen Hafen im Mündungsgebiet der Seine zu suchen, das nicht weit vom heutigen Le Havre liegt. Wenn sich dies eines Tages als korrekt herausstellen sollte, müsste Grannona genau gegenüber den Positionen von Pevensey-Anderitum und Portchester-Portus Adurni zu finden sein. Somit wäre auch hier Johnsons Theorie bestätigt, dass das Organisationssystem der Sachsenküste auf beiden Seiten des Oceanus Britannicus galt und sich insgesamt drei römische Kommandeure die Verantwortung für die Sicherung der Nordwest-Küste Galliens und der Südost-Küste von Britannien teilten.

Obwohl das archetiktonische Design der Küstenkastelle in Britannien nicht standardisiert ist, weisen sie doch in ihrer Charakteristik Ähnlichkeiten mit den neu erbauten Kastellen in Gallien auf. Diese Bauweise war eine Konsequenz aus der neu erworbenen Fähigkeit der Invasoren in Gallien, nun auch längere Belagerungen durchzuführen. Darauf reagierten die Römer Ende des 3. Jahrhunderts mit neuen Festungsbauwerken, um ab 276 n. Chr. die urbanen Zentren Galliens vor Überfällen der Franken und Alamannen zu schützen. Dennoch weisen diese massiven Verteidigungsanlagen im Großen und Ganzen signifikante Unterschiede zu den zeitgenössischen Militäranlagen in Britannien auf. Für Johnson ist dies wiederum ein Hinweis darauf, dass die Kastelle der Sachsenküste Teil eines Abwehrsystems waren, das eigentlich für Gallien erdacht wurde und nicht primär für Britannien.

Dies erkennt man an den Kastellen, die schon zwischen 276 und 285 n. Chr. erbaut wurden, wahrscheinlich im Auftrag des Probus. Die zu dieser Zeit bereits vorhanden Kastelle - Brancaster-Branoduno, Caister-on-Sea und Reculver-Regulbium – wurden kurzerhand in das neue Verteidigungskonzept integriert. Wann das passierte, oder auf wessen Veranlassung, ist unbekannt, möglicherweise war Carausius der erste Kommandant der Sachsenküste (Johnson 1979: 68-69, 1983: 211-13). Johnson sah dieses Verteidigungsystem als für einen langen Zeitraum angelegt an und vermutete, dass der comes maritimus i tractus, der das erste Mal im Zuge der barbarica conspiratio von 367 n. Chr. erwähnt wurde, der direkte Nachfolger des comes litoris Saxonici war.

Für Johnson hatten die Kastelle der Sachsenküste eine dreifache Funktion:

  • befestigte Versorgungs- und Heimatbasen für kleinere Flotillen, deren Aufgabe es war Seeräuber schon an der vordersten Linie abzuwehren,
  • Garnisonen für Infanterie- oder Reitereinheiten, die bei Landungen feindlicher Barabaren sofort in Marsch gesetzt werden konnten um diese noch an der Küste zu vernichten,
  • Abschreckung von Plünderern da sie meist an den Mündungen größerer Flüsse lagen, die leicht als Einfallstore für Invasoren genutzt werden konnten.

[Bearbeiten] Verteidigung gegen Rom?

White, der sich schon vor Johnson und seiner Theorie der Datierung mit der Entstehung und Funktion der Sachsenküste auseinandersetzte, sah keinerlei archäologische Hinweise darauf, dass die Kastelle während der Ursurpation des Carausius errichtet worden waren. Heute werden seine Hypothesen über die Zweckbestimmung des Wash-Solent-Limes aber einer kritischen Neubewertung unterzogen.

White schreibt u. a., dass die Kastelle für die reine Piratenabwehr viel zu massiv gebaut waren und mit einfachen Holzpalisaden befestigte Lager völlig ausreichend gewesen wären, da ohnehin meist nur kleinere Bootsbesatzungen germanischer Plündernder an der Südostküste anlandeten (White 1961: 40). Im Gegensatz zu Johnson (1979: 6-7), vermerkt White, dass keinerlei Hinweise, weder dokumentarische noch archäologische, auf ein großes Problem mit der Piraterie der Angelsachsen im Britannien des späten 3. Jahrhundert bekannt seien. Wenn dem so ist und Carausius der Erbauer der Kastelle der Sachsenküste war, dann hatten sie tatsächlich nur einen Zweck gehabt: Britannien gegen die Truppen der Zentralregierung zu verteidigen.

Whites Theorie, dass der Wash-Solent-Limes von Carausius und Allectus eingerichtet und noch um die Festungen Pevensey-Anderitum und Portchester-Portus Adurni erweitert wurde, hat allerdings in akademischen Fachkreisen nur wenige Anhänger gefunden. Mit der Publikation neuer Forschungsergebnisse in Pevensey lebte die Debatte darüber aber wieder auf. Über ein Jahr andauernde Ausgrabungen am normannischen Hauptturm und an den römischen Fundamenten in der Südostecke des Kastells brachten u. a. Reste von Eichenstämmen ans Tageslicht. Gleichzeitig damit wurde jeweils eine Münze aus der Zeit des Carausius und des Allectus gefunden. In Zusammenhang mit einer dendrochronologischen Analyse der Holzstämme konnte festgestellt werden, dass das Holz zwischen 280 und 300 n. Chr. verarbeitet worden war. Die Münze des Allectus sprach zusätzlich für das Jahr 293 n. Chr. als terminus post quem dieser Festung, höchstwahrscheinlich wurde sie also auch von ihm in Auftrag gegeben.

Die Datierung von Pevensey-Anderitum in die Regierungszeit des Allectus macht es daher sehr wahrscheinlich, dass ursprünglich Carausius für den Aufbau des Wash-Solent-Limes verantwortlich war. Dies erscheint auch wegen des Verlustes des Kriegshafens Boulogne-sur-Mer (Gesoriacum) 293 n. Chr. plausibel, da Britannien ab diesem Zeitpunkt gegen eine Invasion der Reichstruppen vom Kontinent her weitaus verwundbarer war (Fulford-Tyers 1995).

Der Auslöser für die Erbauung von Pevensey-Anderitum und fast zeitgleich des nahe gelegenen Portchester-Portus Adurni sowie die Modernisierung der schon vorhandenen Küstenkastelle im Süden und Osten Britanniens könnte also tatsächlich die Usurpation von Carausius und Allectus gewesen sein. Nach der vernichtenden Niederlage und dem Tod des Allectus war klar, dass die Kastelle sich hierfür als unbrauchbar herausgestellt hatten. In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts könnten sie aber aufgrund zunehmender Überfälle der Angelsachsen wieder reaktiviert worden sein. (White 1961: 19-54).

[Bearbeiten] Befestigte Häfen

Manche Forscher sehen wenig Zusammenhang zwischen den Kastellen der Sachsenküste und der Bedrohung durch fremde Völker oder Piraten.

Speziell Cotlerill (1993) vertritt die Idee, dass die Kastelle rein kommerziellen Aufgaben als befestigte Handelshäfen dienten, und mit der eigentlichen See- und Küstenverteidigung überhaupt nicht befasst waren. Die Lage der meisten Kastelle, nahe der Mündung schiffbarer Flüsse, erlaubt durchaus die gleichzeitige Nutzung für militärische und kommerzielle Zwecke. Ihre Infrastruktur könnte als Stapelplatz für Versorgungsgüter der Inlandsgarnisionen vorgesehen gewesen sein oder diente als Sammel- und Umschlagplatz landwirtschaftlicher Güter und anderer Erzeugnisse der Region, die vielleicht der Armee vorbehalten waren. Die meisten der hier umgeladenen Waren gingen wohl an die Nordgrenze, aber es ist gut möglich, dass die Kastelle eine wichtige Rolle bei der Versorgung Galliens und der Rheingrenze spielten.

Die Route für die Versorgung mit Getreide aus Britannien wurde 359 n. Chr. vom Caesar des Westens, Julianus, wieder geöffnet. Damit wurde die Voraussetzung für größere Operationen der gallischen Feldarmee am Niederrhein geschaffen. Zu diesem Zweck ordnete Julianus u. a. den Bau von 600 großen Getreidefrachtern an (Ammianus 18.2.3, Julian: Epistulae ad Athenaion 279-280, Zosimus 3.5.2). Die Kastelle der Sachsenküste könnten daher auch als Etappenquartiere der Verstärkungen für Julians Armee gedient haben.

Auch der Gebrauch von Richborough-Rutupiae durch den Feldherren Flavius Theodosius als Landeplatz für seine Armee als Reaktion auf die barbarica conspiratio von 367 n. Chr. zeigt, wie wertvoll solche befestigte Häfen sein konnten (Ammianus 27.8.7).

Wenn die Kastelle also wirklich Teile eines umfassenden Logistiksystems waren, könnte dies das Konstruktionspinzip der Kastelle Brancaster-Branoduno, Caister-on-Sea und Reculver-Regulbium in den Dekaden vor den ersten historisch verbürgten Hinweisen auf Piratenaktivitäten an der Nordsee und im Kanal erklären. Trotz des Schweigens in den literarischen Quellen über solche Angriffe von der Nordsee aus und des Mangels an diesbezüglichen archäologischen Funden, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass Britannien vollkommen sicher vor Überfällen der Angelsachsen oder auch der Franken war. Solche Raubzüge waren durchführbar, wenn die Plünderer sich in zerstörten Orten und aufgegebenen Kastellen an der gallischen Küste ihre Basen einrichteten, da die Armee diese langgezogenen Küstenlinien schwer kontrollieren konnte. Die schnellen und robusten Ruderboote der Germanen waren seetüchtig und auch als Kriegsschiffe einsetzbar, längere Seereisen wurden ohnehin nur in Sichtweite der Küste unternommen, navigiert wurde hauptsächlich mit Hilfe von Landmarken.

[Bearbeiten] Siedlungstätigkeit außerhalb der Kastelle

Kleinere Zivilsiedlungen (vici) lagen vor fast allen römischen Kastellen. Die meisten von ihnen waren örtliche Zentren von Handwerk und Handel im bescheidenen Umfang, einfach und anspruchslos angelegt. Auch bei den meisten SK-Kastellen wurden solche Siedlungen gefunden, die größte bei Brancaster. Luftbildaufnahmen enthüllten hier die Umrisse zahlreicher Gebäude von deren Standort aus Straßen in alle Himmelsrichtungen führten. Daran anschließende Ausgrabungen im Westen des Kastellvorfeldes bestätigten die Beobachtungen aus der Luft (Hinchliffe-Green 1985).

Auch um Burgh Castle konnte eine nennenswerte zivile Siedlungstätigkeit nachgewiesen werden (Gurney 1995), die restlichen Kastelle der Sachsenküste sind in dieser Hinsicht aber noch zu wenig erforscht. Ausnahmen sind hierbei Pevensey und Portchester, hier gab es diese Dörfer nicht da sie auf felsigen Halbinseln und zu nah am Meer lagen. Im Innenbereich von Portchester-Portus Adurni konnten allerdings Spuren kleinerer Werkstätten und einer Fleischerei beobachtet werden (Cunliffe 1975A).

[Bearbeiten] Die Kastelle in Britannien

Die bekannten Kastelle an der britischen Sachsenküste sind:

[Bearbeiten] Die Sachsenküste in Gallien

[Bearbeiten] Namensgebung und Funktion

Die Bezeichnung litus Saxonicum für die Küstenregion Galliens stammt wohl ebenfalls von sächsischen Stämmen, die sich dort niedergelassen hatten. Das Gebiet umfasste eine Linie von römischen Festungen an der Kanalküste zwischen Flandern und der Halbinsel Cotentin, errichtet um 390 n. Chr., um Überfälle von Sachsen, Franken und Scoten an diesem Abschnitt zu verhindern.

Die Römer fanden bei der Eroberung Galliens für die Region an der Biskaya und am Ärmelkanal den Namen Armorica vor. Dieses Wort bedeutet „Land längs des Wassers“ (vom keltischen ar „entlang“ und mor „Wasser“).

Dieser Name, der von Gaius Iulius Caesar in seinen Commentarii de bello Gallico überliefert wird, ist teilweise auch heute noch in Gebrauch. Als die erste römische Provinzialeinteilung in Gallien entstand, blieb zwar der Ausdruck tractus Armoricanus noch als allgemeine Bezeichnung für die Küste von der Mündung der Loire bis zur Schelde erhalten, aber Gallien wurde verwaltungstechnisch auf größere, sich ins Innere des Landes erstreckende Provinzen aufgeteilt. Diese Organisationsform blieb bis gegen Ende des dritten und den Anfang des vierten Jahrhunderts in Funktion. Die späteren Ereignisse, die das Weströmische Reich seinem Untergang immer näher brachten, besonders der Zuzug ganzer germanischer Stämme aus dem Osten, machten aber für einen Teil des tractus Armoricanus eine dritte, speziellere Bezeichnung notwendig, die des litus Saxonicum.

[Bearbeiten] Geschichte

Die Sachsen waren im 3. Jahrhundert n. Chr. durch die Völkerwanderung gezwungen, ihre Stammesgebiete zu verlassen und über die Elbe Richtung Süden abzuwandern. Alle der Seefahrt unkundigen Binnenlandsbewohner schlugen für gewöhnlich diesen Weg ein. Schon der Örtlichkeit wegen mussten aber große Teile der Sachsen in ihren früheren Wohnsitzen Schifffahrt betreibende Küstenbewohner gewesen sein. Die Küstenbewohner der Völkerwanderungszeit suchten oft per Schiff andere Küsten auf, an denen sie sich niederlassen konnten.

Den Sachsenstämmen im Westen Europas blieb bei einem von Osten kommenden Wanderungsdruck nur der Weg weiter nach Westen offen. Hier mussten sie aber auf die Friesen treffen – von jeher ein hier ansässiger kriegerischer Germanenstamm –, dann an der Rheinmündung auf die Franken und die mit ihnen verbündeten Stämme, bei denen ebenfalls kein Unterkommen war. Aber südwestlich fanden sie, im römischen Reich, schwächere Völker vor. So entstand der litus Saxonicum des nördlichen Gallien, in dem vielleicht auch noch Versprengte anderer germanischer Stämme (z. B. Jüten und Angeln) ebenfalls eine neue Heimat fanden.

[Bearbeiten] Ansiedlung der Sachsen

Die Indienstnahme zahlreicher sächsischer Söldner in die römische Armee machte den Namen der Sachsen als kühne, gefolgschaftlich organisierte Seefahrer auch bei ursprünglich ihnen nicht zugehörigen Bevölkerungsgruppen im Hinterland bekannt. Der römische Historiker Eutrop deutet an, dass auch der Usurpator Carausius die Sachsen gezielt zur Ansiedlung im nördlichen Gallien ermuntert habe. Eutrop schreibt im neunten Buch seiner Geschichte, dass die Sachsen am Ende des dritten Jahrhunderts den tractus Belgicae et Armoricae heimgesucht hätten. Gleiche Angaben finden sich auch bei den Panegyrikern. Erst nach den Unruhen des Bagauden-Aufstandes und der Rebellion des Carausius scheint diese Besiedlungsphase abgeschlossen gewesen zu sein. Als Constantius Chlorus Bononia (Boulogne-sur-Mer), das frühere Gesoriacum, für das Reich zurückerobert hatte, ließ er den von Carausius zu seiner Unterstützung dort angesiedelten Stämmen ihre neuen Wohnsitze.

Auch in der Gegend von Bayeux (damals Baiocas) erwähnen die Quellen seit dem vierten Jahrhundert dort ansässige Sachsen als Saxones Baiocassini. Dies ist der Ort, den auch andere Quellen als Siedlungsmittelpunkt einer neuen Bevölkerungsgruppe angeben, diese aber nur allgemein ohne besondere Stammesbezeichnung „Germanen“ nennen.

Die Notitia dignitatum führt die neu angesiedelten Stämme auf, ihre Namen weisen sie eindeutig als Germanen aus. Ihre individuelle Stammesverschiedenheit wird aber wenig beobachtet. Um Bayeux und Coutances (damals Constantia) saßen ebenfalls Laeti gentiles, und zwar Franci et Suevi. Für diese nördlichen Küstengegenden gab es einen Praefectus Laetorum Teutonicianorum, den Befehlshaber für die neuen germanischen Auxiliaren. Vielleicht wurde hier als erster „Teutoni“ als Kollektivname für die Germanen gebraucht, der übliche Sprachgebrauch in der Notitia berechtigt zu dieser Annahme.

Diese Stämme kamen also nicht als Seeräuber, sondern siedelten sich dort auf Dauer an. Erst in der Regierungszeit der Kaiser Valentinian I. und Valens veränderte sich diese Situation. In Britannien brachen infolge der barbarica conspiratio Unruhen aus, die sich auch auf den gallischen Teil des litus Saxonicum ausbreiteten. Der comes Nectaridus, militärischer Oberbefehlshaber der Region, wurde dabei getötet. Bald nutzten auch die dort ansässigen germanischen Stämme, die nun schon als Franken und Sachsen bezeichnet werden, das allgemeine Chaos aus und plünderten zu Lande und zu Wasser, wie schon früher, die von dort aus bequem erreichbaren angrenzenden reichen Regionen Galliens. Es scheint, dass es den Römern von da an nie wieder gelungen ist, sie in das alte Abhängigkeitsverhältnis zurückzuzwingen. Seit dieser Zeit wurden auch die in Gallien ansässigen Stämme der Sachsen als eigenständige Nation angesehen.

Bis zu diesem Aufstand der Germanen am litus Saxonicum hatten die Römer jedenfalls die Städte fest in ihrem Besitz. Von hier aus regierten sie nicht nur das Umland, sondern hielten auch römische Verwaltungsstrukturen, Sitten und Gebräuche aufrecht. Nach den Unruhen änderte sich auch das und die sächsischen Stämme gewannen schließlich die Oberhand. Nur wenige Städte verblieben unter der Herrschaft der Römer. Während die meisten Bewohner hier einst Coloni oder Laeti waren, nennt die spätere Ausgabe der Notitia dignitatum nur mehr einzelne, die nun über das ganze Land verstreut waren. Römische Funde lassen sich bis in die Zeit von Valens und Gratian verfolgen, dann brechen sie plötzlich ab. Vermutlich erlosch auch das römische Leben zu jener Zeit in dieser Region, dies würde mit dem Zeitpunkt zusammentreffen, den Ammianus Marcellinus für den katastrophalen Aufstand in jener Gegend angibt. Danach wurden die Sachsen in Gallien immer stärker. Ein Amt wie das des Comes Litoris Saxonici, das in Britannien noch einige Zeit lang weiterbestand, hatte nun für Gallien keine Bedeutung mehr. Welche Verbindungen die Sachsen nach ihrer gewonnen Selbstständigkeit weiterhin zu den Römern unterhielten, geht aus den Quellen nicht hervor.

Ist man für den litus Saxonicum in Gallien im vierten Jahrhundert nur auf solche spärlichen und unsicheren Vermutungen angewiesen, so werden uns für das fünfte und sechste schon wieder festere Anhaltspunkte geboten. Zosimos berichtet, dass Britannien und Armorica während der Ereignisse der Jahre 409 bis 411 von den Römern aufgegeben wurden. Dies stimmt mit zwei anderen Angaben überein, laut denen Armorica seit 416 durch die Feldzüge zweier Präfekten, Exuperantius und Littorius, noch einmal, wenn auch nur für kurze Zeit, wieder unter die Herrschaft der Römer gebracht wurde.

[Bearbeiten] Vordringen der Franken

Die Franken hatten sich zwischenzeitlich unter der Herrschaft eines Königs vereinigt. Ein solches Ereignis hatte bei germanischen Stämmen stets den Zweck, größere Kriege zu führen. König Chlodio, der von Dispargum (wahrscheinlich Duisburg) aus regierte, startete gegen 428 einen überaus erfolgreichen Eroberungszug. Gregor von Tours, von dem auch spätere Chronisten abschrieben, berichtet detailliert darüber. Dieser Zug war zunächst gegen die inneren gallischen Provinzen gerichtet, aber da er sich über Cambrai (Cameracum) bis Arras (Atrebatum) und an die Somme hinzog, und nun mehr als die ganze Provinz Belgica II umfasste, konnte er auch für die Sachsenküste nicht ohne Folgen bleiben. Zwar wurden dem weiteren Vordringen der Franken vom Heermeister Flavius Aëtius und später von Kaiser Majorian vorerst noch Einhalt geboten, aber die bereits eroberten Gebiete blieben in den folgenden Jahren weiter fest in der Hand der Franken. Der Friede, den die Franken schließlich mit Aëtius im Jahr 432 schlossen, bestätigte faktisch schon die Herrschaft des Frankenkönigs über Nordgallien, und damit auch über Teile der Bevölkerung des litus Saxonicum.

Childerich I. stand noch im Dienst des letzten römischen Heermeisters in Gallien, Aegidius. 463 kämpfte Childerich I. siegreich gegen die Westgoten bei Aurelianum (Orleans). Ein erneuter Angriff der Westgoten unter König Eurich auf Orleans konnte aber von römischen und fränkischen Truppen unter dem comes Paulus und Childerich zurückgeschlagen werden. Anschließend entsetzten Paulus und Childerich I. die von sächsischen Seekriegern gefährdete Stadt Angers; in diesem Kampf fiel Paulus. Childerichs Franken eroberten danach noch einige sächsische Stützpunkte auf den Loireinseln. Nach dem Tod des Aegidius folgte ihm sein Sohn Syagrius nach. Dieser nannte sich Rex Romanorum (König der Römer). Nach seiner vernichtenden Niederlage gegen Chlodwig I. in der Schlacht von Soissons waren auch die letzten Reste römischer Herrschaft in Gallien beseitigt.

Dennoch erhielt sich das Andenken an ein litus Saxonicum, als ein von Sachsen geschlossen besiedeltes Gebiet in Gallien von den fränkischen Königen an, durch einen langen Zeitraum. Ein Kapitular Karls des Kahlen nennt den ganzen Küstendistrikt, soweit er in der ehemaligen Provinz Lugdunensis II lag, Lingua Saxonica, genauer noch in einem Diplom von 843, das von einem Comitatus Baiocassinus und einem Pagellus Lingua Saxonica spricht.

[Bearbeiten] Militär

Das Verteidigungssystem in Gallien stützte sich im Wesentlichen auf vier große Festungsstädte:

  • Constantia (Coutances) (in der Tabula Peutingeriana Cosedia) war vermutlich nach dem Kaiser Constantius Chlorus oder nach seinem Sohn Konstantin benannt,
  • Rotomago (Rouen),
  • Abrincatis (Avranches) und
  • Granona.

In jeder dieser befestigten Städte stand ein größeres Kontingent der gallischen Provinzarmee. Die einheimischen Grenztruppen der Limitanei, die die örtlichen Festungen anfangs verteidigten, wurden allerdings bereits in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts durch Söldner oder Bundesgenossen sächsischer oder fränkischer Neusiedler ersetzt.

Die Organisation dieses Küstenschutzes des spätrömischen Reiches ist ebenfalls im Wesentlichen durch die Notitia Dignitatum bekannt, in der die Truppenabteilungen an dieser Küste angeführt sind. Die meisten dieser Standorte dienten wohl ebenfalls als See- und Kommunikationsverbindungen entlang der Küste des Cotentin und der Bretagne.

Erwähnt werden in der Notitia auch separate Kommandobereiche für die Nordküste Galliens, beide gehörten zum Verteidigungssystem der Sachsenküste. Als die Liste um ca. 420 n. Chr. zum letzten Mal herausgegeben wurde, war Britannien von den Römern schon längst sich selbst überlassen worden.

[Bearbeiten] Der Dux Belgica II

Unter dem Kommando des dux Belgica II, der sein Hauptquartier in der Stadt Portus Aepatiaci hatte standen folgende Einheiten:

  • Marcae (bisher noch nicht lokalisiertes Kastell, wahrscheinlich nahe der Hafenstadt Calais, möglicherweise das heutige Marquise oder Marck), bemannt durch die Equites Dalmatae. In der Notitia ist dies der einzige Ort , zusammen mit Grannona, an der gallischen Küste der extra als am litore Saxonico liegend angegeben wird.
  • Locus Quartensis sive Hornensis, lag wahrscheinlich an der Mündung der Somme, und war Haupthafen der classis Sambrica ("Flottengeschwader an der Somme")
  • Portus Aepatiaci (möglicherweise das heutige Étaples), hier waren die milites Nervii stationiert.

Seltsamerweise wird in der Notitia auch der Hafen von Gesoriacum oder Bononia (Boulogne-sur-Mer), der seit ungefähr 296 n. Chr. der Haupthafen der Classis Britannica war, als unter den Kommando des dux Belgicae Secundae stehend angegeben, dazu auch das Kastell Oudenburg.

[Bearbeiten] Der Dux tractus Armoricani et Nervicani

Weiter westlich, unter dem Kommando des dux tractus Armoricani et Nervicani, der die Küste der Normandie und Armoricas bis zur Mündung der Loire kontrollierte, listet die Notitia folgende Militärbasen auf:

  • Grannona (der genaue Standort ist bis heute umstritten, entweder an der Mündung der Seine oder beim heutigen Port en Bessin), das Kastell war wahrscheinlich auch das Hauptquartier des dux, als Garnisonstruppe diente hier die cohors prima nova Armoricana.
  • Rotomagus (Rouen), Garnisonstruppe waren die milites Ursariensii
  • Constantia (Coutances), Garnisonstruppe waren hier die legio I Flavia Gallicana Constantia
  • Abricantis (Avranches), Garnisonstruppe waren die milites Dalmati
  • Grannona (der Ort ist unsicher zu lokalisieren, man glaubt, dass es nicht mit den schon erwähnten Grannona identisch ist, vielleicht ein Kastell beim heutigen Granville), Garnisonstruppe waren die milites Grannonensii
  • Aleto oder Aletum (heutiges Aleth, nahe Saint-Malo), Garnisonstruppe waren die milites Martensii
  • Osismis (Brest), Garnisonstruppe waren die milites Mauri Osismiaci
  • Blabia (vielleicht Hennebont), Garnisionstruppe waren die milites Carronensii
  • Benetis (wahrscheinlich Vannes), Garnisionstruppe waren die milites Mauri Beneti
  • Manatias (Nantes), Garnisionstruppe waren die milites superventores

[Bearbeiten] Literatur

  • David J. Breeze: Roman Forts in Britain, Shire Publications, 1994, ISBN 0-85263-654-7
  • Nick Fields: Rome’s Saxon Shore Coastal Defences of Roman Britain AD 250–500, Fortress 56, Osprey Books, Dezember 2006, ISBN 978-1-84603-094-9.
  • Adolf Schaumann: Zur Geschichte der Eroberung Englands durch germanische Stämme. Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1845.

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Anmerkungen

  1. Vegetius, Epitome 4.37.
  2. Wilkinson 1994: 72-73.
  3. Pearson 2002:59.
  4. Cunliffe 1975A: 60.
  5. Fulford-Tyers 1995.
  6. Ammianus Marcellinus 23.4.2-3, Anonymous De rebus bellicis 18.1-5, Vegetius Epit 4.22, Procopius Kriege 1.21.14-18.
  7. 19.1.5,7, vergleiche 5.6, 7.4.
  8. Southern-Dixon 2000: 139-41.
  9. Wilkinson 1994: 76-77.


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